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Während seiner Fahrten durch Albanien hört Stasiuk den Fado. Melancholie und sanfter Trotz dieser Musik sind auch den 24 kurzen erzählerischen Meditationen eigen, die thematisch wie geographisch einen weiten Bogen schlagen: von Südpolen bis Montenegro, vom Blick durchs Vergrößerungsglas auf eine alte Karte, die bosnische Dörfer verzeichnet, bis zu den Reflexionen über die neue Mobilität als Flucht aus der eigenen Geschichte, dem eigenen Leben. »Gibt es eine bessere Metapher für die Reise als eine brüchige Landkarte? Gibt es eine noblere Art der Reise als die auf den Spuren eines…mehr

Produktbeschreibung
Während seiner Fahrten durch Albanien hört Stasiuk den Fado. Melancholie und sanfter Trotz dieser Musik sind auch den 24 kurzen erzählerischen Meditationen eigen, die thematisch wie geographisch einen weiten Bogen schlagen: von Südpolen bis Montenegro, vom Blick durchs Vergrößerungsglas auf eine alte Karte, die bosnische Dörfer verzeichnet, bis zu den Reflexionen über die neue Mobilität als Flucht aus der eigenen Geschichte, dem eigenen Leben. »Gibt es eine bessere Metapher für die Reise als eine brüchige Landkarte? Gibt es eine noblere Art der Reise als die auf den Spuren eines Schriftstellers, dessen Bücher man bewundert? So eine Reise ist eine Pilgerfahrt. Und die Pilgerfahrt ist ja nichts anderes als die ältere Schwester der Reise als solcher. Reisen heißt leben. Jedenfalls doppelt, dreifach, mehrfach leben.«
Autorenporträt
Stasiuk, AndrzejAndrzej Stasiuk, der in Polen als wichtigster jüngerer Gegenwartsautor gilt, wurde 1960 in Warschau geboren, debütierte 1992 mit dem Erzählband Mury Hebronu (Die Mauer von Hebron), in dem er über seine Gewalterfahrung im Gefängnis schreibt. Stasiuk wurde 1980 zur Armee eingezogen, desertierte nach neun Monaten und verbüßte seine Strafe in Militär- und Zivilgefängnissen. 1986 zog er nach Czarne, ein Bergdorf in den Beskiden.1994 erschienen Wiersze milosne i nie (Nicht nur Liebesgedichte), 1995 Opowiesci Galicyjskie (Galizische Erzählungen) und Bialy Kruk (Der weiße Rabe; 1998 bei Rowohlt Berlin), 1996 der Erzählband Przez rzeke (Über den Fluss; diesem Band ist Die Reise entnommen) und 1997 Dukla.2002 erhält er den von den Partnerstädten Thorn (Polen) und Göttingen gemeinsam gestifteten Samuel-Bogumil-Linde-Literaturpreis. Den literarischen Jahrespreis Nike erhielt Andrzej Stasiuk 2005 für sein Buch Unterwegs nach Babadag. Sein vielfach ausgezeichnetes Werk erscheint

in 30 Ländern. 2016 wurde er mit dem Staatspreis für europäische Literatur 2016 ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2008

Legitimität der Neuzeit? Da muhen doch die Kühe
Im Herzen ein Bauer: Andrzej Stasiuks Reisereportagen sind nostalgische Plädoyers für das einfache Leben auf dem Land

Andrzej Stasiuk, dessen Nachnamen die meisten noch immer aussprechen, als stecke die Überwachungsbehörde der DDR darin, wurde in Deutschland vor bald zehn Jahren mit dem Roman "Die Welt hinter Dukla" bekannt, auch wenn kaum jemand einen Schimmer davon hatte, wo Dukla liegt. Wie sollte man sich da erst die Welt dahinter vorstellen? Trotzdem glauben wir diesem Autor seine rauhbeinigen Geschichten aus dem Wilden Osten so gerne, dass er zum bekanntesten polnischen Gegenwartsliteraten im deutschsprachigen Raum wurde. Albanien, Montenegro, Rumänien, Ungarn, Slowenien, Südpolen - Stasiuks Rapporte aus den hintersten Winkeln Osteuropas kleiden sich oft ins Gewand der Reportage, obwohl es sich eher um Beschwörungen handelt. Sie atmen die romantische Aura des Vergehenden und klagen über die atmosphärischen Kollateralschäden der Modernisierung. "In unserer Welt", so schreibt Stasiuk in "Fado", einem jüngst erschienenen Bändchen mit Reiseskizzen, "gibt es immer weniger alte Dinge und Orte. Bald werden wir die Erinnerung daran verlieren, woher wir kommen, und werden um nichts in der Welt glauben wollen, dass unsere Körper vor gar nicht langer Zeit denselben Geruch ausströmten wie die der rumänischen Hirten."

Wer nie die Nase in den Dunstkreis eines Hirten hielt, so lernen wir, der weiß nicht, wie Europa schmeckt. Und wird nicht gewappnet sein, wenn Stasiuks größter Traum in Erfüllung geht: Eines Tages werden Zigeuner auf den Champs-Élysées ihr Lager aufschlagen, Bären aus Bulgarien auf dem Ku'damm ihre Kunststücke vorführen, halbwilde Ukrainer vor den Toren Mailands Kosakeneinheiten bilden, während besoffene, betende Polen die Weinberge an Rhein und Mosel verwüsten, um dort wirkungsvolleren Schnaps zu produzieren. Stasiuk bringt in seiner Feier des bäuerlichen Idylls mitunter unfreiwillig komische Sätze zu Papier: "Irgendwo muhte eine Kuh." In besseren Momenten gelingen ihm Beschreibungen abgelegener Alltagsrituale, etwa im albanischen Pogradec, einer Stadt, die von nichts so beherrscht wird wie vom Billard, durch dessen "geometrische Abstraktion und Kinetik" die besessenen Spieler ihre Alltagssorgen vergessen. An einem südpolnischen Bahnhof hat er junge Männer beobachtet, die die Aufdrucke auf ihren eigenen Sweatshirts nicht lesen können, und in Albanien Menschen angetroffen, die nur noch vor "toten Computern" hocken. Dabei lässt er keinen Zweifel daran, dass diese Spurenlese der Verwüstung durch Zivilisation ein Projekt von historischer Notwendigkeit ist: "Ich beschreibe all das, weil kein anderer es beschreibt", sagt Stasiuk und setzt sich damit in den Rang des letzten Zeugen einer beinahe verschwundenen Welt. Stets auf dem schmalen Grat zwischen nostalgischem Kitsch und schlichtem Kulturpessimismus wandelnd, lehnt der Autor ab, was mit Medien, Beschleunigung und Vernetzung zu tun hat. Bereits am montenegrinischen Straßenbau kann sich sein Zorn entzünden: "In dieser archaischen Landschaft erinnern nur die über die Landstraße gleitenden Autos daran, dass wir im 21. Jahrhundert sind. Dieses Modernisierungsexperiment hat etwas Teuflisches an sich. Alles, was war, wird verworfen im Namen einer Neuzeit, die einer Fiktion, einer Täuschung, einem luziferischen Geisterbild gleicht." Seltsam, dass man Stasiuk, der zu seinen wenigen amerikanischen Vorbildern Jack Kerouac zählt, bereits als osteuropäischen Beat-Poeten sah. Wenn aber der Beat der Ost-Erweiterung auf dieser Schlagzahl bleibt, wird es weiterhin gemütlich zugehen. Irgendwo muht immer eine Kuh.

STEFANIE PETER

Andrzej Stasiuk: "Fado". Reiseskizzen. Aus dem Polnischen übersetzt von Renate Schmidgall. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 159 S., br., 9,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2008

Wo sind die Kühe, die ins Dorf scheißen?
Popkultur macht obdachlos: Andrzej Stasiuk bereist in „Fado” die letzten, von der andrängenden Moderne unberührten Flecken Osteuropas
Andrzej Stasiuk ist ein Autor, der sich schreibend nicht festlegt, sondern verflüssigt, der einem durch die Hände geht, wo immer man ihn zu greifen versucht. Der jüngste Band des polnischen Autors „Fado” firmiert als eine Sammlung von Reiseskizzen, die ihn an die „Peripherie der europäischen Zivilisation” führen, in Länder wie Rumänien, Albanien oder die Ukraine. In der Tat sind es kleine, sehr sinnliche Notizen von unterwegs, am Abend, im trüben Licht der Erinnerung zu Papier gebracht. Die nächtlichen Autofahrten ins Ungewisse verströmen die Romantik des Abenteuers: Als Stasiuk sich an einem Abend verfahren hat, parkt er in einem nahegelegenen Waldstück, legt sich mit einem Schlafsack ins Gras, wo er dann, eine Flasche Wein in der Hand, einschläft. Man möchte sich zu ihm legen.
Doch bei Stasiuk verschmelzen Beobachtung, Fiktion und poetische Reflexion miteinander. An dem Gesehenen, schreibt Stasiuk, „klebt die durchscheinende, lebendige Materie meiner Gedanken, meiner Liebe, meiner Angst”. Und so ist „Fado” auch eine große Litanei über den drohenden Verlust der osteuropäischen Kultur, ein launiger Essay über das Legitimitätsdefizit der westlichen Zivilisation und nicht zuletzt die Arbeit an jenen Mythen, „die des dritten Jahrtausends würdig sind”. Das ist viel Stoff für einen hundertfünfzig Seiten schmalen Band – nicht zuletzt, da darin auch noch die ironische Hinterfragung des gesamten Programms einbegriffen ist.
„Fado” ist eine große Verlustanzeige. Stasiuk beschreibt jene im Verschwinden begriffene Welt Osteuropas, die noch unberührt ist von den „Zeichen moderner Zivilisation”. Orte, an denen man „keine Megamärkte, kein Ikea oder Praktiker” findet, was in manchen osteuropäischen Ländern schon selten ist. Er sucht Spuren der Vergangenheit in der Gegenwart und findet sie etwa in Rumänien, wenn er im Schatten eines Atomkraftwerkes einen Eselskarren sieht; „die rumänische Zeit ist so subtil konstruiert, daß der Begriff Anachronismus hier nicht zum Tragen kommt. Alles geschieht gleichzeitig.” Bei der Begegnung mit einem Schafhirten spürt er in dem säuerlichem Geruch alter Milch eine Jahrhunderte alte Lebensform auf, die dem Andrängen der westlichen Zivilisation möglicherweise nicht standhalten wird.
Der Zauber der Analphabeten
Es sind alte Themen, die Stasiuk umtreiben, aber sie erwachsen einer neuen Erfahrung. Er beklagt die Entfremdung in der globalen Popkultur, wenn er von der „kondensierten Obdachlosigkeit” der Jugendlichen spricht, die ihre Abende an der Tankstelle verbringen. Er beklagt die Leere der „liberalen, demokratischen Universalien”, auf denen die Europäische Union gründet. In dem Herzstück des Bandes, „Parodie als Methode, den Kontinent zu überleben”, zeigt sich sein Unbehagen auf die Formel gebracht: Was immer der Westen exportiere, bediene zwar die Märkte, aber nicht die Köpfe. Dass der Osten diesem Lebensstil nacheifere, sollte uns darüber nicht täuschen. Er tue es ohne Überzeugung, als Parodie. Stasiuk betreibt hier Arbeit am Mythos, der ein Gegenangebot zu der entzauberten Welt des Westens darstellen soll.
Was nach Verklärung aussieht, ist jenes Nebeneinander von Realität und Fiktion, das den Mythos kennzeichnet. „Da kam von der Gegenseite, zwischen goldenen Strahlen hervor, irgendwo aus dem lichterfüllten Nichts, ein Zigeunertreck direkt auf uns zu. (. . .). Sie hatten nichts, was nach unseren Maßstäben irgendeinen Wert darstellte. Decken, Geschirr, klapprige archaische Wagen und Tiere, so hager wie sie selbst. Ja, sie kamen auf einer Abkürzung aus dem Abgrund des Vergangenen und fühlten sich in der Gegenwart recht wohl.”
Überhaupt, die Zigeuner: „Da wandert ein dunkelhäutiges, analphabetisches Volk seit Jahrhunderten durch Europa und das Europäertum, ganz so, als durchquerte es ein schwach bevölkertes, armes und wenig attraktives Gebiet.” Jahrtausende unserer Zivilisation, wundert sich Stasiuk, seien für sie nur ein Lagerplatz. „Es ist kaum zu glauben, daß unsere Welt so uninteressant sein kann, (...), daß sie keinen Versuch gemacht haben, sie nachzuahmen.” Ein kühner Beleg für die mangelnde Attraktivität unserer Zivilisation – oder bloß eine Provokation?
Stasiuk ist ein Falschspieler, man weiß nie, welches Blatt er wirklich auf der Hand hat. Eben sind die Zigeuner der größte Trumpf in seinem Spiel, dann gesteht er, sie „auf ein exotisches Bild” zu reduzieren. Mal weint er: „Endlose, ewige Einsamkeit und Verlassenheit. Postgroßmährische Einsamkeit, postjagellonische, post-österreich-ungarische, postjugoslawische, post-volksdemokratische Einsamkeit.” Dann beklagt er solche Weinerlichkeit. Er trauert der Vergangenheit nach und beklagt die slawische Nostalgie: „Hier ist die Vergangenheit nie Schuld, sie ist immer Vergebung.” Und inmitten der größten Litanei finden sich auch solche Verluste: „Was ist mit den Kuhherden, die in der Dämmerung mit erhobenen Schwänzen von den Weiden zurückkehren und mitten ins Dorf scheißen?” Man weiß nicht, woran man bei Stasiuk ist, und vielleicht weiß er das selbst auch nicht so genau. Am Ende dieser Lesereise findet man sich also ratlos bereichert und daran erinnert, dass der Westen möglicherweise nicht die beste aller Welten ist. JEAN-MICHEL BERG
ANDRZEJ STASIUK: Fado. Reiseskizzen. Aus dem Polnischen von Renate Schmidgall. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 159 Seiten, 9,50 Euro.
Kann unsere Welt so uninteressant sein? Roma in Rumänien. Foto: laif
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen Beat-Poeten kann Stefanie Peter in Andrzej Stasiuk nicht erkennen. Zu viele Kühe. Zu gemütlich die Schlagzahl. Was der Autor in seinen Reisekizzen an bäuerlicher Idylle gegen die Moderne auffährt, lässt die Rezensentin mitunter schmunzeln: Stasiuks Traum von Europa seien noch immer Zigeuner, die "auf den Champs-Elysees ihr Lager aufschlagen, Bären aus Bulgarien auf dem Ku'damm" und ukrainische Kosakeneinheiten vor den Toren Mailands. Kitsch und Kulturpessimismus und das Auftreten des Autors als Retter der verlorenen Zeit kommen bei ihr nicht so gut an. Wenn Stasiuk mit Beschreibungen ferner Alltagsrituale (Billard in der albanischen Provinz) aufwartet, ist sie allerdings manchmal ganz Ohr.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Fado [versammelt] lebensvolle Meditationen über Südpolen oder die Ostkarpaten, über Ljubljana, Belgrad und bosnische Dörfer. 'Mitteleuropa ist heute wohl nur noch ein für Meteorologen verständlicher Begriff', zitiert Andrzej Stasiuk. Seine Reiseskizzen leben von ihren starken Bildern. Vom Zusammenführen der Theorie Europas mit der kulturellen Praxis des Kontinents.« Neue Zürcher Zeitung