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Seit Hans Küng 1957 sein erstes Buch geschrieben hat, versuchen die Mächtigen in der Kirche, ihren ebenso brillanten wie unbotmäßigen Theologen zu disziplinieren, zuletzt 1979 mit dem Entzug der Lehrerlaubnis. Hans Küng ist Theologe, Christenmensch und Weltbürger, der sich den Herausforderungen der Zeit stellt. Er wird zu einem der meistgelesenen Theologen weltweit und zum "Gegenspieler" seines früheren Kollegen Joseph Ratzinger, jetzt Papst Benedikt XVI. Temperamentvoll und anschaulich schildert Küng, wie ihn die dramatischen Umbrüche in Kirche und Gesellschaft veränderten und warum er jenen…mehr

Produktbeschreibung
Seit Hans Küng 1957 sein erstes Buch geschrieben hat, versuchen die Mächtigen in der Kirche, ihren ebenso brillanten wie unbotmäßigen Theologen zu disziplinieren, zuletzt 1979 mit dem Entzug der Lehrerlaubnis. Hans Küng ist Theologe, Christenmensch und Weltbürger, der sich den Herausforderungen der Zeit stellt. Er wird zu einem der meistgelesenen Theologen weltweit und zum "Gegenspieler" seines früheren Kollegen Joseph Ratzinger, jetzt Papst Benedikt XVI. Temperamentvoll und anschaulich schildert Küng, wie ihn die dramatischen Umbrüche in Kirche und Gesellschaft veränderten und warum er jenen Lebensweg ging, der ihn zum Pionier der Ökumene, zum Partner im interreligiösen Dialog, zum Hoffnungsträger für eine erneuerte Kirche gemacht hat.
Autorenporträt
Hans Küng, geboren 1928 in Sursee/Schweiz, studierte an der Päpstlichen Universität in Rom Philosophie und Theologie, nahm als Experte am Zweiten Vatikanischen Konzil teil, ist katholischer Priester und Professor emeritus für Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen und Präsident der Stiftung Weltethos. Ihm wurde 1979 - wegen kritischer Äußerungen - vom Papst die kirchliche Lehrbefugnis entzogen. 2012 wurde Hans Küng mit dem italienischen "Nonino-Kulturpreis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007

Ein Wahrhaftiger auf Wahrheitssuche
Hans Küng legt den zweiten Teil seiner rasant geschriebenen Lebenserinnerungen vor / Von Hermut Löhr

Ist das nun ein "heiliges Spiel", das sich da vor unseren Augen entfaltet? Oder ein erbitterter Kampf zwischen Männern, die einander einmal Kollegen und Freunde waren?

Hans Küngs zweiter Memoirenband umfasst - mit vielen Rück- und Vorgriffen - die Jahre 1968 bis 1980. Es ist der Teil einer Lebenszeit, in der aus dem hoffnungsvollen jungen Theologen des Zweiten Vatikanischen Konzils der in Roms Augen abtrünnige Katholik wird, der schließlich seine kirchliche Lehrbefugnis an der Tübinger katholisch-theologischen Fakultät verliert, eben "der Fall Küng". Beschrieben werden - chronologisch geordnet und thematisch akzentuiert - entscheidende und schwierige Jahre im Leben eines Priesters, dem man die Leidenschaft für die Theologie und die Beteuerung der Liebe zu seiner Kirche abnimmt, ja dem man - entgegen mancher Beteuerung - auch den heißen Wunsch nach einer kirchlichen Karriere durchaus zutraut: Kardinal Küng, das wäre doch etwas gewesen! Angesichts der wiederholt ausführlich zitierten Reformprogramme des Autors kommt man tatsächlich ins Träumen.

Küngs Buch ist im Kern ein Buch enttäuschter und bewährter Freundschaften. Auch wenn er selbst betont, dass es ihm nicht um Abrechnung, sondern bloß um Darstellung der Dinge aus seiner Sicht gehe: Mancher, der in dem Buch erwähnt wird, dürfte auch jetzt noch - mehr als ein Vierteljahrhundert nach dem Geschehen - rote Ohren bei der Lektüre bekommen. Und das ist erkennbar die Absicht des Autors. Denn Küng bereut nichts, und er vergisst nichts. Wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn. Das gilt auch für die Medien, deren Klaviatur Küng wie kaum ein anderer seiner Zunft und Generation zu spielen versteht. Eine solche Haltung schließt im Einzelnen differenzierte Urteile und Vergebung durchaus nicht aus. Doch auch im Rückblick sieht er die wesentlichen sachlichen Fehler und menschlichen Schwächen in den jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen Rom, der deutschen Bischofskonferenz und ihm ausschließlich bei seinen Gegnern. Sich selbst hat er nur gelegentlich zu große Konzilianz vorzuwerfen.

Dem Leser wird viel geboten aus dem Milieu katholischer Kirchenmänner und Theologen, Langeweile muss da nicht aufkommen. Weder ist Küng sich zu fein für gelegentlichen gepflegten Klatsch (Rahner und Rinser - da war doch was?) noch für den direkten Potenzvergleich unter zölibatären Männern (mehr Veröffentlichungen! Höhere Auflagen! Größeres Presseecho!). Es bleibt viel Platz für Kurzrezensionen auf diesen 700 Seiten. Ratzingers "Einführung in das Christentum" und der eigene Bestseller "Christ sein" werden einander gegenübergestellt. Dass dazu Hermann Häring zitiert wird, soll Objektivität sichern, aber das Ergebnis ist doch absehbar: Sieg durch theologisch-kirchlichen K.o., natürlich ganz fair erkämpft. Nur zu gerne verlassen die Erinnerungen auch den gewählten chronologischen Rahmen, um etwa zu Ratzingers Bestseller "Jesus von Nazareth" eben mal zu sagen, was nun einmal zu sagen ist: eine Kompilation älterer Vorlesungen und Predigten, Zeugnis eines (gewollten) geistigen Stillstands. Doch kommt es mit dem ewigen Widersacher auch noch zu versöhnlicheren Begegnungen: Küng zur Siesta in Ratzingers Bett. Spielen da zwei miteinander?

Richtig bitter wird es da, wo Küng sich verraten fühlt. Es gibt viel Unversöhntes in diesem Leben; etliche Freundschaftsfäden scheinen endgültig abgerissen. Am tiefsten muss es den Theologen getroffen haben, dass die eigene Tübinger Fakultät sich auf dem Gipfel der Auseinandersetzung mehrheitlich gegen ihn erklärt. Den zuständigen Bischof, Georg Moser von Rottenburg, sieht er nach dem endgültigen Entzug der Lehrbefugnis nicht wieder. Von Karl Lehmann fühlt er sich hintergangen, von Joseph Höffner hat er nichts Besseres erwartet. Hans Urs von Balthasar und Walter Kasper? Kriechen zu Kreuze. Karol Wojtyla? Ein Schauspieler, kaum der Rede wert. Zeugnisausgabe nach langem, leidenschaftlichem Kampf.

Doch es werden auch Ehrentafeln graviert. Allen voran den Mitarbeitern und Kollegen im eigenen Institut sowie der evangelisch-theologischen Schwesterfakultät, die sich zum entscheidenden Zeitpunkt entschieden solidarisch zeigt. Aus Gegnern in der achtundsechziger Zeit werden Schüler und treue Freunde. Ein glänzendes Denkmal wird Karl Barth errichtet, dem "Doktor beider Theologien", wie Küng in einem der zahlreichen Selbstzitate dieses Bandes formuliert.

Dass sich dem Autor noch im Rückblick Sachliches und Menschliches so verbinden, ist nicht nur der Gattung "Erinnerungen" geschuldet. Es passt auch gut zu dem selbst gewählten stolzen Lebensmotto veritas in veracitate ("Wahrheit in Wahrhaftigkeit"). Das bedeutet im Umkehrschluss: Wer in puncto persönlicher Aufrichtigkeit Schwächen zeigt, den rettet in Küngs Augen auch intellektuelle Brillanz nicht. Vielleicht ist das bei einer Sache wie der Theologie, so wie Küng sie versteht (und das heißt: nicht als neutrale Geschichts- oder Kulturwissenschaft), gegen den ersten Impuls doch die sachlich konsistente Position: Theologische Existenz kann Person und Werk nicht trennen, in theologicis ist Wahrhaftigkeit das Indiz dafür, wirklich der Wahrheit auf der Spur zu sein.

Dem Leser vermittelt sich die leidenschaftliche Überzeugtheit von dieser Einsicht in eindrücklich lebendiger Weise. Einen müden Wahrheitsrelativismus kennt Küng nicht; er glaubt tatsächlich noch, gründliche wissenschaftliche Arbeit, besonders an der Heiligen Schrift, könne theologische Erkenntnis und Einsicht befördern. Auch für eine altersweise Selbstdistanzierung in Sachpositionen ist er geistig zu jung. Freilich übersieht er dabei, dass etwa die biblisch-exegetische Fundierung des eigenen, als zentral erachteten christologischen Ansatzes ("Christologie von unten") nicht mehr trägt: Die erhaltenen Quellen sind von Anfang an durch "hohe Christologie" geprägt. Einen den Modernen verdaulichen "historischen Jesus" erreichen wir aufgrund der Quellenanalyse kaum.

So sympathisch und bleibend wichtig Küngs Bemühen um Anknüpfen an modernes Wirklichkeits- und Wahrheitsbewusstsein ist, besteht doch die Gefahr, dass heilsame theologische Stachel zu schnell gezogen werden. Auch der theologische Geist des Konzils kommt in die Jahre; man muss nicht zum Opus Dei gehören, um das wahrzunehmen.

Leider nur angedeutet wird in diesem Band der Weg des Autors in neue wissenschaftliche Vorhaben, die Befreiung von manchem innerkirchlichen Muff: Die Entdeckung anderer Religionen, das Projekt "Weltethos". Von den ausgedehnten Reisen um die ganze Welt werden nur flüchtige Skizzen geboten. Was wird dabei aus dem katholischen Theologen Küng, für den die Konversion zum Protestantismus nie in Frage kam? Wie verändern sich sein Christsein, seine Kirchlichkeit? Man wünscht, dass hier der versprochene dritte Band mehr preisgibt.

Denn nur gelegentlich kommt das Private zu Wort: Urlaube mit Familie und Freunden, nicht näher bezeichnete "wir", Krankheit und Unfall, ein Hausbau, das Schwimmen im Bassin von Professor Jens. Auch das eigene Glaubensleben bleibt eher diskret im Hintergrund. Ob es noch andere Seiten dieses Kämpfers mit offenem Visier gibt?

Nach dem Selbstbericht des Paulus streiten in Antiochien Petrus und Paulus um die Wahrheit des Evangeliums. Die Rolle des Paulus, der Petrus "ins Angesicht widersteht", hat, so gewinnt man den Eindruck aus diesen rasant geschriebenen Erinnerungen, Hans Küng so überzeugt wie bereitwillig übernommen.

Hans Küng: "Umstrittene Wahrheit". Erinnerungen. Piper Verlag, München 2007. 719 S., S/W-Abb. auf Tafeln, geb., 24,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.01.2008

Ins Herz der Dinge und in die Vereinsamung
Keiner fragt als Theologe so unbefangen, so undiplomatisch, so intellektuell zugespitzt: Hans Küng erinnert sich an die Jahre 1968 bis 1980
„Aber er ist doch so katholisch!” – das pflegt der evangelische Tübinger Theologe Eberhard Jüngel Leuten entgegenzuhalten, die in Hans Küng, dem Papst- und Kirchenkritiker, einen heimlichen Protestanten sehen. Nicht wenige waren dieser Meinung – der wohl prominenteste unter ihnen war Hans Urs von Balthasar. Warum sie unrecht hatten, warum Hans Küng zwar ein evangelischer Katholik, nicht aber ein katholischer Protestant sein will – das erfahren die Leser nun aus dem zweiten Band seiner auf mehrere Bände angelegten Erinnerungen mit dem Titel „Umstrittene Wahrheit” (2007).
Fachhistoriker und Theologen, aber auch Neugierige und Interessierte ganz allgemein kommen bei der Lektüre mühelos auf ihre Kosten. Auf den mehr als 700 Seiten begegnet ihnen eine kaum überschaubare Fülle von Personen, Orten, Begebenheiten. Fast tausend Namen umfasst allein das Personenregister. Die biographische Sorgfalt, die Achtsamkeit selbst aufs Kleine und Kleinste lässt sich – zumal in einer Autobiographie – kaum noch steigern. Zur gewohnten Präzision und Schärfe der Argumentation kommt die Akribie der Aktenführung hinzu, aus der sich Küngs Biographik zu großen Teilen speist: Abläufe und Konflikte, vor allem das Verfahren der Glaubenskongregation gegen Küng, werden minutiös geschildert – manchmal fast wie in einem Gerichtsprotokoll.
Gewiss, es fehlt „die andere Seite”, es fehlen, von Bruchstücken abgesehen, die vatikanischen und bischöflichen Quellen zum „Gegenlesen”. Doch bis sie vorliegen – wenn überhaupt –, kann es lange dauern – und bis dahin dürfte Küngs Sicht der Dinge mit ihrer Fülle von Details unangefochten die historische Szene beherrschen. (Auch in der Forschung gilt der Satz: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.)
Der erste Band der Erinnerungen „Erkämpfte Freiheit” (2002) hatte den Aufstieg des jungen Schweizer Theologen Hans Küng in Rom geschildert, seine Präsenz im Zentrum der Konzilsereignisse, die Aufmerksamkeit, die seine Äußerungen bald fanden, weit über die römische und theologische Szene hinaus. Auch von ersten Reibungen und Zusammenstößen mit den vatikanischen Autoritäten war die Rede – unvergesslich die Schilderung, wie „gelernte Römer” Küng zur Mittagszeit zu Kardinal Ottaviani, dem Präfekten der Glaubenskongregation, einbestellt wird und mit ihm, ehe der theologische Disput beginnt, lateinisch den Angelus betet. Ein optimistischer Ton herrscht vor, obwohl Warnzeichen nicht fehlen.
Das Zweite Vaticanum scheint viele Türen aufgestoßen zu haben, die Konzilstheologie trifft den Nerv der Zeit, ein neues, offenes, kollegiales und föderales Kirchenverständnis scheint sich zu entwickeln. Kein Wunder also, dass das Buch mit einer hoffnungsvollen Vision endet: In Tübingen (damals auch der neue Wirkungsort Ernst Blochs!) soll sich nach Küngs Wunsch „unterstützt von tüchtigen Exegeten und Historikern und in Zusammenarbeit mit interessanten evangelischen Kollegen” eine „starke theologische Gruppe bilden” und auf die künftige katholische Theologie einwirken. Ihr Kern: Karl Rahner, Joseph Ratzinger und Küng selbst – und unter den Nachrückenden Walter Kasper, Karl Lehmann, Johann Baptist Metz, Otto Hermann Pesch .
Nicht ganz auf diesen optimistischen Ton gestimmt ist der zweite Erinnerungsband, der die Zeit von 1968 bis 1980 behandelt. Es sind unruhige Zeiten; die Studentenrevolte bricht ins friedliche Tübingen ein, treibt einige Kollegen in kurzlebige politische Aktionen, andere in die Resignation, ins Schweigen – einige wie Joseph Ratzinger entfliehen dem Trubel verwundet und bauen Gegenpositionen auf. In der Kirche beginnt – in Küngs Sicht – eine Zeit der nachkonziliaren Reaktion: Der kuriale Apparat befestigt sich neu und sucht zurückzugewinnen, was ihm das Konzil genommen hat. Vieles, was nun von Rom kommt, ist in Küngs Augen eine Provokation, so die Zölibatsenzyklika, das Mischehen-Dekret, die Pillen-Enzyklika Papst Pauls VI. (1968). Umgekehrt gerät der einflussreiche Schweizer Theologe, der über weltweite Verbindungen verfügt, der zu formulieren, zu argumentieren und die Öffentlichkeit für sich einzunehmen versteht, mit seinen insistierenden Fragen immer mehr ins Visier der römischen Glaubenswächter – und paradoxerweise auch ins Visier der durch das Konzil gestärkten, mit einem Stück „Unfehlbarkeit” bedachten deutschen Bischofskonferenz.
Denn seine Fragen zielen „ins Herz der Dinge” – Fragen nach dem neuen Kirchenverständnis, nach den hier und heute fälligen ökumenischen Schritten, nach den Grenzen päpstlicher Unfehlbarkeit. In Küngs biographischem Bericht werden – neben den kirchenpolitischen Seiten – auch die inneren Antriebe seiner Theologie sichtbar: seine persönliche Spiritualität, seine paulinisch bestimmte Christologie, seine Aufgeschlossenheit für Zeitfragen, seine Sensibilität für die Schwierigkeiten und Chancen des Christseins in den so verschiedenartigen Kontinenten und Kulturen der Welt, die ihm aus vielen Reisen, Gesprächen, Vorträgen vertraut sind.
Keiner fragt als Theologe so direkt, so unbefangen, so undiplomatisch, so intellektuell zugespitzt wie Küng. Keiner beharrt so nachdrücklich darauf, dass seine Fragen ernstgenommen, dass sie diskutiert und beantwortet werden. Kein Wunder, dass der Streit immer mehr eskaliert, dass es am Ende zwischen dem Theologen und dem kirchlichen Amt um Biegen und Brechen geht. Ist es ein Streit um die Wahrheit, fragt Küng, oder geht es am Ende nur um die Macht – die Machtverteilung in der nachkonziliaren Kirche?
Man kennt den Ausgang: Im Dezember 1979 wird dem Tübinger Dogmatikprofessor die kirchliche Lehrbefugnis entzogen. Ein ihm angebotenes Gastrecht in der Tübinger Evangelischen Fakultät lehnt er ab – und ebenso die Möglichkeit einer Professur in der Schweiz. Das oft geschmähte deutsche Staatskirchenrecht bietet schließlich eine Lösung: Küng scheidet auf eigenen Antrag aus der Katholischen Fakultät aus, kann aber sein Institut für ökumenische Forschung samt dem Recht auf Promotion und Habilitation „mitnehmen”. So ist er weiterhin an der Universität Tübingen forschend und lehrend tätig (bis zu seiner Emeritierung 1996) und kämpft nach eigenem Wort „für ein mehr an der Botschaft Jesu orientiertes Christentum, die ökumenische Verständigung und die Erneuerung meiner katholischen Kirche, der ich mich nach wie vor als Priester, Seelsorger und Wissenschaftler verbunden weiß”.
Küng will, wie er wiederholt sagt, kein Einzelkämpfer sein. Dennoch wird er es de facto im Prozess der immer härteren Konfrontationen. Der Leser der „Umstrittenen Wahrheit” erlebt beklommen die Vereinzelung und Vereinsamung des Theologen, einen Prozess, der nicht einmal in seiner nächsten Umgebung haltmacht. Alte Weggefährten rücken von ihm ab, distanzieren sich, polemisieren gegen ihn: an der Spitze Karl Rahner, der als „die große Enttäuschung” seines Lebens bezeichnet wird. Viele der umworbenen Kollegen, der theologischen Lichter aus dem ersten Erinnerungsband, geraten im zweiten Band ins Zwielicht, trüben sich ein und werden mit entsprechend bitteren Kommentaren bedacht. Von Verrat, Verfälschung, Verlogenheit ist die Rede. Das „erlöste Osterlachen”, das am Ende steht, will man dem Autobiographen nicht so ganz glauben; eher schon trifft die letzte Überschrift des Buches die Stimmung des Berichts: „Das Leben geht weiter.”
„Mit Liebe zu behandeln”
Und die Päpste? Papst Paul VI., der Intellektuelle auf dem Papstthron, hatte für Küng – trotz allem – Verständnis gezeigt; auf seine Akte schrieb er: „Er muss ein Zeichen geben!” und wünschte, dass sein Fall „mit Liebe zu behandeln” sei. Johannes Paul II. hielt Küng für einen „Weltpropheten” und wich dem Gespräch mit ihm während seines langen Pontifikats beharrlich aus. Das Verhältnis zum gegenwärtigen Papst – dem alten Tübinger Kollegen – ist von einer seltsamen Ambivalenz: Es gibt in Küngs Erinnerungen heftige, nachhaltige Kritik an Joseph Ratzinger, die bis ins Persönliche geht, und im Gegenzug überraschend anerkennende Dankbarkeit; Dankbarkeit für einen – auf lange Strecken – gemeinsamen theologischen Weg.
Wie dem auch sei: Man darf auf den auf den letzten Seiten angekündigten dritten Band der Erinnerungen – und auf das, was darin über Küngs weiteren Weg zu berichten ist – gespannt sein. HANS MAIER
HANS KÜNG: Umstrittene Wahrheit. Erinnerungen. Piper Verlag, München, Zürich 2007. 720 Seiten , 24,90 Euro.
Hans Küng, 1928 geboren, bei einer Ansprache im Jahr 1968 Foto: Ullstein
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit großem Interesse hat der hier rezensierende Hans Maier diesen zweiten Erinnerungsband des Theologen Hans Küng gelesen, in dem bei weitem nicht mehr der optimistische Ton des ersten Bandes herrscht, der noch vom Aufstieg des Vielversprechenden in der römischen Kirchenhierarchie handelte. Die "Umstrittene Wahrheit" beginnt in Tübingen, wo Küng nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit Karl Rahner, Joseph Ratzinger, Walter Kasper, Karl Lehmann und anderen eine "starke theologische Gruppe" bilden will. Doch 68 versetzt die Kirche in Schrecken, der Kurien-Apparat festigt sich wieder und die "nachkonziliare Reaktion" setzt ein. Der Reformer, der evangelische Katholik Küng hat wenig Chancen. Was den Rezensenten beeindruckt sind Küngs Intelligenz, Unbefangenheit und der Nachdruck, mit dem er Antworten auf seine Fragen einfordert. Sehr interessiert hat ihn aber natürlich auch das Verfahren vor der Glaubenskongregation. Hier bemerkt der Rezensent an, dass der Vatikan es sich selbst zuzuschreiben hat, dass dieses Verfahren nur aus der Sicht Hans Küngs nachzulesen ist, wenn er nicht die entsprechende Dokumente freigibt.

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