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Der Islamismus, den die westliche Welt als religiös-politisches Phänomen erst durch den Anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon im Herbst 2001 richtig zur Kenntnis genommen hat, existiert in Wahrheit schon mehr als ein Vierteljahrhundert. Der Autor untersucht, wie auf den Trümmern des arabischen Nationalismus in Ägypten ein exemplarischer Islamismus entstand, der zur Ermordung Anwar as-Sadats führte. In großem Bogen durchmißt Kepel die gesamte islamische Welt, von den arabischen Ländern und dem Sudan über Iran und Irak bis Malaysia und Indonesien und skizziert die Situation…mehr

Produktbeschreibung
Der Islamismus, den die westliche Welt als religiös-politisches Phänomen erst durch den Anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon im Herbst 2001 richtig zur Kenntnis genommen hat, existiert in Wahrheit schon mehr als ein Vierteljahrhundert. Der Autor untersucht, wie auf den Trümmern des arabischen Nationalismus in Ägypten ein exemplarischer Islamismus entstand, der zur Ermordung Anwar as-Sadats führte. In großem Bogen durchmißt Kepel die gesamte islamische Welt, von den arabischen Ländern und dem Sudan über Iran und Irak bis Malaysia und Indonesien und skizziert die Situation zwischen Gewalt und Demokratisierung. Die Expansion des militanten Islamismus hat ihren Höhepunkt überschritten, so sein ermutigendes Fazit. Der Weg zur muslimischen Demokratie ist möglich.
Autorenporträt
Gilles Kepel, geboren 1955, studierte Soziologie und Arabistik, ist Professor für Politische Studien am Institut d'Etudes Politique in Paris und hatte zahlreiche Gastprofessuren inne. Er gilt als einer der renommiertesten Forscher zum Thema des islamischen Fundamentalismus.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.05.2002

Versöhnung nicht ausgeschlossen
Das kulturelle Erbe des Islam ist mit der Demokratie vereinbar – aber bis das gelingt, wird noch viel Blut vergossen
GILLES KEPEL: Das Schwarzbuch des Dschihad. Aufstieg und Niedergang des Islamismus, Piper, München 2002, 532 Seiten, 29,90 Euro
Das Rezept für einen starken, extremen Islamismus ist einfach: Man nehme die regionalen Gegebenheiten sowie die internationale Lage und füge im jeweiligen Land eine schwere soziale Krise hinzu. Zu den Grundzutaten gehören ferner ein interessengeleiteter Protektionismus und finanzielle Unterstützung von Seiten der USA sowie Saudi Arabiens mit seinem (sunnitischen) Führungsanspruch in der islamischen Welt. Die Konkurrenz zum Iran, Vertreterin des schiitischen Islam, darf als Würze nicht fehlen. Nicht zu vergessen die Instrumentalisierung entsprechender Gruppierungen durch die Herrschenden zum Zweck der eigenen religiösen Legitimation. Die Ingredienzen rühre man so lange, bis sich antagonistische Gesellschaftsgruppen – das fromme Bürgertum, die mittellose städtische Jugend und die islamistische Intelligenzija – vereinen. Fertig ist die Suppe. Geraten die Elemente jedoch aus dem Gleichgewicht und spalten sich gar, gerät die Brühe zur explosiven Mixtur: Es beginnt der Terror. Je ärger indes die Gewalt, umso ungenießbarer wird das Gericht für die Anhänger.
So könnte man, sehr vereinfacht, Gilles Kepels Theorie vom Aufstieg und Niedergang des Islamismus beschreiben. Sein komplexes Werk schafft einen aufregenden Überblick über die politischen Geschehnisse in der arabisch- islamischen Welt von den 60er Jahren bis heute. Detailliert beschreibt der renommierte französische Islamforscher und Soziologe von Algerien über Europa bis Indonesien die regionalen Besonderheiten, vor allem aber die vergleichbaren Entwicklungen, welche die islamische Bewegung zum Erfolg und – wie Kepel meint – zum Scheitern geführt haben.
Kepel teilt die historischen Abläufe in Abschnitte: Das beginnt mit der Entstehung des Islamismus als Kompensation für das Versagen des arabischen Nationalismus, das durch die militärische Niederlage der Araber gegen Israel im Sechs-Tage-Krieg von 1967 offen zu Tage trat. Der Islamismus, angefeuert durch die iranische Revolution im Iran 1979, breitete sich aus. Zehn Jahre später erreichte er seinen Höhepunkt: Im Sudan übernahm ein islamistisches Regime die Macht; in Algerien mobilisierten die Islamisten die Massen; in Palästina forderte die islamistische Hamas die säkulare PLO heraus; in der Sowjetunion brach das kommunistische System zusammen, die Rote Armee zog aus Afghanistan ab. Der Islamismus verbreitete sich auf diese Weise über Bosnien, Tschetschenien bis nach Zentralasien. Khomeinis Fatwa gegen den Autoren Salman Rushdie konnte die Muslime über die Grenzen der islamischen Welt hinaus bis nach Europa in Aufruhr versetzen.
Mit seinem Aufstieg häuften sich nach Kepel aber auch die Widersprüche innerhalb der islamistischen Bewegung. Der Golfkrieg spaltete sie, nachdem die Alliierten mehr als eine halbe Million nicht-muslimischer Soldaten auf saudischem Boden stationiert hatten. Ausgerechnet Saddam Hussein, nicht gerade durch Frömmigkeit bekannt, trieb mit seinen religiös gefärbten Aufrufen gegen die westlichen Mächte und ihre Verbündeten, die Saudis, einen Keil zwischen die Gruppierungen. Saudi-Arabiens religiöse Legitimation und Macht waren geschwächt: Mit den Petrodollars war plötzlich kein Beistand mehr zu erkaufen. Die islamische Doktrin konnte die sozialen Spannungen innerhalb der Bewegung nicht mehr übertünchen. Mittelschicht und mittellose Jugendliche drifteten zunehmend auseinander. Die einen wandten sich wieder den Herrschenden zu, profitierten allmählich von der Marktwirtschaft. Die anderen entfernten sich von der sozialen Basis: Versprengte Banden rutschten in den Terrorismus ab. „Die internationale Brigade der Dschihad-Veteranen bekam einen völlig anderen Charakter: Sie entzog sich ab sofort jeglicher Form von staatlicher Kontrolle und stand dafür weltweit den unterschiedlichsten Zwecken des radikalen Islamismus zur Verfügung.” Extremstes Beispiel: die Taliban in Afghanistan.
Die 90er Jahre prägten Terror und Gewalt: Anschläge am Nil, Massaker in Algerien, Kampagnen der algerischen Terroristen in Frankreich, 1993 das erste Attentat auf das New Yorker World Trade Center, verheerende Attacken auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998. Die Brutalität ging bald sogar den meisten extremen Islamisten zu weit. In Palästina und anderen Ländern wie Algerien litt die einheimische Bevölkerung unter den Folgen der Terroranschläge; einen politischen Gewinn brachten sie nirgendwo. Im Gegenteil: Die Mittelschicht, in ihrer eigenen Existenz bedroht, ging zunehmend auf Distanz, der gesellschaftliche Kitt bröckelte. Seit 1995 sieht Kepel die islamistische Bewegung im Niedergang. Ihre politische Ideologie habe sie überall in die Sackgasse geführt. Das islamistische Experiment könne „unfreiwillig die Voraussetzungen für seine eigene Überwindung geschaffen haben”. Die moralische und politische Bilanz von drei Jahrzehnten Islamismus sei den eigenen Ansprüchen, „gelinde ausgedrückt”, nur wenig gerecht geworden. Je mehr die Mobilisierungskraft der Bewegung schwinde, umso mehr stürze sie sich in Terrorakte. Den Terrorismus der Islamisten interpretiert Kepel deshalb nicht als Stärke, sondern als Schwäche.
Es sei vielerorts zu beobachten, so der Autor, dass die islamistische Intelligenzija sich einer neuen Form muslimischer Demokratie zuwende – am besten zu beobachten im Iran, wo vor allem Jugend und Frauen immer lauter nach Reformen rufen. Diese Entwicklung könne allerdings nur fruchten, wenn die herrschenden Regime bereit seien, entsprechende Maßnahmen zur Liberalisierung zu ergreifen.
Kepels faszinierendes Buch ist erstmals vor zwei Jahren in Paris erschienen. Die Anschläge auf die USA vom 11. September greift er dennoch in einem Vorwort für die deutsche Ausgabe auf. Seine überzeugend dargelegte Theorie sieht er durch diese Ereignisse nicht erschüttert. Vielmehr hofft Kepel, dass sich weiterhin die Erkenntnis durchsetzen werde, dass das kulturelle und religiöse Erbe des Islam, aus dem eine der größten Zivilisationen der Menschheit hervorgegangen ist, mit den Regeln demokratischer Gesellschaften zu versöhnen sei – insbesondere im Zeitalter der Globalisierung, in dem die Menschen immer abhängiger voneinander werden. Kepel mag Recht haben. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, der wie jetzt in Palästina und Israel mit viel Blutvergießen und Leid einhergehen wird. ALEXANDRA SENFFT
Die Rezensentin ist Islamwissenschaftlerin und Journalistin in Hamburg.
Die muslimische Intelligenzija ruft vielerorts nach Reformen – bislang aber ohne erkennbaren Erfolg.
Foto: Signum/SZ
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Die Kernaussage von Gilles Kepels jüngstem Buch über den Islamismus, in Frankreich bereits im Jahr 2000 erschienen und für den deutschen Buchmarkt mit einem frischen Vorwort versehen, dürfte die meisten Leser überraschen, meint Andreas Ufen. Statt der üblichen Warnrufe behaupte nämlich Kepel, dass der Islamismus im Niedergang begriffen sei. Ufen referiert die drei Phasen, die Kepel skizziert: Aufschwung; Expansion und Verschärfung der inneren Widersprüche; Niedergang und Neuorientierung, wobei er die islamistische Epoche mit dem Ende des Jom-Kippur-Krieges im Jahr 1973 überhaupt erst beginnen lasse. Ufen bewundert die ausgesprochen informative und instruktive Aufarbeitung der islamistischen Bewegung, die schließlich sehr heterogen sei. Er benennt außerdem einige Schwächen des Buches wie die fehlende Definition von Grundbegriffen und einer genaueren Benennung der sozialen Basis jener Bewegung, die lange Zeit von einem Bündnis zwischen der armen Stadtjugend und der frommen Mittelschicht getragen wurde. Kepel sieht Ufen zufolge eine Neuorientierung der islamischen Intellektuellen im Gang - jüngstes Beispiel: Iran.

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"Ein fundierter und detaillierter Überblick über die Entwicklung und die regionalen Ausformungen des Islamismus." (NZZ)