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Detlef Kuhlbrodt horcht in den Tag hinein, und dann schreibt er Texte wie diese, konkret und komisch, weltentrückt und wetterfühlig, eigenartig im besten Sinne, schön kurz - Singles eben - oder auch nur: schön. Leicht schräge, merkwürdig vertraute Melodien zum Lesen. Ausgangspunkt kann alles mögliche sein, Kopfschmerzen oder der Rhythmus der Kratzer auf einer Schallplatte, ein Frühlingseinbruch im Januar oder die Begegnung mit einem Igel - eine Verwunderung, eine Begeisterung, eine Erschütterung. Das führt zur Beschreibung, zur kleinen Szene, die sich rechtzeitig, bevor es beschaulich werden…mehr

Produktbeschreibung
Detlef Kuhlbrodt horcht in den Tag hinein, und dann schreibt er Texte wie diese, konkret und komisch, weltentrückt und wetterfühlig, eigenartig im besten Sinne, schön kurz - Singles eben - oder auch nur: schön. Leicht schräge, merkwürdig vertraute Melodien zum Lesen. Ausgangspunkt kann alles mögliche sein, Kopfschmerzen oder der Rhythmus der Kratzer auf einer Schallplatte, ein Frühlingseinbruch im Januar oder die Begegnung mit einem Igel - eine Verwunderung, eine Begeisterung, eine Erschütterung. Das führt zur Beschreibung, zur kleinen Szene, die sich rechtzeitig, bevor es beschaulich werden kann, in einem Witz, einer Moral, einer grotesken Volte aufrollt. Oder in der Sehnsucht, sich »wieder im Unsinn zu verlieren und die Dinge extra ungetan zu lassen, weil sie so aufdringlich wie ein Amerikaner auf ihrem Wichtigsein beharren.«
Detlef Kuhlbrodt, geboren 1961 in Bad Segeberg, schreibt seit den Achtzigern für Zeitungen und Zeitschriften, vor allem für die taz. Seine Texte, die legendären Status haben, sind funkelnde Splitter eines großen Ganzen: der leichtfüßigen Poetisierung konkreter Existenz. Er lebt in Berlin.
Autorenporträt
Kuhlbrodt, DetlefDetlef Kuhlbrodt, geboren 1961 in Bad Segeberg, lebt als freier Autor in Berlin. Seit den Achtzigern schreibt er für Zeitschriften und Zeitungen, vor allem für die taz. Seine Texte sind längst Kult. 2008 erhielt er den Ben-Witter-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.04.2008

Dosenbier am Landwehrkanal
Aus dem Leben der Kreuzberg-Bohème: Detlef Kuhlbrodts „Morgens leicht, später laut”
Alle ziehen in die Stadt, jetzt sogar die Tiere. Wo heute Waschbär und Wildschwein wohnen, Igel und Fuchs die Straßen bevölkern, ist meist der Mensch nicht weit. Auch ihn zieht es in die City, denn so ganz ohne Menschen sind unsere Städte ein trostloser Anblick. Ausgerechnet in Deutschlands größter und stellenweise trostlosester Stadt sitzt ein Mann, der schreibt die kleinsten und stellenweise schönsten Texte, die überhaupt von da kommen.
Irgendwo in Kreuzberg sitzt das Ich von Detlef Kuhlbrodt, raucht aus dem Fenster und denkt – beispielsweise, nur mal so – über die Tiere nach, die es zuletzt mit „interesselosem Wohlgefallen” gesehen und betrachtet hat. So erfahren wir vom „Tod eines Maulwurfs” am Straßenrand, von den Schwänen im Landwehrkanal und von dem kleinen Vogel, der gelegentlich auf dem Blumenkasten vor dem Fenster landet: „Ich hatte den Eindruck, er sei aus einer vertrauten Fremde, ein Abgesandter aus dem Reich der Toten, vielleicht auch ein unaufdringlicher und gewandter Diplomat, geschickt von dem Ich, das ich einmal war, um mich an mich zu erinnern.”
Die Wechselrede mit dem, was die Stadt zufällig anbietet, nimmt Kuhlbrodt sehr ernst; auch dann, wenn ihm bei einer sommernächtlichen Fahrradfahrt nur ein Stacheltier begegnet: „Es stimmt einen immer recht wehmütig, in der Nacht mit Igeln zu sprechen.” Aber nur so lange, bis man den richtigen Ton getroffen hat; denn dann ist „ein Gespräch mit einem Igel reine Formsache, getragen von dem Wunsch um gegenseitige Anerkennung”.
Diese Anerkennung hat Kuhlbrodt für seine Textsammlung „Morgens leicht, später laut” längst erhalten, nicht nur von Berliner Igeln, sondern vor allem von Literaturkritikern und zuletzt von einer Hamburger Jury, die jährlich den Ben-Witter-Preis vergibt. Der 1961 in Bad Segeberg geborene Kuhlbrodt kam in den achtziger Jahren ins geteilte Berlin, von wo er für allerhand Blätter und Zeitschriften berichtete. Seine kleinen Feuilletons erschienen zwischen 2001 und 2007 im Berlin-Teil der tageszeitung, nun hat er die schönsten Petitessen versammelt, nicht chronologisch, aber nach Jahreszeiten sinnig geordnet.
So streifen wir vom Frühling bis zum Winter durch ein sehr kurzweiliges Jahr in Berlin, das in Wahrheit ein Destillat aus vielen Jahren ist. Dabei stimmt der Autor keine Sinfonie der Großstadt an; im Gegenteil, eher ein Straßenständchen aus dem Soziobiotop Kreuzberg. Kuhlbrodt ist kein Flaneur Benjaminscher Schule, kein Kracauer-Epigone oder gar Dampfplauderer à la Martenstein, sondern ein bescheidener, zurückhaltender und sehr aufmerksamer Radfahrer. Das große Ganze spiegelt sich im Kleinen, der Blick eines Kindes aus dem Fenster gegenüber, ein Graffito, ein halbes Fahrrad stiften zum Nachdenken an über das Werden und Vergehen des eigenen Körpers, des darin flackernden Bewusstseins oder des todgeweihten Baumes vorm Haus.
Das Leben im Kiez ist klar strukturiert: Im Sommer geht’s um gepflegte Fettlebe („Es ist angenehm, draußen mit Dosenbier rumzusitzen.”), ums Tischtennis- und Flipperspielen (meist gedopt mit „Flipperfit” oder „Tischtennisfit”), ja überhaupt ums Rauchen. Im Winter muss der Bollerofen beheizt werden, da bleibt für Ausflüge kaum Zeit. Schon eine Fahrt zum Zoo ist ein Aufbruch in eine andere Welt, und wenn der Berliner Altbaubewohner in das von ihm noch immer kokett sogenannte „Westdeutschland” reist, dann bringt er von dort verstörende Erkenntnisse mit: „Wie niedrig dort die Zimmerdecken sind.”
All das ist ohne jede Häme und ohne billigen Sarkasmus geschildert, eher mit einer blassen, feinen Ironie grundiert, die darüber trauert, dass die Welt nicht mal in Kreuzberg so ist, wie sie sein könnte. Schon gar nicht, wenn echte Katastrophen drohen, die man bereits aus „Herr Lehmann”-Zusammenhängen kennt: „B. war sehr nervös an diesem Abend, am nächsten Tag hatte er einen Interviewtermin beim Arbeitsamt.”
Anfangs erscheint der Untertitel der Sammlung – „Singles” – leicht verunglückt, im Nachwort liefert der Autor aber eine ganz einleuchtende Begründung, wie es in diesem Buch überhaupt viel ums Einleuchten, Bemerken, Feststellen geht. Man könnte es so sagen: Kuhlbrodt ist kein Blitzmerker. Eher ein gemächlich räsonierender Zeitläuftepassagier, der nur mühsam von der Kreuzberger Utopie der siebziger Jahre – besetzte Häuser und Haschrebellen – in die Gegenwart gewechselt hat, in die Heterotopie von Kiezidyll, Prinzenbad und Flippersalon. Das dauerte. Wer vormals Bohemien oder nur Aussteiger war, ist heute „freier Prekarist seiner selbst sozusagen”, sitzt im kalten Berlin und wartet auf den Mai: „Vermutlich ist dies die beste Zeit, den Körper ein wenig zu überholen, die Zähne reparieren zu lassen und sich etwas Neues zu kaufen.”
Wenn man den französischen Begriff Feuilleton, „Blättchen”, wörtlich nimmt, dann hat Kuhlbrodt genau solche geschrieben. Kleine Essays, Skizzen, Momentaufnahmen, Pasticcios, die wie hingeweht wirken: von leichter Hand auf dünnes Papier, schwerelos wie Zigarettenrauch und eher leise als laut. Kuhlbrodt ringt nicht um Formulierungen, er plaudert in einfachen, rhythmischen Sätzen, und wir hören ihm sehr gerne dabei zu. Schließlich ist es interessant, wie lange Erkenntnisprozesse so dauern können: „Es ist interessant, wie viele Jahre es dauert, bis man verstanden hat, dass man am Ufer des Landwehrkanals auf der Seite des Urbankrankenhauses zwar angenehmer sitzen beziehungsweise liegen, lesen und rauchen kann, dass es aber auf der anderen Seite, wo man eigentlich schlechter sitzt, auf der Mauer am Ufer, die immer dreckig ist, eigentlich besser ist.” OLIVER MARIA SCHMITT
DETLEF KUHLBRODT: Morgens leicht, später laut. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 125 Seiten, 7,50 Euro.
Berlin, Kreuzberg: Ein Mann liegt lesend am Landwehrkanal im Böcklerpark. Foto: David Hornback
Detlef Kuhlbrodt Noel Tovia Matoff
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2007

Jahrelanger Winter
Ich steh' auf Berlin: Detlef Kuhlbrodt flaniert

Detlef Kuhlbrodt, Jahrgang 1961, ist ein "freier Schreiber", ein Pointenverfasser und Pointenhasser, der ein Leben voller "Einfachheit und Schönheit" führt - rauchend, auskaternd, die Konsequenzen tragend. Er, bei dem sich das Hauptstadtleben wie eine Landpartie voller Naturereignisse und kultivierter Brettspiele liest (Regenbögen unter der Schwimmbaddusche, Schachpartien auf der Schwimmbadwiese), sagt vom eigenen Kopf, in ihm sei es bisweilen "graurosa bewölkt mit Neigung zu kleinen Schauern".

So ist es die Wetterfühligkeit des Autors, die das Hier und Jetzt einfärbt, kleine Wirbelstürme und große Bewegungslosigkeiten auf einer Landkarte entdeckt, welche nur selten das Berliner Stadtgebiet überschreitet und, wenn es doch geschieht, dann höchstens, um in einen kühlenden See zu springen, an dessen Ufern schon Bier bereitsteht.

Zwischen 2001 und 2007 hat Detlef Kuhlbrodt etwa 160 "Berliner Szenen" für den Lokalteil der "taz" geschrieben, die jetzt in jahreszeitlicher Chronologie in einem schmalen Suhrkamp-Band versammelt sind. Es sind "Miniaturen", kleine Alltagsfenster, die Einblicke in die Hinterhöfe (und -welten) der Hauptstadt gewähren. Und weil bei Kuhlbrodt in flaneurhafter Manier "die Hände das aufschreiben, was die Hände tun, und die Augen auf den Bildschirm starren, auf dem steht, wie das Leben gerade so war, während der Kopf immer daran denken muss, wie die Zeit vergeht", gibt es eine wesenhafte Redundanz zwischen Leben und Werk.

Nun könnte diese Verschränkung von Selbstbeobachtung und Alltagsbeschreibung gleich zweierlei Kurzschlüsse provozieren. Um es deutlich zu sagen: Kuhlbrodts Szenen sind nicht die empirischen Fundamente einer objektivierenden Stadtsoziologie; und Kuhlbrodt ist kein Popliterat, dessen Texte den eigenen Lebensstil in einem kühnen Akt der literarischen Verdopplung zur Kunst erklären. Der Autor schreibt vielmehr aus einer Parallelwelt, die zwar räumlich an Berlin-Mitte angrenzt, im Geiste aber einer anderen Galaxie angehört. Die meisten "Berliner Szenen" spielen im Stadtteil Kreuzberg, einem staunenswerten Transitorium, in dem sich alterndes Hippietum mit multikultureller Hippness, sozialer Abstieg mit ökonomischem Auftrieb aufs unpassendste vermischen. Und der Autor selbst ist ein Bewohner dieses Sozialbiotops, in dem allerhand passiert und manches unterbleibt. Denn hier schreibt einer über Berlin, ohne dabei Berlin-Mitte zu meinen, ohne dabei überhaupt etwas anderes zu meinen, als das, was das Auge sieht und die Hand notiert. Und vielleicht reicht diese Erzählung tiefer hinein in die Annalen jener Stadt, die auch Heimat der türkischen Gastarbeiterfamilien und deren Nachkommen ist, in der Runzelrocker und Rastafaris die Caféterrassen bevölkern (Sonnenbrille tragend, rauchend, meditierend) und mittellose Akademiker Kohlenpartys veranstalten, als wäre der Krieg eben erst zu Ende gegangen und die Erfindung zentraler Beheizungssysteme eine Aufgabe kommender Generationen.

Der Kiez ist eine Marionette der Jahreszeit. Das lehren uns Kuhlbrodts Szenen. So kommt es im Winter, wenn dem "Prekaristen seiner selbst" die Kälte am Schreibtisch ins Hosenbein klettert und der Geruch von Kohlenstaub sein Denken vernebelt, zu "telepathischen" Begegnungen mit dem im Blumenkasten rastenden Federtier. Jägermeister-Flaschen und Flipperautomaten sind weitere Dingsymbole dieser extremistischen Jahreszeit: "Der Winter war krass und wird noch ein paar Jahre dauern." Vielleicht muss man in Kreuzberg gelebt haben, um diese Aussage in ihrem ganzen Ausmaß zu begreifen. Und dann ist er plötzlich da: der Sommer.

Dönerluft weht ins Literatenheim. Ein türkisches Mädchen verschenkt grüne Pflaumen, der Autor liest Proust am offenen Fenster und trägt dazu einen thailändischen Sarong. Die Zeit im Kiez plätschert erratisch dahin, ohne Ziel, und verzieht sich wie der Rauch einer Zigarette. Die Geschichten, die sich jetzt erzählen lassen, haben einen Nimbus der Voraussetzungslosigkeit. Ihre Protagonisten sind nicht die Taktgeber, sondern die Tagediebe ihrer Stadt.

Eine Zeitlang seien ihm Pointen verdächtig vorgekommen, erklärt der Autor im Nachwort. Doch irgendwie müsse man ja aus einem Text auch wieder "rauskommen". Also eben doch ein paar Pointen, seltsam aus der Zeit gefallen. Aus der Hauptstadtzeit. Zwischen Sommern und Wintern. "Aber trotzdem." Genau.

KATHARINA TEUTSCH

Detlef Kuhlbrodt: "Morgens leicht, später laut." Singles. Edition Suhrkamp, Frankfurt am Main 2007. 126 S., br., 8,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Oliver Maria Schmitt hatte große Freude an diesem Erzählband von Detlef Kuhlbrodt mit seinen "kleinen Essays, Skizzen, Momentaufnahmen, Pasticcios, die wie hingeweht wirken". Völlig zu Recht sei er deshalb mit den verschiedenen Preisen ausgezeichnet worden. Trotz der Beiläufigkeit, die die Geschichten transportieren, erzählen sie in den Augen des Rezensenten auch ein Stück Zeitgeschichte, nämlich wie aus der "Kreuzberger Utopie der siebziger Jahre" die "Heterotopie" der Gegenwart wurde. Das geschieht ganz und gar "ohne billigen Sarkasmus" und eitle Ambitioniertheit: "Kuhlbrodt ringt nicht um Formulierungen, er plaudert in einfachen, rhythmischen Sätzen." Besonders hat es Schmitt jedoch Kuhlbrodts Talent zur Beobachtung angetan sowie die "blasse, feine Ironie".

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»Es ergibt [sich] so ein schönes Gefühl beim Lesen, aber man denkt, war nur eine kleine Kleinigkeit des Lebens, aber so wahr und schön.« Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung