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Die sieben Kapitel des Bandes spieglen die zurzeit wichtigsten Tendenzen der Forschung wider: 1) Historische Anthropologie, 2) Ordnungen des Wissens, 3) Medien- und Kommunikationstheorie, 4) New Philology/Textkritik, 5) Performativität, 6) Gender-Theorie und 7) Alterität und Interkulturalität. In jedem der 14 Beiträge werden die wissenschaftshistorischen Voraussetzungen der methodischen Ansätze, ihre theoretische Einbettung und die wichtigsten Arbeitsfelder vorgestellt sowie an einem Beispiel veranschaulicht.

Produktbeschreibung
Die sieben Kapitel des Bandes spieglen die zurzeit wichtigsten Tendenzen der Forschung wider: 1) Historische Anthropologie, 2) Ordnungen des Wissens, 3) Medien- und Kommunikationstheorie, 4) New Philology/Textkritik, 5) Performativität, 6) Gender-Theorie und 7) Alterität und Interkulturalität. In jedem der 14 Beiträge werden die wissenschaftshistorischen Voraussetzungen der methodischen Ansätze, ihre theoretische Einbettung und die wichtigsten Arbeitsfelder vorgestellt sowie an einem Beispiel veranschaulicht.
Autorenporträt
Claudia Benthien ist Professorin für Neuere deutsche Literatur mit dem Schwerpunkt Gender-Forschung an der Universität Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.2002

Kommt ein Aspekt zum Tragen
Alt und Neu Hand in Hand: Germanistik als Kulturwissenschaft

Der "linguistic turn", der lange im Ruf der entscheidenden Neuorientierung in den modernen Geisteswissenschaften stand, ist seit einigen Jahren nicht mehr allein. Ein "semiotic turn", ein "performative turn", ein "cultural turn" und einige andere leisten ihm heute so lebhafte Gesellschaft, daß es der theoretischen Neugier schwindlig werden kann vor lauter Drehungen. (Der altgediente "Paradigmenwechsel" scheint sich dagegen etwas zurückgezogen zu haben.) Geeignetster Kandidat für einen Oberbegriff dieser Wandlungen ist derjenige der Kulturwissenschaft. Gerade seine "Offenheit und synthetische Kraft", so schreiben die Herausgeber Claudia Benthien und Hans Rudolf Velten zu ihrer Einführung in die "Germanistik als Kulturwissenschaft", empfehlen ihn als tragfähige Brücke zwischen den Teilfächern der Germanistik wie zwischen dieser und ihren Nachbardisziplinen.

Rühmenswert an diesem von vierzehn zumeist jüngeren Literaturwissenschaftlern verfaßten Band ist vor allem das Unterfangen, an die gemeinsame Frühgeschichte des Fachs anzuknüpfen und den garstig breiten Graben zu überbrücken, der "ältere" und "neuere" Abteilungen oft allzuweit getrennt hat. Daß die Neugermanistik nicht nur als Theorielieferantin einer bedürftigen Mediävistik auftreten muß, sondern mit Gewinn auch die Nehmende sein kann, das läßt sich in der Tat nirgends triftiger zeigen als in dieser kulturwissenschaftlichen Perspektive. Sieben Doppelkapitel, mit jeweils einer auf die mittelalterliche und einer auf die neuere deutsche Literatur bezogenen Hälfte, stellen zweistimmig "historische Anthropologie" und "Ordnungen des Wissens" vor, medien- und kommunikationstheoretische Zugänge, "New Philology" und Textkritik, Theorien der Performativität, "Gender"-Konzepte und interkulturelle Modellierungen von "Identität und Alterität". Keine Sammlung einzelner Aufsätze ist dabei herausgekommen, sondern ein erstaunlich kohärentes Gemeinschaftswerk, vom Bemühen um den Gebrauch eines gemeinsamen Vokabulars bis zur Konzentration auf Textbeispiele, die alle mit "Brief und Botschaft" zu tun haben.

Der naheliegenden Gefahr einer Selbstüberforderung der Literaturwissenschaft entgehen die meisten Beiträge, indem sie den Blick von den Kontexten aus auf die Texte richten. Nicht die von Kritikern oft befürchtete Auflösung einer Textwissenschaft in eine allgemeine Kulturwissenschaft wird hier betrieben, sondern eine umfangreich kontextualisierende Lektüre von Texten als Produkten und Akteuren komplexer kultureller Praktiken. Besonders lehrreich gelingt die Verbindung der Teilfächer im Doppel-Kapitel über die "New Philology". Auch wer etwas über Literaturwissenschaft als "historische Anthropologie" erfahren will, erhält eine gründliche und zuverlässige Einführung; und wer sich fragt, was die kulturgeschichtliche Frage nach sozialen Ordnungen des Wissens und der Wissenschaften mit der Textanalyse zu tun hat, bekommt in einer exemplarischen Analyse von Kellers "Sinngedicht" eine überzeugende und obendrein elegante Antwort.

Immer wieder berühren die "neuen Theoriekonzepte" dabei altbekannte Streitfragen. Das "Gender"-Kapitel etwa hat es abermals mit den Antinomien und Aporien eines konsequenten Konstruktivismus zu tun, der das Epitheton "biologistisch" scheut wie der Teufel das Weihwasser; übertroffen wird seine Abschreckungskraft nur noch von derjenigen des "Essentialismus". Und wenn im "Alteritäts"-Abschnitt "Fremdheit als ästhetisches Verfahren" eingeführt werden soll, kann man fragen, ob da nicht die alte Verfremdungsästhetik nur einen kulturwissenschaftlichen abgewandelten Namen bekommt. Daß sich über jedes dieser sieben Doppelkapitel kontrovers und mit Gewinn diskutieren ließe, gehört zu den Vorzügen des Bandes.

Nur gelegentlich wird die Anschaulichkeit beeinträchtigt durch einen bürokratischen Verlautbarungsstil, der aus der Germanistik leider noch immer nicht verschwunden ist. Von "der gegenwärtigen Theorielandschaft" ist dann "diesbezüglich" die Rede, es "kommen Aspekte zum Tragen", und wenn der fiktive Reisebrief einer Europäerin aus Afrika "die Funktion eines intermediären Feldes gewinnt, in dem diese Fremdheitserfahrungen in der kontrastiven Profilierung unterschiedlicher kultureller Erfahrungshorizonte imaginär inszeniert werden" - dann ist die Grenze zwischen Fachsprache und Jargon nicht mehr auszumachen. (Hübsch sind dann aber die "Diskurskanäle" der "Klerikerkultur".)

Unnötig wirkt allein das Attribut "neu" im Untertitel. Keineswegs ist alles ganz neu, was hier vorgestellt wird; und das braucht es auch gar nicht zu sein. Im Gegenteil besteht der Reiz vieler der hier vorgestellten Modelle gerade darin, daß sie an zeitweise verschüttete oder marginalisierte Traditionen der Germanistik anknüpfen und sie verbinden mit neuen Einsichten der Diskursgeschichte und Systemtheorie, der Mediengeschichte und Anthropologie. "Kultur erscheint", heißt es in der Einleitung, "heute als der geeignetere Begriff, um die Gegenstände der klassischen Geisteswissenschaften zu bezeichnen." Dem kann man nur zustimmen.

HEINRICH DETERING

Claudia Benthien / Hans Rudolf Velten (Hg.): "Germanistik als Kulturwissenschaft". Eine Einführung in neue Theoriekonzepte. Rowohlts Enzyklopädie im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2002. 384 S., br., 13,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gutes, gründliches Buch, schreibt Heinrich Detering. Besonders rühmenswert erscheint dem Rezensenten an diesen 14 Beiträgen "zumeist jüngerer Literaturwissenschaftler" das Unterfangen, an die Frühgeschichte des Fachs anzuknüpfen und in der kulturwissenschaftlichen Perspektive den Graben zwischen Mediävistik und Neugermanistik zu überbrücken. Dazu dient im Band das Schema des Doppelkapitels, mittels dessen dem Leser "zweistimmig" Textkritik, "New Philology", "Gender"-Konzepte u.a. vorgestellt werden. Herausgekommen, so Detering, ist dabei keine Sammlung einzelner Aufsätze, sondern ein kohärentes Gemeinschaftswerk, "vom Bemühen um ein gemeinsames Vokabular bis zur Konzentration auf Textbeispiele, die alle mit "Brief und Botschaft" zu tun haben". Mit dem Gang von den Kontexten auf die Texte, findet Detering, entgehen die Beiträge zugleich der Gefahr einer Selbstüberforderung der Literaturwissenschaft; sie bieten eine "umfangreich kontextualisierende Lektüre von Texten als Produkten und Akteuren komplexer kultureller Praktiken". Zu den größten Vorzügen zählt der Rezensent schließlich den Umstand, "dass sich über jedes der sieben Doppelkapitel kontrovers und mit Gewinn diskutieren ließe". Den gelegentlichen Rückfall in den "bürokratischen Verlautbarungsstil" einer jargonverliebten Germanistik kann Detering da verzeihen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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