Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 14,00 €
  • Gebundenes Buch

Eine literarische Matrix: geniale Weltsicht voll kluger Ideen und skurrilem Humor.
Ein japanischer Sektierer verübt einen Giftgasanschlag auf eine U-Bahn. Doch was verbindet ihn mit einem Jazzfan in einem Tokioter Plattenladen? Eine Frau auf einem heiligen Berg in China spricht mit einem Baum, ohne zu ahnen, wie sich gewisse illegale Börsengeschäfte in Hongkong auf ihr Leben auswirken werden. Ein mongolischer Gangster, ein Kunstfälscher in St. Petersburg, ein Nuklearwissenschaftler in Irland, ein New Yorker Late-Night-DJ und ein mysteriöser Ghostwriter - alle tragen zu dieser Geschichte…mehr

Produktbeschreibung
Eine literarische Matrix: geniale Weltsicht voll kluger Ideen und skurrilem Humor.
Ein japanischer Sektierer verübt einen Giftgasanschlag auf eine U-Bahn. Doch was verbindet ihn mit einem Jazzfan in einem Tokioter Plattenladen? Eine Frau auf einem heiligen Berg in China spricht mit einem Baum, ohne zu ahnen, wie sich gewisse illegale Börsengeschäfte in Hongkong auf ihr Leben auswirken werden. Ein mongolischer Gangster, ein Kunstfälscher in St. Petersburg, ein Nuklearwissenschaftler in Irland, ein New Yorker Late-Night-DJ und ein mysteriöser Ghostwriter - alle tragen zu dieser Geschichte bei. Fehlen dürfen darin auch nicht Saxophone und Kausalität, Kirschblüten, die Transsib, der Inhalt der Neuen Weltordnung, das "Weiße Album" und ein hundert Jahre vor seiner Zeit geborener Quantencomputer. Ach, und nicht zuletzt: Gott!
"Chaos" ist auf raffinierte Weise vernetzt, frei nach jener Theorie, der zufolge ein Schmetterlingsflügelschlag einen weit entfernten Sturm auslösen kann. In diesem sprachmächtigen, handlungsprallen Roman bekommt das Wort "Weltliteratur" eine ganz neue Bedeutung.
Autorenporträt
David Mitchell wurde 1969 in Southport, Lancaster, geboren, studierte Literatur an der University of Kent, promovierte in Komparatistik, lebte dann ein Jahr in Sizilien und zog nach Japan, wo er heute an der Universität von Hiroshima unterrichtet. Er gehört zu jenen polyglotten jungen britischen Autoren, deren Thema nichts weniger als die Welt ist. Für sein Werk wurde er u.a. mit dem Llewelyn Rhys Prize ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Zur heiligen Teestube
David Mitchells frohe Apokalypse / Von Felicitas von Lovenberg

Dem beliebten amerikanischen Gedankenspiel "Seven degrees of separation" zufolge ist jeder Mensch des Universums über maximal sieben Personen mit jedem beliebigen anderen verbunden. Wer also die richtige Kontaktkette in Gang setzt, kann sieben Briefe, E-Mails oder Anrufe später mit dem Papst, dem Dalai Lama oder dem amerikanischen Präsidenten in Verbindung stehen. Logischerweise bedeutet diese - zumindest virtuelle - Nähe aber auch, daß wir ebenso wenige Ecken von Terroristen, Mördern und anderen Psychopathen entfernt sind.

Nun gibt es aber auch die fatalistische Theorie, daß der menschliche Einfluß auf das gigantische System, das wir Welt nennen, ohnehin verschwindend gering und daß Chaos die Matrix allen Seins ist. Der englische Schriftsteller David Mitchell, geboren 1969, zeigt in seinem Debütroman, der dieses "Chaos" bereits im deutschen Titel trägt (im Original heißt der Roman "Ghostwritten" und erschien 1999), wie sehr jedes einzelne Leben in andere Leben hineinragt: Schon eine winzige Veränderung im Leben des einen kann eine Katastrophe im Leben eines anderen bewirken oder verhindern. Alles hängt mit allem zusammen, im Guten wie im Schlechten.

Um das zu illustrieren, läßt Mitchell eine schwindelerregende Vielfalt von Stimmen zu Wort kommen, die er rund um den Globus ansiedelt - von Tokio über Hongkong und die Mongolei nach Petersburg und London über Clear Island unter die Erde. In zehn Kapiteln und neun Teilen erzählen acht Ich-Erzähler aus ihrem Leben. Zunächst begegnen wir einem Anhänger jener Aum-Sekte, die für den Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn 1995 verantwortlich war. Er ist, nachdem er das Attentat wie befohlen durchgeführt hat, auf die Insel Okinawa geflohen, und versucht von hier aus, Kontakt mit dem Guru aufzunehmen.

Das Telefon läutet in einem Plattenladen in Tokio, wo der Junge, der dort bedient, mit der Losung nichts anfangen kann, dafür um so mehr mit einem chinesischen Mädchen, das am selben Tag mit ihren Freundinnen hereinspaziert kommt. Der Anblick des völlig in sich versunkenen jungen Paares, das sich einige Zeit später in Hongkong wiedersieht, rührt einen britischen Bankangestellten, der, ganz wie Nick Leeson Mitte der neunziger Jahre, in den letzten Monaten seine Firma um 115 Millionen Dollar geprellt hat, den seine Frau verlassen hat und der mit der chinesischen Putzfrau ins Bett gegangen ist, deren Großmutter wiederum am Heiligen Berg eine Teestube unterhält und deren Trost während der "Säuberungsaktionen" der Kulturrevolution die Gespräche mit einem Baum sind, der, wie sich im fünften Teil herausstellt, eine Zeitlang von einem körperlosen Geist bewohnt war, der schließlich über Rußland in die Mongolei weiterzog, wobei er laufend die Wirte, also die Menschen, wechselt, bis er schließlich im Körper eines Neugeborenen selbst wieder sterblich, also zum Menschen, wird.

Zuvor hatte er sich einen KGB-Funktionär als Wirt ausgeliehen, der wiederum den Liebhaber jener Russin erschießt, die, getarnt als Museumswächterin, in der Petersburger Eremitage Originale durch Kopien ersetzt. Ein Ghostwriter wacht in London nach einem One-night-stand neben jener Katy Forbes auf, die der Leser als Ex-Frau des Finanzjongleurs aus Hongkong identifiziert. Er rettet auf seinem Weg zur U-Bahn eine Dame, die geistesabwesend beinahe vor ein Taxi gelaufen wäre. Diese entpuppt sich als Nuklearphysikerin irischer Herkunft, die herausgefunden hat, wie sich alle Technik auf der Welt beherrschen ließe; kein Wunder, daß das FBI ihr mit amerikanischen Marines bis nach Clear Island folgt und sie mitnimmt. Eine solche Hyperintelligenz hat im vorletzten Kapitel das Wort und ruft in einer New Yorker Radioshow an, als die Apokalypse schon an die Tür zu klopfen scheint. Am Ende erscheint ein Angriff aus dem Cyberspace, der alle militärischen Sicherungen ausschaltet und die Selbstzerstörung der Menschheit in die Wege leitet, alles andere als undenkbar.

Was hier nur zusammengefaßt werden kann, formuliert der Roman auf clevere Weise aus; wie in einer Sammlung von Kurzgeschichten steht jeder Teil für sich, und erst der geduldige Leser kann die Puzzleteilchen, die Mitchell auf seinem Weg um den Globus fallenläßt, aufheben und versuchen, sich ein Bild zu machen von dem Tohuwabohu. Während die ganze große Welt durch die Beschreibungen von Orten und Begebenheiten wieder zu schrumpfen beginnt und die einzelnen Menschen innerhalb der wuselnden Masse einander näherrücken, scheint sich Mitchell seinen seelenwandernden Noncorpora-Geist zum Vorbild für seinen Erzählstil genommen zu haben: "Ich habe keine Gene. Mir ist nichts anerzogen und nichts angeboren. Dennoch bin ich besonnen und gewissenhaft, ein nichthumaner Humanist." In diesem Universum voller verrückter, verzweifelter, comichaft verzerrter und kosmischer Stimmen zieht der Schriftsteller die Strippen. Er erlaubt keiner seiner Figuren, sich darin glücklich einzurichten. Sie koksen, und sie kiffen, sie trinken und flüchten sich in Sex; Herren ihres Schicksals sind diese Menschen keineswegs, ebensowenig wie ihr Autor Herr seines Buches ist.

Es ist ein mutiges, ehrgeiziges Debüt, das Mitchell 1999 in seiner Heimat vorlegte; seine beiden folgenden Romane, "Number9dream" und "Cloud Atlas", gelangten jeweils auf die Shortlist des Booker-Preises. Die beeindruckende Stoffülle und die ungewöhnliche Welthaltigkeit des Romans können jedoch nicht verhehlen, daß dieser Autor sich zuviel vorgenommen hat; zwar versucht er, das Bewußtsein, die Gedanken und Erinnerungen von neun Charakteren wiederzugeben, doch klingen die Figuren alle gleich. Mit einer ziemlich flapsigen Stimme, die sich manchmal dümmer stellt, als sie ist, rücken sie uns auf den Leib. Ihr Hang zur Geschwätzigkeit macht die Sache nicht besser. So wechseln allein die Genres - von der Beschreibung einer Gehirnwäsche zu terroristischen Zwecken über eine Liebesgeschichte hin zu einer Spionagestory, einem chinesischen Mythos und einem Kunstraub bis hin zum transzendentalen Science-fiction-Thriller. Die Paranoia, Antriebskraft des Romans, ist letztlich nicht stark genug dosiert, um die Horrorszenarien hier relevanter erscheinen zu lassen als in jedem x-beliebigen "James Bond"-Film. Wo für jeden etwas dabeisein soll, kommt eben keiner auf seine Kosten.

Das vorletzte Kapitel, in dem eine von Menschen geschaffene, doch längst von ihnen unabhängig gewordene Kraft sich über ihre ethische Verantwortung als "Zoowächter" der Welt in einer an die Fernsehserie "Frasier" erinnernden Radioshow Gedanken macht, liest sich beklemmend, wenn man bedenkt, daß der Roman im Original bereits zwei Jahre vor dem 11. September 2001 erschien. Daß David Mitchell zu Recht als einer der wichtigsten jungen britischen Autoren gilt, wird Lesern seiner späteren Romane allerdings eher einleuchten als jenen, die sich "Chaos" aussetzen.

David Mitchell: "Chaos". Ein Roman in neun Teilen. Aus dem Englischen übersetzt von Volker Oldenburg. Rowohlt Verlag, Reinbek 2004. 591 S., geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Komplexitätsreduktion im großen Stil musste Felicitas von Lovenberg betreiben, um in ihrer ambivalenten Kritik grob anzudeuten, um was es in David Mitchells Debütroman geht. In zehn Kapiteln und neun Teilen kommen acht Ich-Erzhähler rund um den Globus zu Wort, die alle - zufällig? - irgendwie miteinander verbunden sind. Die Kritikerin vermeidet es, vom Short-Cuts-Prinzip zu sprechen, aber dieser Bauart folgt das Werk offenbar. Mit einer "schwindelerregenden Vielfalt von Stimmen" wechseln auch die Genres und Themen: Liebesgeschichte, Spionagestory, Terrorismusplot, chinesischer Mythos, Kunstraub und transzendentaler Science-Fiction-Thriller hat die Rezensentin in dem Buch entdecken können. Lovenberg hat einigen Respekt vor diesem Unterfangen und bezeichnet Mitchell auch als einen der "wichtigsten jungen britischen Autoren". Aber eher wegen seiner noch nicht auf Deutsch vorliegenden Nachfolge-Romane. "Chaos" hingegen, meint sie, funktioniert nicht: Die verschiedenen Stimmen klingen alle gleich, die als Triebfeder des Romans eingesetzte Paranoia ist zu schwach dosiert, der Autor hat sich einfach zu viel zugemutet. "Wo für jeden etwas dabei ist, kommt eben keiner auf seine Kosten." 

©
"Dies gehört zu den besten Büchern, die ich je gelesen habe." (Antonia S. Byatt)

"Ein erstaunliches Modell dafür, wie die Literatur des 21. Jahrhunderts aussehen könnte." (The Guardian)
Mitchell hat ein phantastisches, voller Irrwitz und Situationskomik steckendes Buch geschrieben, mit praller Sinnlichkeit, gleichzeitig dirigiert er den Leser äußerst diszipliniert durch den zunächst undurchdringlich scheinenden Dschungel eines Romans in neun Teilen. NDR