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1937 erschien die Enzyklika "Mit brennender Sorge" gegen den Nationalsozialismus. Hat die katholische Kirche dennoch versagt? Warum hat sie Rassismus und Judenverfolgung nicht öffentlich verurteilt? Warum ist die Enzyklika gegen Nationalismus und Rassismus, die Pius XI. 1938 in Auftrag gab, nicht mehr erschienen, auch nicht unter Pius XII.? Erstmals wird der Entwurf dieser Enzyklika veröffentlicht.
Er wurde von Gundlach in Abstimmung mit zwei anderen Jesuiten 1938 in Paris verfasst. Neben Rerum novarum (1891) und Quadragesimo anno (1931) hätte es die dritte Sozialenzyklika ("Societatis
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Produktbeschreibung
1937 erschien die Enzyklika "Mit brennender Sorge" gegen den Nationalsozialismus. Hat die katholische Kirche dennoch versagt? Warum hat sie Rassismus und Judenverfolgung nicht öffentlich verurteilt? Warum ist die Enzyklika gegen Nationalismus und Rassismus, die Pius XI. 1938 in Auftrag gab, nicht mehr erschienen, auch nicht unter Pius XII.? Erstmals wird der Entwurf dieser Enzyklika veröffentlicht.

Er wurde von Gundlach in Abstimmung mit zwei anderen Jesuiten 1938 in Paris verfasst. Neben Rerum novarum (1891) und Quadragesimo anno (1931) hätte es die dritte Sozialenzyklika ("Societatis Unio") werden sollen. Einführend geht der Herausgeber dabei jüngst wieder aufgeworfenen Fragen nach: Warum wird der Textentwurf erst jetzt zugänglich gemacht? Gab es in Rom einflussreiche Kreise, die diese Enzyklika verhindern wollten? War der "katholische Antikommunismus" am Werk? Der Band enthält auch einige Briefe Gundlachs von hohem zeitgeschichtlichem Wert. Darin beurteilt er die Einschätzung des Nationalsozialismus und Kommunismus durch führende Kirchenleute. Abschließend wird die Eigenbiographie Gundlachs erstmals publiziert.
Autorenporträt
Gustav Gundlach (1892-1963) war von 1929 bis 1938 Prof. für Sozialphilosophie und -ethik an der Hochschule St. Georgen in Frankfurt, seit 1934 an der Päpstl. Univ. Gregoriana in Rom. 1962 übernahm er die Leitung der kath. Sozialwiss. Zentralstelle in Mönchengladbach.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.2001

Verworfen, aber nicht unterschlagen
Gustav Gundlachs Enzyklika-Entwurf von 1938 gegen Nationalismus und Rassismus

Gustav Gundlach: Wider den Rassismus: Entwurf einer nicht erschienenen Enzyklika (1938). Texte aus dem Nachlaß von Gustav Gundlach SJ, herausgegeben von Anton Rauscher. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2001. 208 Seiten, 39,90 Mark.

Papst Pius XI. hat dem am 3. März 1939 gewählten Pius XII. unter anderen unerledigten Dingen mehrere Entwürfe für eine Enzyklika gegen Nationalismus und Rassismus hinterlassen, die auch das Thema "Antisemitismus" explizit behandelten. Sie sind zwischen Juni und September 1938 ausgearbeitet worden. Davon wußten damals nur Insider. Der neue Papst hat das Lehrschreiben-Projekt seines Vorgängers nicht realisiert. Seine Gründe für diese Entscheidung hat er offenbar nicht aktenkundig gemacht, was vom Geschäftsgang her gesehen auch unnötig war. Die Textentwürfe gingen an die Ghostwriter zurück. Der englische und der französische Text kamen auf diese Weise in den heute in der Georgetown University bewahrten Nachlaß von John LaFarge SJ (1880 bis 1963), der deutsche zu Gustav Gundlach SJ (1892 bis 1963), den Pius XII. ständig als Fachmann für staatliche und gesellschaftliche Grundsatzfragen herangezogen hat. Die Gundlach-Version wanderte 1962 mit ihm in die Mönchengladbacher Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle, die heute Anton Rauscher SJ leitet.

Dieser hat den Gundlach-Entwurf mit wichtigen ergänzenden Aktenstücken veröffentlicht - keine historisch-kritische Edition, jedoch ein zuverlässiger Text mit einer ausführlichen und ausgewogenen Einleitung über die Geschichte dieser Entwürfe, wobei wohl der Wert der Forschungsergebnisse von Johannes Schwarte stärker hätte herausgehoben werden können. Eine 1938 angefertigte lateinische Übersetzung des Enzyklika-Entwurfs ist verschollen. Der englische Text war bruchstückweise seit Ende 1972 in den Vereinigten Staaten bekanntgeworden; der französische, der inhaltlich mit dem englischen übereinstimmt, wurde 1995 in Paris publiziert, und zwar durch zwei um die Aussöhnung zwischen Juden und Christen bemühte Belgier: Georges Passelecq und Bernard Suchecky. Der eine ist ein Benediktinerpater, der andere ein jüdischer Forscher an der Freien Universität Brüssel. Schon 1997 erschien von Passelecq/Suchecky eine deutsche Übersetzung, die in den Medien Furore machte.

Den Textentwürfen von 1938 ist seit den siebziger Jahren, in den leidenschaftlichen Debatten über den Pontifikat Pius' XII., eine wohl übertriebene historische Bedeutung zugemessen worden. Das geschah zuletzt in dem geschichtspolitisch aufschlußreichen und geschichtswissenschaftlich dürftigen 47-Fragen-Katalog des Vorberichts der 1999 gegründeten International Catholic-Jewish Commission, welche die Validität der amtlichen vatikanischen Aktenedition über den Zweiten Weltkrieg überprüfen wollte. Sie konstruierte in Frage 3 aus zwei Nebenbemerkungen des Editors Burkhart Schneider SJ (1917 bis 1976) über die Aktenlage zu diesem Punkt einen aufklärungsbedürftigen Widerspruch, der die erneute Durchsicht der vatikanischen Archivalien erfordere.

Suchecky, der Mitglied dieser International Catholic-Jewish Commission war, hatte als Koautor 1995 den geschichtspolitisch deutlich fokussierten Buchtitel L'encyclique cachée. Une occasion manquée de l'Église face à l'antisémitisme mitzuverantworten; der Hanser Verlag hat dies 1997 zu dem reißerischen Titel Die unterschlagene Enzyklika zugespitzt, mit dem Untertitel Der Vatikan und die Judenverfolgung, wobei das zweite nicht dem Buchinhalt entspricht und das erste absurd ist: Enzykliken kann eine Diktatur in ihrer Verbreitung behindern oder unterdrücken, wie es 1937 mit der Enzyklika "Mit brennender Sorge" geschehen ist. Aber Enzykliken sind öffentliche Kundgebungen des Papstes, und Öffentlichkeit ist unterschlagungsunfähig.

Geringer Einfluß

Die Passelecq/Suchecky-Veröffentlichung hatte neben Meriten auch deutliche Schwächen: Erstens wird der Gundlach-Entwurf nicht genügend berücksichtigt, den Rauscher ihnen 1988 nicht zur Verfügung stellte, weil er sich irrig an die Sperrfristenregelung des Vatikanischen Geheimarchivs gebunden fühlte und weil die Autoren ihn 1994 nicht mehr darum fragten. Zweitens berufen sie sich zuwenig auf die Forschungsergebnisse von Johannes Schwarte, der 1975 in seiner münsterischen Dissertation über Gustav Gundlach die Geschichte der Entwürfe von 1938 richtig rekonstruiert hatte und ein minutiöses Inhalts-Regest der Gundlach-Version bietet. Daß Schwartes Leistungen in der damaligen Debatte über Passelecq/Suchecky kaum oder gar nicht erwähnt wurden, ist ein Beweis für den geringen Einfluß der Geschichtswissenschaft auf geschichtspolitische Diskussionen.

Rauschers Publikation erlaubt nun den bequemen Vergleich der drei Versionen miteinander. Deren Argumentationsgang stimmt in den ersten zwei Dritteln das Textes überein; sie differieren aber deutlich im Schlußteil über das Thema Juden und Antisemitismus. Gundlach hält sich auch in diesem Punkt an die lehrhaft-abstrakte Systematik eines theoretischen Traktats; er wollte, nach eigener Formulierung, die Fragen dieser Enzyklika "in einer mehr wissenschaftlich begründenden Weise" behandeln und keine "politische" Enzyklika (wie etwa 1937 "Mit brennender Sorge") schreiben; LaFarge dagegen legte einen pastoral-appellativen Text vor, der konkret wurde und zum Handeln aufrief. Die beiden Konzeptionen hatten also unterschiedliche Zielsetzungen.

Ob Pius XI., wenn er länger gelebt hätte, sich eine dieser beiden Texttypen zu eigen gemacht oder eine noch andere hätte ausarbeiten lassen, kann niemand wissen. Ebenso läßt sich nicht konkret nachweisen, warum sein Nachfolger das Projekt beendet und die Texte endgültig den Autoren zurückgegeben hat. Dies läßt sich nur hypothetisch erörtern. Die wahrscheinlichste Begründung liegt wohl in der seit Juni 1938 sehr veränderten politischen Situation Europas - am 15. März 1939: deutsche Besetzung Prags, am 21. März: Hitlers Forderungen an Polen, am 31. März: britische und französische Garantie für Polen. Unmittelbar nach der Wahl Pius XII. rückten also die Signale auf Krieg. Das setzte die neuen Prioritäten. So verloren damals die Entwürfe ihre aktuelle Bedeutung.

Und was bedeuten sie uns heute? Wer Spekulationen über nicht-geschehene Geschichte liebt und Pulver für geschichtspolitische Polemik gegen die Politik Pius XII. im Zweiten Weltkrieg sucht, mag, wie Passelecq/Suchecky, das Liegenlassen dieser Entwürfe als eine verpaßte Chance zur Klärung der Geister, ehe Auschwitz geschah, bedauern - obwohl es auch ohne Enzyklika-Belehrung für einen gläubigen Katholiken zu keinem Zeitpunkt zweifelhaft sein konnte, daß die nationalsozialistischen Massenmorde der Schoa eine himmelschreiende Sünde waren. Wer hingegen kirchengeschichtlich denkt, mag im nachhinein geradezu begrüßen, daß diese Entwürfe damals Entwurf geblieben sind und insofern wenigstens dieser Stein nicht zusätzlich den windungsreichen Weg des Zweiten Vatikanischen Konzils zu seiner judentheologischen Erklärung in Nostra aetate störte. Wer aber Gundlachs Persönlichkeit und Profil kennenlernen will, findet in diesem eindrucksvoll geschlossenen Traktat geradezu einen Schlüsseltext, an dem sich Größe und Grenze des von diesem bedeutenden Soziologen konsequent vertretenen Naturrechts zur Diagnose und Therapie der Gegenwart ablesen lassen - ein Wurf aus einem Guß.

KONRAD REPGEN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Konrad Repgen würdigt ausführlich die kürzlich in Paderborn erschienenen Texte (i.e. der Entwurf einer nicht erschienenen Enzyklika gegen Nationalismus und Rassismus) aus dem Nachlass von Gustav Gundlach SJ (= Societatis Jesu) (1892-1963), der für Pius XII. der Fachmann für staatliche und gesellschaftliche Grundsatzfragen war. Die Hintergründe: Pius XI. ließ besagte Enzyklika durch verschiedene Autoren entwerfen, hinterließ sie seinem 1939 gewählten Nachfolger, der sie jedoch unrealisiert den Autoren zurückgab. Es existieren drei Versionen: Englische und französische kamen in den Nachlass von John LaFarge, die deutsche in den Gustav Gundlachs. Nachdem der französische Text 1995 in Paris publiziert und 1997 ins Deutsche übersetzt wurde (Hanser-Verlag), liegt nun endlich die deutsche Version vor. Wie man sieht, ein komplexes Thema. Der Herausgeber Anton Rauscher SJ hat nach Meinung des Rezensenten "keine historisch-kritische Edition" geschaffen, aber sie "erlaubt nun den bequemen Vergleich der drei Versionen miteinander", wobei deren unterschiedliche Zielsetzungen klar würden. Die Frage des Rezensenten "Was wäre gewesen, wenn?" ist eher rhetorischer Natur. Jedenfalls erschließe der Text "Größe und Grenze des von diesem bedeutenden Soziologen konsequent vertretenen Naturrechts zur Diagnose und Therapie der Gegenwart ..."

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