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Das Stichwort "Kriegserfahrung" signalisiert nicht allein das Anliegen, historische Akteure mit ihrer Nahperspektive auf das Kriegsgeschehen wieder zum Sprechen zu bringen. Vielmehr steht dahinter ein kulturwissenschaftliches Forschungsprogramm, das die sozial-, kultur- und alltagsgeschichtlichen Dimensionen des Krieges in den Blick nimmt. Der Erfahrungsbegriff steckt dabei den Rahmen für unterschiedliche methodische Herangehensweisen ab, um individuelle und kollektive Deutungen, Sinnstiftungen und Bewältigungen in und von Kriegen zu untersuchen.
Die Beiträge des Sammelbandes stellen einen
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Produktbeschreibung
Das Stichwort "Kriegserfahrung" signalisiert nicht allein das Anliegen, historische Akteure mit ihrer Nahperspektive auf das Kriegsgeschehen wieder zum Sprechen zu bringen. Vielmehr steht dahinter ein kulturwissenschaftliches Forschungsprogramm, das die sozial-, kultur- und alltagsgeschichtlichen Dimensionen des Krieges in den Blick nimmt. Der Erfahrungsbegriff steckt dabei den Rahmen für unterschiedliche methodische Herangehensweisen ab, um individuelle und kollektive Deutungen, Sinnstiftungen und Bewältigungen in und von Kriegen zu untersuchen.

Die Beiträge des Sammelbandes stellen einen solchen Zugang beispielhaft vor. Wenn die Autoren nach der Bedeutung von Religion für die Bewältigung von modernen Kriegen fragen, die Rolle der Medien für die gesellschaftliche Kommunikation in Kriegen thematisieren oder der Prägekraft der Bilder, die im kollektiven Gedächtnis von Kriegen haften blieben, auf den Grund gehen, wird die Aktualität einer solchen kulturgeschichtlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen "Krieg" deutlich.
Autorenporträt
Dr. Nikolaus Buschmann ist Wissenschaftlicher Assistent am Historischen Seminar der Universität Tübingen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.02.2002

Paten bei der Feuertaufe
Kriegserfahrungen: Ein Sammelband sieht in die Schützengräben
Man kennt das von den „weißen Jahrgängen”, die zu jung waren, um den Krieg miterlebt zu haben, und zu alt, um in die neu gegründete Bundeswehr eingezogen zu werden. Zeitlebens hatten sie das Gefühl, eine wichtige Erfahrung verpasst zu haben. Einige meldeten sich daher freiwillig zu den Fallschirmspringern. Andere wurden Militaria-Sammler und verschlangen jedes Kriegsbuch, das ihnen in die Hände kam. Doch alle Mühen waren vergeblich. Sie wurden von den Veteranen, die Feuertaufe und Fronterlebnis hinter sich hatten, nicht ernst genommen.
Das Pathos der Unmittelbarkeit, mit dem ehemalige Soldaten gerne ihre Erfahrungen schmücken, wird in der konstruktivistisch aufgeklärten Rückschau fragwürdig. Wie ein Werkstattbericht des Tübinger Sonderforschungsbereichs „Kriegserfahrungen – Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit” zeigt, kann ein Beobachter zweiter Ordnung die individuellen Erfahrungen der Kriegsteilnehmer als immer schon sozial bedingte und ihrerseits gesellschaftlich wirksame Versuche der Sinnstiftung interpretieren. Eine genauere Analyse kann sogar die Instanzen und Mechanismen der sinnvollen Verarbeitung von Kriegserfahrungen nachzeichnen. Dies führen etwa Frank Becker anhand der deutschen Wahrnehmung französischen Partisanentums – der so genannten Franctireurs – im deutsche Einigungskrieg von 1870/71 und Aribert Reimann mit der Lektüre britischer Feldpostbriefe und Tagebücher aus dem Ersten Weltkrieg vor.
Einige Autoren des Tübinger Bandes betreiben einen beträchtlichen Aufwand an Theorie. Seitdem die soziologische Theorie in der Bielefelder Spielart der Geschichtswissenschaft Schule gemacht hat, versuchen – vor allem auf dem Feld der Neueren Geschichte – viele Historiker, einander in der methodischen Reflexion zu überbieten und stets neue Theoreme aus der Taufe zu heben. Man sollte sich jedoch ruhig einmal die Frage nach dem Ertrag stellen. Muss man seitenlang begrifflichen Ballast aus siebzig Jahren Wissenssoziologie von Mannheim bis Luhmann umschlagen, um die geläufige Erkenntnis, dass alle individuelle Erfahrung gesellschaftlich bedingt ist, explizit zu machen und Erfahrung zu einer historischen Generalkategorie zu promovieren? Das zu lesen ist nämlich eine durchaus unerfreuliche Erfahrung.
CHRISTIAN JOSTMANN
NIKOLAUS BUSCHMANN, HORST CARL (Hrsg.): Die Erfahrung des Krieges. Erfahrungsgeschichtliche Perspektiven von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg. Krieg in der Geschichte 9. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2001. 275 Seiten, 41 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dass man nicht unmittelbar an einem Ereignis teilgehabt haben muss, um diese Erfahrungen aufzuschreiben und zu interpretieren, wird für Rezensent Christian Jostmann im vorliegenden Sammelband beispielhaft vorgeführt. Gerade die sogenannten "weißen Jahrgänge" hätten an dem vermeintlichen Makel gelitten, den Krieg zumindest nicht an der Front miterlebt zu haben. Ein "Beobachter zweiter Ordnung" könne dagegen über die individuellen Erfahrungen hinaus den gesellschaftlichen Kontext und die Versuche der Sinnstiftung herausarbeiten. Im Werkstattbericht des Tübinger Sonderforschungsbereichs "Kriegserfahrungen" hebt Jostmann die Aufsätze von Frank Becker über die deutsche Wahrnehmung französischen Partisanentums im Einigungskrieg 1870/71 und Aribert Reimans Lektüre britischer Feldpostbriefe aus dem 1. Weltkrieg hervor. Andere Autoren des Bandes betreiben ihm dagegen zu viel Theorieaufwand. Muss man wirklich mit 70 Jahren Wissenssoziologie um sich schlagen, fragt der Rezensent genervt, um zu der sensationellen Erkenntnis zu gelangen, dass Erfahrung sozial bedingt sei und in den Rang einer historischen Kategorie erhoben werden müsse?

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