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Blutvergiftung, der neue Prosaband von Reinhold Batberger, versammelt zwölf Erzählungen, die auf untergründige Weise miteinander verbunden sind. Wie funktioniert das? Der Autor Batberger hält allerdings seine Fäden in der Hand, und wir machen sehr merkwürdige Ausflüge in die Welt der Literatur, die wir schon in seinen Romanen "Auge", "Beo", "Skalp" kennengelernt haben. Mit verstörender Genauigkeit gruppieren sich die Erzählungen um diese Trias. Trotzdem kann jede Erzählung für sich gelesen werden. Batbergers Erzählungen sind diesseits des Alptraums angesiedelt, der mit dem Ende nichts mehr zu…mehr

Produktbeschreibung
Blutvergiftung, der neue Prosaband von Reinhold Batberger, versammelt zwölf Erzählungen, die auf untergründige Weise miteinander verbunden sind. Wie funktioniert das? Der Autor Batberger hält allerdings seine Fäden in der Hand, und wir machen sehr merkwürdige Ausflüge in die Welt der Literatur, die wir schon in seinen Romanen "Auge", "Beo", "Skalp" kennengelernt haben. Mit verstörender Genauigkeit gruppieren sich die Erzählungen um diese Trias. Trotzdem kann jede Erzählung für sich gelesen werden. Batbergers Erzählungen sind diesseits des Alptraums angesiedelt, der mit dem Ende nichts mehr zu tun hat: Zwielichtige Gestalten streiten sich über die Entstehung der Welt, die Geschichte des Geistes und den Fortpflanzungstrieb von Kakerlaken. Andere treten in einem unsichtbaren Varieté auf, sind auf der Suche nach einem passenden Getränk für De Gaulle, finden einen Dichter, der sich gerade umgebracht hat, leiden an einer Blutvergiftung, die offenbar zum Engagement als Clown befähigt, haben deutsche Städte bombardiert, verkaufen ihre Augen, stellen einer Herrin nervtötende Fragen und führen für ihren Wohltäter Krieg. Es gibt ehemalige Geliebte und eine Frau, die ihren Liebhaber schmackhaft zubereiten kann. Alles findet in unserer Welt statt und ist so real, daß deren Betrachtung mitunter weh tut. Das Schriftstellermesser schneidet, von einem geheimen Mechanismus angetrieben, an wechselnden Stellen, und wir blicken aus immer anderen Perspektiven ins Körperinnere. Auch dort entstehen Verwundungen, aus verschiedensten Gründen. Die Verwundungen heilen nicht. Die Schäden, von allen möglichen Instanzen verursacht, sind als Bilder unserer Existenz sinnlos in die Haut, in die Körper, in die Seelen tätowiert.
Autorenporträt
Batberger, ReinholdReinhold Batberger wurde 1946 in Würzburg geboren. Er studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte in Würzburg und Frankfurt und promovierte im Jahr 1977. Writer in Residence am Allegheny College, Pennsylvania (1995) und an der Bowling Green State University, Ohio (1999).Reinhold Batberger lebt seit 1969 in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.01.2005

Vom Sex der Kakerlaken
Scheitern auf Knopfdruck: Reinhold Batbergers Erzählungen

Wahrscheinlich hat sich dieser Autor einfach zu viel vorgenommen. Gleich in der Eingangserzählung nimmt er es mit Zeit und Ewigkeit auf. Die Letzten Dinge, die sein umfassendes Thema sind, werden allerdings sofort auf weltliche Maßstäbe redimensioniert: "Unsere Geschichte enthält jedenfalls das Wichtigste: Geburt, Essen, Abenteuer, Mord, Liebe, Geld, Sex und Kakerlaken", so annonciert "Geisterzeit" als Programm. Wer jetzt gutmütig einwendet, aus dem Erzählton höre man doch ein ironisches Scheppern, die willkürliche Abfolge von Wichtigem und Banalem bezeuge die Gebrochenheit, mit der hier einer von der Welt erzähle, vielleicht wolle dieser Autor sogar konventionelle Erzählmuster parodieren, täuscht sich.

Die Erzählung des deutschen Schriftstellers Reinhold Batberger, Auftakt seines Bandes "Blutvergiftung", tut zwar so, als ob sie im lockeren Ton ernste Stoffe zur Sprache bringe. Je länger man aber liest, desto düpierter findet man sich wieder. "Gebt mir was zu essen, und ich erzähl' euch die Geschichte des Geistes. Nicht wegschmeißen! Gib her, ein Schluck ist immer noch drin. Offenbar nicht, diesmal; ich behalte das Fläschchen trotzdem. Für später, für die Nase. Wenn der Magen knurrt. Gebt mir was zu trinken, und ich höre mit der Geschichte auf. Na, dann nicht; dann eben die Geschichte des Geistes": so setzt diese Erzählung ein. Die verkrampfte Nonchalance des Plaudertons mündet auf den folgenden Seiten in prätentiöse Abschweifungen über geröstete Heuschrecken, den phänomenalen Geschlechtstrieb der Kakerlaken und eine brave Reflexion über Tod und Wiedergeburt.

Von solch angestrengter Originalität angemessen eingeschüchtert, arbeitet man sich jetzt durch die zwölf Erzählungen Batbergers und unterdrückt vorerst einmal die bange Frage nach dem Sinn. Sie wird im Laufe der nächsten zweihundertzwanzig Seiten nicht unbedingt beantwortet. Selbst die Hypothese, daß hier Sinn vielleicht im Unsinn liege, verwirft man nach einer Weile ratlos. Gewiß, es gibt stärkere und schwächere Texte. Aber der irritierende Eindruck der ersten Kostprobe, hier werde literarische Eigenwilligkeit mit spleeniger Beliebigkeit verwechselt, läßt einen nie wieder ganz los. "Collegegirl", ein Text, der schon im Titel die Assoziation an Callgirl wachruft, gehört zu den überzeugenderen Geschichten. Erzählt wird von Annäherung und Auseinanderleben eines Schriftstellers und einer Fernsehmoderatorin. Die mediale Ikone auf Knopfdruck hat sich - eitel und karrieresüchtig - ganz den eigenen Fernsehauftritten verschrieben, was der Schriftsteller allmählich begreift. Nach anfänglicher "Liebeswut" und "Lebenslust" zerfällt die Beziehung im "Alltag" und schleudert in die Falle der "Destruktion".

Denn die Verzückung richtete sich immer stärker nach dem Terminkalender des regionalen Fernsehens, und dem Schriftsteller blieb nicht viel mehr als die Rolle des Ertrotzers kleiner Zuwendungen. Immerhin zeigt sich an diesem Text die Fähigkeit Reinhold Batbergers, mit dem Spiel von Wörtern, Klängen, Assoziationen und Bedeutungen ohne viel Aufhebens einen Erzählraum zu schaffen, in dem er diese allerdings recht konventionelle Story eines Scheiterns situiert.

"Pirckheimers Fall", die längste Geschichte des Buchs, kann die Vorbehalte gegenüber den Untiefen dieses Erzählens kaum zerstreuen. Dabei hat Batberger hier einen Stoff in der Hand, der literarisch einiges abwerfen könnte. Pirckheimer, ein bekannter Autor, der ebenso erfolgreich wie zynisch, gelangweilt wie berechnend ist, bringt sich eines Tages mit einem Plastiksack um. Der Ich-Erzähler, der seine Leiche findet, erkennt in dieser "Selbsthinrichtung" eine letzte, ausgeklügelte Form von Provokation. Im Zwiegespräch mit dem Toten, der Evokation seiner Außenexistenz und der Anamnese des exzentrischen Literatenlebens entstehen zwar die Konturen dieser eigenwilligen Figur, die aber viel zuwenig illuminiert werden, als daß Pirckheimers Schicksal den Leser nachhaltig beunruhigen würde.

PIA REINACHER

Reinhold Batberger: "Blutvergiftung". Erzählungen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004. 222 S., br., 10,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Dorothea Dieckmann lobt zunächst den Verlag für die Veröffentlichung dieses Erzählbandes von Reinold Bathberger, dessen "insistente wie abweisende Stimme" nur einer kleinen, treuen Anhängerschar bekannt ist, wie sie betont. Wie schon in den anderen Romanen und Erzählungen des Autors sind die Protagonisten dieser Erzählungen "heimatlose, verwahrloste, ichlose" Gestalten, die ihrer Sinne und ihrer Fähigkeit zur Sinnstiftung gleichermaßen verlustig gegangen sind, fasst Dieckmann zusammen. Die Erzählungen bieten "vollkommen utopieresistente Apokalypse", die, wiewohl sie durchaus an Samuel Becketts Stücke erinnern, durchaus "szenen-, bilder- und wortreich" gestaltet sind, findet die Rezensentin, die die "böse Lust" und den "Ernst, der immer wieder in kalte Satire umschlägt", hervorhebt. Manchmal allerdings erinnern die Erzählungen dann doch allzu sehr an das "konventionelle Schauerrepertoire", kritisiert Dieckmann, beispielsweise wenn die Freundin eines begeisterten Judokämpfers ein Rezept für Sashimi aus seinem "lebendigen Fleisch" erfindet. Hier wird der "Wahn denn doch putzig, die Groteske berechenbar", moniert die Rezensentin. "Brillant" dagegen bleibt für Dieckmann die bereits 1995 separat publizierte Erzählung "Pirckheimers Fall", die sie als "souveräne und vieldeutige Künstlernovelle" rühmt.

© Perlentaucher Medien GmbH
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