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Deutschland nimmt Abschied von der Vorstellung, kein Einwanderungsland zu sein, auch wenn die Debatte über innere Sicherheit das Thema zu überlagern droht. Ohne Zweifel stellen der Bericht der unabhängigen Kommission »Zuwanderung« unter Vorsitz von Rita Süssmuth und der darauf aufbauende Entwurf des Bundesinnenministers für ein Einwanderungs- und Integrationsgesetz einen Einschnitt in der deutschen Nachkriegsgeschichte dar. Karl-Heinz Meier-Braun legt nicht nur eine Geschichte der Einwanderung in die Bundesrepublik vor, sondern bietet auch zahlreiche Hintergrundinformationen - etwa, wie mit…mehr

Produktbeschreibung
Deutschland nimmt Abschied von der Vorstellung, kein Einwanderungsland zu sein, auch wenn die Debatte über innere Sicherheit das Thema zu überlagern droht. Ohne Zweifel stellen der Bericht der unabhängigen Kommission »Zuwanderung« unter Vorsitz von Rita Süssmuth und der darauf aufbauende Entwurf des Bundesinnenministers für ein Einwanderungs- und Integrationsgesetz einen Einschnitt in der deutschen Nachkriegsgeschichte dar.
Karl-Heinz Meier-Braun legt nicht nur eine Geschichte der Einwanderung in die Bundesrepublik vor, sondern bietet auch zahlreiche Hintergrundinformationen - etwa, wie mit dem Thema Wahlkampf gemacht wird. Der Blick auf Wanderungsbewegungen als Folge der Globalisierung sowie auf die demographische Entwicklung der Bundesrepublik runden den Band ab.
Autorenporträt
Professor Dr. Karl-Heinz Meier-Braun ist Leiter der Redaktion SWR International sowie Honorarprofessor in Tübingen. Er ist Mitglied des Rats für Migration (RfM).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.11.2002

Noch wollen sie nach Deutschland kommen
Ein trauriges Kapitel der politischen Kulturgeschichte: Karl-Heinz Maier-Braun erzählt die Geschichte der Einwanderung in die Bundesrepublik
Seit 1990 kamen in Deutschland fast 100 Ausländer durch Anschläge ums Leben. Das ist ein trauriges Kapitel. Im Klappentext des besprochenen Buchs spricht der Verlag von der „instruktiven und kurzweiligen Geschichte der Einwanderung in die Bundesrepublik”, die Karl-Heinz Maier-Braun erzähle. Kurzweilig kann der Rezensent sie nicht finden. Dafür ist sie zu bedrückend. Ein Leitmotiv, ohne das diese Geschichte nicht wäre, was sie ist, heißt Ausländerfeindlichkeit. Der Autor zeigt, dass sie eine Konstante des gesellschaftlichen Lebens der alten BRD gewesen ist, die nach der Inkorporation Ostdeutschlands noch einmal kräftig verstärkt wurde.
Unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg war der öffentliche Diskurs unter dem Eindruck des Scheiterns des Nationalsozialismus relativ frei von ausländerfeindlicher Rhetorik, versiegt ist der ideologische Strom, demzufolge Ausländer als Bedrohung des guten Lebens und Gefährdung des sozialen Friedens in Deutschland dargestellt werden, jedoch nie. Maier-Brauns Anliegen ist es nicht, diese Geisteshaltung zu analysieren. Ihm geht es primär um den Nachweis, dass Deutschland entgegen den litaneihaft wiederholten Beteuerungen belehrungsresistenter Politiker ein Einwanderungsland ist. Den erbringt er bravourös mit einer faktenreichen und gründlichen Darstellung der Migrationsbewegungen vor allem nach, aber auch aus Deutschland, die bis auf die Zeit der Industrialisierung zurückgreift und bis zum politischen Schmierentheater der Verabschiedung des Gesetzes „Zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung” im Frühjahr dieses Jahres reicht.
Maier-Braun erweist sich dabei als kenntnisreicher und engagierter Teilnehmer an einer eher befremdlichen Debatte. Wie aus seiner Dokumentation deutlich hervorgeht, geht es in dieser Debatte kaum um die Sache, war doch die „Ausländerfrage” für die meisten Beteiligten stets nur ein Mittel zum Zweck der politischen Profilierung. Weniger um die Belange der betroffenen Bevölkerungsgruppen – der Gastarbeiter, Spätaussiedler, Asylanten und Asylsuchenden – und deren Integration in die Gesellschaft geht es als um die politische Ausschlachtung für den Stimmenfang.
Klare Ziele, vage Begriffe
Das so genannte Ausländerproblem ist immer nur herbeigeredet worden. Die Stärke von Maier-Brauns Buch ist sein Verzicht auf Polemik, obwohl es dazu genug Anlass gäbe. Die deprimierende Schlussfolgerung aus seiner Lektüre ist, dass die politische Klasse, wie ihr von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz im Juli 2001 bescheinigt wurde, zu wenig gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenhass und Intoleranz unternimmt und die Ausländerfrage immer wieder ohne Not zum Wahlkampfthema macht. Dabei spielten die Parteien, die das C für christliche Nächstenliebe im Namen führen, zweifellos eine Vorreiterrolle, indem sie ein ums andere Mal suggerierten, dass eine restriktive Ausländerpolitik dem Wohl des deutschen Volkes förderlich wäre. Bundeskanzler Kohl erklärte die Verringerung der in der BRD lebenden Ausländer zu einem wichtigen Ziel seiner Regierung. Kommunalpolitiker wie Walter Wallmann in Frankfurt und Provinzfürsten wie Roland Koch in Hessen scheuten sich nicht, offen ausländerfeindliche Wahlkämpfe zu führen.
Edmund Stoiber, sekundiert von seinem Innenminister Beckstein, sprach sich für die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl aus. Slogans von der deutschen Leitkultur und die rassistische Forderung nach (deutschen) Kindern statt Indern sind wenig geeignet, Ausländern das Gefühl zu geben, sie seien in Deutschland willkommen.
Die SPD muss sich vorwerfen lassen, dem nicht energisch genug entgegengetreten zu sein, da die sich mit dem Ausländerthema immer wieder in die Defensive drängen ließ. Statt offensiv für eine offene Gesellschaft einzutreten und der Bevölkerung deutlich zu machen, dass Einwanderung sozial, wirtschaftlich und kulturell ein Gewinn ist, betonten ihre Vertreter immer wieder, dass auch sie angesichts der drohenden Gefahr die Hände nicht in den Schoß legen.
Beispielhaft Innenminister Otto Schily, der noch 1984 das Wahlrecht für Ausländer forderte, sich aber inzwischen zum Hauptgaranten seiner Partei dafür profiliert hat, dass die Deutschen nicht in einer Flutwelle der Überfremdung untergehen.
Die traurige Bilanz ist, dass beide großen Parteien, wenn auch die CDU/ CSU mehr als die SPD, wesentlich mitverantwortlich dafür sind, dass Fremdenfeindlichkeit ein Element der politischen Kultur Deutschlands ist. Dabei ist die restriktive Immigrationspolitik, die darauf fußt, bedrückenderweise ebenso illusionär wie wirkungslos und wirtschaftlich unsinnig. So beschämende politische Maßnahmen wie Rückkehrprämien haben den Zuzug seit den achtziger Jahren nicht begrenzt, zum Glück, muss man sagen. Denn ohne die Einwanderung, die im Laufe des letzten halben Jahrhunderts stattgefunden hat, wären die Löcher in den Sozialkassen noch größer als sie sind, und ohne weitere massive Einwanderung sind die wirtschaftlichen Negativfolgen der Vergreisung nicht aufzufangen.
Maier-Braun belegt das ausführlich mit detaillierten Zahlen aus unverdächtigen Quellen. Er brandmarkt aber auch das politische Versagen, das darin besteht, die Ausländerpolitik fast ausschließlich als Teil der Arbeitsmarktpolitik zu begreifen. Die Herausforderungen, die sich einer sich diversifizierenden Gesellschaft auf anderen Gebieten stellen, müssen angenommen werden und zwar nicht durch die Formulierung einer ausgrenzenden Ausländerpolitik, sondern als integraler Bestandteil von Sozial- und Schul- und Bevölkerungspolitik. Was bitter Not tut, ist aktive Aufklärung und der Verzicht darauf, Mitbürger ohne deutschen Pass zum politischen Spielball zu machen.
Mythen wie die von der Belastung der Sozialsysteme durch Ausländer und der nur vermeintlich höheren Kriminalität von Ausländern müssen von den politisch Verantwortlichen offensiv bekämpft werden, auch wenn damit keine Wählerstimmen zu gewinnen sind. Ausländer, auch das stellt Maier-Braun bedauernd fest, ist ein vager Begriff ohne klar definierten Inhalt, der sich deshalb bestens zur politischen Instrumentalisierung, ja, zur Demagogie eignet. Solange darauf nicht verzichtet wird, solange kein Konsens darüber erzielt wird, dass die BRD aus demographischen und vielen anderen Gründen Einwanderung nicht nur dulden soll, sondern wünschen muss, solange können die Chancen, die darin liegen, dass es Menschen gibt, die nach Deutschland ziehen wollen, nicht genutzt werden. Wie dringend notwendig ein von der politischen Klasse angeführter Gesinnungswandel ist, dokumentiert dieses informative Buch. FLORIAN COULMAS
KARL-HEINZ MAIER-BRAUN: Deutschland, Einwanderungsland. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 201 Seiten, 10 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rainer Hoffmann bespricht eine Studie Karl-Heinz Meier-Brauns, in der dieser die deutsche Ausländerpolitik seit 1952 resümiert. Der Autor sehe diese Zeit eingeteilt in sechs Phasen, wobei er befinde, dass diese Debatte durch die Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes endlich hätte abgeschlossen werden können. Da aber die Legalität bei der Abstimmung dazu im Bundesrat immer noch in Frage stünde und erst durch das Bundesverfassungsgericht entschieden werden müsse, sei es zu diesem Abschluss leider immer noch nicht gekommen, so dass Meier-Braun letztlich sein Buch wohl um eine siebte Phase erweitern müsse, so der Rezensent.

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