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Seit 1920 war ein nationales Alkoholverbot Bestandteil der amerikanischen Verfassung. Wie konnte es dazu kommen? Wie veränderte die Prohibition die amerikanische Gesellschaft? Welche Gründe führten zu ihrer Abschaffung im Jahre 1933?Thomas Welskopp legt eine Gesamtgeschichte und zugleich umfassende Gesellschaftsgeschichte der Vereinigten Staaten in der Zeit des nationalen Alkoholverbots vor. Ebenso anschaulich wie spannend erzählt der Autor, welch dramatischen Einfluss die Prohibitionsfrage und ihre Behandlung auf fast alle gesellschaftlichen Bereiche der USA ausübte.Wie entwickelten sich das…mehr

Produktbeschreibung
Seit 1920 war ein nationales Alkoholverbot Bestandteil der amerikanischen Verfassung. Wie konnte es dazu kommen? Wie veränderte die Prohibition die amerikanische Gesellschaft? Welche Gründe führten zu ihrer Abschaffung im Jahre 1933?Thomas Welskopp legt eine Gesamtgeschichte und zugleich umfassende Gesellschaftsgeschichte der Vereinigten Staaten in der Zeit des nationalen Alkoholverbots vor. Ebenso anschaulich wie spannend erzählt der Autor, welch dramatischen Einfluss die Prohibitionsfrage und ihre Behandlung auf fast alle gesellschaftlichen Bereiche der USA ausübte.Wie entwickelten sich das Verfassungsrecht, die illegale - aber auch die legale - Alkoholwirtschaft, die Kultur des Trinkens und die Beziehungen zwischen den Geschlechtern, die Organisierte Kriminalität, die religiösen Milieus, die staatlichen Institutionen, die massenmediale Landschaft und schließlich die politische Kultur mitsamt dem amerikanischen Parteiensystem in den Jahren zwischen der Durchsetzung (1919) und der Abschaffung (1933) der National Prohibition?
Autorenporträt
Thomas Welskopp (Prof. Dr. phil.) ist Professor für die Geschichte moderner Gesellschaften an der Universität Bielefeld und Sprecher der Bielefeld Graduate School in History and Sociology.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2011

Soziale Netzwerke aus der Flasche

Geschäfte und Gewalt des organisierten Verbrechens, Trinksitten in illegalen Bars, die Korruption von Polizei und Politik: Thomas Welskopp erzählt, wie Amerika mit dem Alkoholverbot umging.

Als "mit allen Hunden gehetzt und mit allen Wassern gewaschen" beschrieb Walter Benjamin die Bootlegger, die Alkohol in die Vereinigten Staaten schmuggelten. Das Alkoholverbot hatte einige Jahre zuvor Verfassungsrang erhalten, und der Philosoph begann einen Radiovortrag für Kinder gewitzt mit der betulichen Frage, ob man ihnen überhaupt "solche Geschichten" erzählen solle: "Von Schwindlern, von Verbrechern, die die Grenze übertreten, um ein Dollarvermögen zu machen, und noch dazu gelingt es ihnen auch oft." Die Neugier war geweckt.

Wie der Zeitgenosse Benjamin kennt der Historiker Thomas Welskopp den Reiz "solcher Geschichten". Seine breit angelegte, detailreiche Darstellung der Prohibition schildert die Wege der Schmuggler, die Geschäfte und die Gewalt des organisierten Verbrechens, die Trinksitten in illegalen Bars, die Korruption von Polizei und Politik. Dabei geht Welskopp über das Anekdotische weit hinaus; der Blick auf das Verbot und die Folgen zeigt die Zäsuren der Zeit zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem New Deal.

Das Trinken und die Kritik daran hatten eine lange Tradition in Amerika, doch erst die 1893 gegründete Anti-Saloon-Liga "machte die Prohibitionsbewegung zu einer Erscheinung eigener Qualität". Indem sie zunächst auf lokale Verbote setzte, verband sie unterschiedliche - religiöse, feministische oder wissenschaftliche - Kräfte, die sonst wenig gemein hatten. Ihr Fernziel der nationalen Prohibition wurde während des Ersten Weltkriegs erreichbar, als politisch-propagandistisch alles passte: Nach den Wahlen von 1916 bestand eine überparteiliche "trockene" Kongressmehrheit, und deutschstämmige Bierbrauer schienen sowieso suspekt.

Um dem Alkoholverbot sichere Autorität und Dauer zu geben, sollte es nicht als gewöhnliches Gesetz formuliert, sondern in die Verfassung eingefügt werden. Mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit beschloss der Kongress im Dezember 1917 den 18. Zusatzartikel, dem dann drei Viertel der Einzelstaaten zustimmen mussten, was innerhalb von nur dreizehn Monaten geschah. Genau ein Jahr darauf, am 16. Januar 1920, trat das Verbot um Mitternacht in Kraft. Es untersagte die Herstellung, den Verkauf, den Transport sowie die Ein- und Ausfuhr "berauschender alkoholischer Getränke"; besitzen und trinken durfte man sie noch. Dass ein derart einschränkender Artikel nun Bestandteil eines Gründungsdokuments war, das doch gerade die Freiheit der Bürger schützen sollte, galt Gegnern der Prohibition als einmaliger Bruch mit der amerikanischen Verfassungstradition. Der Präsident der Columbia University, Nicholas Murray Butler, sprach von einem Gesetzgebungsakt, "der die Form einer drastischen und unilateralen Ausübung von Polizeigewalt trägt".

Der Alkohol verschwand trotzdem nicht aus dem Alltag. Das lag zum einen an den Ausnahmen für den religiösen, medizinischen oder industriellen Gebrauch. Zwar machten spezielle - teils giftige - Zusätze den Industriealkohol ungenießbar, aber das hielt die Anbieter illegaler Getränke nicht davon ab, ihn zu verwenden, mal mehr und mal weniger gereinigt. Den Schaden hatten die Kunden. Zum anderen war Alkohol erhältlich, der geschmuggelt oder schlicht in offiziell stillgelegten Werken produziert wurde, wobei Welskopp auf eine bewusst verzerrte Marktlage hinweist: Die in der öffentlichen Wahrnehmung (und den Nachbildern) so wirkmächtigen Bootlegger steuerten bloß minimal zum Alkoholangebot bei, das überwiegend aus dem Inland stammte; da sich allerdings vermeintliche Schmuggelware teurer verkaufen ließ, profitierten die Händler vom falschen Ru(h)m der Bootlegger.

Getränkeherstellung in hohen Mengen schloss Heimlichkeit aus. Krach und Gerüche verrieten die Hinterhofküchen, wie die schiere Sichtbarkeit von Lieferungen und Personal die neue Nutzung geschlossener Betriebe ankündigte. Die Antwort darauf hieß Korruption, die in diesen Jahren "eine neue qualitative Stufe erklomm" und bald von der organisierten Kriminalität bestimmt wurde. Die Gegenseitigkeitsbeziehungen von Gangstern, Geschäftswelt und Politik deutet Welskopp als soziale Netzwerke und sieht darin einen "dezidiert modernen Charakter" - die Expansion eines feudalen Personenverbands ins "Big Business".

Die Verfügbarkeit von Alkohol und der Aufstieg des organisierten Verbrechens offenbarten das Scheitern der Prohibition. Der Versuch ihrer Durchsetzung hatte zudem zur Schaffung einer Bundesbehörde geführt, deren schlecht bezahlte, ständig wechselnde Mitarbeiter besonders bestechlich waren und, wie eine Regierungskommission mutmaßte, mit ihrem "Ruf der Unfähigkeit in großem Maße zur öffentlichen Missstimmung gegenüber der Prohibition beigetragen" haben. Meinungsumfragen machten dieses Unbehagen messbar, und während die Anti-Saloon-Liga ins politische Abseits geriet, gewannen die Prohibitionsgegner an Einfluss. Der Parteikonvent der Demokraten legte sich 1932 auf eine Aufhebung des Verbots fest und nominierte Franklin Delano Roosevelt als Präsidentschaftskandidaten. Seine Unterstützer erhofften sich vom Ende der Prohibition auch eine Beschränkung der Staatsmacht. Tatsächlich erlaubte es der Wahlsieg, durch den 21. Zusatzartikel das "noble Experiment" (so Roosevelts Vorgänger Herbert Hoover) am 5. Dezember 1933 abzubrechen. Im Zeichen der Wirtschaftskrise erhielt der Staat unter Roosevelts New Deal freilich nie gekannte Befugnisse. Den Kummer darüber konnte man zumindest wieder ganz legal in Alkohol ertränken.

THORSTEN GRÄBE.

Thomas Welskopp: "Amerikas große Ernüchterung". Eine Kulturgeschichte der Prohibition.

Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2010. 660 S., Abb., geb., 49,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.12.2010

Unglaublicher Durst
Thomas Welskopp schildert, wie man versuchte, die Vereinigten Staaten von Amerika trockenzulegen
Armer Michel! Als er sich, seinem Lieblingsferkel und dem Hofgeflügel mit vergorenen Kirschen den ersten Vollrausch besorgte, musste der blonde Knabe aus Lönneberga zur Buße bei den Guttemplern antanzen. Die Guttempler, das waren Genussverweigerer, Alkoholverteufler – Protestantisten vor dem Herrn. Sie forderten Michel den Schwur ab, nie wieder Alkohol zu sich zu nehmen. Eine grandiose Episode bei Astrid Lindgren. Das war es dann aber im Großen und Ganzen mit der Prohibition in Europa. In Amerika jedenfalls war die antialkoholische Moralistenbewegung weitaus aggressiver als die skandinavischen Guttempler. Dort wären Michels Eltern, die Kirschwein herstellten, schnell mal im Knast gelandet.
Zweifellos gehört die amerikanische Prohibition zu den abstrusesten Maßnahmen, die je in einer Gesellschaft ausprobiert wurden, als deren wichtigste Säule die Freiheit (liberty) emporragt. Der Bielefelder Historiker Thomas Welskopp liefert eine Kulturgeschichte der Prohibition. Sie trägt den Titel „Amerikas große Ernüchterung“, und was soll man sagen, irgendwie weckt die Lektüre Appetit auf ein Glas Bourbon.
Umfassender hat dieses Phänomen wohl noch kein europäischer Historiker untersucht. Welskopp, der inzwischen Geschichte moderner Gesellschaften lehrt, forschte jahrelang in den USA. Was er zu Papier brachte, ist wesentlich mehr als die Geschichte der Zeit zwischen 1920 und 1933, in der das Alkoholverbot konstitutionellen Rang hatte. Er geht zurück ins 19. Jahrhundert, um den Anfängen der Temperenzler und der, wie er schreibt „schein-heiligen Allianz“ nachzuspüren – und letztendlich sagt das Buch auch eine Menge über die heutigen USA, den neoevangelikalen Fundamentalismus und die Tea-Party-Bewegung aus, deren historische Wurzeln sichtbar werden. Beim Blick auf die Prohibitionszeit wird klar: Da steht der aufgeklärten Welt noch einiges bevor.
Nicht nur was Welskopp herausgefunden hat, sondern vor allem wie er es wiedergibt, macht die Lektüre ungemein kurzweilig. Es gibt keinen Grund, sich von der Dimension des 660 Seiten starken Buches einschüchtern zu lassen. Welskopp selbst gibt Entwarnung: Man müsse es nicht von der ersten bis zur letzten Seite lesen. Wann gibt sich ein Historiker schon mal dermaßen unprätentiös? Der Leser könne getrost die Kapitel aufschlagen, die ihn am ehesten interessieren, denn die „Kapitel erzählen jeweils ihre eigene Story“. Die Kapitel gliedern sich in rechtliche sowie ökonomische Fragen, Kultur, Gesellschaft, Medien und Politik der Prohibition. Nur: Wer vorne anfängt, dem macht es Welskopp nicht leicht, einfach mal 50 Seiten zu überspringen, weil man in dieser Darbietung alles lesen und ausschließen will, eine Facette dieser bizarren Geschichte zu versäumen. Die Fußnoten hat er leserfreundlich in den Appendix geräumt, so kommen aber auch Historiker, die sich in Quellen und Literatur vertiefen wollen, auf ihre Kosten.
Fetisch Alkohol
Aber damit kein Missverständnis aufkommt: Dieser Autor ist nicht Sergio Leone, sondern Wissenschaftler – auch wenn er mit diesem Buch die Atmosphäre von Leones Klassiker „Es war einmal in Amrika“ formidabel vermittelt. Nur eben tiefgründig. Mit Blick in die Schriften der Staatsdenker, in Polizeistatistiken und in die Vanity Fair.
Spätestens am Ende des Erstes Weltkrieges gewannen die Lobbyisten des Trinkverbots die Oberhand. Alkoholkonsum war deutscher Lebensstil und damit zu verachten. Schnell versiegten in Metropolen wie Milwaukee und Cincinnati die Zapfhähne der Biergärten, die größer waren als die in Bayern. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Anti-Saloon-League (die teilweise mit dem Ku Klux Klan verstrickt war) und Temperence Union, die in ihrem Eifer an die Verfechter des totalen Rauchverbots im Deutschland des Jahres 2010 erinnern, auf höchster Ebene behaupten würden. Bis die Freiheit des Individuums unter Quarantäne gestellt wurde, wie Welskopp schreibt.
Er spricht von einem „ausgefeilten Kult um den Fetisch Alkohol“. Egal was es war und wie es schmeckte, ob es im Ausland hergestellt oder in einer Garagenbrauerei gepantscht war, man soff es aus Prinzip. Die deutsche Ökonomin Marta Küppersbusch, die Anfang der zwanziger Jahre durch die USA reiste, berichtet von „unheimlichen Gebräuen“, die sich Wein oder Whisky nannten, aber nichts anderes waren als künstlich gefärbter Spiritus.
In den illegalen Quarantänekammern, den speakeasies, trafen sich Unter- und Halbwelt, Musiker, Schriftsteller, Intellektuelle, mitunter Richter. Und die Gangster, die für flüssigen Nachschub sorgten, bauten ihren eigenen Industriezweig auf. Einen sehr blutigen: Allein in Chicago wurden 1930 knapp 700 Mordopfer registriert – doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor. Welskopp leuchtet auch die Welt von Al Capone und Lucky Luciano aus.
Michel aus Lönneberga war nach dem Besuch bei den Guttemplern bekehrt. Er vernichtete den Wein der Eltern. Die Trockenlegung Amerikas hingegen endete feucht-fröhlich. RUDOLF NEUMAIER
THOMAS WELSKOPP: Amerikas große Ernüchterung. Eine Kulturgeschichte der Prohibition. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2010. 660 Seiten, 49,90 Euro.
Beamte der Prohibitionsbehörde gießen beschlagnahmten Alkohol in den Gully, 1927 Foto: SCHERL
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stoff für Freunde dunkler Machenschaften wittert Thorsten Gräbe beim Thema Prohibition reichlich. Von Thomas Welskopp und seinem Buch wird er diesbezüglich nicht enttäuscht. Der Historiker weiß, seine Darstellung immer wieder auch auf die Fährten von Schmugglern und in zwielichtige Kaschemmen zu leiten, versichert uns der Rezensent. Allerdings überzeugt ihn Welskopp weit über das Anekdotische hinaus, indem er Zeitgeschichte schreibt: Erster Weltkrieg, New Deal, religiöse, feministische und wissenschaftliche Interessen, die sich im Alkoholverbot zusammenfinden. Dass der Autor den modernen Charakter der um die Prohibition gedeihenden wechselseitigen Beziehungen (Korruption!) herauspräpariert und die Manipulation der öffentlichen Meinung erkennt, findet Gräbe gleichfalls bemerkenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH