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Annette Pehnts hell leuchtender neuer Roman ist die schonungslose, einfühlsame Geschichte von Großmutter, Mutter und Tochter. Immer und immer wieder versuchensie, einander nahezukommen. "Chronik der Nähe" ist ein facettenreicher Roman von Liebe und Distanz. Annette Pehnt erzählt die Geschichte einer Familie. Und es ist eine Familie von Frauen. Wortgewaltige Lästermäuler, nicht auf den Mund gefallen, Plaudertaschen. Großmutter, Mutter, Tochter. Schwierig wird es nur, wenn das Schweigen ausbricht. Das war so zwischen der Großmutter und der Mutter. Und auch bei Mutter und Tochter ist es so. Sie…mehr

Produktbeschreibung
Annette Pehnts hell leuchtender neuer Roman ist die schonungslose, einfühlsame Geschichte von Großmutter, Mutter und Tochter. Immer und immer wieder versuchensie, einander nahezukommen. "Chronik der Nähe" ist ein facettenreicher Roman von Liebe und Distanz.
Annette Pehnt erzählt die Geschichte einer Familie. Und es ist eine Familie von Frauen. Wortgewaltige Lästermäuler, nicht auf den Mund gefallen, Plaudertaschen. Großmutter, Mutter, Tochter. Schwierig wird es nur, wenn das Schweigen ausbricht. Das war so zwischen der Großmutter und der Mutter. Und auch bei Mutter und Tochter ist es so. Sie schweigen, bis eine kleinbeigibt, bis eine die Stärkere ist und ihren Willen bekommt. Aber wie wollen sie so eine Antwort auf die Frage finden: Liebst du mich auch? Auf einer Reise lässt sich das vielleicht besser herausfinden. Bevor die Mutter stirbt. Aber ob der Ausflug nach Rügen hält, was sich die Tochter von ihm verspricht?"Chronik der Nähe" ist der Roman dreier Generationen von Frauen und eine kurze Geschichte Deutschlands zugleich.
Autorenporträt
Annette Pehnt, geboren 1967, studierte und arbeitete in Irland, Schottland und den USA. Heute lebt sie als freie Autorin in Freiburg und lehrt dort an der Pädagogischen Hochschule. Sie hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. 2008 wurde Annette Pehnt mit dem Thaddäus-Troll-Preis ausgezeichnet, 2009 erhielt sie den Italo-Svevo-Preis, im Jahr 2012 wurde sie mit dem Solothurner Literaturpreis geehrt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Im Wesentlichen hat Rezensent Thomas Strässle Annette Pehnts neuer Roman "Chronik der Nähe" gefallen. Der Kritiker liest hier die Geschichte einer Großmutter, einer Mutter und einer Tochter, die ihre Konflikte miteinander meist schweigend ausstehen. Pehnt gelinge es in ihrem Generationenroman, der in der Gegenwart und in der Nachkriegszeit spielt, die beiden zeitlichen Ebenen und kunstvoll wechselnden Perspektiven so miteinander zu verweben, dass immer wieder das gleiche Beziehungsmuster von "gesuchter Nähe und aufgezwungener Distanz" zwischen Mutter und Tochter aufscheine. Während den Rezensenten die ausdrucksstarken Bildern des Romans meist tief bewegt haben, hätte er doch gerne etwas mehr über die Männer der drei Frauen erfahren.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.05.2012

Wir machen es uns sehr nett und gehen lecker essen
„Umarmen – nicht so leicht“: Annette Pehnts ungemütlicher Familienroman „Chronik der Nähe“  
In einer Familie braucht man keinen Namen. Es genügen die Strukturen: Großmutter, Mutter, Tochter. Die Beziehungen zwischen diesen Frauen sind intim, verwickelt und dramatisch, da herrschen andere Mechanismen als die vergleichsweise überschaubaren zwischen Mann und Frau. Aber zugleich wirken die Frauen fast austauschbar. Sie stehen für etwas Archaisches. Es geht direkt in den Nahkampf. Männer kommen kaum vor. Zwei Geschichten werden dabei parallelgeschaltet: zum einen erleben wir die heranwachsende Annie und ihre Mutter vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die fünfziger Jahre, zum anderen Annie, wenn sie selbst Mutter einer Tochter ist, von den siebziger Jahren bis heute. „Annie“ ist das Scharnier, alle drei Frauen könnten Annie heißen. Sie ist die Mittelpunktsmutter, nicht zuletzt, weil sie die Mutter der Ich-Figur und Erzählerstimme in diesem Roman ist.
Die „Handlung“ dieses komplexen, die psychischen Abläufe wie in einem Brühwürfel konzentrierenden Romans besteht vor allem aus den jeweiligen Dialogen zwischen Mutter und Tochter. Obwohl die Zeitgeschichte nirgends direkt zum Thema wird, ist das Ganze eine sehr deutsche Bestandsaufnahme. Annie wächst unter den Entbehrungen der Kriegsfolgen auf, auf der anderen Seite erzieht sie ihre Tochter in der Wohlstandsgesellschaft. Es sind meist recht kurze Abschnitte, man wechselt oft abrupt von einer Zeit in die andere. Und obwohl die Rahmenbedingungen genau geschildert werden, das Zeitkolorit in wenigen Strichen prägnant aufscheint und die Atmosphäre des Familienlebens sich unterscheidet – durch die unmittelbare Draufsicht, durch die präzise Nahperspektive treten vor allem die Gemeinsamkeiten hervor.
Diese Frauen sind wie das Treibgut der Zeitläufte. Aber sie handeln. Sie zeigen sich selbstbewusst, und die Männer wirken wie Randfiguren, die man im Grunde auch weglassen könnte. Dennoch geht es hier ganz radikal um die klassischen Formen der Kleinfamilie, mit all ihren bürgerlichen Verhaltensweisen und Abgründen. Der Roman von Annette Pehnt wirft einen kalten, sezierenden Blick auf seine Figuren. Er scheint zu typisieren, und dennoch sind die einzelnen Charaktere sehr scharf umrissen, die Individuen treten deutlich hervor – das ist durchaus ein Kunststück.
In der unmittelbaren Gegenwart liegt Annie im Sterben, die Tochter besucht sie im Krankenhaus und versucht, das Verhältnis zu ihr zu rekapitulieren. Sie möchte noch etwas erfahren über ihre Mutter, die über sich als Person und ihre frühe Zeit kaum gesprochen hat. Je drängender die Tochter zu fragen versucht, desto klarer wird, wie wenig sie weiß. Unvermittelt blitzen in diese Passagen die Erinnerungsfragmente aus dem Leben der Mutter hinein: die Ich-Erzählerin beschreibt Szenen, die sie aus dem, was sie erfährt, zusammensetzt. Dabei versetzt sie ihre Mutter in die Tochterrolle, identifiziert sich also mit ihr. So versucht die Ich-Erzählerin etwas zu begreifen, was nicht greifbar zu sein scheint.
Allesamt sind sie „Quasselstrippen“ und „Zwitschermaschinen“. Ständig wird irgendetwas geredet. Aber so unterschiedlich die Begleitumstände auch sein mögen: das Wesentliche wird immer umgangen. Die Ich-Erzählerin erinnert sich an die letzten Jahre, in denen sie den Kontakt mit der Mutter aufrechtzuerhalten versuchte, und die Formulierungen, die dabei fallen, kennzeichnen das Bürgerliche bis ins innerste Mark: sie würden es sich „sehr nett machen“, sie würden zusammen einmal ein schönes Wochenende verbringen, „lecker essen gehen“ und sich ein „kleines Hotel“ suchen – typische Wörter dafür, wenn man etwas überspielen möchte. Aber was ist das genau, was da ständig überspielt werden muss?
Die Ich-Erzählerin findet viele Wörter dafür, auf welche Weise sich die Mutter ihr immer entzogen hat. Annie ist eine nahe, die näheste, doch gleichzeitig eine sehr fremde Person. Sie beschwert sich oft darüber, dass ihre Tochter als Baby immer geschrieen habe, es sei eine Folter gewesen, sie habe nicht einmal die Zeit gehabt, sich die Haare zu waschen und deshalb eine Perücke gekauft – was wie ein skurriler Slapstick anmutet, ist rauhe Familienrealität.
Annie steht für die moderne Frau der sechziger und siebziger Jahre, sie entspricht den neu entstehenden großzügigen und übersichtlichen Einkaufszentren und den Tiefkühl-Fertigpackungen von Bofrost. Praktische Dinge sind wichtig, und Geld spielt keine große Rolle. Das steht ganz im Gegensatz zu Annies Kindheit, in der die Großmutter in den Nachkriegsjahren alle Hände voll zu tun hatte, das Notwendigste herbeizuschaffen: um an Butter bei den Bauern zu gelangen, wandte sie Tricks an, die sie ihrer kleinen Tochter nie und nimmer verraten würde. Früh lernen alle, nicht „über die schlechten Dinge“ zu reden.
Es ist merkwürdig, wie die bundesdeutschen Wohlstandsjahre und das Aufwachsen der Ich-Erzählerin in einer diffusen Familienselbstverständlichkeit gegenüber der Nachkriegszeit zu verblassen scheinen. Alles, was an Informationen darüber aufzusaugen ist, wird detailgenau und farbkräftig wiedergegeben: die Bombennächte, die Baracke mit dem körperlich abstoßenden Onkel Hermann nach der Zerstörung des Wohnhauses, die zupackende Art, wie die Großmutter die Familie mit einem „Mittagstisch“ für Geschäftsleute und Alleinstehende durchbrachte. Durch die Entbehrungen der späten vierziger und der fünfziger Jahre hindurch, durch eine atmosphärisch dichte Einfühlung entsteht ein sympathetisches Gefühl für Annie, die damalige Tochter und jetzige Mutter – wie eine nachgetragene Sehnsucht der Tochter nach Einssein, nach Glück.
„Umarmen: nicht so leicht“, heißt es einmal, „einer von uns sträubt sich kaum merklich.“ Mutter und Tochter gelingt es im Grunde nie, die Nähe, zu der sie sich verpflichtet fühlen und die sie abstrakt empfinden, auch wirklich zu leben; es zerläuft meist alles in Phrasen und dem zähen Gefühl einer schleichenden Entfremdung. Durch die handwerklich raffiniert ausgefeilte Doppelperspektive, die beiden Mutter-Tochter-Beziehungen in zwei historischen Phasen, gelingt es der Autorin, aus sehr konkreten Zeitumständen und sehr konkreten Familienkonstellationen vielfältige Spiegelungen zu schaffen und etwas Allgemeines herauszukristallisieren. So entsteht ein etwas schales, klebriges deutsches Gefühl, das von einem Defizit kündet, für das es gar keine materiell dingfest zu machenden Grundlagen gibt. Annette Pehnts „Chronik der Nähe“ zeigt eine Beklemmung auf, sie untersucht eine spezifisch deutsch geprägte Tyrannei der Intimität und lässt das Verdrängte zwischen den Zeilen durchscheinen.
„Ich arbeite“, gesteht die Tochter einmal tapfer ein, „mit Geschenken, mit Blicken“ und mit Zetteln, die sagen sollen: „Ich hab dich so lieb“. Das ist der Satz, den die Mutter immer hören will – zumal auf dem Sterbebett im Krankenhaus. Und es korrespondiert auf unheimliche Weise mit dem, was Annie als junges Mädchen erfasste, als die Großmutter in den Sessel sank, nach Luft rang und etwas ganz Bestimmtes hören wollte: Annie erinnerte sich dann immer „sehr gut an die Worte, die sie zu sprechen hat und immer wieder sprechen wird, ‚doch, ich bin bei dir, Mutter, ich liebe dich’“. Selten klang das so verzweifelt und so hohl.
HELMUT BÖTTIGER
ANNETTE PEHNT: Chronik der Nähe. Roman. Piper Verlag, München 2012. 224 Seiten, 17,99 Euro.
Einen Satz will die Mutter
immer wieder hören, zumal auf dem
Sterbebett: „Ich hab dich lieb“
Annie heißt die Mittelpunktsmutter im Roman, sie steht für die moderne Frau und Konsumentin der sechziger und siebziger Jahre. Foto: oh
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2012

So dicht beieinander und doch so fern

Annette Pehnt erzählt in "Chronik der Nähe" über das schöne und mitunter schmerzhafte Band zwischen Müttern und Töchtern.

Die Szene, mit der Annette Pehnt ihren Roman beginnen lässt, ist von einer solch perfiden Grausamkeit, dass sie unterschwellig weiterklingt in allem, was folgt. "Mutter bedroht Annie mit dem Tod", heißt es da, "das kann sie gut." Und wahrlich, das kann diese Mutter, die ihrer kleinen Tochter zuflüstert, wie sicher sie spüre, dass sie, die Mutter, nun sterben müsse. Dieses Mal sei es wirklich so weit, raunt sie dem von Angst gepeinigten Kind zu, und wie allein sie sei, wie furchtbar allein. Und dann, als Annie endlich die rettenden Worte einfallen, die sie schon so oft hat sagen müssen: dass sie die Mutter liebe und dass sie nicht allein sei und dass sie nicht sterben dürfe, da ist der böse Zauber wieder einmal überstanden. Denn natürlich fehlt der Mutter nichts, jedenfalls nichts Körperliches.

Nicht nur den Roman grundiert diese Szene. Es grundiert auch das Verhältnis der Mutter und ihrer Tochter, das Annette Pehnt in "Chronik der Nähe" nachzeichnet. Noch in der nächsten Generation hallt es nach, wenn auch ungleich gemäßigter. Annie ist mittlerweile eine alte Frau, die nun selbst im Sterben liegt, die Ich-Erzählerin wiederum ihre Tochter. "Und jetzt bedrohst du mich mit dem Tod."

Ohne Bitterkeit oder Vorwurf, eher mit einer behutsamen Traurigkeit denkt die Erzählerin diesen Satz, denn natürlich ist diese Todesdrohung eine ganz andere, als das perfide Spiel der Großmutter es war, aber im Gegensatz dazu ist es eine, deren baldige Konsequenz nicht mehr zu leugnen ist. Sieben Tage werden der Tochter noch am Krankenbett ihrer Mutter bleiben. Sieben Tage, an denen sie sich an das Verhältnis zu ihrer Mutter erinnert. Im Wechsel damit werden in Rückblenden die Geschichten der Mutter und der Großmutter während des Zweiten Weltkriegs und in den Nachkriegsjahren rekonstruiert.

Wenn auch keine Bitterkeit in dem Satz der Erzählerin liegen mag, so zeugt er doch nicht ausschließlich von der Traurigkeit über den nahenden Verlust. Er schließt die Traurigkeit darüber ein, dass auch dieses Mutter-Tochter-Verhältnis kein ungebrochenes war. Die Nähe, von der im Titel des Romans die Rede ist, ist von der Mutter selten zugelassen oder gar gesucht worden, jedenfalls nicht als eine warme und offenherzige, geschweige denn verschworene.

Während die Erzählerin stets um Innigkeit buhlte, entzog sich die Mutter durch Reserviertheit, die nicht untypisch sein mag für die Generation derer, die in den Kriegs- oder Nachkriegsjahren aufgewachsen sind, diese Generation der sorgfältig gekleideten und korrekten Frauen, die nie ohne Handtasche das Haus verlassen haben und denen wenig Ausschweifendes eigen ist, weder innerlich noch äußerlich.

Es ist aber nicht nur diese habituelle Kühle, die das Verhältnis der Erzählerin zu ihrer Mutter bestimmt. Und wenn es auch keine wirklichen Zerwürfnisse gab, dann gibt es doch so etwas wie eine Schuld, die ihre Mutter ihr mitgegeben hat. Dass sie, die Erzählerin, als Säugling immer geschrien habe und wie sie, die Mutter, darunter gelitten habe, ist ein ständig wiederkehrender Vorwurf. Folter sei das gewesen. Fast lächerlich könnte dieser Vorwurf erscheinen, geht es doch hier um die selbstverständlichen Anstrengungen des Mutterseins, aber dennoch manifestiert sich in ihm die grundsätzliche Dynamik, die dieser Mutter-Tochter-Beziehung eingeschrieben ist. Die Mutter ist hier stets die Leidende, diejenige, der Untragbares zugemutet wird und die gar nicht darüber nachzudenken scheint, was sie der Tochter mit ihren Vorwürfen aufbürdet.

In diesem Verhalten der Mutter schreibt sich im Kleinen fort, was sich eine Generation davor zugetragen hat. Als die Beine der kleinen Annie in den Bombennächten vor Angst versagten, trug ihre Mutter sie nicht etwa zum Bunker, sondern herrschte das Kind an, sie offenbar beide umbringen zu wollen mit ihrer Weigerung zu laufen. Von da an musste Annie, damit es bei Alarm keine Probleme gab, jede Nacht von Beginn an im fremden Keller verbringen, allein, auf einem provisorischen Bett auf Holzpaletten, die Tür von außen abgeschlossen, im kompletten Dunkel. In den Nachkriegsjahren dann - der Vater ist bereits gestorben, überhaupt spielen Männer in diesem Buch, wie auch in den beiden Mutter-Tochter-Verhältnissen keine nennenswerte Rolle - organisiert die Mutter, oft in tagelanger Abwesenheit, Nahrungsmittel, will aber von der Tochter für jedes ihrer Tauschgeschäfte intensiv gelobt und bewundert werden. Zweifelsohne sind es enorme Belastungen und Entbehrungen, die diese Frau auf sich nehmen muss, trotzdem dreht sie mit einer Rücksichtslosigkeit, die irritiert, das natürliche Verhältnis von Mutter und Tochter um. Die wiederkehrenden Ankündigungen des eigenen Todes und das Beklagen der eigenen Einsamkeit, denen sie Annie aussetzt, sind die extremste Ausprägung davon.

Etwas Ähnliches, wenn auch in weniger existentieller Form, passiert in der nächsten Generation, wo es stets die Tochter ist, die Kontakt und Austausch nicht nur suchen, sondern einfordern muss, die eine Nähe herstellen muss, der die Mutter, jedenfalls äußerlich, nahezu mit Interesselosigkeit begegnet. Üblicherweise sind es die Eltern, die sich spätestens mit Beginn der Pubertät ihrer Kinder darum bemühen müssen, das ehedem enge Miteinander nicht zu verlieren.

Annette Pehnt beklagt das Verhalten von Mutter und Großmutter nicht als Lieblosigkeit, sondern blickt mit sanfter und zugleich schonungsloser Klarheit auch auf die Hilflosigkeit, die darin zum Ausdruck kommt. Zugleich bedeutet der Blick auf Mutter und Großmutter natürlich, auch wenn das nicht expliziert formuliert wird, eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Muttersein. Die Erzählerin ist selbst zweifache junge Mutter - und anders als ihre Mutter und Großmutter plant sie durchaus, die Familie noch weiter anwachsen zu lassen.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie viel Biographie in diesem Buch steckt, gerade weil es allzu deutlich scheint. Aber das ist nicht, was diesen Roman so besonders macht. Das Besondere liegt in der unaufgeregten Stille, in der Zärtlichkeit und Nähe zu den Figuren, gerade auch, wo es um deren verletzende Seiten, um eigene Kränkungen der Erzählerin geht. Annette Pehnt erzählt nicht nur eine Familiengeschichte, sie erzählt vor allem von der ebenso schönen wie mitunter auch schmerzhaften Bindung zwischen Müttern und Töchtern. Und nicht zuletzt erzählt sie von der Macht der Erfahrungen, die wir unseren Kindern mitgeben.

WIEBKE POROMBKA

Annette Pehnt: "Chronik der Nähe". Roman.

Piper Verlag, München 2012. 224 S., geb., 17,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Subtil und schonungslos zugleich", Neue Zürcher Zeitung, 24.03.2012
»Pehnt gelingt ein Drei-Generationen-Porträt, in dem sich beiläufig die Zeitgeschichte spiegelt.« Nordsee-Zeitung 20140226