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Neues von Hochhuth.
"Kein deutscher Schriftsteller hat mit seiner Literatur so viele brisante Themen so wirkungsvoll in Szene gesetzt wie Rolf Hochhuth." (Heinz Ludwig Arnold, Frankfurter Allgemeine Zeitung) Kern des Sammelbandes ist Hochhuths neues Theaterstück "Heil Hitler!". Hinzu kommen Essays und Reden, Erzählendes und Gedichte - insgesamt Auskunft über das Schaffen der letzten Jahre.

Produktbeschreibung
Neues von Hochhuth.
"Kein deutscher Schriftsteller hat mit seiner Literatur so viele brisante Themen so wirkungsvoll in Szene gesetzt wie Rolf Hochhuth." (Heinz Ludwig Arnold, Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Kern des Sammelbandes ist Hochhuths neues Theaterstück "Heil Hitler!".
Hinzu kommen Essays und Reden, Erzählendes und Gedichte - insgesamt
Auskunft über das Schaffen der letzten Jahre.

Autorenporträt
Hochhuth, RolfFritz J. Raddatz nannte ihn einen «Kaltnadelradierer der Poesie, schmucklos, scharf ritzend, aber nicht ätzend ... ein besessener Aufklärer, wo er die Täter am Werk sieht, ob Diktatoren oder Shareholder.» Rolf Hochhuth war einer der erfolgreichsten Dramatiker des heutigen Theaters - mit sicherem Gespür für brisante Stoffe und Themen. Am 1. April 1931 in Eschwege geboren, erzielte er mit dem «christlichen Trauerspiel» Der Stellvertreter Internationalen Erfolg. Es thematisiert die Rolle der katholischen Kirche, speziell die von Papst Pius XII., im Zweiten Weltkrieg. Als rigoroser «Moralist und Mahner» setzte sich Hochhuth mit aktuellen politisch-sozialen Fragen auseinander; in einer Vielzahl offener Briefe plädierte er für die «moralische Erneuerung» der Politik. Er verfasste ein umfangreiches dramatisches, essayistisches und lyrisches Werk. Ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Kunstpreis der Stadt Basel (1976), dem Geschwister-Scholl-Preis (1980), dem Lessing-Preis der

Freien Hansestadt Hamburg (1981), dem Elisabeth-Langgässer-Preis (1990) und dem Jacob-Grimm-Preis für Deutsche Sprache (2001). Hochhuth starb am 13. Mai 2020 in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2004

Minensuche mit Spazierstock
Wahnsinn und Gesellschaft: Neues von Rolf Hochhuth

In Zeiten, in denen Schriftsteller zusehends Abstand nehmen von politischer Einmischung, wirkt die Gestalt von Rolf Hochhuth wie ein personifizierter Anachronismus. Das umfangreiche, vielgestaltige Werk des Dreiundsiebzigjährigen läßt sich nach wie vor als littérature engagée im besten Sinne des Wortes bezeichnen. Mit seinen eigenwilligen Dramatisierungen und Literarisierungen wahrer Geschichten hat Hochhuth sich als unbeirrbarer Moralist vielfach Ärger eingehandelt: mit der Kirche, mit Politikern, mit der Pharmaindustrie, mit der englischen Regierung. Der Autor des "Stellvertreters", nach wie vor von einer schier unbändigen Schreiblust getrieben, wird nicht müde, anzuprangern, aufzudecken und sich einzumischen, wann immer er die "immerwährende Fürsorge für den Einzelnen" gefährdet sieht, die ihm sein geistiger Lehrer, der Historiker Jacob Burckhardt, mit auf den Weg gab, dem Hochhuth in seinem neuen Sammelband einen apologetischen Essay widmet.

"Nietzsches Spazierstock", so der symbolträchtige Titel, bietet ein Sammelsurium an Texten, einen Steinbruch von Stilen, Genres und Textsorten - Gedichte, Theaterstücke, Essays, Prosa. Hochhuth befaßt sich mit Ereignissen aus dem politischen Tagesgeschehen (man lese nur das wunderbar böse Sonett "Kein künstliches Hüftgelenk"), setzt sich abermals mit den Folgen des NS-Regimes auseinander, etwa in der in dieser Zeitung vorabgedruckten Erzählung "Remarque in Plötzensee", oder verfaßt auch eine sprachkritische Abhandlung über Jacob Grimm, die in ihrer stilsicheren Pointierung auch ein Plädoyer gegen die staatlich verordnete Rechtschreibreform enthält. Trotz der fehlenden Systematik innerhalb des Bandes sind die einzelnen Texte eindrucksvolle Zeugnisse eines der letzten deutschen Sozialkritiker, für den das Medium der Literatur in all ihren Formen immer noch den Zweck einer moralischen Minensuche erfüllt.

Das Herzstück bildet die fünfaktige Tragikomödie "Heil Hitler!", der der Band seinen Titel verdankt. Erzählt wird die Geschichte des siebzehnjährigen Till Reineke, dessen Vater im Konzentrationslager Buchenwald ums Leben kam, weil er sich geweigert hatte, den Hitlergruß zu entbieten. Um selbst der anstehenden Einberufung in die nationalsozialistische Armee zu entgehen, simuliert Till eine Zwangsneurose, indem er jedem, der ihm begegnet, den Hitlergruß abverlangt. Bleibt er aus, wird das Gegenüber kurzerhand verprügelt. "Ich werde den Wahnsinn überleben - dank Vortäuschung von Wahnsinn", so lautet der Plan des jungen Querulanten, der ihn tatsächlich bis in die Irrenanstalt bringt. Dort wird ihm in einer hochkomischen Diagnose-Szene eine "Hypertrophie an Führerliebe" attestiert, die den Jungen an den Rand der Schizophrenie treibe. Die weitere Handlung des Stücks ähnelt einer stimmungsvollen Verquickung von "Einer flog übers Kuckucksnest" und "Das Leben ist schön". Hochhuth nimmt die Regeln der Tragikomödie gewohnt ernst, auch in dieser jüngsten Dramatisierung eines nach wie vor brisanten Themas. Die Bemerkung seines Protagonisten "Doch wo der Führer anfängt, da hört der Spaß auf" kehrt Hochhuth auf humorvolle Art um, auch wenn dem Leser das Lachen bisweilen im Halse steckenbleiben dürfte - so wie der Kaiserschmarrn, den Till fortan nur noch "Führerschmarrn" genannt haben will.

Die groteske Komik in "Heil Hitler!" macht die pervertierte, todbringende Gesellschaftslogik des NS-Regimes sichtbar, wenngleich sich in der Schlußpointe des Stücks mit Tills Mord am Denunzianten seines Vaters eine eher zweifelhafte Art von Moral manifestiert. Doch was ist im Krieg schon moralisch? In "Heil Hitler!" zeichnet Hochhuth in Form einer Genealogie der Unmoral seine eigene Interpretation nietzscheanischer Philosophie nach und tauscht damit den Spazierstock gegen die moralische Keule ein.

GREGOR SCHUHEN

Rolf Hochhuth: "Nietzsches Spazierstock". Gedichte, Tragikomödie "Heil Hitler!", Prosa. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2004. 429 S., br., 12,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2005

Wieviel Prozent Deutsche Bank verträgt ein Sonett?
In seinem Band „Nietzsches Spazierstock” versammelt Rolf Hochhuth allerlei Allotria
Wenn man Rolf Hochhuth gerecht werden will, darf man ihn nicht als Schriftsteller betrachten und bewerten; man gerät sonst in Gefahr, ein unangemessen vernichtendes Urteil zu fällen. Dies ist offenbar auch seinem Verlag Rowohlt klar, der das jüngste Buch auf dem Umschlag nicht etwa als literarisches Produkt, sondern als „Auskunft über das Schaffen der letzten Jahre” ankündigt. So trägt er Hochhuths Besonderheit Rechnung, der seinen einzigartigen publizistischen Ort in der deutschsprachigen Öffentlichkeit der letzten vier Jahrzehnte zwar durch die Literatur, aber nicht in ihr erlangt und behauptet hat.
Hochhuth ist, was Goethe den „Narren auf eigene Hand” nennt. Er blickt in die Welt mit einer unerbittlichen Unschuld, die man heroisch nennen müsste, wenn sie ihre Direktheit nicht vor allem der beharrlichen Ahnungslosigkeit verdankte, wie sehr bestimmte Meinungen und Wahrnehmungen hierzulande nur als Package zu haben sind; persönliche Abweichungen vom pauschalen Ensemble befremden. Hochhuth ist vielleicht der Einzige, der den britischen Skandalhistoriker David Irving schon früh persönlich kannte - und zugleich der Einzige, der überhaupt nicht mitbekommen hat, wie dieser sich seit zwanzig oder mehr Jahren als öffentliche Figur inszeniert. Das ist eine überaus skurrile Kombination; aber eine für Hochhuth typische. Hochhuth, möchte man sagen, kommt teils vor, teils nach dem Fall, aber den Fall selbst ist er zu verpassen verdammt und wird darum selbst zum Fall.
Und zwar immer zum Fall der unbedingten Ehrlichkeit in einem von Rücksichten verminten Gelände. Was für Eiertänze waren nicht vor kurzem zu erleben, als der Befreiung von Auschwitz und der Zerstörung Dresdens fast gleichzeitig gedacht werden sollte! Keinesfalls durfte „verglichen” werden - obwohl doch fast alle Beteiligten das Ganze als Nullsummenspiel betrieben, bei dem es ausschließlich darauf ankam, wer mehr vom Kuchen des Gedenkens abbekam, und schon deshalb musste jeder sein Tortenstück heimlich mit dem des Nachbarn vergleichen.
Hochhuth scheut den Vergleich nicht; allein so gelingt es ihm, über die fatale Vergleicherei hinauszugelangen. Er hält fest, dass die Amerikaner, trotz höherer Verluste, ihre Bombenangriffe bei Tag flogen, um sich auf kriegswichtige Ziele zu konzentrieren, während die Briten in der relativen Sicherheit der Nacht absichtlich auf die Innenstädte losgingen. Dann wieder setzt er die Zahl der Toten mit der von Hiroshima und Nagasaki in Beziehung und kommt zu dem Ergebnis, die in Dresden habe höher gelegen. Aber sogleich lässt er seinen Erich Maria Remarque, der Plötzensee besucht, hinzufügen: „Bin übrigens noch nie einem Deutschen begegnet, der auch vom nahe gelegenen Auschwitz spricht, wenn er Dresden erwähnt . . .”.
Im Gasthaus „Zur Kuh”
Einen verlässlichen Verbündeten gegen Amerika gibt Hochhuth trotz Hiroshima nicht ab. Er erinnert sich mit Dankbarkeit an das, was die USA nach dem Krieg für das zerstörte Deutschland getan haben: „Sagt einer heute ,Care-Paket’ oder Marshall-Plan, nörgelt ein anderer: die hätten allein die Funktion gehabt, den sich abzeichnenden kalten Krieg auf den Gefrierpunkt zu treiben. Das ist aber nicht wahr!” Kurzum, Hochhuth nimmt sich heraus, es sich bloß der Wahrheit wegen mit allen zu verderben.
Der etwas sammelsuriumhafte Band enthält Lyrik, Aphorismen, Festreden, eine Erzählung, als längstes Einzelstück ein Drama. Machen wir, was es zur literarischen Qualität zu sagen gibt, hier ab, auf dem Weg zum dritten Viertel des Artikels, an der nachdrucklosesten Stelle. Bei der Lyrik handelt es sich überwiegend um Kurz-Stellungnahmen zu politischen Vorgängen, an denen nichts so sehr verblüfft, als dass sie sich am Ende doch reimen; man merkt es über weite Strecken erst gar nicht. „Sonette” sollen es zum Teil sogar sein. Das Metrum wird nicht einmal problematisch - es findet nicht statt. Wenigstens erweckt Hochhuth nicht den Eindruck, als habe er darüber nachgedacht, wie viele Silben eine Verszeile wie „(...) Ackermann, dass er 14,31 % Deutsche Banker entlässt” denn nun genau enthält. Dass er (auch dies eins seiner zahlreichen Paradoxe) Gottfried Benn verehrt, kommt diesen Gebilden nicht zugute. Eines davon könnte man im engeren Wortsinn als Gedicht bezeichnen: „Malkasten Oktober”, nicht zuletzt, weil es ein auf originelle Weise entspanntes und dankbares Verhältnis zur Sexualität im Alter ausdrückt.
Die Tragikomödie „Heil Hitler!” ist ein heillos konfuses, läppisches Stück, in quälender Formenstrenge durch fünf lange Akte geführt. Ein Siebzehnjähriger entzieht sich der Einberufung im Zweiten Weltkrieg dadurch, dass er Wahnsinn simuliert und von früh bis spät „Heil Hitler!” schreit. Das ist allzu schlau erdacht, um zu funktionieren. Hochhuth scheint selbst nicht anzunehmen, dass dieses Drama je gespielt wird, sonst hätte er sich die geschwätzig überlangen Regieanweisungen, die keiner Bühnenrealität entsprechen, gewiss gespart. Mit Gewinn liest man dagegen viele der locker mit einem „&”, ansonsten so gut wie gar nicht verbundenen Notizen; sie sprechen von der taktvollen Geste, bei Abenden im Freundeskreis mindestens einmal pinkeln zu gehen, damit die Anderen drei Minuten Zeit haben, sich das Maul zu zerreißen, oder zeigen sich verwundert, dass es in Deutschland so viele Gasthäuser „Zum Ochsen”, aber keine „Zur Kuh” oder „Zum Stier” gibt. Ja, warum eigentlich?
Der Eigensinn Hochhuths hat seine Licht- und Schattenseiten. Hochhuth glaubt an Zahlenmystik, aber er weist den Leser auch auf Entlegenes hin, das niemand auffindet, als wer Vorurteile ignoriert - eine bedeutende geschichtsphilosophische Rede von Ulrich v. Wilamowitz z.B. Den Linken gilt Wilamowitz als reichsdeutscher Imperialist, den Rechten als Verleumder Nietzsches, und nur Hochhuth, der unbekümmert geradeaus marschiert, konnte ihm begegnen. Vor allem aber besteht der Individualismus Hochhuths darin, dass er unbeirrt ans Individuum glaubt, gegen alle jene, deren Hoffnung oder Angst sich auf die Masse richtet. Scharf greift er Adorno an, wo dieser behauptet: „Bei vielen Menschen ist es schon eine Unverschämtheit, wenn sie ich sagen.” Das, so merkt er an, hätte auch Himmler sagen können. Jeder Blockwart habe die Wahl gehabt, ob er den Schwarzhörer denunzieren wolle oder nicht, nichts zwang ihn dazu. „Oder trug Truman keine Verantwortung für die Vernichtung Hiroshimas?”
Hochhuths Verachtung trifft Einstein, der seine Rolle beim Bau der Bombe hinterher kleinreden wollte, er habe „eigentlich nur als Briefkasten gedient”. Hochhuth besteht darauf: „Uniformen haben am Hals ihre Grenze. Gesichter erscheinen nur dem unterschiedslos, der sie so oberflächlich betrachtet wie reisende Europäer die Asiaten.” Diese Sätze stammen aus einem Beitrag für „Theater heute” im Jahr 1963, dem Jahr des „Stellvertreters”: „Gegen Adornos ,Minima Moralia’ - anlässlich der Frage: Kann das Theater noch die heutige Welt darstellen?” Was immer daraus für die Bühne folgt (und für den Bühnenautor Hochhuth sind die Folgen sehr gemischt gewesen), es äußert sich darin ein humanistisches Credo, das in dieser Entschiedenheit heute selten zu hören ist. Hochhuth hat recht gehabt, unter lauter neuen Texten auch diesen einen alten aufzunehmen: das Gründungsdokument der Instanz RH.
BURKHARD MÜLLER
ROLF HOCHHUTH: Nietzsches Spazierstock. Gedichte, Tragikomödie „Heil Hitler”, Prosa. Mit einem Essay von Gert Ueding. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2004. 429 Seiten, 12,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Ein Sammelsurium an Texten, einen Steinbruch an Stilen, Genres und Textsorten bietet dieser Band, schreibt Rezensent Gregor Schuhen. Trotz einer fehlenden Systematik des Buchs lobt der Rezensent die einzelnen Beiträge als "eindrucksvolle Zeugnisse eines der letzten deutschen Sozialkritikers", für den das Medium der Literatur in all ihren Formen immer noch den Zweck einer moralischen Minensuche erfülle. Besonders gefallen hat Schuhen das Herzstück des Bandes, die groteske Komödie "Heil Hitler!", bei der ihm gelegentlich das Lachen im Halse stecken blieb. Aber auch manch anderes Stück wird sehr gelobt, zum Beispiel das "wunderbar böse Sonett" "Kein künstliches Hüftgelenk" oder die stilsichere Pointierung einer Abhandlung über Jacob Grimm, die der Rezensent auch als Plädoyer gegen die staatliche Rechtschreibreform gelesen hat.

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Kein deutscher Schriftsteller hat mit seiner Literatur so viele brisante Themen so wirkungsvoll in Szene gesetzt wie Rolf Hochhuth. FAZ.NET