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Vergessen Sie Schafe, vergessen Sie Katzen, und betreten Sie den verrücktesten Tatort der Kriminalliteratur: von Stofftieren bevölkert. Sonst aber ist in Amberville alles in bester Ordnung. Die Häuser gleichen einander aufs Haar, und zwischen den gepflegten Vorgärten stehen weiß getünchte Holzzäune. Für Eric Bär, den ausgestopften Teddy, hat dieses geordnete Leben an einem späten Vormittag im April ein vorläufiges Ende: Sein ehemaliger Boss, der zwielichtige Kasinochef Nicholas Taube, bittet ihn um einen Gefallen. Eric soll für ihn die berüchtigte Todes liste beschaffen, auf der jeder Bewohner…mehr

Produktbeschreibung
Vergessen Sie Schafe, vergessen Sie Katzen, und betreten Sie den verrücktesten Tatort der Kriminalliteratur: von Stofftieren bevölkert. Sonst aber ist in Amberville alles in bester Ordnung. Die Häuser gleichen einander aufs Haar, und zwischen den gepflegten Vorgärten stehen weiß getünchte Holzzäune. Für Eric Bär, den ausgestopften Teddy, hat dieses geordnete Leben an einem späten Vormittag im April ein vorläufiges Ende: Sein ehemaliger Boss, der zwielichtige Kasinochef Nicholas Taube, bittet ihn um einen Gefallen. Eric soll für ihn die berüchtigte Todes liste beschaffen, auf der jeder Bewohner von Amberville irgendwann einmal landet. Niemand weiß, wer die Liste führt und wer sie hat. Aber Eric Bär verabschiedet sich von seiner Frau Emma Kaninchen und macht sich mit drei Freunden aus alten Tagen auf, die Liste um jeden Preis zu finden.
Autorenporträt
Angelika Kutsch, geb. 1941 in Bremerhaven, ist Autorin mehrerer Kinder- und Jugendbücher und Übersetzerin aus dem Schwedischen. Für beides wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Angelika Kutsch lebt in Hamburg und Schweden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2009

Stofftier genug für einen Krimi
Vogelwild in Amberville: Tim Davys bindet Kafka einen Bären auf

Es ist schon einige Jahrzehnte her, seit man zum letzten Mal bewusst ein Buch gelesen hat, dessen Akteure mit Watte gestopfte Plüschtiere waren. Vielleicht in der ersten Klasse, als die Helden Don Freemans Corduroy oder Milnes Winnie the Pooh waren? Jetzt legt der Piper Verlag in seiner Nordiska-Reihe einen philosophischen Krimi vor, der dem Leser weismachen soll, dass er eigentlich immer über Stofftiere liest, wenn er sich mit Theologischem oder Philosophischem oder irgendwie theoretisch mit dem Tod befasst. Denn in der Domäne der letzten Dinge mache die Angst vor dem Tod uns alle zu manipulierbaren Stofftieren. Manipulierbar durch jene, die diese Angst, sei es durch Glauben, sei es durch Indifferenz, bewältigt haben. In der Stofftierwelt von "Amberville" wird der Stoiker zum Machiavelli.

In Amberville wird Erik Bär eines Morgens, ohne dass er etwas Böses getan hätte, verhaftet, das heißt, er wird verprügelt und dazu verurteilt, herauszufinden, welche Instanz den Tod inszeniert. Wie Kafkas Josef K. auf der Suche nach dem Gericht verwechselt Erik B. metaphysische und weltliche Instanz. Doch im Gegensatz zu Josef K. hat Erik B. weltliche Hilfe, alte Kumpels aus der Unterwelt der literarischen Tropen: die listige Schlange der Bibel, der Todesvogel Krähe und, als Indikator der Todesverachtung der Gegenwart, eine pillenschluckende, homosexuelle Gazelle, die sich mit sadomasochistischen Dienstleistungen über Wasser hält. Vereint ziehen die Musketiere los, um die Ungerechtigkeit einer Verurteilung zum Tode zu revidieren. Sie beenden ihre Suche genau dort, wo auch Josef K. die Lösung seines Problems findet, obgleich er die Lösung nicht versteht (oder nicht verstehen will, um seine Autonomie zu wahren).

Das Krimi-Genre ist ja per definitionem artifiziell. Gewöhnlich kleiden Krimi-Autoren die starren Mechanismen des Whodunnit (Tat, Hinweise, Lösung) in realistische Draperien. "Amberville" verzichtet auf dieses Illusionstheater und stellt dem Leser nur noch das Gerüst hin. Als wäre der Krimi eine Uhr im Plexiglasgehäuse, so erfreut uns dabei nicht, dass ein Blick auf die Uhr uns die Zeit mitteilt, sondern dass wir die Mechanismen beobachten können, deren penible Konstruktion den Lauf der Zeit registriert. Nur wer die Oberflächlichkeit liebt, wer sich mit der Illusion des Scheins begnügt, gibt sich mit der Zeitangabe zufrieden. Wer die Mechanismen zu schauen wagt, der ist ja wohl kein Stofftierchen mehr.

Also ist "Amberville" ein philosophischer Krimi? Der Autor selbst hält sich bedeckt. Tim Davys sei das Pseudonym eines schwedischen Schriftstellers, sagt der Verlag. Doch per Internetrecherche kann man herausfinden, dass auch der Autor selbst ein Stofftier ist. Auf YouTube wurde er im Interview mit einem schwedischen Journalisten als orangefarbener fusseliger Vogel mit großem gelben Schnabel gesichtet. Dabei handelt es sich natürlich um eine Verkleidung, denn gewöhnlich ist so ein Vogel schwarz. Schließlich weiß man ja, dass Kafka/kavka eine Krähenart (corvus monedula) bezeichnet.

In "Amberville" wird das Kafkasche Thema allerdings in die Stofftiersprache übersetzt, also in die Sprache einer radikalen, mechanistischen Materialität. Die verstehen wir sofort, obgleich sie unsere geistige Entmündigung enthält. Wenn der Leser aber kein Stofftier sein will, sollte er sich doch an die Originalkrähe Kafka halten.

SUSANNE KLINGENSTEIN

Tim Davys: "Amberville". Kriminalroman. Piper Verlag, München 2008. 382 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Susanne Klingenstein lässt sich von diesem Roman, dessen Figuren sämtlich der Kuscheltier-Welt entstammen nicht täuschen: es ist ein "philosophischer Krimi", der sich mit den letzten Dingen, sprich dem Tod, befasst. Der Teddybär Eric wird vom Großganoven von Amberville gezwungen, herauszufinden, wer für den Tod der Plüschtiere in Amberville verantwortlich ist, fasst die Rezensentin zusammen. Da der Krimi ohnehin ein durch und durch künstliches Genre ist, kann es ihr nur recht sein, dass dieses Buch auf das dies gewöhnlich verbergende "Illusionstheater" verzichtet und uns nur noch den Mechanismus vorführt. Denn in ihren Augen ist "Amberville" Kafkas "Der Prozess" nachgebildet, nur, dass es uns dessen existentialistische Inszenierung in "Stofftiersprache" übersetzt. Was sie letztlich davon hält, da hält sich die Rezensentin bedeckt, aber sie offenbart, sich in existentiellen Fragen doch lieber "an die Originalkrähe" Kafka halten zu wollen.

© Perlentaucher Medien GmbH