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Ritter und Duellanten, Handlanger und Pilger, Sommerverbrecher und Zeitungsleser hatten bereits die Geschichten aus Picknick der Friseure bevölkert, bevor mit Pigafetta dann das Abenteuer der Reise begann. Der neue Roman von Felicitas Hoppe greift ein weiteres Mal dieses Motiv auf für eine weit gespannte Reise durch die Kontinente und Zeiten, mit einem veritablen Ritter auf einem Pferd, einem ihn begleitenden Schreiber und drei Abenteurern auf der Suche nach dem kostbaren Fell der seltenen Berbiolette.

Produktbeschreibung
Ritter und Duellanten, Handlanger und Pilger, Sommerverbrecher und Zeitungsleser hatten bereits die Geschichten aus Picknick der Friseure bevölkert, bevor mit Pigafetta dann das Abenteuer der Reise begann. Der neue Roman von Felicitas Hoppe greift ein weiteres Mal dieses Motiv auf für eine weit gespannte Reise durch die Kontinente und Zeiten, mit einem veritablen Ritter auf einem Pferd, einem ihn begleitenden Schreiber und drei Abenteurern auf der Suche nach dem kostbaren Fell der seltenen Berbiolette.
Autorenporträt
Felicitas Hoppe, geboren 1960 in Hameln, lebt als freie Schriftstellerin in Berlin. Für ihr Werk wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Aspekte-Literaturpreis (1996), mit dem Nicolas-Born-Preis des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (2004), dem Bremer Literaturpreis (2007), dem Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim (2007), dem Rattenfänger-Literaturpreis (2010) und dem Georg-Büchner-Preis (2012). Außerdem Poetikdozenturen und Gastprofessuren in Wiesbaden, Mainz, Augsburg und Göttingen sowie am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire und an der Georgetown University, Washington DC. 2015 wurde Felicitas Hoppe mit dem Erich Kästner Preis für Literatur ausgezeichnet.
Rezensionen
perlentaucher.de
Unter den deutschen Romanen und Erzählungen gab es nicht "das" eindeutige Buch der Saison, aber doch eine Menge ansprechende Rezensionen. Man könnte Sibylle Lewitscharoffs "Montgomery", Reinhard Jirgls "Die Unvollendeten", Wolfgang Hilbigs Erzählungen "Der Schlaf der Gerechten" und Daniel Kehlmanns satirischen Künslterroman "Ich und Kaminski" nennen. Aber soviel Platz ist hier ja nicht! Wir wählen ein anderes Buch, dessen Erscheinen schon ein paar Wochen zurückliegt und das nochmals einen Hinweis verdient, auch weil es ein wenig im Schatten von Judth Hermanns zuerst hysterisch erwarteten und dann höflich verrissenen Erzählband "Nichts als Gespenster" stand. Die Rede ist von Felicitas Hoppes neuem Roman "Paradiese, Übersee". Der Roman begibt sich auf eine offensichtlich schwer nachzuerzählende "weit gespannte Reise durch die Kontinente und Zeiten, mit einem veritablen Ritter auf einem Pferd, einem ihn begleitenden Schreiber und drei Abenteurern auf der Suche nach dem kostbaren Fell der seltenen Berbiolette" (so der Klappentext). Katharina Döbler zeigte sich in der "Zeit" ganz entzückt vom Sprachwitz Hoppes, der diese Geschichte lesbar und glaubhaft macht: "Sie macht Metaphern zu Fakten und Legenden zu Kalauern, Redewendungen zu Schicksalen, Ideen zu Papiertigern und Papiertiger zu Schiffchen, die dann fröhlich das Buch hinunterschwimmen ...". Lothar Müller liest das Buch für die SZ ebenfalls als zartes Virtuosenstück und freut sich über eine Vertracktheit, die die ganze Aufmerksamkeit des Lesers lustvoll in Bann zieht und dabei offensichtlich unterhält!…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.01.2003

Vom Bügeln
Schürzen jagen in Indien: Diese Woche erscheint Felicitas Hoppes Ritterroman

Vielleicht liegt das Geheimnis hier auf diesem Balkon. "Es ist ein ganz normaler Balkon", sagt Felicitas Hoppe in ihrer winterhellen Berliner Altbauwohnung. "Den haben alle Häuser im Prenzlauer Berg, die in den neunziger Jahren renoviert wurden. Daran wird man sie später einmal erkennen." Es ist ein kleiner Balkon aus Stanzblech, in Leichtbauweise an die Fassade geklebt. Abstand zum nächsten Haus, zum Fenster gegenüber: vielleicht zwei Meter. Nachbarliche Zwangsintimität, tägliche Blicke ins Innerste des fremden Wohnreichs. "Die Menschen, die dort wohnen, kenne ich am wenigsten von allen hier in der Gegend." Man wendet sich innerlich ab. Als Selbstschutz, als Fremdschutz. Das ist zu nah.

Vielleicht liegt also hier das Geheimnis. Denn ein Geheimnis gibt es. Oder zwei. Drei. Viele Geheimnisse in den Büchern von Felicitas Hoppe. Und vor allem in ihrem neuesten, dem Ritterroman "Paradiese, Übersee", der Ende der kommenden Woche erscheint. Es ist ein Fluchtroman, ein Reiseroman, ein Familienroman voller Rätsel, voller Wege ins Nichts, Wege ins Glück, ins Unglück, nach Indien und zurück. Aber es ist vor allem ein Ritterroman. "Ich wollte unbedingt einen Ritterroman schreiben", sagt Felicitas Hoppe, die zuvor den Weltumrundungs- und Erkundungsroman "Pigafetta" und den vielfach preisgekrönten fabulierungsbegeisterten Geschichtenband "Picknick der Friseure" veröffentlicht hatte. Weil Ritter sie begeistern. Weil sie die Literatur des Mittelalters liebt. "Das ist Erholung. Frische Luft. Als wenn ich ein Fenster öffnete." Klar und schön. Denn in den Mittelalterromanen gebe es keine Psychologie. "Es sind Romane ohne den ganzen Seelenmist, der uns wie Bleischuhe an den Füßen klebt." Also ein Ritterroman. Aber ein heutiger. Einer, der in der Gegenwart spielt. "Historische Romane sind ein Verbrechen", sagt Frau Hoppe, 42, in Bügelbluse und knapper Kurzhaarfrisur. Herbeigelogen, möchtegernwahr. Ihrer nicht. Ihrer ist anständig erdichtet. Einfach ausgedacht.

Es ist die Geschichte eines - tja, wie soll man das jetzt sagen, ohne daß es gleich so eindeutig klingt und damit gar nichts mehr mit dem sieben- bis zwölfdeutigen Roman zu tun hat. Also, es ist die Geschichte einer Berbioletten-Jagd. Berbioletten sind die seltensten Tiere der Welt, und ihr Pelz ist somit der begehrteste. Ein Forschungsreisender will diesen Pelz ins Museum bringen. Ein zurückhaltender Reiseführer, den sie den "Kleinen Baedeker" nennen, will ihn für seine bügelfreudige Schwester gewinnen, um ihr daraus eine Schürze zu fertigen. Die schönste Schürze der Welt. Gegen ihr Unglück. Ihr Liebesunglück aus der Vergangenheit, das sie beharrlich fortzubügeln versucht. Vergeblich. Denn sie liebt einen Ritter, der seinen rechten Handschuh irgendwo auf der Landstraße zwischen Straßburg und Kalkutta liegenließ und heute vermutlich in Indien lebt. Eine weitere Reisegruppe, bestehend aus einem Ritter (demselben? Einem verkleideten, uns bekannten zweiten? Einem bislang unbekannten dritten?) und einem aufzeichnungswütigen, fernreisesüchtigen sogenannten Pauschalisten, macht sich auf die Suche nach dem unglücklich Geliebten, um ihm einen Liebesbrief zu übergeben und ihn heimzuholen. Zur Schwester. Über Lissabons Hafen, Kalkuttas Bahnhof, die Ardennen im Traum, zurück nach Hause.

Dorthin, von wo sie alle aufgebrochen sind. Am Anfang der Geschichte. In der Mitte des Buches. In seinem Zentrum. Als sie alle aufbrachen aus der kleinen, engen, dunklen, unbeweglichen Familienwirklichkeit um die Weihnachtszeit in Echternach, in Luxemburg. Das aus der Nähe so geheimnislos und unscheinbar wirkte, aus einer Erinnerungsferne aber wie ein erstaunliches Kalkutta. "Früher dachte ich, man muß lange an einem Ort sein, um ihn wirklich zu kennen", sagt Felicitas Hoppe. "Heute weiß ich, je kürzer man dort ist, desto mehr weiß man über eine Stadt, ein Land." Desto mehr glaubt man zu wissen. Desto mehr kann man schreiben.

Vor zweieinhalb Jahren war sie mit dem sogenannten Literaturexpreß 2000 unterwegs, einer merkwürdigen Schnapsidee der Berliner Literaturwerkstatt, die mehrere Wochen lang mehr als hundert Schriftsteller aus allen europäischen Ländern in einem Sonderzug von Lissabon nach Minsk und St. Petersburg und wieder zurück nach Berlin verschickte. Um andere Länder kennenzulernen, andere Dichter. Eine nervtötende Fahrt, mit Lesungsterminen fast jeden Abend in einer anderen, neuen Stadt. Dort hat sie das neue Reisen gelernt. Das schnelle Reisen. Augenblicksreisen. Sie hat die Route in ihrem neuen Roman erwähnt. Dabei war sie auch schon zuvor kein Reiseamateur und hat für ihren letzten Roman "Pigafetta" sogar die ganze Welt in einem Containerschiff umfahren. Aber dort war nur das Meer. Lange Monate immer das Meer. Neue Orte gab es kaum.

Für "Paradiese, Übersee" ist sie nach Indien gefahren. Denn die Romanreise geht nach Kalkutta und nach Bombay. Doch die beiden Städte kommen im Roman eigentlich nicht vor. Nur als Namen. Nur als Folien. Nur als fremde Ziele. Sie war inzwischen zweimal in Indien. Nach der ersten Reise hat sie eine Erzählung geschrieben: "Fakir und Flötist". Als Hoppe die Geschichte bei ihrer zweiten Reise vorlas, warf man ihr "Exotismus" vor und ungenaues Schauen. Welche Empörung wird sie bei ihrer nächsten Reise erwarten, wenn die Leute einen Bombay-Roman erwarten und im Buch dann Echternach, die Ardennen, Luxemburg bekommen. Ärgerlich. Aber das ist Hoppe-Dichtkunst. Das Fremde im Nahen, das Naheliegende im Fernen finden.

Nichts ist sicher in Hoppes neuem Roman. Es ist ein Buch der Unsicherheit, des Glaubens und des Zurücknehmens. Was eben noch als Tatsache beschrieben wurde, ist in der nächsten Zeile schon nicht mehr wahr. Der Hund zum Beispiel. Munter, der Reisehund, der alles sieht und alles weiß, an dem das ganze Reisegeheimnis hängt, wahrscheinlich hat es ihn nie wirklich gegeben: "Munters Bellen ist verstummt, und übrig bleibt nichts als die vollkommene Stille und der spurlose Schnee zwischen dem einen Nichts und dem nächsten, zwischen Hund und Herr." Und auch der Ritter, die Reise, das neue Leben verschwinden immer wieder ohne Spur.

Am Ende von "Paradiese, Übersee" heißt es: "Denn das ist das Geheimnis, schnell muß man sein, gehen, bevor man gekommen ist, schneller verschwunden als aufgetaucht, wie ein Wind, wie der Sturm, der Träumern und Schläfern das Dach über dem Kopf wegreißt, und zwar im Handumdrehen."

Das Geheimnis ist also das Davonlaufen, das schnelle Verschwinden, das Übersehen der Nähe und der neue Blick. Das Geheimnis ist das Sitzen auf dem Balkon und das Schauen in eine andere Welt dabei. Fern von hier. Nach Indien. In die Ardennen. Um die Welt. Kurz. Und schnell. Und immer neu.

VOLKER WEIDERMANN

Felicitas Hoppe: "Paradiese, Übersee". Roman. Rowohlt Verlag 2003. 186 Seiten. 16,90 [Euro]

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.02.2003

Zurück auf die Schiffe
Hund, Pferd, Rüstung und ein Handschuh voller Bedeutung: Felicitas Hoppes Ritterroman „Paradiese, Übersee”
Als die Ritter aus ihrem Paradies, dem Ritterroman, für immer vertrieben wurden, wussten sie zunächst nicht, wohin. Einige suchten Zuflucht bei Don Quijote, aber der brauchte kein Gefolge, weil er ja Sancho Pansa hatte. Andere streunten jahrhundertelang herum, ehe sie sich als Kulissenschieber im Schauerroman verdingten. Wieder andere versteckten sich aus Scham und Stolz, bis der historische Roman sie aufspürte und ihnen eine zweite Heimat versprach. Doch auch in den neuen Paradiesen, in die er sie führte, in der Oper und im Kino, verging das Heimweh der Ritter nicht, bis schließlich die Literatur ein Einsehen hatte und den Ritterroman wieder einführte, mit Abenteuern, Schlachten, Jungfrauen, Kalifen. Aber nie waren die Ritter von ihrem Paradies weiter entfernt als im Ritterroman der literarischen Avantgarde. Die Rüstung, in die Italo Calvino den Paladin Karls des Großen steckte, war leer, und der Roman, in dem er das tat, trug den Titel „Der Ritter, den es nicht gab” (1959).
„Am Vorabend des zweiundzwanzigsten Zwölften betraten der Ritter und der Pauschalist das Festland von der Nordseite her.” Mit diesem Satz beginnt das neue Buch von Felicitas Hoppe. Seit ihrem Debüt, dem Erzählband „Picknick mit Friseuren” (1996), lässt sie keinen Zweifel an ihrer Unverführbarkeit durch den landläufigen literarischen Realismus oder gar das kunstlos Autobiographische. „Wehe dem, der sich ohne Handwerk aufs Wasser wagt”, hieß es in dem Roman „Pigafetta” (1999), der für die Erzählung einer Weltumschiffung das fein gesponnene Seemannsgarn des Fabulierens der Reisereportage vorzog. In kleinen Zeitungsfeuilletons entwickelte Felicitas Hoppe stattdessen außerhalb des Romans ihre eigene Form der Reportage.
Der Pauschalist, der im Anfangssatz mit dem Ritter das Festland betritt, ist kein Pauschalreisender. Sondern einer, der für Zeilengeld schreibt und ein Diktiergerät dabei hat, das er gelegentlich zurückspielt. Dann liest man noch einmal Sätze, die man schon gelesen hat. Voll gestopft mit Lektüre, ist der Pauschalist ein modernes Aufzeichnungssystem. Er reist, um zu schreiben. Mit dem Ritter, dem naiven Wiedergänger vormoderner Geschichten, bildet er eine Art Komikerduo. Der Ritter vertieft sich in alte Illustrierte, während der Pauschalist ein Loblied auf die Zeitungen singt.
Der Herbst des alten Handwerks
Beide reisen durch die Welt, aber die Namen der Orte, von denen die Rede ist, Lissabon oder Kalkutta, haben sich von der Welt gelöst und sind nur Chiffren der Ferne. Statt einer Karte folgen sie den durcheinander gewirbelten Handlungsmustern des Ritterromans, haben, wie es sich gehört, Hund und Pferd dabei, und natürlich hat der Ritter eine Rüstung und einen Handschuh voller Bedeutung. Außerdem erinnern sie gelegentlich an die Artussage und ihre Tafelrunde, wenn sie an runden Tischen vorbeikommen, und führen einen geheimen Brief mit, der am Ende alles erklärt, oder besser: die Verwirrung vervollständigt.
Ausgezogen aber sind sie nicht, um irgendwo anzukommen, sondern um unterwegs zu sein. Ein gewisser Doktor Stoliczka, ein ungreifbarer Dritter, dem sie hinterherreisen, hat die Rolle, die in älteren Geschichten das Irrlicht hatte. Sein Ziel ist es, alle Ferne ins heimische Museum zu bringen, und so fällt ihm eines der schönsten Erbstücke des Ritterromans zu: die Jagd nach dem sagenumwobenen exotischen Tier, das hier den funkelnden Namen „Berbiolette” trägt. Frauen gibt es auch in diesem Buch, aber keinen Minne: sie lieben eher die Kunst des Brettspiels als die des Bettspiels. Die aber das Brettspiel am meisten liebt, ist die Autorin, Felicitas Hoppe.
Ihre Sätze ähneln einer Kette von Zügen, die jeden Leser matt setzen, der nicht mit höchster Aufmerksamkeit den verwirrenden Rochaden, verrätselnden Anspielungen und erzählerischen Finten zu folgen bereit ist. Das Lob des Handwerks ist zur sich selbst genießenden Virtuosität gesteigert. Wie schwerelose Spielfiguren bewegen die Sätze das Personal übers Feld und wollen vor allem eines sein: Prosa, die sich sehen lassen kann wie die folgende Passage, in der Dr. Skoliczka seiner Verachtung für die Seeleute Ausdruck gibt: „Auf alles, schrieb er, sind sie aus, bloß nicht auf Abenteuer. Aus Angst vor Ungeheuern verlassen sie ihre Schiffe. Landfeige haben sie sich auf schwimmenden Vorgärten eingerichtet und fürchten nichts mehr, als eines Tages tatsächlich irgendwo anzukommen. Und wenn sie einmal aus Versehen doch einen Fuß auf trockenen Boden setzen, wird ihnen so übel, dass sie auf der Stelle kehrtmachen und zurück auf ihre Schiffe fliehen, um von dort aus für den Rest ihres Lebens in aller Ruhe das Land zu betrachten oder das, was sie dafür halten, weshalb auf ihren Karten nichts zu sehen ist als Strömungen und Meerengen, die es mit allen Mitteln zu umfahren gilt.”
Paradiese im Plural, Urlaubsparadiese zum Beispiel, gibt es nur, weil das Paradies im Singular längst geschlossen wurde. Vielleicht entspringt dem die Melancholie, die alter Überlieferung zufolge aller Reiselust beigemischt ist. Zwischen den Worten „Paradiese” und „Übersee” steht im Titel dieses Buches ein Komma. Im Buch selbst steht zwischen den Abschnitten „Übersee” und „Paradiese” der Abschnitt „Wilwerwitz”. Er ist in diesem Triptychon der Ruhepunkt inmitten des Episodenwirbels. Er bewahrt das Virtuosenstück vor dem Zerflattern in Zitaten und Allegorien, die Perlenkette der Pointen vor der Monotonie der Etüde.
In „Wilwerwitz” hat die Gegenfigur zum Reisenden und fahrenden Ritter, der Fremdenführer, das Wort: der„kleine Bädeker”, der Bruder des „Pauschalisten”, die witzigste Allegorie des Buches, verteilt seine Sterne im Nahbereich. Die Ardennen, von denen am Ende des ersten Abschnitts, der Ritter und sein Hund geträumt haben, sind der Schauplatz, die Legenden und Ritter dieser Region das erzählerische Material: allen voran Johann der Blinde, der Graf von Luxemburg und König von Böhmen auf der einen, der heilige Willibrord samt Echternacher Springprozession auf der anderen Seite.
In Ritterrüstung führt der kleine Bädeker die Touristen durch die Museen in Troivierges, und wo er mit der Bädeker-Wünschelrute hinschlägt, da sprudelt eine Quelle des Erzählens. Sein Pferd heißt „Schengen”, und wenn er darauf durch den Herbst des alten Handwerks der vormodernen Literatur reitet, raschelt es lebendig in diesem imaginären Fremdenführer durch eine der Kernlandschaften Europas. Seltsam, dass in den Abenteuer- Weltreisen- und Überseeepisoden des Buches oft nur das Laub elegant zusammengekehrt wird. LOTHAR MÜLLER
FELICITAS HOPPE: Paradiese, Übersee. Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2003. 188 Seiten, 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Als "Erzählfundamentalistin" bezeichnet Martin Krumbholz die Autorin Felicitas Hoppe, die mit ihrem Erzählband "Picknick der Friseure" die Literaturrealos das Gruseln gelehrt habe. Ein Erzählfundamentalismus, der sich wenig um Handlung, Logik, Psychologie oder soziale Verortung schert, charakterisiert ihn Krumbholz. All diese Elemente sind auch in Hoppes "Roman" getauftem neuen Buch nicht vorhanden, die beiden Hauptfiguren heißen allgemein "der Ritter" und "der Pauschalist", was immerhin auf das Reisethema des Buches verweist, vermutet Krumbholz. Aber im Grunde sind nicht das Reisen und die große weite Welt Hoppes Thema, hat Krumbholz herausgefunden, "sondern die Weltfremdheit", die mit dem naiven Erzählton einhergehe. Bei soviel Weltabgewandtheit und Konzentration auf die textliche Ebene müsste der Leser eigentlich durch eine funkelnde Sprache entschädigt werden, meint Krumbholz und sieht sich - anders als beim "Picknick" - enttäuscht. Die Sprache ist diesmal eher sorglos und weniger originell gearbeitet, findet der Rezensent, wohl eine Folge der intendierten Munterkeit und bemühten Kindlichkeit.

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