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Dies ist ein Buch über politische Freunde, die sich eigenartig fremd sind. Obwohl seit Jahren verbündet, scheinen Deutsche und Amerikaner sich doch nicht richtig zu kennen. Wulf Schmiese zeigt, wie sie sich tatsächlich gegenseitig sehen, im Spiegel ihrer wichtigsten Tages- und Wochenzeitungen. Er konzentriert sich auf die Zeit von Mauerfall, Wiedervereinigung und Golfkrieg - historische Momente also, in denen beide Nationen in besonderer Weise aufeinander angewiesen waren.

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Produktbeschreibung
Dies ist ein Buch über politische Freunde, die sich eigenartig fremd sind. Obwohl seit Jahren verbündet, scheinen Deutsche und Amerikaner sich doch nicht richtig zu kennen. Wulf Schmiese zeigt, wie sie sich tatsächlich gegenseitig sehen, im Spiegel ihrer wichtigsten Tages- und Wochenzeitungen. Er konzentriert sich auf die Zeit von Mauerfall, Wiedervereinigung und Golfkrieg - historische Momente also, in denen beide Nationen in besonderer Weise aufeinander angewiesen waren.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.10.2000

Heuchler und Aufrührer
Deutschland und die USA: Wie der eine den anderen sieht
WULF SCHMIESE: Fremde Freunde. Deutschland und die USA zwischen Mauerfall und Golfkrieg, Ferdinand Schöningh-Verlag, Paderborn 2000. 323 Seiten, 68 Mark.
Der mächtigste Feind des Journalisten sitzt in seinem eigenen Kopf. Denn dort lauern zählebige Bilder und Vorurteile, die wie Gift unmerklich in das Schreiben einfließen. Dass dieser Umstand eine wertneutrale Darstellung unmöglich macht, klingt an sich wenig neu. Bereits Adorno beschrieb in seinem Buch über den „Autoritären Charakter” jenen sprichwörtlichen „Splitter” im eigenen Auge, der das „beste Vergrößerungsglas” sei.
Splitter im Auge
Vorgefasste Meinungen können besonders im Journalismus verheerende Folgen haben – das ist ebenfalls kaum als ein besonders originärer Gedanke zu bezeichnen. Trotzdem fehlte bislang eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit, die diesen sozialpsychologischen Befund mit Beispielen aus der Praxis unterfüttert. Der Historiker Wulf Schmiese hat nun die Bilder, die in den einflussreichsten deutschen und amerikanischen Printmedien vom jeweils anderen Staat gezeichnet werden, gründlich und mit vielen Fallbeispielen untersucht.
Den Zeitraum für diese Darstellung hat er dabei auf die Monate zwischen dem Mauerfall im November 1989 und dem Ende des Golfkriegs im März 1991 begrenzt. Gegenstand seiner Untersuchung bilden die Leitartikel und Korrespondentenberichte in den jeweiligen „Prestigemedien” FAZ, FR, SZ, taz, Welt, Spiegel und Zeit. Aus amerikanischer Sicht bezieht sich der Autor auf die New York Times, das Wall Street Journal, die Washington Post, die Los Angeles Times, auf Time, Newsweek und US-News&World Report.
Der psychologische Befund, dass „Menschen Bilder benutzen, um fremde Nationen vermeintlich besser einschätzen zu können”, bildet den Ausgangspunkt der Analyse. Diese Bilder, meint Schmiese, verfestigen sich im Laufe der Zeit zu „zähen Klischees” und verzerren den Blick auf die Wirklichkeit. Neu hinzukommende Informationen werden unbewusst den bereits vorhandenen Werturteilen angeglichen „durch das Herausfiltern von Informationen, die nicht ins Bild passen”.
Für die „Meinungsmacher” der untersuchten Medien bedeutet dies, dass ihre Wahrnehmung des anderen Landes auf „übernommene Negativ-Bilder” zurückgeführt und somit beeinflusst wird.
Zusammengefasst lauten die drei Hauptklischees über die Außenpolitik der Vereinigten Staaten: Materialismus, Heuchlertum und Imperialismus. Sie werden von deutschen Kommentatoren mit Vorliebe als Hintergrundfolie zur Deutung der amerikanischen Politik genutzt. In einem historischen Exkurs weist Schmiese nach, dass einige dieser Bilder ihren Ursprung bereits in der deutschen Romantik haben. Anhand zeitgeschichtlicher Eckdaten wie Mauerfall, anstehende Wiedervereinigung oder Golfkrieg führt Schmiese eine Vielzahl von Beispielen ins Feld, die seine These belegen. So wird das amerikanische Engagement im Golfkrieg von Seiten der deutschen Kommentatoren beinahe durchweg mit dessen materialistischen Absichten erklärt. Und die von George Bush verkündete „Neue Weltordnung” wird immer wieder als eine verschleierte „Pax Americana” abgekanzelt. Für ihre Politik gegenüber dem Irak handeln sich die USA regelmäßig den Vorwurf des „Kolonialismus” ein; mit Militäraktionen gegen das arabische Land habe das angeschlagene Selbstbewusstsein des eigenen Staates gestärkt werden sollen. Beinahe ebenso feststehende Vorstellungen vom deutschen Partner scheinen in den Köpfen vieler amerikanischer Journalisten vorzuherrschen. Der Bundesrepublik werden am Vorabend der Wiedervereinigung unter anderem politische Unberechenbarkeit, Unzuverlässigkeit und das Bild vom „dominierenden Deutschland” untergeschoben. Gleichzeitig aber galt Deutschland amerikanischen Kommentatoren direkt nach dem Mauerfall als „vorbildlichste Demokratieform in Europa”, von deren Stabilität man überzeugt war. Schmiese belegt, dass die amerikanische Haltung gegenüber der Bundesrepublik im genannten Zeitraum differenzierter ist, als es umgekehrt die deutschen Kommentare über die US-amerikanische Politik sind.
Die fundiert recherchierte und stilistisch flüssig geschriebene Untersuchung endet in einem Appell für eine „faire und argumentative Auseinandersetzung mit der anderen Politik und Gesellschaft”, die einer zunehmenden Entfremdung der beiden Staaten voneinander entgegenwirken soll. Auch wenn dies aufrichtig gemeint ist, wirkt es indes rührend deplatziert in einer ansonsten soliden wissenschaftlichen Darstellung.
OLIVER SCHMIDT
Der Rezensent ist Journalist in Osnabrück.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.08.2000

Unter Stereotypen
Deutsche Amerikabilder, amerikanische Deutschlandbilder

Wulf Schmiese: Fremde Freunde. Deutschland und die USA zwischen Mauerfall und Golfkrieg. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2000. 323 Seiten, 68,- Mark.

Auch der Apostel Paulus hegte seine Vorurteile. Die Kreter beispielsweise seien "von jeher verlogene Menschen, böse Bestien, faule Bäuche". Das schrieb Paulus mit tröstendem Unterton an Titus, den er als Statthalter auf der Insel der "Schwätzer und Betrüger" zurückgelassen hatte.

Paulus war kein Journalist, sondern ein Missionar, dem ungeprüfte Urteile eher zugestanden werden können. Schreibt hingegen ein amerikanischer Journalist, die Deutschen seien "aggressiv und unterwürfig, ein roboterähnliches Volk, das Ordnung und Disziplin, Arbeit und Krieg liebt", muß er damit rechnen, daß ein deutscher Geschichtsstudent dahinter ein Thema für eine Doktorarbeit vermutet. Wie kommt ein Nachrichtenmagazin wie "Time" dazu, ein halbes Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer ein so düsteres Bild der Deutschen zu zeichnen? Im gleichen Monat schimpft die "Frankfurter Rundschau" das im Golfkrieg engagierte Amerika ein "gefräßiges Erdölmonster".

Beruhen diese Urteile allein auf einer Analyse der Gegenwart, oder wird - bewußt oder unbewußt - auf Bilder zurückgegriffen, die zum Stereotypenfundus gehören? Stereotypen helfen bei der Wahrnehmung komplexer Objekte, beispielsweise fremder Völker. Es sind Bilder, die bei einschneidenden Ereignissen entstehen und sich im Gedächtnis festsetzen, beispielsweise beim eigenen Volk. Bei der nächsten historisch bedeutsamen Gelegenheit wird vornehmlich das wahrgenommen, was einem solchen Bild nicht widerspricht.

Schmiese wählt zwei Beispiele aus der jüngeren Geschichte - die Wiedervereinigung und den Golfkrieg -, um zu zeigen, wie die Berichterstatter der jeweils anderen Seite mit den in ihrem Umfeld vorhandenen Stereotypen umgehen. So erinnerten sich die Deutschen während des Golfkriegs an Amerikabilder, die sie sich in der Zeit des Versailler Vertrags und des Vietnam-Kriegs gemacht haben. Die Vereinigten Staaten erschienen vielen Deutschen damals materialistisch, imperialistisch und heuchlerisch. Ähnlich charakterisierte ein Großteil der deutschen Presse das Verhalten der amerikanischen Regierung gegenüber dem irakischen Diktator Hussein nach dessen Überfall auf Kuweit. Der Militäreinsatz am Golf wurde mit der schlechten Wirtschaftslage der Vereinigten Staaten in Verbindung gebracht. Viele Kommentatoren sahen in der von Präsident Bush zum Ziel erklärten "Neuen Weltordnung" den alten Imperialismus im neuen Gewand. Und als heuchlerisch galt es allemal, mit einem Krieg am Golf von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken.

Die Deutschlandbilder, die Schmiese der amerikanischen Presse entnimmt, sind widersprüchlicher. Die Revolution von 1848 und die friedlichen ostdeutschen Revolutionäre nahmen die Amerikaner gleichermaßen für "die demokratischen Deutschen" ein. Das Entsetzen über den Nationalsozialismus führte in Amerika nicht zu einer grundsätzlichen Ablehnung. Es bewirkte aber einen vorsichtigeren Umgang mit Deutschland, das fortan als unberechenbar und unzuverlässig galt. Die deutsche Zurückhaltung während des Golfkriegs paßte nur zu gut in dieses Bild: In der amerikanischen Presse fand sich - ungeachtet der Argumente der lebhaften Friedensbewegung - immer wieder die Erklärung, die Deutschen schreckten vor ihrer weltpolitischen Verantwortung zurück.

Schmiese bietet eine ausführliche Presseschau, wobei erstaunlich ähnliche Zitate aus ganz verschiedenen Situationen nebeneinanderstehen. Stereotypenforschung ist jedoch ein Feld mit nachgiebigem Untergrund. Wenn beispielsweise schon Hitler seinem Kriegsgegner Roosevelt vorhielt, Amerika versuche, "die Aufmerksamkeit von seiner zerfahrenen Wirtschaftspolitik nach außen hin abzulenken", und dasselbe Bild später von den Golfkriegskommentatoren benutzt wird - ist das ein Hinweis auf die "Hartnäckigkeit von Stereotypen"? Oder war es im einen wie im anderen Fall tatsächlich so? Oder war es damals so und wurde nur deswegen auch später so wahrgenommen? Auf unsicherem Gelände konstruiert Schmiese unbeirrt Gedankengebäude. Haben die deutschen Berichterstatter wirklich den amerikanischen Anteil an der deutschen Wiedervereinigung verkannt, weil sie durch negative Amerikabilder geprägt worden waren? Die Frage, ob man Stereotypen an der Wirklichkeit überprüfen sollte, hatte sich übrigens schon Heinrich Heine gestellt: "Manchmal kommt mir in den Sinn / Nach Amerika zu segeln, / Nach dem großen Freiheitsstall, / Der bewohnt von Gleichheitsflegeln - / Doch es ängstigt mich ein Land, / Wo die Menschen Tabak käuen, / Wo sie ohne König kegeln, / Wo sie ohne Spucknapf speien." Heine ging statt dessen nach Paris.

ULRIKE KOLTERMANN

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wohlwollend schreibt Ulrike Koltermann in ihrer Rezension über Schmieses Anliegen, die gegenseitigen Stereotypen der Deutschen und der Amerikaner voneinander durch die Recherche in Presseartikeln herauszuarbeiten. Der Mauerfall und der Golfkrieg hätten ihm das Material für seine "Ausführliche Presseschau" geliefert, bemerkt sie. Allerdings wendet sie dann auch ein, dass Stereotypenforschung sich auf "nachgiebigem Untergrund" bewege. Sie ist vor allem skeptisch bei Folgerungen, die Schmiese aus "stereotypen" Äußerungen zieht. So bezweifelt sie etwa, dass die Deutschen wegen kursierender negativer Amerikabilder den amerikanischen Anteil an der Wiedervereinigung verkennen würden.

© Perlentaucher Medien GmbH