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Über Nacht machte sie 1953 der Gedichtband "Die gestundete Zeit" zur gefeierten Schriftstellerin. Seit sie ein Jahr zuvor bei der Gruppe 47 gelesen hatte, war Ingeborg Bachmann zu einer Stimme in der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur geworden, deren Bedeutung rasch wuchs und deren Klang unverwechselbar bleiben sollte. In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten bestimmte Ingeborg Bachmann das literarische Leben in Deutschland auf nachhaltige Weise. Ihr Ruhm lebt bis heute fort, ihre Texte haben nichts von ihrer Kraft und Originalität verloren.Freunde und Zeitgenossen, von Joachim Kaiser bis…mehr

Produktbeschreibung
Über Nacht machte sie 1953 der Gedichtband "Die gestundete Zeit" zur gefeierten Schriftstellerin. Seit sie ein Jahr zuvor bei der Gruppe 47 gelesen hatte, war Ingeborg Bachmann zu einer Stimme in der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur geworden, deren Bedeutung rasch wuchs und deren Klang unverwechselbar bleiben sollte. In den darauffolgenden zwei Jahrzehnten bestimmte Ingeborg Bachmann das literarische Leben in Deutschland auf nachhaltige Weise. Ihr Ruhm lebt bis heute fort, ihre Texte haben nichts von ihrer Kraft und Originalität verloren.Freunde und Zeitgenossen, von Joachim Kaiser bis Hans Werner Henze, schreiben hier von der Dichterin und Frau; Lyriker und Schriftsteller unserer Tage von Marcel Beyer und Norbert Niemann bis zu Judith Kuckart erzählen von ihrem ganz persönlichen Verhältnis zu einer Autorin und ihrem vielschichtigen Werk.
Autorenporträt
Thomas Tebbe, geboren 1965 in Wesel / Niederrhein, studierte Anglistik, Pädagogik und Geschichte und arbeitet heute als Verlagslektor in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.08.2001

Die Dame Dichterin
Ingeborg Bachmann im Urteil ihrer Kollegen

Berühmteste Autorin der Nachkriegszeit, lyrisches Glückskind, weiblicher Peter Handke, Undine und Kassandra als Lazarus, Jeanne d'Arc des Feminismus, Beute der Feministinnen, Dichterin im Mainstream-Kitsch der verdrucksten Adenauer-Jahre - so weit auseinander driften die Urteile in den Essays von Autoren über Ingeborg Bachmann, die Reinhard Baumgart gesammelt hat. Fazit: Autoren der jungen Generation üben sich im Kopfschütteln, Autorinnen weichen in erzählerische Improvisationen über Motive der Bachmannschen Biographie (Judith Kuckart) oder in Neukonstruktionen aus Abbruchmaterial Bachmannscher Verse aus (Kathrin Schmidt). Unter den meisten geht offenbar die Angst um, der Sympathie mit Ingeborg Bachmann verdächtigt zu werden.

Unbefangener sind da die älteren Autoren, die den Aufstieg der österreichischen Dichterin mit ihren Gedichtbänden "Die gestundete Zeit" (1953) und "Anrufung des Großen Bären" (1956) oder gar ihre Auftritte in der "Gruppe 47" noch unmittelbar erlebten. Überraschend verhalten äußert sich Joachim Kaiser. Er gesteht, ihrer "Königinnenallüre" erlegen zu sein, sieht aber in dieser Allüre auch den Grund für die enormen Vorbehalte der Jüngeren gegen die "Dame Dichterin". Reinhard Baumgart hat die Entstehung und Korrektur ihrer Texte eine Zeitlang als Lektor des Piper Verlags begleitet und war "zuständig für die Ausnüchterung aller Himmelfahrtstendenzen" im Prosaband "Das dreißigste Jahr". In der späten Prosa entdeckt er sogar Humor, allerdings von jener Ungemütlichkeit, wie sie "in aller k. u. k. Untergangsliteratur üblich" ist. Peter Hamm dagegen hält in seiner Bachmann-Rede von 1986 weiterhin an seinem "Bedürfnis nach Heiligen" fest. Zum "Künstler als Märtyrer" - hier stellt Hamm die Dichterin zu Paul Celan - "gehört jedenfalls der hohe Ton, der feierliche Ton".

Peter Demetz bleibt auch beim Wiederlesen der frühen Gedichte von Ingeborg Bachmanns "poetischer Energie" beeindruckt, konstatiert aber auch eine kleistische Süchtigkeit "nach Grenzüberschreitungen in einem rigorosen Sinn". Am Roman "Malina" mißfällt ihm "sein geschwätziges Wiener Arkadien (Seelenmarter in der Eden-Bar und im Sacher)", er "hängt" an einer gattungsübergreifenden Sprache ("nicht mehr ganz Lyrik, noch nicht ganz Prosa"), wo Ingeborg Bachmann "Undine" ist: "noch halb in den Fluten, aber noch nicht ganz auf unserer Erde".

Können junge Autoren, nach ihrer Meinung über die Etablierten befragt, überhaupt anders reagieren als egozentrisch? Thomas Kling jedenfalls kann es nicht. In seiner Philippika bricht ein Unwetter über Ingeborg Bachmann herein, es hagelt Vorwürfe wie "artifizielle Schneewittchenhaftigkeit" der Verse, "Kulissenschieberei" oder "unelegantes Gewuchte von Bildern". Der Österreicher Franzobel, Träger des Ingeborg-Bachmann-Preises von 1995, hat sich auf die Suche nach der Namengeberin gemacht und in ihr eine Österreich-Flüchtige gefunden - willkommene Gelegenheit, in den Schmähchor der Österreich-Verächter einzustimmen. Aber die Hochachtung für die Dicherin wird zweischneidig, sobald Franzobel auf die "verwelkten" Blüten der "Gruppe 47" zu sprechen kommt: "Die Muse dieser Herrenrunde war eine begabte und vor allem hübsche Dichterin." Ulrike Draesner reibt sich an Ingeborg Bachmanns "Überreizung der Analogie zwischen Weiblichkeit und Opferrolle". Die Lyrik hält bei der Wiederlektüre nicht stand: "Kraftvolle Verse, doch oft zahm. Gelungene Gedichte, aber so leicht durchschaubar." Zu mühelos sei Ingeborg Bachmann in den Literaturbetrieb geglitten, und zu spät habe sie bemerkt, daß "das Autorinnenwams, das im Konfektionsladen des Betriebs im Regal lag", ihr nicht paßte.

Norbert Niemann fühlte sich zunächst durch die öffentliche Diskussion und den Alleinanspruch des Feminismus auf Ingeborg Bachmann als Leser geradezu abgeschreckt. Erst mit der Verleihung des Ingeborg-Bachmann-Preises im Jahre 1997 fiel bei ihm die Blockade. Neues Licht wirft ihm das Medienzeitalter auf das Credo der Dichterin, erst die Sprache der Poesie hauche den menschlichen Beziehungen Leben ein. Jeder Werbepsychologe, jeder Fernsehproduzent und jeder politische Medienberater wisse, daß er Wirklichkeiten zuerst erfinden müsse, um Realitäten zu erzeugen. Gegen solche Analogie spricht aber beispielsweise Ingeborg Bachmanns kritisches Gedicht "Reklame", die Entlarvung der Medienbotschaft als Trug; solcher Nachweis von Heutigkeit hätte sie kaum glücklich gemacht.

Am 25. Juni wäre Ingeborg Bachmann fünfundsiebzig Jahre alt geworden. Dagmar Leupolds poetisches Genrebild einer römischen Teestunde und Hilde Domins und Ulla Hahns Bezeugung des Einverständnisses mit der Dichterin hätten durchaus in eine Geburtstags-Festgabe gepaßt. Die Kommentare der jüngeren Autorinnen und Autoren wären da schon eher Danaergeschenke.

WALTER HINCK

"Einsam sind alle Brücken. Autoren schreiben über Ingeborg Bachmann". Herausgegeben von Reinhard Baumgart und Thomas Tebbe. Piper Verlag, München/Zürich 2001. 160 S., geb., 28.- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Die Rezensentin hat ihre Favoriten unter den hier zusammengetragenen Erinnerungstexten, Hommagen und Nachdichtungen, und vor allem kennt sie ihre Pappenheimer (Joachim Kaiser, Franzobel u.a.), denen der überdimensionale Schatten der Person Ingeborg Bachmann noch immer das Werk verdunkelt. Einer ganzen Reihe von Texten in diesem Band fehle die Distanz bzw. nur "das bisschen Verweigerungshaltung, um biografisch begründete Interpretationszwänge und Klischeebilder zurückzuweisen", schreibt Cecilia Dreymüller, sehr wenige kämen zudem ohne "latent moralisierendes Fragezeichen" aus. Andere wieder (Thomas Kling, Ulrike Draesner) verraten der Rezensentin "das Begehren, ein Idol vom Sockel zu holen." Der Beitrag von Peter Demetz etwa oder die "originelle Annäherung" von Dagmar Leupold, die mit der Dichterin Tee trinkt, sind ihr da eine Wohltat.

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