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Neue Geschichten von Andre Dubus, dem Meister der amerikanischen Short story.
Viele der hier veröffentlichten Kurzgeschichten erzählen vom jähen Einbruch der Gewalt in die alltägliche amerikanische Lebenswelt. Etwa in die der Familie Girard, als der zehnjährige Kenneth aus Versehen den Freund seiner Schwester erschießt, weil er ihn für einen Einbrecher hält. Oder in die von LuAnn, die nach dem Einkaufen von zwei Halbstarken verfolgt wird und die beiden außer Gefecht setzt, als diese in ihr Haus einbrechen. "Tanz zu später Stunde" ist der erste Band Shortstories von Andre Dubus, dem Meister…mehr

Produktbeschreibung
Neue Geschichten von Andre Dubus, dem Meister der amerikanischen Short story.
Viele der hier veröffentlichten Kurzgeschichten erzählen vom jähen Einbruch der Gewalt in die alltägliche amerikanische Lebenswelt. Etwa in die der Familie Girard, als der zehnjährige Kenneth aus Versehen den Freund seiner Schwester erschießt, weil er ihn für einen Einbrecher hält. Oder in die von LuAnn, die nach dem Einkaufen von zwei Halbstarken verfolgt wird und die beiden außer Gefecht setzt, als diese in ihr Haus einbrechen. "Tanz zu später Stunde" ist der erste Band Shortstories von Andre Dubus, dem Meister der amerikanischen Kurzgeschichte. Er knüpft an die genauen und plastischen Porträts der früheren Bücher an und belegt nicht nur die literarische Meisterschaft eines der größten amerikanischen Erzähler unserer Zeit, sondern vor allem seine außerordentliche Liebe zu den Menschen, seine ungewöhnliche Einsicht in die Schönheit und Tragik unserer Existenz.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.02.2001

Lesetipp zum Wochenende
Weltempfänglichkeit
André Dubus: Tanz zur späten Stunde
Erzählen wie auf dem Hochseil, weit über dem Boden der Realität. „Aber er war dreizehn und konnte nicht sagen, daß er dorthin ging, um sich auf einen Hügel zu setzen und zu warten, bis die Stille und die Bäume und der Himmel sich um ihn schlossen, zu warten, bis sie alle eins mit ihm wurden und Gedanken und Erinnerung aufhörten und die Stimmen anhoben. ” Oder – und diesmal ist es ein Anfangssatz: „Der Mord nahm an irgendeiner Stelle in ihrem Herzen seinen Anfang, an einem Ort, wo sie noch nie gewesen war: er kam ihr vor wie ein schattiger Gebirgspaß, dann eine hell leuchtende Ebene. ”
Der amerikanische Schriftsteller André Dubus (1936–1999) geht aufs Ganze in diesen Stories, in diesem „Tanz zu später Stunde”. Es ist, als hätte er nach seinem schweren Unfall im Jahr 1986 nichts mehr zu verlieren gehabt. Im Zweifelsfall ist sein Interesse ein existentielles, wenn nicht gar ein religiöses. Du musst dein Leben ändern, das ist für seine Helden kein Appell, sondern ein Schicksal.
Spirituelle Verzückungen
Vier der vierzehn Erzählungen haben den gleichen Protagonisten, einen Ted Briggs, der im Vietnamkrieg eine schlimme Beinverletzung erlitten hat. In „Die Frau des Hauptmanns” sowie in der Titelgeschichte gibt es Helden, die, wie ihr Autor, im Rollstuhl sitzen. Aber nicht nur in diesen stofflichen Brennpunkten unterscheidet sich der „Tanz zu später Stunde” von seinen bisherigen Bänden. Noch stärker treten „Verzückungen” in den Vordergrund, spirituelle Epiphanien, verzweifelte Gewissheiten von „Gnade” und Schutz und Erlösung: „Sie wartete . . . auf das, was kommen würde: aus ihrem Körper, aus der Erde, von den strahlenden Engeln, die in der Luft schwebten, die sie atmete. ” Und es finden sich in diesen Geschichten immer wieder Spuren dessen, was Schreiben und was Lesen „macht”. An Stellen wie der folgenden spricht André Dubus aus Erfahrung und artikuliert zugleich eine „selbstreflexive” Hoffnung: „Wenn sie im Licht der Lampe las, wurde sie von erdachten Frauen, Männern und Kindern in Büchern, die sie in ihren Händen hielt, für die Welt empfänglich gemacht, und der Kummer in der Dunkelheit blieb, aber sie war getröstet, während sie eins wurde mit der Erde und ihren Geschöpfen: ihren Toten, ihren Lebenden, ihren Lebenden nach ihrem eigenen Tod: eins mit dem Himmel und dem Wasser und mit einem einzelnen Blatt, das von einem Baum fiel. ”
Dass solche Anwandlungen nicht zu einem sentimentalen Plädoyer für eine unio mystica werden, liegt daran, dass Dubus in der Psychologie seiner „Sünder” plausibel macht, weshalb sie nichts anderes haben, als sich so zu sehnen. In „Frau im Flugzeug”, einer Prosaskizze über eine Dichterin und Creative-Writing-Dozentin, zeigt Dubus, dass im Umgang mit Büchern Aktion und Kontemplation einander bedingen: „Sie wußte, das Lehren eines Gedichtes war wie das Schreiben eines Gedichtes: sie konnte nur beginnen und die Hand ausstrecken und warten. ”
An einer Stelle gibt André Dubus Auskunft über die Dosierung, die er sich für die Lektüre wohl auch seiner Prosa vorstellt: „Letzten Abend hatte Emily nicht gearbeitet, und gestern Nachmittag war sie mit einem Band Stories von Edna O’Brien an den Strand gefahren. Sie rieb ihren Körper mit Sonnencreme ein und legte sich auf ein Handtuch und las fünf Geschichten. Wenn sie mit einer Geschichte durch war, rannte sie in die Brandung und tauchte in einer Welle, öffnete die Augen im Salzwasser, stand auf, schüttelte ihr Haar und drehte sich zum Strand um. ” Wenn also denn auch bei uns wieder erzählt werden soll, dann kann es nicht schaden, dass Autoren wie Leser jetzt die Gelegenheit haben, nicht nur bei Raymond Carver, sondern auch bei André Dubus ihre Maßstäbe zu „eichen”.
HERMANN WALLMANN
ANDRE DUBUS: Tanz zu später Stunde. Stories. Deutsch von Benjamin Schwarz. Rowohlt Verlag, Reinbek 2000. 315 Seiten, 39,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.2000

Der Hai fischt nach dem Angler
Bei Andre Dubus tanzt Amerika auch noch zu später Stunde

In Amerika gibt es, anders als bei uns, Literaturzeitschriften, die noch aus dem neunzehnten Jahrhundert stammen. Ihr Überleben verdanken sie nicht zuletzt dem ungebrochenen Bedürfnis nach Kurzgeschichten. Sie haben diesen Bedarf befriedigt, traditions- und marktbewusst zugleich, indem sie Geschichten abdruckten, deren Merkmal weniger der literarische Anspruch, sondern mehr die zeitgemäße Thematik und eine handwerklich solide Machart war. Um diese Magazine, die einen wichtigen Absatzmarkt für Autoren darstellen, hat sich ein bestimmter Schriftstellertypus geschart: Prosaschreiber, meistens mit Collegeabschluss, die es nicht in die großen Zeitschriften wie den "New Yorker" geschafft haben, aber genau wissen, was ihre Leser wollen, und jederzeit in der Lage sind, eine effektvolle, gut gebaute short story abzuliefern.

Der Südstaatler Andre Dubus (1936 bis 1999) war ein solcher Typ. Als Sohn eines schriftstellernden Vaters in Louisiana geboren, unter katholischen Kleinbürgern aufgewachsen, diente er sechs Jahre als Marineoffizier, bevor er an der Universität von Iowa "creative writing" zu studieren begann. Danach unterrichtete er mehr als zwanzig Jahre Literatur und Schreiben an einem kleinen College in der Nähe von Boston. 1966 erschien sein erster Roman ("The Lieutenant"), eine Hommage an Faulkner, die wenig beachtet wurde. Dubus' Begabung lag offensichtlich auf dem Gebiet der Kurzgeschichte. Er veröffentlichte seine Stories fast alle in kleinen Magazinen, bevor er sie zu Sammelbänden zusammenstellte. So machte er sich allmählich einen Namen als kleinformatiger Chronist stürmischer Geschlechterbeziehungen, der aus linkskatholischer Perspektive, resolut verkürzend und ohne formale Finessen, den emotionalen Problemen seiner Zeitgenossen zu Leibe rückt.

Im Jahr 1986 wurde ihm auf einer Autobahn bei dem Versuch, anderen Autofahrern zu helfen, ein Bein zerquetscht. Erst nach komplizierten Operationen stand fest, dass er, schwerst behindert, im Rollstuhl würde weiterleben können. Dubus hat sich von den Folgen dieser Katastrophe nicht erholt. Vor dem Unfall ein lebenslustiger College-Professor mit gut gehender Kurzprosa-Manufaktur, war er nun ein von Schmerzen und Depressionen gebeuteltes Wrack. Seine Ehe zerbrach, Schreiben schien unmöglich. Unter Qualen brachte er einen Essayband ("Broken Vessels", 1991) zu Stande, in dem er seine Verwandlung "vom Zweibeiner zum Krüppel" rekonstruierte. Vier weitere Jahre hat er gebraucht, bis er wieder short stories schreiben konnte. Es war sein katholischer Glaube, der ihm half, die radikalen Veränderungen seiner Lebensumstände zu verkraften. ("Ich glaube an Gottes Gegenwart in jeder Minute. Bei jenem Unfall muss ein Engel auf meiner Schulter gesessen haben.")

Die Geschichten, die jetzt unter dem Titel "Tanz zu später Stunde" in einer zupackenden Übersetzung von Benjamin Schwarz auf Deutsch erschienen sind, unterscheiden sich von den früheren Sammlungen ("Stimmen vom Mond", 1985; "Ehebruch und anderes", 1988; "Sie leben jetzt in Texas", 1991) durch eine größere Sensibilität des Erzählers. Hatte Dubus früher vorwiegend Durchschnittsamerikaner in scheinbar harmlosen Konstellationen beschrieben und eine knappe, bisweilen raue Tonlage bevorzugt, so zögert er jetzt häufiger, scheint mehr in sich und seine Figuren hineinzuhorchen.

Angst ist das unterschwellige Generalthema, Angst vor dem Alleinsein, vor den eigenen Stimmungen, dem Eindringen von Fremden. Sie überträgt sich schnell auf den Leser: Man bangt mit dem Erzähler um den Ausgang der Geschichte. Ein Beispiel ist "Gnade" (soll diese Übersetzung von "Blessings" an Joyce' berühmte Geschichte anspielen?), eine auf mehreren Ebenen operierende Story, in der eine Frau nachts von der Erinnerung an eine schreckliche Situation geweckt wird: Bei einem Angelausflug sank das Boot mit der ganzen Familie an Bord, Haie umzingelten die hilflos im Wasser Treibenden. Nur durch religiöse Ekstase, durch das Gefühl pantheistischen Einsseins mit der Natur, in das sie sich inbrünstig hineinsteigert, gelingt es der Frau, mit dem Erlebnis fertig zu werden.

Emotionale Ehrlichkeit des Erzählens ist in der Literatur nichts Selbstverständliches. Der Ton spontanen Mitgefühls klingt selten rein, weshalb wir als Leser zögern, bevor wir uns der Stimme eines Autors anvertrauen. Andre Dubus ist ein Autor, dessen Wirkung vor allem auf der Echtheit seiner auktorialen Stimme beruht. Zwar scheinen seine religiösen Exkurse bisweilen aufgesetzt, die Verknüpfung kleiner Anlässe mit großen Zusammenhängen hat etwas Gewaltsames, das schrankenlos Sentimentale kann ermüden - aber den Ton der Wahrhaftigkeit trifft er mit instinktiver Sicherheit. Das gibt seinen Geschichten eine Eindringlichkeit, der man sich kaum entziehen kann. Dubus' Figuren sind weder zu kurz gekommen noch neurotisch, sie haben unauffällige Berufe und nur wenig Ehrgeiz, und dennoch brechen schicksalhaft Gewalt und Grausamkeit über sie herein: Ein Schüler erschießt den Freund seiner Schwester ("Der Eindringling"), eine Hausfrau schlägt zwei vermeintliche Vergewaltiger mit der Bratpfanne in die Flucht ("Aus dem Schnee"), aber ebenso häufig entsteht die Spannung allein aus Beziehungen. Die Männer sind vom Typ des weichherzigen amerikanischen Raubeins, die (sympathischeren) Frauen stets bereit für die Tröstungen des Glaubens. Die katholisch erzogene Luanne Arceneaux erscheint bedeutsam in drei Stories: als Partner verschleißende Studentin, heiratswütige Verlagsangestellte, schließlich als geläuterte Familienmutter. Vom bewunderten Vietnam-Veteranen Ted Briggs hat sie gelernt, ihr Leben als "eine Kette von geheiligten Momenten" zu begreifen.

Der "Tanz zu später Stunde", eine konzentrierte, mehrfach gefilterte Geschichte, die an den späten Raymond Carver erinnert, zeigt Dubus auf der Höhe seines Könnens. Eine Barfrau, die das Risiko der Liebe scheut, weil sie die eigenen Schwächen kennt, verliert ihre Ängste, als ein Rollstuhlfahrer die Barbesucher in eine Stimmung versöhnlicher Anteilnahme versetzt; hier weiten sich minimalistisch gezeichnete Szenen unversehens zu einem bewegenden Bild elementarer Menschlichkeit.

HELMUT WINTER

Andre Dubus: "Tanz zu später Stunde". Stories. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Benjamin Schwarz. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000. 315 S., geb., 39,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nach Helmut Winters Ansicht sind diese Kurzgeschichten des Autors von einer "größeren Sensibilität" geprägt als seine früheren Werke. So scheine es Dubus viel stärker zu gelingen, "in sich und seine Figuren hineinzuhorchen". Nach Winter liegt das unter anderem an der Thematik, denn Dubus` Thema ist in diesen Geschichten vor allem die Angst. Angst vor Einsamkeit, vor "den eigenen Stimmungen, vor dem Eindringen von Fremden". Und gerade dies mache das Fesselnde seiner Erzählungen aus, da sich das Gefühl durchaus auch auf den Leser übertrage. Winter betont dabei vor allem das Authentische, die "emotionale Ehrlichkeit", die seiner Ansicht nach nicht oft in diesem Genre anzutreffen ist. Zwar weiß der Rezensent auch einige Schwächen aufzuzählen, so etwa die "religiösen Exkurse" oder Anflüge von Sentimentalität. Dennoch üben die Erzählungen auf ihn einen Sog aus, dem er sich nur schwer entziehen könne.

© Perlentaucher Medien GmbH
Leidenschaft und ein ausgeprägtes Gefühl für menschliche Würde kennzeichnen die Stories von Dubus. Er versetzt sich auf wunderbar klassische Weise in seine Gestalten hinein und beschreibt sie subtil und nuanciert. Seine Geschichten sind bewegend und tief empfunden. John Irving