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Sein Leben lang hat Hans Küng der katholischen Kirche gedient (allerdings nicht immer zur Freude der Päpste): als weltweit geachteter Theologe, als Priester und vielgelesener Autor. Jetzt erweist er ihr wieder einen Dienst, indem er klar ausspricht, woran die Kirche krankt. Deren Krise geht weit über die Missbrauchsfälle und deren Vertuschung hinaus: Es handelt sich um eine grundlegende Systemkrise. Eine Kirche, die weiterhin an ihrem Machtund Wahrheitsmonopol, an ihrer Sexual- und Frauenfeindlichkeit festhält, sich Reformen und der aufgeklärten modernen Welt verweigert, wird nicht überleben…mehr

Produktbeschreibung
Sein Leben lang hat Hans Küng der katholischen Kirche gedient (allerdings nicht immer zur Freude der Päpste): als weltweit geachteter Theologe, als Priester und vielgelesener Autor. Jetzt erweist er ihr wieder einen Dienst, indem er klar ausspricht, woran die Kirche krankt. Deren Krise geht weit über die Missbrauchsfälle und deren Vertuschung hinaus: Es handelt sich um eine grundlegende Systemkrise. Eine Kirche, die weiterhin an ihrem Machtund Wahrheitsmonopol, an ihrer Sexual- und Frauenfeindlichkeit festhält, sich Reformen und der aufgeklärten modernen Welt verweigert, wird nicht überleben das ist Hans Küngs Fazit. Deshalb legt er eine Agenda für ein "Zukunftsgespräch" vor.
Autorenporträt
Hans Küng, geboren 1928 in Sursee/Schweiz, studierte an der Päpstlichen Universität in Rom Philosophie und Theologie, nahm als Experte am Zweiten Vatikanischen Konzil teil, ist katholischer Priester und Professor emeritus für Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen und Präsident der Stiftung Weltethos. Ihm wurde 1979 - wegen kritischer Äußerungen - vom Papst die kirchliche Lehrbefugnis entzogen. 2012 wurde Hans Küng mit dem italienischen "Nonino-Kulturpreis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2011

Wie lassen sich ein neuer Himmel und eine neue Erde schaffen?

An Rezepten zur Lösung der Kirchenkrise fehlt es nicht. Auf katholischer Seite melden sich Hans Küng und sein Schüler Hermann Häring mit zwei neuen Streitschriften zu Wort. Und Friedrich Wilhelm Graf ruft seine Leser über Klopfsignale auf, die intellektuelle Freude am Evangelischsein nicht zu verlieren.

Es ist offenkundig: Katholisch zu sein macht im Moment keinen Spaß. Auch und gerade, wenn, ja vielleicht sogar weil wir derzeit Papst sind: Missbrauchsfälle, hohe Austrittszahlen, Priestermangel sind nur drei Stichworte, mit denen die Krise der römisch-katholischen Kirche in Deutschland und anderswo umrissen ist. Nicht einmal der Heilige Vater in Rom wird träumen, dass dies nur eine vorübergehende Zeiterscheinung sei und dass sich die Dinge gleichsam von allein bessern würden.

In diese Lage hinein sprechen zwei Beispiele der Gattung "Streitschrift", verfasst vom Tübinger Theologen Hans Küng und seinem Schüler Hermann Häring, bis zu seiner Emeritierung Professor für Wissenschaftstheorie und Theologie in Nijmegen. Wer sich ein bisschen auskennt in der theologischen Landschaft, ahnt wohl nun schon, wohin die Reise geht, und - nehmen wir es vorweg - er irrt sich nicht. Zwar geben beide Autoren, treue Kritiker der Mutter Kirche, die Hoffnung nicht auf, aber unter einer Rosskur ist die Heilung nach ihrer Analyse nicht zu machen.

Womit schon die Krankheitsmetapher anklingt, welche das ganze Buch von Küng, bisweilen etwas aufdringlich, durchzieht: Es bietet eine umfassende Krankengeschichte und Diagnose an, zugleich aber auch ausführliche Vorschläge zur Besserung. Dass Küng nicht umhinkann, dabei auf viele frühere eigene Reformvorschläge und Veröffentlichungen zu verweisen (darunter, wie in bescheidener Objektivität angemerkt wird, der "unüberholte Klassiker" "Die Kirche" von 1967), versteht sich.

Aber es geht erkennbar nicht ums bloße Rechthaben oder um das Begleichen alter Rechnungen. Vielmehr spürt man den Zeilen an, dass ihr Autor immer noch von dem hoffnungsvollen und von ihm selbst mit gestalteten Aufbruch beim Zweiten Vatikanischen Konzil geprägt und bewegt ist. Das heißt für die Gegenwart: Radikale Reform tut not!

Die Krankheit der Kirche, das ist für Küng das "römische System", die "autoritäre institutionell-personelle Machtstruktur der Kirchenleitung" vom Vatikan aus. Sie hat ihre Wurzeln tief in der Geschichte, und sie konnte, so die Einsicht des Autors, vor allem deshalb die "Kirche im Konzil" überdauern, weil sie in Johannes Paul II. und Benedikt XVI. vehemente Verteidiger fand. Die beiden Herren sind Küngs Lieblingsfeinde, was angesichts seiner Erfahrungen mit ihnen verständlich erscheint. Doch schon der "in manchen Punkten durchaus tolerante" Montini-Papst Paul VI., der in Küngs Autobiographie noch relativ günstig wegkam, hatte, so der Autor jetzt, mit einer Reihe von Enzykliken der Kirche den Konzils-Wind aus den Segeln genommen. Doch sind nicht die nachkonziliaren Päpste allein schuld; es fallen auf 250 Seiten zahlreiche Namen, von Kardinälen und Bischöfen, von kirchlichen Gruppen und einzelnen Theologen. Da kriegt mancher sein Fett weg.

Das Buch veranschaulicht seine These mit einer ganzen Reihe geraffter Beispiele aus der Geschichte der Kirche und gegenwärtiger Momentaufnahmen. Eine solide kirchensoziologische Analyse ersetzt das natürlich nicht. Aber wer selbst Einblicke in katholische Kirchengemeinden hat, wer einmal miterlebt hat, wie Gemeinden bei der Besetzung von Pfarrstellen übergangen werden, wer die Lebenswirklichkeit und die Nöte von Priestern sensibel, aber nicht hämisch wahrnimmt, oder wer registriert, wie hinter vorgehaltener Hand in Kreisen der theologischen Elite davon gesprochen wird, dass "die Sache gegen die Wand fährt", wird Küngs gewiss pointierte Diagnose nicht bloß für ein Aufbauschen von Einzelfällen und Ausnahmephänomenen halten.

Die aus der Analyse abgeleiteten Reformforderungen sind umfangreich. Sie richten sich primär an die das römische System verkörpernde Kurie und ihre Spitze. Sie betreffen das Zeremoniell und die Papstmode, die Auswahl des Personals einschließlich des Kardinalskollegiums, die Verwaltung der Finanzen, die Abschaffung der Glaubenskongregation (Küng benutzt genüsslich ihre alte Bezeichnung "Inquisition"). Darüber hinaus: Reform des Kirchenrechts, Abschaffung des Pflichtzölibats für Priester und Bischöfe, Frauenordination, Beteiligung von Klerus und Laien bei der Bischofswahl, ökumenische Mahlgemeinschaft und Verständigung. Küng erwartet das alles wohl nicht ernsthaft vom jetzigen römischen System und vom früheren Tübinger Kollegen Ratzinger, auch wenn er ihn zur Einberufung eines Konzils auffordert. Für die Zeit bis dahin ist sozusagen ekklesialer Ungehorsam geboten, und das ist es ja auch, was de facto längst passiert.

In Analyse und Verbesserungsvorschlägen konvergiert Hermann Härings Wortmeldung weitgehend mit der von Küng: Von einer fundamentalen, lebensbedrohlichen Krise der katholischen Kirche ist zu sprechen. Die Fehlentwicklungen wurzeln tief der in der Geschichte der Institution und der sie begleitenden theologischen Reflexion, sie spitzen sich aber unter Wojtyla und Ratzinger zu. Verbesserung ist nur durch radikale Reformen, letztlich nur durch ein neues Konzil, zustande zu bringen. In zupackender, mit breitem Pinselstrich gemalter Analyse benennt Häring vier hauptsächliche Kritikpunkte: Ein mit Hilfe der Medien sehr bewusst inszenierter Papstkult - geradezu ein "katholischer Körperkult" - befördere Aufmerksamkeit und Autorität für den Bischof von Rom in einem Maße, das die fundamentale soziale Struktur des christlichen Glaubens - "die Gemeinschaft der Heiligen" - verdränge und Ökumene verhindere.

Der Anspruch zeitloser, dogmatischer Wahrheit, bereits verfestigt durch das Unfehlbarkeitsdogma von 1870, verhindere ein wirkliches "aggiornamento" (Häring nimmt dieses Konzilsschlagwort von Johannes XXXIII. positiv auf) der Glaubenslehre und widerspreche damit zutiefst der schon immer wesenhaft christlichen Aufgabe der Inkulturation. Die einseitige Ausrichtung des Kirchenverständnisses auf die vom Priester vollzogene Eucharistie befördere den Klerikalismus und mache innerkirchliche Demokratie unmöglich. Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts, so konstatiert Häring schließlich, ist eine Stagnation der ökumenischen Bemühungen festzustellen. Einzelne tatsächliche Fortschritte werden als halbherzig beurteilt. Ökumene gibt es demnach für Rom eigentlich nur als Rückkehrökumene.

Wie Küng setzt auch Häring auf die "Basis" als möglichen Motor des Wechsels. Den Bruch und den Sündenfall der angeblichen "Hellenisierung des Christentums" betonend, konfrontiert er eine lange katholische Denktradition und institutionelle Entwicklung mit der Orientierung an Jesus und den ersten Christen, wie sie im Neuen Testament bezeugt sind. Beide Autoren sprechen also wahrhaft evangelische Räte, auch und gerade an die Elite ihrer Kirche, aus.

Wenden wir uns von der Kirche (den Singular benutzen Küng wie Häring für ihre Konfession, ohne freilich damit anderen das Kirche-Sein zu bestreiten) zu den Kirchen, das heißt zu den protestantischen Kirchen, vor allem in Deutschland. Frühere Einzelbeiträge zusammenfassend, meldet sich der Münchener systematische Theologe Friedrich Wilhelm Graf zu Wort und arbeitet "sieben Untugenden der Kirchen heute" heraus.

Zwar ist nach Graf das Ende der Volkskirche noch nicht da, und er will es auch nicht beschreien. Aber Mitgliederschwund, Verödung der Gottesdienste, ja auch Missbrauchsfälle sind ja tatsächlich kein Privileg der Katholiken. Evangelisch zu sein macht also derzeit auch keine besondere Freude.

Unter den Überschriften von "Sprachlosigkeit", "Bildungsferne", "Moralismus", "Demokratievergessenheit", "Selbstherrlichkeit", "Zukunftsverweigerung" und "Sozialpaternalismus" werden Missstände protestantischer Kirchlichkeit in Deutschland, mit manchem Seitenblick auf die katholische Kirche, bezeichnet und Antidote empfohlen. Der Autor dieser Klopfsignale hat ohne Zweifel ein Gespür für manchen zeitgenössischen evangelischen Muff: evangelischer Klerikalismus und Medieneitelkeit, der stete Drang zur veröffentlichten Trivialmoral, für die es der Kirchen nicht bedürfte, die Vorliebe für "Ganzheitlichkeit, Authentizität und Betroffenheit" in der neuen auch innerkirchlichen Erfahrungskultur (Lichterprozessionen! Friedensnetze!), die institutionalisierte Staatskritik von Kirchenbeamten.

Er ist sich aber auch nicht zu schade, einmal den Hochsitz des Beobachters zu verlassen und in die Untiefen akademischer Personalpolitik hinabzusteigen: Im Visier ist dabei allerdings die Kirchliche Hochschule Neuendettelsau, die, im Unterschied etwa zur herausgestellten Münchener Fakultät, zwar zahlreiche Studierende, aber kein Niveau habe. Als ob die Einfachbesetzung von Lehrstühlen ein Privileg kirchlicher Fakultäten sei! Oder als ob "Hausberufungen" in Großbayern (einschließlich Franken) sonst nicht vorkämen! Verdienstvoll ist vor allem, dass die Analyse den großen Bereich der kirchlichen Diakonie und der in ihr Arbeitenden ausführlich in die Analyse der kirchlichen Lage mit einbezieht. Ohne sie wäre das Bild tatsächlich ganz unvollständig.

Graf glaubt, dass eine Verbesserung vor allem durch verbesserte theologische und sonstige Bildung und Kompetenz - ohne dieses Stichwort geht es wohl gegenwärtig nicht in Bildungsdebatten - von Pfarrern und Religionslehrern sowie durch bessere Theologie zu erreichen sei. Wer wollte gegen solche Ideale sein? Aber das Rekrutierungsproblem bei evangelischen Theologinnen und Theologen, das sich nicht in schieren Zahlen ausdrückt, wurzelt doch wohl tiefer und ist auch nicht mit besserer Bezahlung allein zu lösen. In dieser Hinsicht ist es ein gravierendes Manko, dass die Praxis gegenwärtigen Religionsunterrichts und kirchlichen Unterrichts, wichtigen und, statistisch gesehen, erfolgreichen Orten religiösen Lernens und religiöser Sozialisation, gar nicht in den Blick kommt.

Und die bessere Theologie? Das ist für Graf die von kirchlicher Bevormundung "freie Theologie", welche, mit Schleiermacher, Religion als eigene Provinz des Geistes neben der Moral versteht. Abgesehen davon, dass diese Trennung, blickt man auf die biblischen Quellen, künstlich ist: Kann man die jüngere Theologiegeschichte, deren Darstellung Graf zu früh, nämlich mit den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, abbricht, nicht auch als Scheitern eines solchen theologischen Ansatzes verstehen? Von biblischer Rückbesinnung erhofft sich der protestantische Autor im Unterschied zu seinen katholischen Kollegen bei alldem allerdings gar nichts; der ferne Beobachter sieht die exegetischen Disziplinen schlicht in "absurdes philologisches Spezialistentum verrannt".

Die Analysen der drei Autoren, und auch manche ihrer Reformvorschläge, weisen deutliche Konvergenzen auf. Die Lektüre ihrer Bücher zeigt: Es gibt nicht nur eine Krise funktionierender Ökumene, sondern auch die funktionierende Ökumene der Krise.

HERMUT LÖHR.

Hans Küng: "Ist die Kirche noch zu retten?"

Piper Verlag, München 2011. 272 S., geb., 18,95 [Euro].

Hermann Häring: "Freiheit im Haus des Herrn". Vom Ende der klerikalen Weltkirche.

Gütersloher Verlagshaus, Güterloh 2011. 200 S., geb., 17,99 [Euro].

Friedrich Wilhelm Graf: "Kirchendämmerung". Wie die Kirchen unser Vertrauen verspielen.

Verlag C. H. Beck, München 2011. 192 S., br., 10,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Warum nicht, lautet die Gegenfrage des Rezensenten. Allerdings: Ohne Rosskur geht es nicht, stellt Hermut Löhr bei der Lektüre von Hans Küngs Streitschrift zur Krise der römisch-katholischen Kirche fest. Zuvor hat Löhr eine ausführliche Diagnose geboten bekommen und auch reichlich Literaturhinweise des Autors in eigener Sache. Schließlich ist Küngs nicht erst seit gestern ein eloquenter Kritiker von Kurie und Zeremonie, von Glaubenskongregation und Pflichtzölibat. Die Reformen, die Küng vorschlägt, kommen nicht ohne personelle Tiefschläge aus, wie Löhr erklärt, die Diagnose jedoch findet er pointiert und getragen noch immer von der Hoffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Die ausführliche Diagnose einer 'kranken Kirche'.« Frankfurter Rundschau 20110429
»Dieses Buch enthält die komplette Anleitung für eine umfassende Kirchenreform.« 3sat