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Allein gegen Hitler:Der »Verrat« des Fritz Kolbe
Allan W. Dulles, amerikanischer Spionagechef in Europa, traute am 17. August 1943 seinen Augen nicht: In Bern legte ihm ein unscheinbarer Mann ein Bündel mit »Geheimen Reichssachen« auf den Tisch. Der höchst geheime Lageplan von Hitlers Hauptquartier war genauso darunter wie der Angriffsbefehl auf einen amerikanischen Schiffskonvoi im Atlantik.
Dieser Mann war Fritz Kolbe, 43 Jahre alt und Beamter im Auswärtigen Amt. Die Informationen, die er wiederholt lieferte, waren so brisant, daß sie direkt an Präsident Roosevelt geleitet wurden.
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Produktbeschreibung
Allein gegen Hitler:Der »Verrat« des Fritz Kolbe

Allan W. Dulles, amerikanischer Spionagechef in Europa, traute am 17. August 1943 seinen Augen nicht: In Bern legte ihm ein unscheinbarer Mann ein Bündel mit »Geheimen Reichssachen« auf den Tisch. Der höchst geheime Lageplan von Hitlers Hauptquartier war genauso darunter wie der Angriffsbefehl auf einen amerikanischen Schiffskonvoi im Atlantik.

Dieser Mann war Fritz Kolbe, 43 Jahre alt und Beamter im Auswärtigen Amt. Die Informationen, die er wiederholt lieferte, waren so brisant, daß sie direkt an Präsident Roosevelt geleitet wurden. Tragisch war, daß sie oft viel zu spät im alliierten Hauptquartier ankamen - sonst hätten beispielsweise zahlreiche Judentransporte noch verhindert werden können.

Fritz Kolbe nahm nie einen Dollar für seine lebensgefährliche Tätigkeit: »Ich will nur etwas gegen diesen verbrecherischen Krieg tun!« Die Bundesrepublik Deutschland hat es ihm nicht gedankt: Er blieb »der Verräter«.

Zum 60. Jahrestag des Widerstandes gegen das Nazi-Regime am 20. Juli 1944: Die Geschichte eines mutigen Einzelkämpfers und Hitler-Gegners, dessen Bedeutung bis heute ungewürdigt geblieben ist.
Autorenporträt
Lucas Delattre, geboren 1965, war jahrelang Korrespondent von Le Monde in Deutschland. Ab 1997 in der Pariser Zentrale von Le Monde im Auslandsressort tätig, ab 2001 stellvertretender Chefredakteur bei Le Monde des Debats, seit 2002 Chef des Pariser Büros des Europarats. Er ist der einzige Historiker, der Zugang zum Privatarchiv von Fritz Kolbe hatte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2004

Der spröde Herr Kolbe
Die erste Biographie über den Spion aus der Wolfsschanze

Von den Geheimdienstakten hätte die Lebensgeschichte dieses Nazigegners direkt in die Archive und von dort in die Vergessenheit führen können. Sie war auf dem besten Weg dazu. Wem so der Sinn für heroische Akte, wirkungsvolle Auftritte und intellektuelle Brillanz abgeht wie diesem kleinen Beamten aus dem Reichsaußenministerium, kann kaum mit den Ehren der Geschichte rechnen. Der Weg durch die Vorzimmer und Hintertüren, an den Kriegsschauplätzen, Haftlagern und Folterkammern vorbei, verleiht der Figur dieses Mannes etwas Schales, Zwielichtiges, Unzugängliches. Erst das nähere Hinsehen macht ihn interessant. Was bewog diesen unscheinbaren Sachwalter aus dem Stempelreich des konsularischen Diensts, von dem keine politischen, philosophischen, religiösen Grundsatzerklärungen bekannt sind, eines Tages in Berlin nicht mehr mitmachen, doch nicht auswandern oder abtauchen, sondern beinah amateurhaft mit den Allierten Kontakt aufnehmen zu wollen? Bis vor wenigen Jahren stellte sich nicht einmal die Frage, denn der Name Fritz Kolbe war so gut wie unbekannt. Mit dieser Biographie haben wir Ansätze zu plausiblen Antworten.

Der Journalist Lucas Delattre, ehemaliger Korrespondent von "Le Monde" in Deutschland, zeichnet die Geschichte des Spions "George Wood" alias Fritz Kolbe, der zwischen 1943 und 1945 "geheime Reichssachen" von Berlin an das amerikanische Office of Strategic Services (OSS) nach Bern schmuggelte, aus den Archiven mit Gespür für Szenen, Stimmungen und Motivhypothesen. Neben den vor vier Jahren publik gewordenen OSS-Archiven schöpfte Delattre aus Privatarchiven, erstmals auch aus dem, das Fritz Kolbe hinterließ. Die Figur gewinnt Profil im Zwielicht von Helden- und Verrätertum. Die Entwicklungskurve von der Beamtenlaufbahn zum Höhepunkt der zwei Agentenjahre und zurück in die Banalität bestimmt den Spannungsbogen des Buchs. Zwei Drittel des Buchs gelten der Zeit von 1943 bis 1945. Die dreiundvierzig Lebensjahre davor und die sechsundzwanzig danach sind nur Prolog und Epilog eines Schicksals von außerordentlicher Normalität.

Besondere Beachtung schenkt der Biograph all den Momenten, die den Sprößling einer Berliner Handwerkerfamilie, etwa über die Wandervogel-Bewegung, zu einem Durchschnittsdeutschen hätten machen können, weder für noch gegen Hitler und am Ende resigniert. Seine Weigerung, auf den Außenposten in Madrid und dann in Kapstadt der NSDAP beizutreten, tarnte Kolbe mit Phlegma und Naivität. Schnelligkeit, Präzision und Diskretion waren die Qualitäten, die seine Vorgesetzten an ihm schätzten und die ihm ab Sommer 1940 auch Zugang in den Kreis um den Außenminister von Ribbentrop verschafften. Er fuhr mit vertraulichen Akten zwischen Berlin und der Wolfsschanze hin und her. Was im Namen Deutschlands an der Front und im Land geschah, war ihm früh klar. Im Lauf des Jahres 1941 dachte er an Exil, hinterlegte Aufrufe zum Desertieren in Telefonzellen, brachte Flugblätter in Umlauf - unbeholfene Versuche, zum Sturz des Regimes beizutragen. Im Winter 1942/43 scheint sich die Überzeugung durchgesetzt zu haben, daß er in seiner Position nützlicher sein könne und daß Landesverrat in diesem Fall die einzige Lösung war. Es gelang ihm, eine Dienstreise nach Bern zu bewirken, und mit geheimen Dokumenten sprach er dort beim amerikanischen Spionagechef für Europa, Allen Dulles, vor.

Im Lauf mehrerer weiterer "Dienstreisen" informierte er die Alliierten über den Lageplan von Hitlers Hauptquartier, die deutsche Waffenproduktion, einen Doppelagenten in der britischen Botschaft Ankaras, über deutsche Verhaftungspläne, Judentransporte und sonstige Einzelheiten aus der nationalsozialistischen Regimespitze. Die Informationen erschienen so brisant, daß sie an Präsident Roosevelt weitergeleitet wurden. In einer Nachricht an den Präsidenten sprach der OSS-Leiter William J. Donovan anfangs 1944 von "unserer möglicherweise ersten größeren Infiltration einer hohen deutschen Dienststelle". Zugleich wirkte das Vorgehen des Sonderlings, der mit ums Bein gebundenen Geheimakten im Nachtzug nach Bern reiste und beim gegnerischen Geheimdienst klingelte, ohne einen Dollar dafür zu verlangen, so seltsam, daß er mit Vorsicht aufgenommen wurde. Damit dürfte zusammenhängen, daß Kolbes Angaben nicht so ausgewertet wurden, wie sie es verdient hätten. Die Briten hatten ihn zunächst abgewiesen und erkannten erst später in ihm "die beste nachrichtendienstliche Quelle des ganzen Krieges".

Das politisch spröde Einzelgängertum Kolbes, der seinen Mut mit keinen Diskursen und Posen garnierte, dürfte der Grund sein, warum aus ihm nach dem Krieg nichts Rechtes mehr wurde. Allen Dulles, der spätere CIA-Chef, versuchte, ihm zu helfen. Auf Anregungen, seine Geschichte an die Buch- oder Filmbranche zu verkaufen, ging Kolbe nicht ein. Alle Versuche, den diplomatischen Dienst im Auswärtigen Amt nach dem Krieg wiederaufzunehmen, scheiterten. Held oder Verräter - für Kolbe war die Sache klar: Er war keines von beiden. Der Rest interessierte ihn nicht. So endete seine Karriere als Europa-Vertreter der amerikanischen Sägenfirma "Wright Power Saw", bevor er 1971 in Bern starb.

Aus Artikeln war sein Fall Insidern bekannt. Die im Buch szenisch aus den Details erzählte Geschichte liest sich wie ein echter Spionageroman. Nur daß Delattre die Einzelheiten aus Archiven und Gesprächen recherchiert hat. Die für Fritz Kolbe wichtigen Personen wie der deutsch-jüdische Geschäftsmann Ernst Kocherthaler oder der Kreis um den Berliner Chirurgen Sauerbruch, in dem Kolbe verkehrte, werden lebendig und ihrer Rolle gemäß beleuchtet. Gegenüber dem im letzten Herbst erschienenen französischen Original hat die gut übersetzte deutsche Fassung eine Zeittafel und ein Personenregister hinzugewonnen.

JOSEPH HANIMANN

Lucas Delattre: "Fritz Kolbe - Der wichtigste Spion des Zweiten Weltkriegs". Aus dem Französischen von Michael Bayer. Piper Verlag, München 2004. 398 S., Abb., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.07.2004

Der vergessene Spion
Fritz Kolbe wurde nach dem Krieg als „Verräter” gemobbt
LUCAS DELATTRE: Fritz Kolbe. Der wichtigste Spion des Zweiten Weltkriegs. Piper Verlag, München, 2004, 399 Seiten, 22,90 Euro.
Die Amerikaner erfuhren durch seine Berichte zum ersten Mal von einem gewissen Adolf Eichmann und auch von einem geheimnisvollen albanischen Spion in der britischen Botschaft in der Türkei, der als Agent „Cicero” den Nazis wertvollste Dienste leistete. Der US-Geheimdienst bekam von ihm so präzise Informationen über die deutschen Raketen V1 und V2, dass sein Chef schwärmte, sie seien „unter den besten” gewesen, „die wir je auf technischer oder taktischer Ebene erhalten haben”. Sie bekamen von ihm die Liste aller deutschen „Abwehr”-Leute (Agenten des militärischen Geheimdienstes) in der Schweiz, in Schweden oder in Spanien. Und so könnten noch Hunderte Beispiele genannt werden, die allesamt dazu beitrugen, dass die Amerikaner schließlich die „wertvollste und ergiebigste Quelle deutscher Geheiminformationen” priesen. Und nicht nur das. Vermutlich wäre Allen Dulles niemals CIA-Chef geworden, wenn er nicht von einem unscheinbaren Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes (AA) in Berlin mit ganzen Paketen von kopierten oder abgeschriebenen diplomatischen Telegrammen der deutschen Auslandsvertretungen eingedeckt worden wäre.
Sauerbruch als Bote
Von August 1943 bis April 1945, also bis kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs lieferte Fritz Kolbe, „Konsulatssekretär 1.Klasse” (später zum „Kanzler” im AA befördert), 1600 solcher „streng geheimer” Dokumente auf fünf Kurierreisen und über Mittelsmänner (unter ihnen war auch der Chirurg Ferdinand Sauerbruch) nach Bern. Dort residierte Allen Dulles, der Bruder des späteren Außenministers John Foster D., als Repräsentant des OSS in der Schweiz. Das „Office of Strategic Services” war im Juni 1942 gegründet worden und dem Vereinigten Generalstab der amerikanischen Streitkräfte unterstellt. Das Amt, die Vorläufer-Organisation der 1947 gegründeten CIA (Central Intelligence Agency), sammelte Informationen über die so genannten Achsenmächte und organisierte auch verdeckte Operationen.
Doch Fritz Kolbe selbst, der einzige wirkliche Spion der USA in Nazi-Deutschland, ist merkwürdigerweise bis heute weitgehend unbekannt geblieben. Außer einem Zeit-Artikel im Jahr 1986 und einem Spiegel-Beitrag von 2001 ist in Deutschland nichts über Kolbe erschienen, der als „George Wood” seinen Teil zum Ende der Nazi-Barbarei beigetragen hat. Der von dem früheren Le Monde-Korrespondenten Lucas Delattre im vergangenen Jahr bezeichnenderweise zuerst auf Französisch erschienene Band über den „Espion au coeur du IIIe Reich” ist überhaupt das erste Buch über Kolbe. Allein deshalb schon hat Delattre der Geschichtsschreibung über den deutschen Widerstand eine wichtige Facette hinzugefügt. Einziger möglicher Einwand von Puristen unter den Historikern: Trotz der Einsicht in zahlreiche Archive, unter anderem auch in das Privatarchiv von Allen Dulles, ist die spannend geschriebene Geschichte im Stil einer Doku-Fiction gehalten, in der manche Kolbe-Erlebnisse phantasievoll nachempfunden werden.
Zerrissenheit eines Patrioten
Wichtiger aber ist: Das Leben Kolbes, der nie der NSDAP beigetreten war und dennoch im Außenministerium als pflichtbewusster Beamter geschätzt wurde, ist ein Paradebeispiel für die Zerrissenheit eines deutschen Patrioten und insofern von grundsätzlicher Bedeutung. Da war der „Treue-Eid”, den er dem „Führer” leisten musste und da war sein Humanismus, der sich über die Nazi-Gräuel, die Ermordung sowjetischer Gefangener, die Deportation der Juden und die Tötung von Geisteskranken entsetzte. Nach dem Krieg schrieb Kolbe: „Mit dem Vorwurf des Verrats hatte ich mich innerlich auseinander gesetzt und ihn überwunden. Hitler war durch Betrug und Gewalt an die Macht gekommen und hatte Deutschland und die ganze Welt in den Krieg gestürzt. Nach meiner Ansicht war dem Hitler-Regime niemand zu Treue und Gehorsam verpflichtet.”
In der jungen deutschen Nachkriegsdemokratie sah man das anders. Im Auswärtigen Amt, aus dem Kolbe offiziell nie ausgeschieden war, hatten die alten Nazi-Diplomaten, wie Herbert Blankenhorn, der ausgerechnet der deutschen Gesandtschaft in Bern angehört hatte, unverändert das Sagen. In einer Bundestags-Debatte räumte Konrad Adenauer ein, dass 66 Prozent der „neuen” Diplomaten ehemalige NSDAP- Parteimitglieder seien. Sie verhinderten, dass der „Verräter” wieder im Staatsapparat beschäftigt wurde. Kolbe , der 1971 starb, musste sich unter anderem als Vertreter einer amerikanischen Sägenfirma über Wasser halten.
RALF HUSEMANN
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fritz Kolbe war zu unscheinbar für die Geschichte, und deshalb, so Joseph Hanimann, hätte sie ihn beinahe vergessen, bis sich der französische Journalist Lucas Delattre seiner annahm und - so das Urteil des Rezensenten - seine Sache sehr gut machte. Der Grund für die Obskurität des Mannes, der zwischen 1943 und 1945 brisante "geheime Reichssachen" an die Amerikaner weitergab: Der mausgraue Beamte war so jenseits von intellektueller Grandeur oder heroischer Emphase, dass er beinahe unsichtbar war. Und was im Krieg seiner Tarnung förderlich war, beschleunigte hinterher sein Verschwinden in der Durchschnittlichkeit, aus der er kam. Was ihm, wie der Rezensent darlegt, anscheinend nur recht war. Und an diesem Punkt wurde es für Hanimann interessant: Wie kam es, dass dieser Mann eben doch anders, und zwar radikal anders handelte als Millionen anderer Durchschnittsdeutscher? Delattres Biographie, die in der "gut übersetzten deutschen Fassung eine Zeittafel und ein Personenregister hinzugewonnen" hat, gebe "Ansätze zu plausiblen Antworten", vor allem weil der Autor das Archivmaterial "mit Gespür für Szenen, Stimmungen und Motivhypothesen" zu einer Lebenserzählung zusammengesetzt habe. In der übrigens die Jahre vor und nach der Spionagetätigkeit, so lang sie auch waren, nur "Prolog und Epilog" sind. Aus der Banalität des Lebens heraus - und in sie zurück.

© Perlentaucher Medien GmbH
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