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Auf die Frage, was er denn einmal werden wolle, gibt ein Fünfjähriger bei einer Razzia in Süddeutschland zur Antwort: »Ich will in den Heiligen Krieg ziehen und Ungläubige töten, wie mein Vater.« Ein Einzelfall? Nein. Hunderttausende muslimische Jugendliche radikalisieren sich; auch in Europa ist die zweite und dritte Generation der Einwanderer oft radikaler als ihre Eltern. Daran ist nicht nur die gescheiterte Integrationspolitik schuld, vielmehr gibt es ein Netz des Islamis mus, das hauptsächlich über das Internet die Radikalisierung vorantreibt. Die Autoren erzählen die beunruhigenden…mehr

Produktbeschreibung
Auf die Frage, was er denn einmal werden wolle, gibt ein Fünfjähriger bei einer Razzia in Süddeutschland zur Antwort: »Ich will in den Heiligen Krieg ziehen und Ungläubige töten, wie mein Vater.« Ein Einzelfall? Nein. Hunderttausende muslimische Jugendliche radikalisieren sich; auch in Europa ist die zweite und dritte Generation der Einwanderer oft radikaler als ihre Eltern. Daran ist nicht nur die gescheiterte Integrationspolitik schuld, vielmehr gibt es ein Netz des Islamis mus, das hauptsächlich über das Internet die Radikalisierung vorantreibt. Die Autoren erzählen die beunruhigenden Biographien von jungen Männern, die zunächst integriert in Europa lebten und dann zu Terroristen wurden. Es ist ihnen gelungen, in der wichtigsten Koranschule der Taliban zu recherchieren und zu berichten, was dort gelehrt wird. Sie legen die Gründe offen, warum für viele jugendliche Muslime Osama bin Laden »unser Che Guevara« ist.
Autorenporträt
Souad Mekhennet ist Journalistin und arbeitet über Islamismus und Terrorismus unter anderem für die New York Times, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und das ZDF.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.09.2006

Die Radikalisierung junger Muslime
Gefühle der Demütigung und fanatischer Hass auf den Westen: Einblicke in die Welt der islamistischen Terroristen
Vor fünf Jahren entdeckte die westliche Welt im Grauen der Anschläge vom 11. September 2001 eine politische Entwicklung, die sie lange ignoriert hatte: den gewaltbereiten Islamismus, seine Motive, seine Vordenker, seine Gefolgsleute. Heute stehen sich der Westen und die islamische Welt unversöhnlicher gegenüber denn je. Was sich seit dem 11. September geändert hat und in welche Richtung sich dieser Konflikt bewegt, erklären zwei anschauliche und fundierte Bücher deutscher Autoren. Die Ansätze beider Werke ergänzen sich: „Die neue al-Qaida” setzt an der Spitze an und beschreibt, wie sich die Terrorgruppe verändert hat, die noch immer großen Einfluss auf den globalen „Heiligen Krieg” ausübt. „Die Kinder des Dschihad” dagegen setzt sich stärker mit der Basis auseinander, mit den Jungen von Europa bis Asien, die sich radikalisiert haben, bis sie oftmals, nicht immer, zu Mördern wurden.
Yassin Musharbash hat das analytischere Buch geschrieben, er liefert eine präzise Anatomie der Organisation, der es am 11. September wie keiner anderen vor ihr gelungen ist, die Supermacht Amerika zu verletzen und zu demütigen. Der Arabist und Internet-Experte gewährt dabei Einblicke, die den rein deutschsprachigen Interessierten verwehrt sind, denn Musharbash versteht die Debatten der Islamisten im Internet. Er dokumentiert, wie al-Qaida, die sich immer als eine globale Erscheinung begriffen hat, das Internet als weltweites Werkzeug zur Verbreitung ihrer Ideologie benutzt.
Bis zum 11. September 2001 war al-Qaida eine überschaubare Organisation mit straffer Hierarchie, deren Kommando ungestört in Afghanistan operierte und dort Rekruten ausbildete. Seit sie von der US-Armee aus Afghanistan vertrieben wurden, nutzen die Dschihadisten noch stärker das Internet, um sich über alle Grenzen hinweg zu verständigen und Anweisungen für das Vorgehen im „Heiligen Krieg” zu geben.
Der Autor beleuchtet auch die Rolle, die der Irak heute für den islamistischen
Terrorismus spielt. Das Zweistromland sei weniger zu einer physischen Basis des
Dschihadismus geworden, denn vor allem zu einer psychologischen. Da sich das Land faktisch im Krieg befinde, biete es nicht die Annehmlichkeiten, die al-Qaida einst in Afghanistan genoss, wohl aber ein neues Motiv für Terror im Westen: Die Urheber der Anschläge von Madrid und London rechtfertigten ihre Taten mit dem Feldzug der Amerikaner und ihrer Verbündeten im Irak.
Weniger analytisch, dafür aber erzählerischer setzt sich „Die Kinder des Dschihad” mit der weltweiten Radikalisierung junger Muslime auseinander. Das Buch versteht sich als Reportage und schildert Lebensläufe aus Europa, Afghanistan und der arabischen Welt. Der Umschlag mutet reißerisch an, mit dem Zitat eines Fünfjährigen, der ankündigt, er werde eines Tages „Ungläubige töten wie mein Vater”. Insgesamt aber beschreiben die Autoren seriös und sachlich, wie sich durchschnittliche junge Menschen unter dem Eindruck radikaler Botschaften aus ihrem Umfeld herauslösen, wie sie militant werden und für ihren Glauben kämpfen wollen.
Das Buch beginnt nicht mit der Schilderung eines Bombenanschlags, sondern mit dem Karikaturenstreit, den die dänische Zeitung Jyllands-Posten Ende 2005 mit provokanten Darstellungen des Propheten Mohammed auslöste. Gegen die Urheber gingen Morddrohungen ein, bei Protesten in aller Welt gab es zahlreiche Tote. Mehr noch als einzelne Anschläge belegt die Karikaturenkrise, wie wenig Orient und Okzident einander verstehen, der Konflikt erreichte hier eine neue Dimension. Die Proteste wurden zwar von vielen Regimen in der islamischen Welt angeheizt, ausgelöst hatte sie aber in Kopenhagen Imam Abu Laban, der selbst eher gemäßigt ist, der aber auch Respekt einfordern wollte für die Muslime in Europa. Die dänische Zeitung wiederum hatte beweisen wollen, dass es Künstler gibt, die sich vom Islam nichts diktieren lassen und die ihn nicht fürchten. Der Kulturkonflikt eskaliert immer weiter.
So kehren die drei Autoren, drei Kenner der islamischen Welt, am Ende ihres Buches zu dem Karikaturenstreit zurück und fordern mehr Achtung vor dem, was anderen heilig ist, obwohl „wir für das Heilige, das Unantastbare keinen Begriff mehr haben”. Doch es geht nicht nur um Religion, sondern zum Beispiel auch um den Krieg der Amerikaner im Irak, der wie zuvor schon Afghanistan, Tschetschenien oder Bosnien die muslimische Welt empört. „Für uns liegt der Irak am Ende der Welt, für viele unserer Gesprächspartner liegt er gleich nebenan. Wo wir Leichen ohne Namen zählen, fühlen sie sich persönlich angegriffen.” Es ist vor allem dieses Gefühl der Demütigung durch den Westen, das al-Qaida seit ihren Anfängen Zulauf beschert hat. Folglich kommt auch Musharbash zu dem Ergebnis: „Die Frage, wer oder was al-Qaida sein wird, entscheiden deshalb bereits jetzt an jedem Tag Tausende von Sympathisanten. Und nicht Osama bin Laden.”
NICOLAS RICHTER
YASSIN MUSHARBASH: Die neue al-Qaida, Innenansichten eines lernenden Terrornetzwerks. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006, 300 Seiten, 8,95 Euro.
SOUAD MEKHENNET, CLAUDIA SAUTTER, MICHAEL HANFELD: Die Kinder des Dschihad. Die neue Generation des islamistischen Terrors in Europa. Piper Verlag, München 2006, 233 Seiten, 14 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.2006

MICHAEL HANFELD, Medienredakteur dieser Zeitung, hat mit seinen Koautorinnen Souad Mekhennet und Claudia Sautter ein Buch geschrieben, das die Frage stellt, warum junge Muslime auch in Europa sich von der Gesellschaft abkehren und radikalen Predigern folgen, die sie als Kämpfer für den sogenannten "Heiligen Krieg" anwerben. Warum gibt ein Fünfjähriger bei einer Razzia in Süddeutschland, auf die Frage, was er einmal werden will, zur Antwort: "Ich will in den Heiligen Krieg ziehen und Ungläubige töten, wie mein Vater." Es geht um eine gezielte Politisierung, gescheiterte Integration und ein Netz des Islamismus, das über das Internet die Radikalisierung vorantreibt. Die Autoren erzählen die beunruhigenden Biographien junger Männer, die integriert in Europa lebten und dann zu Terroristen wurden. Sie haben in Europa, dem Nahen Osten und Afghanistan recherchiert und berichten unter anderem von der wichtigsten Koranschule der Taliban. (Souad Mekhennet, Claudia Sautter, Michael Hanfeld: "Die Kinder des Dschihad", Piper Verlag, München 2006, 224 S., br., 14 [Euro].)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Als "packendes Buch" und "große Reportage" feiert Rezensent Wolfgang Schwelien diese Publikation, die als "kurze Geschichte des neuen Terrorismus in Europa" aus seiner Sicht genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. Die drei Autoren seien den wesentlichen Fragen zum Thema nachgegangen, hätten mit jungen Muslimen und geistigen Wegbereitern des Islamismus in Deutschland, Großbritannien, Afghanistan, Pakistan, Marokko und selbst im Irak gesprochen. Mut haben die Autoren aus Sicht des Rezensenten besonders bewiesen, als sie sich mit jungen in den Irak gezogenen Kämpfern zum Interview "irgendwo im Nahen Osten" trafen. Aufschlussreich fand Schwelien auch den Hintergrundbericht über die drei Selbstmordattentäter von London. Besonders nah ist ihm eine Reportage über drei zum Islam konvertierte Kinder einer russlanddeutschen Familie in Ulm gegangen.

© Perlentaucher Medien GmbH