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Die Hauptrolle in diesem Roman spielt ein Manuskript, betitelt "Die Geschichte der Liebe". Vor über sechzig Jahren schrieb Leo Gursky es im polnischen Slonim, als Zeichen seiner Zuneigung und Treueschwur für die Frau seines Lebens. Doch in den Wirren des Zweiten Weltkrieges wurden die Liebenden getrennt, das Buch ging verloren. Heute lebt Leo in New York, ist achtzig und so gebrechlich, dass er sich unsichtbar fühlt.
Leo weiß es nicht, doch das Buch überstand den Holocaust. Die vierzehnjährige Alma ist nach einer seiner Figuren benannt. Und obwohl sie alle Hände voll zu tun hat - etwa ihren
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Produktbeschreibung
Die Hauptrolle in diesem Roman spielt ein Manuskript, betitelt "Die Geschichte der Liebe". Vor über sechzig Jahren schrieb Leo Gursky es im polnischen Slonim, als Zeichen seiner Zuneigung und Treueschwur für die Frau seines Lebens. Doch in den Wirren des Zweiten Weltkrieges wurden die Liebenden getrennt, das Buch ging verloren. Heute lebt Leo in New York, ist achtzig und so gebrechlich, dass er sich unsichtbar fühlt.

Leo weiß es nicht, doch das Buch überstand den Holocaust. Die vierzehnjährige Alma ist nach einer seiner Figuren benannt. Und obwohl sie alle Hände voll zu tun hat - etwa ihren kleinen Bruder zu beaufsichtigen, der glaubt, der Messias zu sein, oder ihre früh verwitwete Mutter wieder unter die Haube zu bringen -, lässt sie sich auf das Abenteuer ein, den Schöpfer ihrer Namensschwester zu finden. Auf verschlungenen Wegen, die durch drei Kontinente führen, entspinnt sich ihre Suche.

Phantasievoll, phantastisch und poetisch ist dieses außergewöhnliche Buch: voller Gelächter, Ironie, Traurigkeit und Leidenschft, voller Echos auch aus einer versunkenen jüdischen Vergangenheit und zugleich hochmodern.


Leo Gursky lebt - noch. Er klopft jeden Abend an die Heizungsrohre seiner New Yorker Wohnung, damit sein Nachbar von oben das auch weiß. Aber so trostlos war sein Leben nicht immer: Vor sechzig Jahren verliebte sich Leo in seinem polnischen Heimatdorfin ein Mädchen und schrieb ein Buch. Ohne dass Leo es weiß, hat dieses Buch ebenfalls überlebt und hat die seltsamsten Folgen nach sich gezogen. Die vierzehnjährige Alma wurde beispielsweise nach einer Figur in diesem Buch benannt. Und obwohl sie alleHände voll zu tun hat - ihren Bruder Bird beobachten, der glaubt, er sei der Messias, und Überlebenstechniken trainieren - stürzt sie sich in das Abenteuer, den Autor des Buches zu finden.Nicole Krauss verknüpft die Geschichten ihrer Figuren mit faszinierender Leichtigkeit. Ihr Roman ist wahrlich eine Geschichte der Liebe: Eine Erzählung, die vor Lachen, Ironie, Leidenschaft und außerordentlicher Einbildungskraft schier überquillt. Nicole Krauss' zweiter Roman, "Die Geschichte der Liebe",
Autorenporträt
Nicole Krauss wurde 1974 in New York, USA, geboren. Sie studierte Englische Literatur in Stanford und Oxford. "Die Geschichte der Liebe" ist ihr zweiter Roman nach "Man Walks Into a Room" und einigen Lyrikveröffentlichungen. Sie ist mit Jonathan Safran Foer verheiratet und lebt in New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.2005

Eloquenz auf leeren Seiten
Eheliches Romanduell in New York: Die Bücher von Nicole Krauss und Jonathan Safran Foer

NEW YORK, Anfang August

Altbewährte Eheleute sind dafür bekannt, in der noch nichtolympischen Sportart des Synchrondenkens keine Konkurrenz fürchten zu müssen. Bevor der oder die eine noch richtig zum Anlauf ansetzt, hat der oder die andere den Satz schon zu Ende gedacht. Jüngere Paare, naturgemäß nicht derart durchtrainiert, haben dagegen keine Chance. Wie allen Regeln fehlen aber auch dieser nicht die Ausnahmen. Ein besonders eindrucksvolles Exemplar halten nun die beiden gefeierten amerikanischen Jungschriftsteller Nicole Krauss und Jonathan Safran Foer parat. Ihre Verehelichung hat sich außerordentlich rasch nicht nur in diesem oder jenem koproduzierten Satz niedergeschlagen, sondern gleich in zwei Romanen, die, obwohl noch brav nach Autor und Autorin getrennt, aus ein und derselben Feder stammen könnten.

Dabei ist das neue Traumpaar des literarischen Amerika subtil genug, nicht auch schon im Plot nach Kongruenz zu streben. Foers "Extremely Loud and Incredibly Close" (Extrem laut und unglaublich nah) gehört zu dem anschwellenden Strom von 9/11-Literatur. Protagonist ist der kleine Oskar, der statt einer Blechtrommel lieber ein Tamburin traktiert und sich auf seiner Visitenkarte als "Erfinder, Schmuckhersteller, Amateurentomologe, Frankophiler, Veganer, Origamikünstler, Pazifist, Perkussionist, Amateurastronom, Computerberater, Amateurarchäologe, Sammler von: raren Münzen, Schmetterlingen, die eines natürlichen Todes starben, Miniaturkakteen, Beatles-Memorabilien, Halbedelsteinen und anderen Dingen" empfiehlt. Wichtig für die Handlung ist vor allem, daß Oskar beim Terroranschlag aufs World Trade Center den Vater verloren hat und nun versucht, die Erinnerung an ihn wachzuhalten.

Wer Foers sensationell erfolgreichen Erstling "Alles ist erleuchtet" kennt (F.A.Z. vom 18. März 2003), wird kaum davon überrascht sein, wenn in "Extrem laut und unglaublich nah" der Haupthandlungsstrang sich durch ein Labyrinth von Geschichten und Beobachtungen, Erklärungen und Erfahrungen, Informationen und gewollten und ungewollten Klischees, Wortspielereien und Geständnissen, elegischen Abschweifungen und schrulligem Humor zieht. Der Hinweis auf Hiroshima darf ebensowenig fehlen wie die Bombardierung Dresdens, aus der sich die Hauptnebenhandlung herleitet, oder das private Panorama einer verwundeten Stadt. Sie soll New York anno 2003 darstellen, wäre aber eher in einem surrealen, fast dörflich überschaubaren, auf jeden Fall zuvor von Gabriel García Márquez und Isaac Bashevis Singer beispielhaft vermessenen Landstrich zu suchen. Und in der einsamen Fremde, die J. D. Salinger sich für Holden Caulfield ausgedacht hatte.

So vollgestopft ist Foers neues Buch mit gefundenem, erfundenem und phantastisch verpacktem Material, daß der Leser nicht selten darüber schier verzweifeln möchte. Nicole Krauss macht ihm in "The History of Love" (Die Geschichte der Liebe), das in diesen Tagen ebenfalls in deutscher Übersetzung erscheint, die Orientierung nicht leichter. Auch sie begibt sich auf die Suche. Wie Foer, der in "Everything is Illuminated" seinen Doppelgänger in die Ukraine schickt, wo er die Frau aufspüren soll, die den Großvater anscheinend vor den Nazis gerettet hatte, und wie Oskar Schell, der über den toten Vater nicht genug in Erfahrung bringen kann und sich auf einer Odyssee durch New York nach seiner Nähe sehnt, bis hinein ins leere Grab. Bei Nicole Krauss wird nach dem Verfasser der "History of Love" gesucht. Denn der einprägsame Titel ihres - nach dem Debüt "Man Walks Into A Room" zweiten - Romans ist auch der einer mysteriösen, bald romanhaften, bald essayistischen, bald kulturphilosophischen Abhandlung, einer metaphysisch skurrilen Gebrauchsanweisung für die Liebe und das Leben, die sich in Auszügen durch den Roman windet.

Sein geheimnisvoller Kern ist das Buch im Buch, dennoch nur zu verstehen als ein Teilchen in einem Plot-Puzzle, das Krauss mit einer geradezu diabolisch virtuosen Lust am Kombinieren und Konstruieren ausbreitet. Bevor die Geschichte des alten Leopold Gursky und des Mädchens Alma Singer ihr Feuerwerksfinale erreicht, ist viel aufzuklären, nicht zuletzt das Schicksal des Manuskripts von "The History of Love", das im Gepäck eines jüdischen Flüchtlings von Slonim im heutigen Weißrußland ins chilenische Valparaiso reist, dort in spanischer Übersetzung erstmals erscheint und keine weitere Aufmerksamkeit erregt, bis Almas Mutter, eine New Yorker Übersetzerin, von einem Fremden den Auftrag erhält, das obskure Buch, das Almas Vater einst zufällig auch in einer südamerikanischen Buchhandlung aufgestöbert hatte, für das sagenhafte Honorar von hunderttausend Dollar zu übersetzen.

So weit, so vertrackt. Aber das ist erst der grobe Umriß eines Plots, der in seinem Faible für Komplikation Leopold Gursky, den Verfasser der "History of Love", ahnungslos in New York als Schlosser werkeln läßt, während sein Jugendfreund Zvi Litvinoff das Manuskript ein wenig südamerikanisiert und unter eigenem Namen veröffentlicht, um die Liebe seiner Frau Rosa zu erringen. Auch diese Volten und Enthüllungen sind nichts gegen die Sache mit Gurskys verlorenem und halb wiedergefundenem Sohn, der zum berühmten Romancier aufgestiegen ist, oder mit Gurskys Freund Bruno, der seine sehr spezielle Wirklichkeit beansprucht, oder mit Almas Bruder, der sich zum Messias berufen fühlt, oder mit zahllosen anderen Figuren und Ereignissen, die dieses Roman-Kaleidoskop ausmachen.

Nicole Krauss schlägt weniger mit psychologischen Einsichten und ausgereifter Charakterisierungskunst in Bann als mit einer Erzähltechnik, die wohl postmodern zu nennen wäre, über ihre Artifizialität hinaus aber einen unwiderstehlichen Drive entwickelt. Wie da Perspektiven gewechselt, Handlungsstränge verwoben und Schicksalswenden inszeniert werden, das übertrifft selbst die Brillanz, mit der ihr Mann in "Extrem laut und unglaublich nah" aufwartet. Krauss und Foer schießen weit über die geschriebene Sprache hinaus, lassen in sogar typographisch identischer Form manchmal nur einen Satz oder ein paar Wörter auf einer sonst leeren Seite stehen. Im Vergleich mit Foers rot umkringelten Sätzen und Zeilen, farbigem Gekritzel, durchgestrichenen Wörtern, Zahlenkolonnen, kursiven Einsprengseln, Majuskelsignalen, immer enger bedruckten Seiten, die schließlich den totalen Sieg der Druckerschwärze verkünden, bemüht Nicole Krauss sich um einen Rest von graphischer Reserve. Dafür hat ihr Roman mehr innere Aufregung zu bieten.

Beide Autoren bauen ihre Handlungsstrukturen aus Zitaten aus Briefen, Notiz- und Tagebüchern, beide verwandeln New York in einen Ort, der dem Schtetl so nah ist wie einer lateinamerikanischen Phantasmagorie, beide liefern bizarre Geschichten als Standardware, beide verlangen von ihren Helden detektivischen Spürsinn, beide bürden einen Großteil der Last ihrer Bücher zwei Kindern auf, die für lexikalische Exkursionen anfällig sind und damit allzu oft direkt in die Banalität schlittern.

Vom Tonfall und der strukturellen Anlage her sind sich die Bücher derart ähnlich, daß sie in der Erinnerung leicht ineinander verschwimmen. Ist Oskar nicht mit dem alten Gursky auf Entdeckungsreise durch New York gegangen? Hat Alma das Schweizer Armeemesser des Vaters bekommen, oder war es doch Oskar? Foer, der dem Terrorangriff des 11. September jede politische Dimension verweigert, ihm vielmehr in der Selbsterkundung nachspürt, läßt seine Erzählungen und Überlegungen in ein schwaches Ende münden. Um den Weg aus der Trauer ins Leben zu finden, schlägt er vor, den Rückwärtsgang der Geschichte einzulegen und "den schlimmsten Tag" dem Kalender zu entreißen. Zum Kitsch geraten ihm so die Schlußseiten, eine umgekehrte Bilderfolge, in der ein Mensch, der aus einem der Türme in den Tod springt, nun hinauf in den himmlischen Äther schweben darf.

Solche Ausrutscher passieren Nicole Krauss nicht. Dem Schelmenroman ihres Mannes stellt sie einen virtuosen Versuch über die Spielarten der Liebe entgegen. Am herausragenden Talent des gerade achtundzwanzig Jahre alten Foer ist auch nach diesem unvollkommenen, zwischen Terror und Niedlichkeit schwankenden Buch nicht zu zweifeln. Seine nicht minder talentierte Gattin, die drei Jahre älter ist als er, war diesmal aber besser.       

JORDAN MEJIAS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Dies ist ein gewaltiges Buch, das unser müdes Herz erfrischt. Nicole Krauss sei gepriesen dafür!" Colum McCann

"Bezauberns, zärtlich und sehr originell." J.M. Coetzee

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nicole Krauss' Roman "Die Geschichte der Liebe" wird nach Ansicht von Hans-Peter Kunisch seinem Thema, der Erinnerung an das Grauen des Holocaust, nicht wirklich gerecht. Dafür erscheint ihm das Werk schlicht "ein wenig zu nett". Zwar findet er den zentralen Protagonisten und Erzähler des Romans, den ärmlichen, achtzigjährigen US-Immigranten Leo Gursky, einen "klassischen Vertreter des jüdischen Witzes", durchweg "sympathisch". Aber Gurskys Erinnerungen und galgenhumorige Betrachtungen haben für Kunisch kaum etwas zu tun mit dem "speziellen Schrecken der Opfergeneration". Er hält dem Roman vor, den Holocaust ins "Gemütlich-Kauzige" zu wenden, einem "Holocaust light" zu frönen, was seines Erachtens auch ein Grund für den Erfolg des Buches ist. Zudem kritisiert Kunisch die "verworrene Handlungskonstellation" des Romans sowie seine nur "mühselig hergestellte Wahrscheinlichkeit".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.03.2006

Die Traurigkeit, nicht trauern zu können
Ein wenig zu nett: Nicole Krauss’ Roman „Die Geschichte der Liebe”
Gefragt, warum gerade in den letzten Jahren ein Boom an Familien-Romanen der jüdischen Enkel-Generation zu verzeichnen sei, antwortete Nicole Krauss, die mit ihrer „Geschichte der Liebe” jetzt selber ein Exempel beigesteuert hat, in einer soziologisch gut abgesicherten Formel: Die Generation der Großeltern habe oft erst vor kurzem ihr Schweigen gebrochen. Seither müssten die Enkel mit den Erinnerungen ihrer Vorfahren auf eigene Weise zurecht kommen.
Das mag in einer Vielzahl der Fälle zutreffen, und so ist es wohl auch bei Nicole Krauss’ Großeltern gewesen. Bei Krauss’ Romanfiguren jedoch fragt man sich oft, wovon sie so lange geschwiegen haben könnten. Das Grauen des Holocaust ist es nicht. Leo Gursky, der zentrale Protagonist und Erzähler aus Krauss’ zweitem Roman „Die Geschichte der Liebe” ist ein ärmlicher, achtzigjähriger US-Immigrant wie andere auch. Allenfalls sein Humor, der ins Groteske schießt, macht ihn zu einem klassischen Vertreter des jüdischen Witzes. Gursky wohnt in einer kleinen, zugemüllten Wohnung, die er sich gerne etwas größer macht. „Vom Klo zur Wohnungstür, unmöglich, da muss ich über den Küchentisch. Ich stelle mir mein Bett gern als Homeplate vor, das Klo als First, den Küchentisch als Second, die Wohnungstür als Third Base.”
Das sind eher holocaustfreie Galgenbetrachtungen eines New Yorkers mit winzigem Einkommen, und wenn Gursky bei Romanbeginn verhindern will, dass bei seinem Sterben niemand dabei ist, so hat auch das wenig mit den speziellen Schrecken der Opfergeneration zu tun. Wobei Krauss die Schraube der üblichen Angst vor der Alterseinsamkeit noch ein wenig weiter dreht: Gursky möchte immer gesehen werden. Also schleppt er sich auch zum Aktzeichnen, um dort, betont hässlich, Modell zu stehen. Während eines solchen Termins zu sterben, wäre, so Gurskys Phantasie, das Gegenteil der drohenden Verwesung in der eigenen Wohnung.
Zugegeben, es sind teilweise makabre Vorstellungen, die der Alte pflegt, dennoch bleibt Gursky ein durchweg sympathischer Kerl, der, und das ist wohl einer der Gründe für den beträchtlichen Erfolg des Buches in den USA und Deutschland, den Holocaust für seine Leser ins Gemütlich-Kauzige wenden kann. Denn auch jene Erinnerungen „an damals”, die Gursky am meisten Probleme bereiten, bleiben überdurchschnittlich „weich”, sind eher sentimentaler Natur. Sie haben mit Alma, Gurskys aus den Augen verlorenem Jugendschwarm, zu tun, sowie mit einem verschollenen Roman-Manuskript, eben jener pathetisch und vielversprechend übertitelten „Geschichte der Liebe”, die der halbwüchsige Gursky schrieb, um Alma von sich zu überzeugen: ein traditionelles Buch im Buch.
Doch warum dringt Nicole Krauss nicht weiter vor als bis zu dieser Art von „Holocaust light”? Neben der auch von US-Kritikern vorgebrachten Begründung, sie schiele nach dem amerikanischen Massenpublikum, gibt Krauss in einem Essay, „On forgetting”, der im Internet nachzulesen ist, eine andere Motivation an. Eine ihrer beiden Großmütter habe sie das Aufnahmegerät ausschalten lassen, als sie ihr erzählt habe, wie ihr Vater gezwungen worden sei, das Gras mit seinen Zähnen zu mähen. Sie habe die Großmutter zuerst nicht verstanden, bis ihr klar wurde: „Erinnern ja, aber nicht den Terror, mit dem sie versuchten, uns unsere Würde zu nehmen (. . .) Erinnere dich an das Leben, wollte sie sagen, erinnere dich daran, wie wir lebten.”
Das Problem, das Nicole Krauss mit dieser Interpretation der Großmutter haben musste, ist offenkundig: Sie, Jahrgang 1974, gehört zur Urenkel-Generation: „Wenn meine Mutter, nach dem Krieg in London geboren, Roman Vishniacs Schtetl-Fotografien sah, spürte sie eine überwältigende Vertrautheit, als ob ihre Familienangehörigen auf den Bildern zu sehen seien, als ob sie selber dort gewesen sei. Wenn ich diese Fotos anschaue, fühle ich mich nur traurig.” Und es sei eine doppelte Traurigkeit, die sie ergreife: Die „Traurigkeit des Erinnerns” und die Traurigkeit, dass sie zur Trauer „nicht mehr in der Lage” sei.
So reden die Einwanderer
Das ist eine ziemlich überzeugende Argumentation, die zur Wahrnehmung dieses Buches gehört. Doch auch wenn man sie akzeptiert, muss man sehen, dass sie Krauss zu nichts anderem als dem Allerweltsmotiv „Erinnere dich, wie wir geliebt haben” gebracht hat. Dank Gurskys hohen Sympathiewerten liest sich der Roman dennoch eine Weile lang rührend und gut. Selbst der im Gegensatz zu ihrem Mann Jonathan Safran Foer geringe sprachliche Ehrgeiz - ein durchschnittlich aufgerautes Einwanderer-Amerikanisch bestimmt den Ton - wirkt nicht weiter störend, solange Gurskys Gegenwarts- und Erinnerungsplot die Hauptrolle spielt.
Doch als wolle Krauss die fehlende eigene Sprache vergessen machen, und ihrem Buch ein paar andere Stimmen und Geheimnisse geben, treibt sie das verschollene Manuskript in immer verworrenere Handlungskonstellationen, die ihre mühselig hergestellte Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen der glücklichen Fügung eines auch im Sinne der Überlebensmöglichkeiten durchaus freundlichen Holocausts verdanken. Leo Gurskys „Geschichte der Liebe” erreicht ihn am Ende wieder, weil Zvi Litvinoff, der mit Gursky im polnischen Slonim aufgewachsen ist, das Manuskript nach Chile retten konnte. Litvinoff hat den Text jedoch nicht in Ehren gehalten, sondern, im Glauben an Gurskys Tod, dazu verwendet, sich einer Angebeteten gegenüber selber als Schriftsteller auszugeben.
Auch das wäre für sich genommen kein schlechter Einfall, doch Gurskys, von Litvinoff leicht verhunzte, schließlich ins Spanische übersetzte „Geschichte der Liebe” gerät, per Erläuterungen einer Übersetzerin aus dem Spanischen zu einem ganz anderen Buch geworden, in die Hände von Isaac Moritz. Der ist nicht nur Schriftsteller, sondern niemand anderes als der uneheliche Sohn von Gursky und der damals angebeteten Alma. Auch sie hielt Gursky für tot, suchte sich einen anderen Mann für den in ihrem Bauch nach Amerika mit emigrierten Sohn. Nach so vielen Zufällen macht es sicher Sinn, dass die Tochter der Übersetzerin, ein verschobenes Selbstporträt Nicole Krauss’, nach Gurskys Roman-Heldin Alma heißt, und am Ende den von ihr gesuchten Autor in New York zum erstenmal trifft, gewissermaßen als seelenvolle Wiedergängerin der Ur-Alma, die den Holocaust ebenfalls überlebte und vor kurzem in New York gestorben ist.
Betont nette jüdische Familiengeschichten aus dem zwanzigsten Jahrhundert lesen sich auf ganz andere Weise, aber nicht weniger deutlich phantastisch als nette deutsche.
HANS-PETER KUNISCH
NICOLE KRAUSS: Die Geschichte der Liebe. Roman. Aus dem Amerikanischen von Grete Osterwald. Rowohlt Verlag. Reinbek bei Hamburg 2005. 352 Seiten, 19,90 Euro.
Der Fotograf Roman Vishniac hielt um 1930 typische Szenen aus dem Schtetl-Leben fest.
Foto: KPA/PA
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