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Den Elefantenhain des Tempels zu Guruvayur, Kerala, betritt nächtens Susima, der "Schwarze Makhna". Bedächtig den Rüssel schwenkend, berichtet er den staunenden Artgenossen von seinem gleichnamigen Urahnen, dem Lieblingselefanten des legendären indischen Kaisers Aschoka. Er spricht von wundersamen Dingen: vom Indienzug Alexanders, gestoppt von Elefanten; von Gautama Buddha, dem Erleuchteten und ersten Menschen, der die Elefantensprache verstand; vom blutigen Krieg des "Götterlieblings" Aschoka gegen die Kalinga und von seiner Bekehrung zu einem friedliebenden Herrscher, der die erste und…mehr

Produktbeschreibung
Den Elefantenhain des Tempels zu Guruvayur, Kerala, betritt nächtens Susima, der "Schwarze Makhna". Bedächtig den Rüssel schwenkend, berichtet er den staunenden Artgenossen von seinem gleichnamigen Urahnen, dem Lieblingselefanten des legendären indischen Kaisers Aschoka. Er spricht von wundersamen Dingen: vom Indienzug Alexanders, gestoppt von Elefanten; von Gautama Buddha, dem Erleuchteten und ersten Menschen, der die Elefantensprache verstand; vom blutigen Krieg des "Götterlieblings" Aschoka gegen die Kalinga und von seiner Bekehrung zu einem friedliebenden Herrscher, der die erste und einzige pazifistische Staatsdoktrin in der Geschichte der Menschheit aufzeichnen ließ.
So entsteht in einer charmanten Tierparabel, wie sie seit Tolstois "Leinwandmesser" nicht ihresgleichen hatte, vor dem Auge des Lesers ein verblüffend phantastisches und akkurates Sozialgemälde der frühindischen Gesellschaft: Porträt einer Zeit, die weit aufgeklärter war, als der angeblich fortschrittliche Okzident es ihr je - und insbesondere heute - zugestanden hätte.
Autorenporträt
geboren 1958 in Oberlahnstein, wuchs in Köln auf, studierte Philosophie, Geschichte, Soziologie und Theaterwissenschaft. Polyglott, Weltenbummler, lebt manchmal in Berlin. Zu seinem vielfach, u. a. mit dem FAZ-Literaturpreis und dem Premio Grinzane Cavour, ausgezeichneten Werk zählen "Die Bürgschaft", "Tagebuch der Arabischen Reise, darin der Briefwechsel mit Goethe", "Mitte" und "Schönes Deutschland".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.09.2003

Der quelläugige Obermahut
Thorsten Beckers indischer Fabelroman „Die Besänftigung”
Dies Buch ist eine exotische Frucht, gewachsen am weit verzweigten Baum der auswärtigen bundesrepublikanischen Kulturpolitik. „Mit freundlicher Unterstützung des Goethe-Instituts Inter Nationes”, so erfährt man im Impressum, ist dieser Roman „im Rahmen der Deutschen Festspiele in Indien 2000/2001” entstanden.
Der Anfang führt ins südwestliche Indien der Gegenwart, die im Bundesstaat Kerala gelegene Stadt Guruvayur, zu deren Krischna-Tempel auch eine Schar Elefanten gehört. Bei einem großen Fest mit Dickhäuterparade ist ein Mahut von einem seiner wild gewordenen Schützlinge getötet worden. In der von den Mitgliedern der Zunft bevorzugt frequentierten Kneipe herrscht daher, trotz der gerade erfolgten Auszahlung des Monatslohns, kein „großes Bohei und Hallo”, sondern schwermütige Trauer: „Selbst Psandaran, der quelläugige Obermahut, der, zu der kegelförmigen Warze auf seinem Nasenrücken und der zipfeligen Gestalt seiner Oberlippe passend, ,Rhino‘ zu seinem Spitznamen hatte und in dem Ruf stand, ein unüberbietbarer Sprücheklopfer und unverbesserliches Lästermaul zu sein, welcher auch für gewöhnlich durch Spendierfreudigkeit seine unverderbliche Wohlgelauntheit ins Allgemeine zu verbreitern verstand, starrte wortlos und gedankenschwer mit hängendem Kinn auf den Spiegel des mit Soda verdünnten Whiskys im Glas, das seine wurstfingrige Rechte in krampfhafter Umklammerung hielt.”
Die Freuden althergebrachter Erzählkunst, dieFreuden der Hypotaxe und der preziös-ironischen Ausdrucksweise: in den ersten Kapiteln der „Besänftigung” wird ihnen ausgiebig gehuldigt. Ein auktorialer Erzähler, der sich in der ersten Person Plural gewichtig in Szene setzt, spricht „den geneigten Leser” an und führt ihn ebenso energisch wie behutsam durch die fiktive Welt. Die harte Wirklichkeit bezeichnet er als „bitterspröde Realität”, ein Elefant bewegt sich nicht, sondern setzt „seinen Leib in Motion”, und wenn es Nacht wird, wirft sich „der Himmel, der tropischen Mode entsprechend, in seine elegante Nachtrobe von schwarz-violetter Seide”. Als wolle er sich noch nicht von seiner Thomas Mann-Hommage „Der Untertan steigt auf den Zauberberg” (2002) lösen, streckt Becker sich hier erneut behaglich im langen Schatten des Lübecker Meisters aus.
Im Reich der Elefanten
Mit dem Auftritt der Hauptfigur im vierten Kapitel und der endgültigen Verlagerung des Geschehens aus der Menschen- in die Elefantenperspektive verringern sich die stilistischenExaltationen. Der Imitation eines Autors folgt die Imitation einer Gattung: der Fabel. Im Gehege von Guruvayur erscheint zu nächtlicher Stunde auf rätselhafte Weise der charismatische Susima, ein Elefant, den Hautfarbe und eleganter Körperbau als „Schwarzen Mahkna” ausweisen. Susima setzt sich auf sein Hinterteil und erzählt den staunend zuhörenden Artgenossen die Geschichte seiner Vorfahren, die zurückreicht bis in die Zeit, kurz nachdem Alexander der Große auf seinen Eroberungszügen bis nach Indien gelangt war. Der junge Königssohn Aschoka lernte damals die Sprache der Elefanten und schuf mit Unterstützung seiner vierbeinigen Helfer ein riesiges Reich.
Wie es sich für eine Tierfabel gehört, ist dieses phantastische Geschehen aber nur die attraktive Einkleidung einer erbaulichen Lehre – und diese Lehre ist leider alles andere als originell. Die Ausführungen des „Schwarzen Mahkna” über die absonderlichen Gepflogenheiten der Menschen, über ihre Liebe zum Geld und ihre unausrottbare Neigung, Krieg zu führen, bieten eine Zivilisationskritik, die so wohlfeil ist, dass sie fatal an eines der dämlichsten Kultbücher der achtziger Jahre, an den „Papalagi”, erinnert. Die Tiere, so lautet dann die unvermeidliche Schlusspointe Susimas, sind einfach die besseren Menschen. Vor allem dank seines Lieblingselefanten hat sich Aschoka einst auf dem Höhepunkt seiner Macht zum friedliebenden, buddhistisch inspirierten Weisen gewandelt: „Von uns hat er es gelernt, dass man stark sein kann und zugleich sanft, groß und doch gütig.” Besitzer von Bernhardinern, denen das Buch in die Hände fällt, werden ihrem zotteligen Liebling sicherlich ähnliche Qualitäten zuschreiben.
Ist „Die Besänftigung” eine Erregung wert? Lohnt es sich, den Roman wegen seiner Uneinheitlichkeit und Sentimentalität, wegen seiner allzu unbekümmerten Anlehnung an große Vorbilder als ein Ärgernis zu geißeln? Nein, es lohnt sich nicht. Zu harmlos ist er, zu unverbindlich und nett. Das humoristische Talent, das Thorsten Becker in den besten Passagen beweist – wenn zum Beispiel ein alt gedienter Kampfelefant so abgehackt redet wie ein preußischer Offizier –, provoziert eine mimische Regung aus großelterlichen Zeiten: ein Schmunzeln. Wer „Die Besänftigung” an einem warmen Spätsommernachmittag liest, der empfindet für dieses opusculum, das unverkennbar den Stempel der Auftrags- und Gelegenheitsarbeit trägt, irgendwann jene milde Freundlichkeit, die der Autor seinen vierbeinigen Helden unterstellt. Ob sich aber diese Wirkung auch an einem nebligen Herbst- oder einem verschneiten Winternachmittag einstellt? Der neugierige Leser möge die Probe aufs elefantische Exempel machen.
CHRISTOPH HAAS
THORSTEN BECKER: Die Besänftigung. Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2003. 207 Seiten, 17,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2003

Dickhäuter der Macht
Elefantös: Thorsten Becker erzählt eine indische Geschichte

In Zukunft gibt es nicht nur die Frosch- und Vogelperspektive, sondern auch die Elefantenperspektive. Die hat Thorsten Becker, einer der flinksten und einfallsreichsten deutschen Schriftsteller, entdeckt. Als im Winter 2000 sieben deutsche Autoren auf Einladung des Goethe-Instituts Indien bereisten, kam Becker schon mit einer Romanidee an. Wie alle anderen fuhr er von Institut zu Institut, um Lesungen zu halten, und danach zog er sich ein paar Monate an die südindische Meeresküste von Kerala zurück, um Elefanten zu beobachten. Er las alles, was es über die Dickhäuter zu lesen gab, und kehrte, als die Sommerhitze über dem Land brannte, sein Romanmanuskript im Ranzen, nach Europa zurück.

Resultat ist eine erfinderisch konstruierte Tierparabel, getragen und dennoch amüsant im Stil und köstlich ins indische Idiom verfremdet. Becker skizziert anfangs das Milieu der Tempelelefanten und der rauhbeinigen Mahuts, die von einem Tempelfest zurückgekehrt sind. Während sich die Mahuts dem Suff hingeben, stehen die Elefanten in einer Reihe im Stall und lauschen dem "Schwarzen Makhna", der ihnen in Elefantensprache eine lange Geschichte erzählt. Makhna ist ein mythischer Elefant, weise und geradezu göttlich, der die Historie von zweiundsiebzig Elefantengenerationen im Gedächtnis gespeichert hat und offenbar Visitationen bei den Elefantenställen von Assam bis Kerala abhält, um in langen Nächten davon zu erzählen. Nun lehrt der Schwarze Makhna ein bißchen indische Philosophie, gibt Lebensweisheiten über Geld und Krieg zum besten und führt dann ausführlich in die elefantöse Geschichte ein. Sie begann mit ihrem Urahn, dem königlichen Leibelefanten am Hofe des Maurya-Königreiches in Pataliputra. In der Erzählung treten Alexander auf, der bedeutende Staatsgelehrte Kautilya, der Buddha, und schließlich Aschoka, Eroberer Nordindiens. Menschengeschichte erweist sich aus Elefantenperspektive plötzlich als kraftlos und bizarr. Unversehens wird Menschengeschichte zur Elefantengeschichte, wenn der Erzähler etwa offenbart, daß Alexander nur deshalb bis zum Indus vordrang, weil er nicht über Kriegselefanten kommandierte, und daß Aschoka sein Reich nur ausdehnen konnte, weil seine Elefanten die Feinde brutal niederwalzten. Aber auch die "Besänftigung" des wilden Aschoka geht auf das Konto der Elefanten, die ihm schließlich zeigen, was "Dharma", Rechtschaffenheit bedeutet, die er auf seinen berühmten Steinedikten verkündet.

Diese in zwei Rahmenhandlungen eingepackte Geschichte will sich einfühlen in die orientalische Erzähltradition, in der weise Wesen mit ihren Erzählungen das Volk nächtelang angenehm belehren. Sie profitiert von dem alten Fabeltrick, dem zufolge das Tier, vermenschlicht dargestellt, den Menschen entlarvt und ihm überlegen ist. Daraus lassen sich Situationen voll Ironie und Sarkasmus erfinden, und Becker nutzt das weidlich aus. Und doch fragt man sich am Ende, warum Thorsten Becker uns so ausgiebig von Elefantenleid und Elefantenfreud berichtet. Was kommt für uns Menschenleser dabei heraus? Genügt es, eine nett erfundene, leichtfüßig ins zeitgenössische und historische Milieu gesetzte Erzählung vorzuführen? Schon Scheherezade wollte nicht nur Kurzweil verbreiten, sondern ergreifen.

MARTIN KÄMPCHEN

Thorsten Becker: "Die Besänftigung". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek 2003. 207 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Aufregen muss man sich über dieses Buch nicht, resümiert Christoph Haas gönnerhaft, dazu sei es zu "harmlos, unverbindlich und nett". Ein Roman über das Indien der Gegenwart, versetzt mit den Weisheiten eines "charismatischen" Elefanten, sei das neue Werk des Thomas-Mann-Fans Thorsten Becker. Über die ersten mit "stilistischen Exaltationen" gespickten Kapitel kann sich der Rezensent noch freuen. Als das Buch dann aber zur Tierfabel wird und der Elefant Susima anhand seiner Lebenserinnerungen über die friedfertigen Tiere "als die besseren Menschen" doziert, ist Haas aber endgültig genervt. Vorsichtig loben kann er zwar noch das "humoristische Talent" des Autors - viel mehr aber auch nicht. Haas ärgert sich vor allem über "die Uneinheitlichkeit und Sentimentalität" und die "allzu unbekümmerte Anlehnung an große Vorbilder" des Autors. Schließlich findet er aber, dass man - mit guter Laune gewappnet - noch was gutes an der "Besänftigung" finden kann. Weniger wohl gesonnen, sollte man aber lieber was anderes lesen.

© Perlentaucher Medien GmbH