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Lebensprall, anrührend und voller unerhörter Wendungen. Norbert Zähringers neuer Roman ist keiner von vielen.
Mit einem Erdbeben fängt alles an, am 1. September 1923: Während ein japanischer Polizist im brennenden Tokio um sein Leben rennt, bringt Mary Frimm in der Mojave-Wüste ihren Sohn Edison zur Welt. Fast zur selben Zeit wird, rund 10000 Kilometer weiter westlich, Siegfried geboren, dessen Vater noch am Abend bei einer Schießerei ums Leben kommt. Ein Erdbeben, zwei Neugeborene und ein Jahrzehnte umspannender Kriminalfall: Norbert Zähringer erzählt von der Ironie der Geschichte, ihrem…mehr

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Produktbeschreibung
Lebensprall, anrührend und voller unerhörter Wendungen. Norbert Zähringers neuer Roman ist keiner von vielen.
Mit einem Erdbeben fängt alles an, am 1. September 1923: Während ein japanischer Polizist im brennenden Tokio um sein Leben rennt, bringt Mary Frimm in der Mojave-Wüste ihren Sohn Edison zur Welt. Fast zur selben Zeit wird, rund 10000 Kilometer weiter westlich, Siegfried geboren, dessen Vater noch am Abend bei einer Schießerei ums Leben kommt. Ein Erdbeben, zwei Neugeborene und ein Jahrzehnte umspannender Kriminalfall: Norbert Zähringer erzählt von der Ironie der Geschichte, ihrem Motor, dem Zufall, von großen Katastrophen und kleinen Dramen - ebenso leicht wie lebensprall, abgründig und komisch. «Einer von vielen ist eines von sehr wenigen Büchern, die, zugleich klug und unterhaltsam, dem Leser ein ganzes Jahrhundert mit seinen Träumen und Albträumen aufschließen.» FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG «Ein grandioser Roman.» BERLINER ZEITUNG
Autorenporträt
Zähringer, NorbertNorbert Zähringer, 1967 in Stuttgart geboren, wuchs in Wiesbaden auf. Er veröffentlichte die Romane «So», «Als ich schlief», «Einer von vielen» und «Bis zum Ende der Welt». Für einen Ausschnitt aus «Wo wir waren» wurde er vorab mit dem Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichnet, später wurde der Roman für den Deutschen Buchpreis 2019 nominiert. Er lebt mit seiner Familie in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2009

Man lebt nur zweimal

Jeder Mensch ist auf der Suche nach seiner besseren Hälfte: Norbert Zähringer, unser amerikanischster Erzähler, entwirft in seinem neuen Roman ein Panorama des zwanzigsten Jahrhunderts.

Von Richard Kämmerlings

Wenn eine seiner Romanfiguren bei der Wach- und Schließgesellschaft angestellt ist, dann erleichtert das die Arbeit des allwissenden Erzählers gewaltig. Keine Tür bleibt versperrt, keine Mauer verwehrt den Einblick - im Roman passt der Generalschlüssel stets auf jedes Schloss. Nun könnte man einwenden, der Erzähler brauche doch gar keinen Schlüssel, da er ja das, was hinter den Türen zu finden ist, ohnehin selbst erfunden hat (wie ja auch ein Zufall im Roman nie ein Zufall, sondern stets Absicht ist). Das verkennt aber, dass die auktoriale Perspektive im modernen Roman ob der Anmaßung ihrer Allwissenheit ein notorisch schlechtes Gewissen hat und um Rechtfertigung bemüht ist.

In Norbert Zähringers neuem Roman "Einer von vielen" gibt es eine Figur, die als Fahrer bei der Berliner Firma "Blohfeld & Co. Wach- und Schließdienste" jobt, genau wie jener Paul Mahlow aus Zähringers letztem Roman "Als ich schlief". Vielleicht sind die beiden auch ein und dieselbe Person, jedenfalls legt Zähringer damit einen ausdrücklichen Link zwischen beide Bücher, deren gemeinsames Thema das Verhältnis von freiem Willen, Zufall und Vorsehung ist. Der Erzähler Zähringer überlässt selbstverständlich nichts dem Zufall. Blofeld (ohne h) heißt der diabolische Gegenspieler James Bonds in mehreren Filmen, darunter "Man lebt nur zweimal".

Zwei Männer, beide am selben Tag, dem 1. September 1923, geboren, der eine in einer anarchokommunistischen Aussteiger-Siedlung in der Mojave-Wüste, der andere im ideologischen Hitzekessel Berlin, sind die Hauptfiguren dieser verschlungenen Geschichte, die das ganze zwanzigste Jahrhundert, mehrere Kontinente und die tiefsten Geheimnisse der menschlichen Existenz überspannt. Die Schicksale von Edison Frimm und Siegfried Heinze sind kontrapunktisch aufeinander bezogen, wie zwei Parallelen berühren sie sich nie, sondern schneiden sich im Unendlichen.

Einmal allerdings, im Berlin der letzten Kriegstage, wäre es um ein Haar zu einem fatalen Zusammentreffen der beiden gekommen. Frimm hängt nach dem Abschuss seines Bombers mit dem Fallschirm im Baum; Heinze, Geschützführer einer Flak, sucht nach Überlebenden und wird von SS-Offizieren gezwungen, einen von ihnen zu exekutieren. Von diesem Tag an verbindet die beiden das Trauma des Krieges und der Schuld.

Mit der bereits von seinem Debüt "So" bekannten Virtuosität führt Zähringer zahlreiche Geschichten an der kurzen Leine. Das Schicksal des Japaners Koga, der als junger Polizist das furchtbare Erdbeben von 1923 und die Zerstörung Tokios erlebt und danach ein neues Leben in Amerika beginnt, oder die Darstellung der verschlungenen Fluchtwege des armenisch-georgischen Exilanten Bebo ergänzen das Jahrhundertpanorama. Das Drama um den Berliner Polizeikommissar Mauser, der mitten im Luftkrieg einen Serienmörder jagt und einen jüdischen Jungen rettet und versteckt, ist fast ein kleiner Roman im Roman über Mitläufertum und Widerstand, dessen Verbindung mit der Haupthandlung sich erst auf den allerletzten Seiten auf überraschende Weise offenbart.

Ein Faden verfolgt die Lebensgeschichte von Frimm und seiner alleinerziehenden Mutter Mary, die sich in Los Angeles unter anderem als Sortiererin bei der Post durchschlägt. Dort entwickelt sie den für die Struktur des Buchs zentralen Gedanken, dass alle Menschen der Welt "durch unsichtbare, dünne Bande verbunden" sind: "Versteht ihr? Nur fünf, sechs Briefe muss man schreiben, um jeden auf der Welt zu erreichen. Ich schreibe einem, den ich kenne, der einem schreibt, den er kennt, der einem schreibt, den er kennt . . ." Um diese Verbindungen aufzuzeigen, muss der allwissende Erzähler auch noch das Postgeheimnis verletzen.

Diese Philosophie des Kettenbriefs hat aber auch eine Schattenseite. Als Mary Frimm während des Krieges endlich ihrem Wunsch gemäß zur Briefzustellung wechseln darf (weil die Männer an die Front kommen), ist sie nun plötzlich für die Überbringung von Todesnachrichten zuständig und muss um ihren eigenen Sohn bangen. Edison Frimm, der über einige Zufälle zum Film geraten war, dient in einer Propaganda-Einheit, die in einem umgebauten Bomber namens "Magic Carpet" über England vermeintliche Luftkämpfe für Rekrutierungsfilme inszeniert.

In starken satirischen Passagen - mit manchem Seitenhieb auf den "embedded journalism" unserer Tage - schildert Zähringer die zunehmende Vermischung von Fiktion und Realität: die Traumfabrik einmal nicht als Produktionsstätte von Fluchtpunkten, sondern als Eliteeinheit. Der Schauspieler wird zum Akteur und schafft in einer Paraderolle als Kriegsheld besonders viele Feindflüge. Das große Vorbild Pynchon fliegt als blinder Passagier an Bord der "Magic Carpet" mit. Das Leitmotiv des fliegenden Teppichs - zugleich ein weiteres Bild für die Allgegenwart des auktorialen Erzählers - wird grausam auf den Boden der Tatsachen geholt und mit leichter Hand ein erzählerischer Bogen von Douglas Fairbanks Stummfilmklassiker "Der Dieb von Bagdad" zum Luftkrieg über Deutschland geschlagen. Wie der Roman überhaupt mit Filmzitaten gespickt ist: Der Prolog ist "Die Brücke" überschrieben, wie Bernhard Wickis berühmter Antikriegsfilm, dessen Story die (erst viel später erzählte) Geschichte des Flakschützen Siegfried entlehnt ist.

"Einer von vielen" spielt die etwas esoterisch anmutende Idee konsequent durch, dass zu jedem x-beliebigen Menschen ein passgenaues Ergänzungsstück existiert. Das erinnert an den platonischen Mythos von den zweiköpfigen und vierbeinigen "Kugelmenschen" aus dem "Symposion", die, durch Zeus zerteilt, von der ewigen Sehnsucht getrieben werden, sich mit dem anderen Teil wiederzuvereinigen. Was bei der Geburt getrennt wurde, sucht sich unwissentlich ein Leben lang. Siggi, wie Siegfried später genannt wird, betreibt 1993 in Berlin einen Diner: "Siggi liebte Amerika, obwohl er niemals dort gewesen war, er träumte von Amerika, einem Amerika, das, menschenleer fast, von einem endlosen Himmel überspannt, von weiten Ebenen und magischem Licht beherrscht wurde, einem Amerika wie auf der mannshohen Plakatwerbung für Zigaretten." Frimm versucht derweil, in Marlboro Country mit Hilfe asiatischer Weisheitslehren das komplementäre Rätsel seines Lebens zu ergründen.

Auch Norbert Zähringer, 1967 geboren, wird von einer unstillbaren Sehnsucht nach Amerika getrieben. Er ist einer unserer amerikanischsten Erzähler, aus jener Subspezies der Uhrwerkermeister und Romanmaschinisten, bei denen die Motive, Figuren, Haupt- und Nebenhandlungen wie Zahnräder ineinandergreifen. Michael Chabons Meisterwerk "Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay" oder auch Rick Moodys "Wassersucher" sind Vorbilder für Zähringers hochtourigen Geschichtenapparat, bei dem am Ende kein Auge trocken und kein Fädchen lose bleibt. Wo das Vorgängerbuch "Als ich schlief" noch schwächelte - beim fehlenden Tiefgang der Figuren und der Überstrapazierung des Prinzips Zufall -, wirkt dieser Roman reifer und souveräner.

Der Mann vom Wach- und Schließdienst, Stammkunde in "Siggi's Diner", öffnet am Ende die Tür zum alten Bunker, in dem Siegfried seine Erinnerungen an den April 1945 übermannen. "Einer von vielen" ist eines von sehr wenigen Büchern, die, zugleich klug und unterhaltsam, dem Leser ein ganzes Jahrhundert mit seinen Träumen und Albträumen aufschließen.

Norbert Zähringer: "Einer von vielen". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009. 496 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.09.2009

Der Tag kommt, Johnny Frimm geht
Mit Thomas Pynchon durch Hollywood, Japan und Berlin: Norbert Zähringers neuer Roman „Einer von vielen”
Wer das Vorsatzblatt von Norbert Zähringers Roman „Einer von vielen” aufschlägt, stößt auf ein Organigramm. In kleinen Blasen stehen dort siebzig oder achtzig Namen, „Cohn”, oder „Col. Ryan” oder „Penelope”, oder auch „R. Reagan”, zwischen denen ein feines Gefädel läuft. Angestrengt nimmt sich das aus und unübersichtlich, und als käme es vor allem auf die Kombination dieser beiden Dinge an, auf eine mühsam um ihrer selbst willen durchgehaltene und ausgestellte Komplexität. Es gibt einen Vorgeschmack von dem, was den Leser im Folgenden erwartet.
Im Zentrum des Knäuels steht „Edison Frimm”. Der Träger dieses Namens erblickt das Licht der Welt am 1. September 1923 in Kalifornien während eines mittleren Erdbebens unter einem Küchentisch, wohin sich seine verschreckte Mutter Mary vor dem herabstürzenden Hausrat gerettet hat. Küchentisch, Erdbeben und Datum müssen im Fortgang des Buchs für viele geheime Zusammenhänge herhalten: Denn just an diesem 1. September kommt auch Siggi Heinze, Sohn eines Nazis der ersten Stunde, in einer mit Geldscheinen der Inflation ausgepolsterten Wiege zur Welt und findet das (reale) große Erdbeben in Tokio und Yokohama statt, dem die gesamte Familie von Toshira Koga zum Opfer fällt; dieser wiederum wird später als weiser Gärtner dem jungen Eddie Frimm begegnen, als der den Job des Pool-Reinigers einer Filmstar-Villa in Hollywood übernimmt. Und der kalifornische Küchentisch entstammt als Beutestück des Ersten Weltkriegs der Berliner Möbelfabrik Raabe, deren Erbe möglicherweise sowohl Siggis illegitimer Vater wie der Mörder von dessen wirklichem Erzeuger ist.
Diesem rätselhaften Mörder, der aus Gründen, die im Buch nicht völlig klar werden, noch mehr Menschen mittels Doppelkopfschuss eliminiert, ist nun wiederum der Kriminaler Mauser von der Berliner Polizei auf der Spur. Zwar kriegt er ihn nicht, dafür aber gelingt es ihm, einen jüdischen Jungen in den Wirren der letzten Kriegstage 1945 vor seinen Häschern zu retten; und die zwei Enkel dieses Jungen, vier und zehn Jahre alt, sind es, die den alten Eddie, als er achtzigjährig und ohne jede Perspektive aus dem Knast entlassen, von der Brücke springen will, durch ihr Auftauchen vor diesem Schritt bewahren.
Eddies Mutter schlägt sich bei der amerikanischen Post durch, was Gelegenheit zu der nicht mehr ganz neuen Bemerkung gibt, dass, wenn jeder Mensch auf der Welt jedem anderen, den er kennt, einen Brief schriebe, mit fünf oder sechs Zwischenschritten die gesamte Menschheit vernetzt wäre. Dies mag so sein oder nicht; aber das daraus resultierende unendlich verzweigte Muster, das dann von jedem Individuum ausstrahlte, ergäbe keine Grundlage für einen Roman.
Ein geschwätziger Zen-Mönch
Hier hat Zähringer gewaltig nachgeholfen, indem er die Fäden immer wieder in sich selbst zurücklaufen lässt. An die Stelle einer tragfähigen Konstruktion tritt die bedeutungsvolle Implikation, hier sei die Vorsehung im Spiel. So, und nur so, erreicht Zähringer seinen Vorsatz, ein Panorama der letzten hundert Jahre auf drei Kontinenten zu entwerfen, unter besonderer Berücksichtigung Hollywoods und Berlins im Zweiten Weltkrieg. Es ist ihm zu einem gigantischen Stück Beziehungswahn, Beziehungskitsch geraten.
Unter solchen Bedingungen kann keine erzählerische Ökonomie reifen. Eddie und Siggi werden als zwillingshaftes Paar exponiert – aber um Siggi geht es dann kaum noch, man erlebt ihn vor allem, zeitlich weit abgeschlagen, als Inhaber einer improvisierten Nachwende-Kneipe im Berlin des Jahres 1993. Das japanische Erdbeben von 1923, das verheerendste aller mitgeteilten Ereignisse, wird als Nachklapp fast ganz zum Schluss geliefert, und zwar aus dem Mund des inzwischen nahezu vergessenen Zen-Mönchs Koga, dem eine solche plötzliche Geschwätzigkeit schlecht zu Gesicht steht.
Die Jagd nach einem Serienmörder kann unmöglich Spannung erzeugen, wenn gleichzeitig ringsherum Tausende an Bomben sterben. Trotz aller Dramatik erlischt schon bald die Neugier des Lesers. Unverkennbar ist Zähringer bei Pynchon in die Schule gegangen, selbst zu einer phantastischen Episode in der Kanalisation der Großstadt lässt er sich von ihm anregen – doch was er wirklich von seinem Vorbild übernimmt, ist dessen fragwürdigster Aspekt: eine tiefe Gleichgültigkeit dagegen, wie die ganze durcheinanderkugelnde Aktion denn nun ausgeht.
Auch interessieren Zähringer – dies ein weiterer pynchonesker Zug seines Schreibens – in höherem Grad die Verwicklungen als die Figur, die er hineinschlittern lässt; die auftretenden Charaktere entfalten kein Eigenleben, weil ihr Autor sie nicht wirklich respektiert. Er nutzt es weidlich, dass er mit ihnen treiben kann, was er will, zum Beispiel so etwas: „Frimm Senior tauchte vier Tage nach der Geburt wieder auf. Er hatte eine typische Johnny-Frimm-Tour hinter sich, die dem Motto folgte: der Tag kommt, Johnny Frimm geht, und das nicht mehr gerade.”
Auf diese Weise wird der Vater des Protagonisten Eddie um den Spottpreis eines Kalauers geopfert. Von Eddie selbst erfahren wir wenig anderes, als dass er Baseball hasst und wegen seines äußeren Erscheinungsbildes bevorzugt Nazi-Rollen zu spielen bekommt. Der Titel „Einer von vielen” spricht hier eine tiefere Wahrheit aus, als dem Autor lieb sein kann. Dass Eddie im Gefängnis landet, weil er seinen Vermieter mit der Bratpfanne niederschlägt, ist ein Gag; und obwohl sein Schöpfer ihn über achtzig Jahre hinweg begleitet, weiß er nicht, wie er ihn angemessen altern lassen soll.
Als nicht von Pynchon inspiriert erweist sich hingegen Zähringers Sprache, die, ohne eigentliche Schnitzer zu begehen, doch oft klingt wie eine matte Übersetzung aus dem Amerikanischen. Von einem Dschungelkampf mit dem Gewehrkolben gegen Japaner heißt es: „,Hiergeblieben, Freundchen!‘, sagte O’Lear lachend, stieß mit dem stumpfen Holz zu und rettete auf diese Weise einem späteren Vorstandsmitglied der Mitsubishi-Motorenwerke das Leben, wenngleich er ihm dabei die Nase brach.” Das bemüht sich um Lässigkeit und kommt ebendeswegen so steif heraus.
Und Dialoge gehen so (es handelt sich um den zarten Beginn einer Liebesbeziehung): „,Sehen wir uns morgen?‘ ‚Ich brauche weder Ablenkung noch Mitleid.‘ ‚Gnädigste‘, erwiderte er, ‚hier geht es um Liebe und um Cocktails.‘ ‚Ist das aus einem Film?‘ ‚Keine Ahnung. Ich bin Ungar.‘” Aus einem Film ist hier in der Tat manches (und man glaubt es dem Verfasser aufs Wort, dass er die Kinoproduktion der Vierzigerjahre ganz genau kennt); aber eben das Unbeträchtliche, wie etwa der Wortlaut der als solche wenig bedeutsamen Gespräche, während der Kern der filmischen Erfahrung, die figürliche Präsenz der Schauspieler, nicht in die Schrift hinüber will.
Der Roman hat seine großen Szenen. In der vielleicht größten nutzt Mary, Eddies Mutter, ihre Stellung als Briefträgerin, um sich zum reichsten Mann Amerikas, Gerald G. Hodges, vorzukämpfen (sehr durchsichtig und sonst überwiegend sehr blass Howard Hughes nachempfunden), indem sie darauf besteht, ihm persönlich ein Einschreiben zu überreichen. Es enthält ein leeres Blatt und ist von ihr selbst aufgegeben. So bekommt sie Gelegenheit, den mächtigen Mann von Angesicht zu Angesicht anzuflehen, er möge etwas dafür tun, damit ihr zum Kriegsdienst eingezogener Sohn, ihr Baby, nicht in Gefahr gerät – und er tut es. Die Szene umfasst rund zwei Seiten. Der Roman aber hat fünfhundert. BURKHARD MÜLLER
NORBERT ZÄHRINGER: Einer von vielen. Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2009. 487 Seiten, 22,90 Euro.
Einen Swimmingpool wie diesen (aufgenommen samt Dame um 1930) reinigt einer der Helden in Norbert Zähringers neuem Roman. Foto: Bettmann /Corbis
Norbert Zähringer Foto: Verlag
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Christoph Schröder weiß nicht recht, was Norbert Zähringer mit seinem neuen Roman schreiben wollte. Der Anfang gefällt ihm noch recht gut: Die Geschichten von Edison Frimm, dessen Mutter Mitglied einer esoterischen Sekte ist, und Siegfried Heinze, Sohn eines eisernen Nazis, spinnen sich chaotisch fort, werden übereinandergelegt und bilden für Schröder gar so etwas wie ein "pynchonhaftes Vernetzungssystem", das er sehr unterhaltsam findet. Mit steigender Seitenzahl aber vergeht Rezensent Schröder das Lachen und spätestens bei der Beschreibung der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs weiß er nicht mehr, ob er es mit einer misslungenen Satire oder ernsthaftem Pathos zu tun hat. Das kitschige Ende des Romans liest Schröder als seichte Version des Films "Der Untergang" . Letztlich ist er zumindest zufrieden, dass Zähringer noch alle Erzählstränge miteinander verbindet und damit seiner Grundidee des Verknüpfens treu bleibt.

© Perlentaucher Medien GmbH