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Hitler und der Wagner-Clan
Als Hitler 1923 zu Wagners Grab pilgert, beginnt zwischen ihm und Winifred, der Ehefrau von Richard Wagners einzigem Sohn Siegfried, eine lebenslange Freundschaft, die die ganze Familie Wagner einschließt. Ab 1933 wird Bayreuth in der Festspielzeit zum Mittelpunkt europäischer Politik. Winifred nützt die Macht, die sie durch Hitler erhält, setzt sich aber auch für Verfolgte ein. Ein Buch voller Zündstoff, das auch eine ungewohnte Sicht auf den Privatmann Hitler ermöglicht.
1915 zieht die 18jährige Winifred Williams als Ehefrau von Richard Wagners einzigem Sohn
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Produktbeschreibung
Hitler und der Wagner-Clan

Als Hitler 1923 zu Wagners Grab pilgert, beginnt zwischen ihm und Winifred, der Ehefrau von Richard Wagners einzigem Sohn Siegfried, eine lebenslange Freundschaft, die die ganze Familie Wagner einschließt. Ab 1933 wird Bayreuth in der Festspielzeit zum Mittelpunkt europäischer Politik. Winifred nützt die Macht, die sie durch Hitler erhält, setzt sich aber auch für Verfolgte ein. Ein Buch voller Zündstoff, das auch eine ungewohnte Sicht auf den Privatmann Hitler ermöglicht.

1915 zieht die 18jährige Winifred Williams als Ehefrau von Richard Wagners einzigem Sohn Siegfried in Bayreuth ein. Die Villa Wahnfried ist damals ein Zentrum der "deutschen" Kunst, der Nationalen und Antisemiten, die sich um Winifreds Schwager, den Rassentheoretiker Chamberlain, scharen. 1923 pilgert Hitler zu Wagners Grab. Es beginnt eine lebenslange Freundschaft zwischen "Winnie" und "Wolf", die die ganze Familie Wagner einschließt. Winifred nützt die Macht, die sie durch Hitler erhält, setzt sich aber auch für Verfolgte ein. Zwei ihrer Kinder gehen politisch unterschiedliche Wege: Friedelind emigriert, Wieland bleibt Hitler treu. Winifred verehrt "Wolf" bis zu ihrem Tod 1980.
Aus vielen neuen Quellen ist ein Buch voller Zündstoff entstanden, das auch eine ungewohnte Sicht auf den Privatmann Hitler ermöglicht. Erstmals wird in dieser Schärfe die Verquickung zwischen ihm und den Wagners offengelegt.
Autorenporträt
Brigitte Hamann wurde in Westfalen geboren und lebt heute mit ihrer Familie in Wien. Als Historikerin arbeitet sie hauptsächlich über die Habsburger. 2012 wurde sie mit dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.06.2002

Viel Wahn in Wahnfried
Anekdotensammlung in tiefbraun: Brigitte Hamann kam nicht über das Rezeptbuch einer Winifred Wagner Biographie hinaus
Von seinen ersten Anfängen im späten 19.Jahrhundert an, als Richard Wagner das weltabgelegene Bayreuth zur Spielstätte seiner auf Kult, Weihe und Wahn abgestellten musikalischen „Gesamtkunstwerke” machte, bis wenigstens 1945 war der „Grüne Hügel” ein Nest, in dem so manche Ungeheuer geheckt wurden, von denen die Welt in Angst und Schrecken versetzt, Deutschland aber in seine tiefste Schande gestürzt werden sollte. Hier dämmerte der Rassentheoretiker Houston Stewart Chamberlain, der Ehemann der Tochter Eva bis 1927 vor sich hin, der in ein pseudowissenschaftliches System brachte, was andere in dumpfen Ressentiments ausgebrütet hatten. Hier herrschte Cosima, die Frau des Tonsetzers und Sippengründers, die, nachdem sie 1883 zur Witwe geworden war, endgültig zum Drachen mutierte und den Hort von „Wahnfried” bis zu ihrem Tod 1930 verteidigte. Das Regiment übernahm nach ihrem Ableben die Schwiegertochter Winifred, ein Waisenkind aus England, das Cosima im Januar 1917 mit ihrem einzigen Sohn, dem schwulen Siegfried, verheiratete, der 28 Jahre älter als seine Frau war und der passenderweise im selben Jahr wie seine Mutter, 1930, das Zeitliche segnete. Trotz der Homosexualität des Gatten war diese Ehe mit vier Kindern gesegnet, Wieland, Friedelind, Wolfgang, der heutige Gralshüter, und Verena. Nach der langen Brücke zweier Regentschaften, die von starken Witwen ganz nach den Vorstellungen des Sippengründers ausgeübt wurden, ging mit den Enkeln Wieland und Wolfgang endlich auch dessen sehnlichster Wunsch in Erfüllung, dass die Leitung der Weihespiele auf dem Hügel nur in den Händen von blutsmäßigen Nachkommen in direkter Linie liege.
Führers Hosenbein befummelt
Schon diese wenigen Andeutungen machen Mitteilungen von einem Sagenstoff ganz nach dem Geschmack des Meisters, der es in sich hat. Am Beispiel der Wagnersippe ließe sich nämlich unschwer das Elend jenes deutschen Bürgertums erweisen, das sich mit seinem siegdeutsch angestrichenen und kräftig antisemitisch grundierten wilhelminischen Erbe in die Arme des ursprünglich sehr proletenhaften Nationalsozialismus warf und diesem dadurch zu einer Reputation verhalf, die ihm die Errichtung eines Gewaltregimes, das seinesgleichen nicht hat, im Lande der Dichter und Denker erheblich erleichterte.
Dass trotz solcher Verlockungen Historiker diesen Stoff aber bislang mieden, hat vor allem zwei Ursachen. Zum einen die Hemmung, die Anfänge dieses Spuks, das musikalische Werk Wagners und dessen stets gewollte apotheotische Inszenierung, auch für die Folgen in Verantwortung zu nehmen; zum anderen die wahrhaft abschreckend-effiziente Geschichtspolitik der Wagnersippe, die es seit je glänzend verstand, über alle Zusammenhänge, die geeignet wären, die reine, die geradezu „heilige” Ausstrahlung des Werks zu beeinträchtigen, einen schier undurchdringlichen Schleier zu breiten. Das hat zur Folge, dass das Familienunternehmen „Bayreuther Festspiele” vor allzu neugierigen Blicken durch eine Waberlohe aus allerlei Mythen, Halbwahrheiten, Denunziationen, Lügen, falschen Prätentionen, Familienzwistigkeiten, Schwulst und Jargon geschützt, jahrein jahraus erfolgreich weiter geht.
Dieses Treiben wird aller Voraussicht nach auch Brigitte Hamanns umfangreiches Buch „Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth” in keiner Weise beeinträchtigen. Zwar enthält es eine Fülle von brisantem Material, werden Zusammenhänge erhellt, die bislang nur zu erahnen waren, aber dennoch ist das Ergebnis enttäuschend. Ursache dafür ist aber keineswegs, dass der Autorin in bewährter Manier der Einblick in wesentliche Archivalien verweigert wurde – der gesamte Nachlass Winifreds und Siegfrieds, der aus umfangreichen Korrespondenzen mit Künstlern, politischen Freunden und insbesondere auch mit Adolf Hitler besteht, wird von einer in München lebenden Enkelin Winifreds unter Verschluss gehalten –, sondern dass sie im Gegenteil augenscheinlich damit zu kämpfen hatte, in der Fülle des Materials, das ihr unbeschadet der Wagnerschen Geschichtspolitik zugänglich war, nicht zu ertrinken.
Was schon an Brigitte Hamanns früherem und sehr erfolgreichen Buch „Hitlers Wien” manchen Leser verstörte, hier wird es leider endgültig zur Methode: Ein historischer Positivismus, der sich an der Oberfläche eines vergangenen Geschehens derart abarbeitet, dass alles irgendwie als gleich wichtig vorgeführt und als gleichgewichtig dargestellt wird. Das Ergebnis ist eine verwirrende, weil rein chronistische Erzählung, die auch vor der Wiedergabe dümmster Banalitäten nicht zurückschreckt. Dafür nur ein Beispiel unter vielen: „Man setzte sich an den Teetisch, wobei Hitler ein Missgeschick passierte: Ein Brötchen fiel ihm ,auf die wunderschöne hellgraue Hose und natürlich mit der Butterseite nach unten‘. Liselotte: ,Das war nun was für mich: Heißes Wasser war zur Hand, ein Taschentuch auch, und so fummelte ich sage und schreibe dem Führer auf dem Hosenbein herum, dass es nur so eine Art hatte. Er half sehr taktvoll dabei, und die Hauptsache war, dass nach der Trockenlegung auch tatsächlich kein Fädele mehr dran war. So was Schönes ist mir natürlich noch nie passiert ...‘”
Der historische Positivismus in seinem simpelsten Verständnis, dem sich Brigitte Hamann – der Erfolg ihrer Bücher beim breiten Publikum gibt ihr Recht –, verschrieben hat, bannt sie unentrinnbar in die Perspektive des „What the butler saw”, wie die einst auf englischen Jahrmärkten beliebte Guckkastenbelustigung hieß. Das ist umso bedauerlicher, als das Thema, das sie behandelt und für das sie mit immensem Fleiß und Zähigkeit eine überwältigende Fülle an Quellenmaterial zusammengetragen hat, darüber geradezu exemplarisch verfehlt wird. Es wird verfehlt, weil sie zum einen nicht im Stande ist, ihre Quellen und deren Aussagen themenbezogen zu gewichten und kritisch zu würdigen. Wie sonst ließe sich beispielsweise das Ärgernis erklären, dass von ihr wiederholt ohne jede kritische Einschränkung Aussagen von Winifred zu zeithistorischen Ereignissen zitiert werden, von denen es lediglich heißt, dass sie „später” gemacht worden seien. Schaut man im Anmerkungsteil nach, was es mit diesem ominösen „später” auf sich hat, dann stellt man mit einigem Erstaunen fest, dass es sich um Aussagen Winifreds handelt, die sie entweder im Zusammenhang mit ihrem Entnazifizierungsverfahren nach 1945 vortrug oder in der berühmten Filmdokumentation von Hans Jürgen Syberberg tat, die 1975 entstand!
Im Perversen gemenschelt
Ein weiteres, womöglich noch größeres Manko der Darstellung von Brigitte Hamann ist, dass sie konsequent auf jede analytische Einordnung, auf jegliche kritische Erörterung, auf resümierende Synthese, die – was sonst? – Wesen und Gehalt von seriöser Geschichtsschreibung ausmacht, verzichtet. Was ihr Buch in Hülle und Fülle bietet, sind wertvollste Einzelheiten, aufschlussreichste Hinweise, die nicht nur für das Bayreuth, die Wagner- Festspiele vor und während des „Dritten Reichs”, für die „tiefbraune” Gesinnung der Hauptprotagonistin und ihres Kreises, sondern auch für das dämonische Ungeheuer Hitler, bei dem perverserweise überraschend menschliche Züge zum Vorschein kommen sowie für die Kulturpolitik der Nazis, die sich, in Gestalt von Göring und Goebbels, um den Einfluss auf das Festspielgeschehen katzbalgten, von erstrangiger Bedeutung sind. Der immense Erkenntnisgewinn, der daraus zu ziehen wäre, wird aber dadurch verschenkt, dass die Autorin es nicht verstanden hat, diese Bruchstücke zu einer Konfession zu formen, die historische Aufklärung über ihren Gegenstand im Schilde führte.
Was ein historiographisches Meisterwerk, ja geradezu ein Klassiker des Genres hätte werden können, erweist sich so als ein unübersichtliches, mühsam zu lesendes, vor allem aber erschreckend geistesschlichtes Rezeptbuch zu einem großen Thema, von dem man nur hoffen kann, dass sich ein Historiker findet, der sich darauf versteht, diese hier ausgebreiteten Zutaten nicht ein weiteres Mal nur zu verrühren und als ein Ola potrida zwischen zwei Buchdeckel zu pressen. Allerdings, so muss man vermuten, ist für dieses enttäuschende Ergebnis nicht allein die Autorin, sondern auch ihr Verlag verantwortlich, der mit diesem nach seinen Anlagen großen, aber in seiner jetzigen Gestalt völlig verunglückten Werk allzu schnell einen buchhändlerischen Erfolg landen wollte. Das wird mit Gewissheit auch gelingen, aber ein großer Schaden ist es trotzdem.
JOHANNES WILLMS
BRIGITTE HAMANN: Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth. Piper Verlag, München 2002. 687 Seiten, 26,90 Euro.
Vor der „Götterdämmerung” küsst Hitler Winifred die Hand.
Foto: Rita Proskar
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2002

Des Führers hohe Frau
Matriarchat und Männermacht: Brigitte Hamanns Winifred Wagner

Wagner-Frauen, seltsam' Geschlecht: Stark sind sie, manisch-obsessiv, leben emanzipatorisch wider alle Konvention, nehmen ihr Geschick in die Hand; dennoch hängen sie am Phantom-Mann. Der "Held" indes ist schwach, hinfällig, "erlösungsbedürftig". Von "Holländer" bis "Parsifal": vertrackte Paarbeziehungen, "legitim" keine einzige. Wie sah die Realität aus? Der flüchtige sächsische Revolutionär und die Zürcher Großbürgersgattin Mathilde Wesendonk; dann Cosima, uneheliche Tochter Liszts und der Gräfin d'Agoult, verheiratet mit Hans von Bülow, den sie Wagners wegen verließ. Cosima, die Französin, zunächst nicht perfekt deutsch sprechend, überlebte Wagner um fast fünfzig Jahre, wurde "Herrin von Bayreuth", Gralshüterin der Chauvinisten und Antisemiten, die ihr, der Herkunft wegen, manchmal wahres Verständnis fürs "Urdeutsche" absprachen.

Nahmen in Wagners Physiognomie schließlich "weibliche" Züge zu, so entsprach sein Sohn Siegfried vollends keineswegs dem heroischen Typ. Auch seine "Herrin" kam nicht aus teutscher Kern-Familie: Winifred Williams, englisches Waisenkind, wurde in Berlin von dem Wagnerianer Karl Klindworth streng im Bayreuther Sinn erzogen. 1915 heiratete sie Siegfried: Und als 1930 Cosima wie Siegfried starben, da war sie plötzlich "Herrin von Bayreuth", entwickelte sich (über)identifikatorisch zur clever-pragmatischen Festspiel-Managerin, die Bayreuth bis 1944 führte. Zur Ikone der Frauenemanzipation hätte sie durchaus getaugt. Wäre da nicht ein Traum-Mann ganz anderer Art gewesen: Adolf Hitler.

"Voller Ehrfurcht", so Winifred, betrat der "Führer" 1923 die Villa Wahnfried; bis zu ihrem Tod 1980 hat sie ihm wahre "Nibelungentreue" gehalten. Nach 1945 war sie "belastet", die Söhne Wieland und Wolfgang erteilten ihr Festspielhaus- und öffentliches Redeverbot. Erst in Hans-Jürgen Syberbergs Interviewfilm 1975 hat sie sich zur ihrer ungebrochenen Liebe zu Hitler bekannt, sich über ihre und Bayreuths Rolle im Dritten Reich geäußert. Ganz zurückgezogen freilich lebte sie nicht, blieb vielmehr unbelehrbare Galionsfigur einer verstockt braunen Rest-Gesellschaft. Bezeichnend, daß ein Grazer Leserbrief zum mäßig freundlichen Text zu ihrem 80. Geburtstag 1977 mit dem frommen Wunsch schloß: "Sei verflucht bis ans Ende aller Zeiten!"

So wie die greise Exherrin dem artigen Jünglingscharme Syberbergs erlag, so ist dieser erst recht nach ihrem Tod völlig dem Charisma des alten Drachen erlegen, hat sich zu abstrusen Elogen verstiegen. Danach wurde es still um Winifred; die Bayreuther Erbfolgequerelen, gar Wolfgangs Plans einer Winifred-Zentenar-Ausstellung haben die alten Abgründe wieder aufgerissen. Wie überhaupt in quasi Echternacher Sprüngen die NS-Kulturgrößen,Zufall oder nicht, Interesse finden: Leni Riefenstahl, Furtwängler (in Szabos Film), Pfitzner, nun auch Winifred. Die Wiener Historikerin Brigitte Hamann hat ihr nun ein materialreiches Buch gewidmet, das für alle außerordentlich aufschlußreich ist, die sich für Wagner, Bayreuth, NS-Zeit und die Verstrickungen von Kultur und Politik interessieren.

Als Wolfgang Wagner sie 1997 um einen Vortrag über seine Mutter bat, lehnte sie ab. Das Bild des Syberberg-Films reichte ihr. Doch nach ihrem Buch "Hitlers Wien" bewegte sie: Wie verlief Hitlers Aufstieg in Deutschland? Da kam sie um die Figur Winifred nicht herum, paradigmatische Kontaktperson zwischen Wagner, der deutschen Rechten, ihrer ideologischen Hochburg Bayreuth, dem Wagner-Fan Hitler, dem Personenkult um den "Führer" und den Organisationsmustern der NSDAP. Eine "politische" Biographie stand an.

In nicht geringem Maß ist sie Brigitte Hamann auch gelungen. Plastisch schildert sie die Kindheit der lebhaften Winifred wie die Rolle Bayreuths als "völkischem" Sammelbecken. Kamen die epigonalen Opern Siegfried Wagners bei den Kritikern schlechter als die von Richard Strauss weg, so lag dies natürlich nur an den "Juden". Die Haßtiraden auf "Versailles", Weimar und alle moderne Kunst waren in Bayreuth obligat: Wagners Werk wurde durch die altersstarre Cosima zementiert. Winifred mußte sich da nicht anpassen, die Entente Person-Haus-Bewegung war perfekt. Doch so wie für Hitler die Wagner-Welt seit seinen Anfängen höchstes Leitbild war, der Zugang in Wahnfried höchstes Glück, so wurde für Winifred Hitler zum ultimativen Lichtbringer: "Winnie" und "Wolf", das schlechthin deutsche Traumpaar.

Siegfried (laut Goebbels 1926 "so schlapp. Pfui! Soll sich vor dem Meister schämen.") wurde neben der Enflammierten, die effizient den Betrieb "schmiß", fast zum Statisten. 1926 meinte denn auch der junge Wieland Wagner zum geliebten "Wolf": "Weißt', du solltest eigentlich unser Papi sein und der Papi unser Onkel!" Siegfried, Antisemit auch er, war vorsichtiger, zur Rücksichtnahme auf jüdische Wagnerianer, besonders Geldgeber bereit. Winifred indes, von 1926 an fanatische Parteigenossin, hat nicht dementiert, daß sie Hitler 1923 in die Landsberger Haft "massenhaft Papier geschickt" hat - vermutlich für "Mein Kampf". Selbstverständlich begegnete sie Hitler mit erotischer Affektation, auch wenn sie diese schier psychoanalytisch umdeutete als quasi tröstend-schützende Mutter-Sohn-Beziehung zum höheren historischen Zweck.

Vieles spricht dafür, daß das Verhältnis platonisch blieb (Schlüssellochgucker kommen nicht auf ihre Kosten); entscheidender ist, daß Winifred Bayreuth mit Haut und Haaren den Nazis auslieferte. Entsprechend ungeniert haben sich diese dort, wie schon überall im "Reich", breitgemacht. Über Nacht kam ihre Macht mitnichten; das deutsche Bildungsbürgertum hatte via Wagner daran keinen geringen Anteil. Nach 1933 war Bayreuth Staatssache, Gelder und Privilegien flossen. Die Fotos Hitlers und anderer NS-Größen auf dem Grünen Hügel sind notorisch. Winifred beharrt freilich darauf, daß sie Hitler im August 1940 das letzte Mal gesehen habe. Das mag nun stimmen oder nicht. Falls dem tatsächlich so gewesen sein sollte, so hat Brigitte Hamann hierfür immerhin eine mögliche Erklärung: Nicht die Liebesbekundungen Winifreds, gar die Gerüchte über eine etwaige Heirat seien ihm allmählich lästig geworden. Nein, Winifreds permanent-penetrante Petitionen zugunsten verfolgter Juden, Homosexueller, Sozialisten, Demokraten hätten ihn sich von ihr abwenden lassen. Die Autorin führt einige triftig klingende Beispiele an, die sich mit dem Charakterbild der energischen Domina vertragen, die ihre Sträuße mit den Parteichargen ausfocht, Konflikte nicht scheute, gar zur "Sauberfrau der Partei" avancierte. Wolfgang Wagner nannte sie sogar später "Gluckhenne aller Schwulen".

In der Tat schildert Brigitte Hamann anschaulich-quellenreich die Machtkämpfe zwischen und um Berlin und Bayreuth, Göring und Goebbels, Furtwängler und Toscanini, das Hin und Her um Geld, Prestige und Einfluß, nicht zuletzt die schillernde Rolle und Persönlichkeit Heinz Tietjens als Theater-Herrscher in Berlin wie Bayreuth. Winifred und die Männer, ein Rätsel: Siegfrieds Frau, später Witwe, himmelte Hitler an, aber auch den homosexuellen englischen Schriftsteller Hugh Walpole. Trotzdem heißt es: "Tietjen war die große Liebe ihres Lebens." Irritierend wirkt eine Polarisierung: Wolfgang Wagner kommt fast durchgängig ungeschoren davon; während ausgerechnet Wieland zum Finsterling wird: Hitlers auserkorener Liebling, eitel, ehrgeizig, hemmungslos machthungrig, skrupellos einzig auf seinen Vorteil und die steile Karriere bedacht, sogar Leiter des KZ Flossenbürg, nach 1945, erst recht 1951 der perfekte Wendehals als "Entrümpler". Manche Dokumente mögen dies belegen, der Kontrast scheint ein wenig wohlfeil.

Brigitte Hamann dämonisiert die Hitler-Fixierung, die Bayreuth-Führungsrolle, die clever-trotzige Selbstdarstellung bei Syberberg nicht. Winifred wird nicht zur Bestie, wohl aber zur überlebensgroßen Repräsentantin einer deutschen Tradition aus Chauvinismus, Rassismus, Elitarismus, Kulturgläubigkeit, Genie-Kult, praktischer Tüchtigkeit, tiefverwurzeltem Haß auf die Moderne. Hannah Arendts "Banalität des Bösen" kam einem gerade beim hochtrabenden Syberberg in den Sinn. Brigitte Hamann entlastet "Winnie" schließlich mit der Formel eines jüdischen Remigranten: "strafwürdige Dummheit" - und nimmt damit die politische Biographie zurück ins Private. Nein, Winifred war nicht dumm, wohl aber als Steigbügelhalterin, ideologisches Schwungrad und Profiteurin Hitlers substantiell ins Unheil verstrickt.

Einen Einwand gegen ihr Buch nimmt die Autorin vorweg: Entscheidende Dokumente liegen bei einer Winifred-Nichte unter Verschluß: denkbar, daß sie so Ungeheuerliches enthalten, daß der Clan sehr wohl Interesse hat, sie zu verbergen. Frei von Redundanz ist das Buch nicht, unermüdlich werden Details, Anekdoten, wichtige wie unwichtige, aneinandergereiht. Ein stärker analytisch-strukturierender Durchgriff aufs Material hätte nicht geschadet, vermutlich mehr Aufschluß über Frauenliebe und -leben, -emanzipation und Männerherrschaft, deutsche Finsternisse verschafft.

GERHARD R. KOCH.

Brigitte Hamann: "Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth". Piper Verlag, München, Zürich 2002. 687 S., Abb., geb., 26,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Hitlers Bayreuth
Nach Hitlers Wien ist der Historikerin Brigitte Hamann mit Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth ein weiteres Buch gelungen, das die Reihe ihrer erfolgreichen Bücher fortsetzen wird. Und das zurecht, denn auch dieses Buch ist eine Glanzleistung erzählender und dennoch penibel recherchierter Geschichtsdarstellung.
Das Waisenkind aus Sussex
Wahnfried, Bayreuth, der "Hort der deutschen Kunst": Lange Zeit geführt von zwei außerordentlichen Frauen, von denen die eine, Cosima, aus Frankreich stammte, die andere, Winifred, ein Weisenkind aus Sussex war. Winifred Marjorie Wiliams, 1897 geboren, geriet schon als Kind in den Dunstkreis englischer Wagnerianer. Nach einer frühen Begegnung in Bayreuth mit Siegfried Wagner heiratete sie ihn im Alter von 18 Jahren. Als fünfzehn Jahre später Siegfried und gleichzeitig seine Mutter Cosima starben, sah Winifred sich unvermittelt als alleinige Herrin von Bayreuth. Von da an bis 1944 meisterte sie glänzend das Management der Festspiele. Ab 1945 geriet sie, verfemt als Steigbügelhalterin und Profiteurin Adolf Hitlers immer mehr in Vergessenheit. Schon viel früher, bereits in den zwanziger Jahren, hatte sie sich in ihn verliebt. Und ihm hielt sie dann auch fatalerweise bis an ihr Lebensende 1980 die "Nibelungentreue".
"Gluckhenne aller Schwulen"
Im Sommer 1940 lud Hitler sie zum letzten Mal zu sich ein. In den Jahren darauf verlor sie durch zahlreiche Hilfsaktionen, in denen sie keineswegs nur "Ariern" das Leben rettete, seine Gunst. Zu oft hatte sie um Fürsprache für Verfolgte bei ihm gebeten. Ihr Sohn und Günstling des "Führers" Wolfgang Wagner, den Hitler neben seinem Bruder Wieland Wagner noch gerne empfing, nannte sie später sogar "Gluckhenne aller Schwulen". Trotz ihrer wohl tatsächlich vorhandenen Barmherzigkeit verlor sie niemals den Glauben an Adolf Hitler und den Nationalsozialismus. In Hans Syberbergs skandalösen Film tritt sie uns noch im Jahr 1975 als unverbesserliche Nationalsozialistin entgegen: fortan geliebt von der extremen Rechten, verabscheut, aber ein bisschen verkannt vielleicht von allen anderen.
Das reich und informativ bebilderte Buch versucht nun einer Frau gerecht zu werden, die verblendet von ihrer Liebe zu Adolf Hitler war, deren Charakter aber manch andere Seite vorzuweisen hatte. Seiten, die sie zu einer durchaus ambivalenten Persönlichkeit werden ließen. Eine schillernde ist sie allemal, und unter anderen Umständen hätte sie auch als Identifikationsfigur der Emanzipation gelten können.
Brigitte Hamann hat mit Winifred Wagner eine Person portraitiert, an der sich der aus der Sicht seiner Wiener Jahre unverständliche Aufstieg Hitlers zum Reichskanzler hervorragend darstellen ließ. Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth ist daher auch in gewisser Weise als Fortsetzung ihres Buchs Hitlers Wien zu lesen.
(Andreas Rötzer)
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Geradezu genüsslich seifenopernhaft stürzt sich der Rezensent Johannes Willms ins wagnerianische Getümmel, webt unter Paukenschlägen am Sagenteppich und will offensichtlich damit dem Leser klarmachen, wie verlockend und gleichzeitig wichtig die Thematik des Buches ist. Und doch haben die Historiker den Stoff bisher gemieden, wofür Willms zwei Erklärungen findet: die Hemmung, Wagners apotheotische Musik mit den späteren Ereignissen in einen Kausalzusammenhang zu bringen, und die "abschreckend-effiziente Geschichtspolitik der Wagnersippe", die wesentliche Dokumente stur unter Verschluss hält. Auch Hamanns Buch wird den schweren Schleier nicht lüften, meint Willms. Nicht nur weil auch ihr der Zugang zu den "wesentlichen Archivalien" verweigert wurde, sondern ganz offensichtlich, weil sie in der Fülle des verfügbaren Materials ertrinkt. Enttäuschend, findet Willms und diagnostiziert "historischen Positivismus in seinem simpelsten Verständnis", da die Quellen weder themenbezogen gewichtet noch analytisch, kritisch und synthetisch behandelt würden. Gerade der immense Erkenntnisgewinn, den eine gelungenen Analyse erbracht hätte, mache es so schade und so ärgerlich, dass hier das Thema "geradezu exemplarisch verfehlt" werde. So bleibt Hamanns Buch ein "erschreckend geistesschlichtes Rezeptbuch", urteilt Willms, macht dafür aber auch die vorschnelle Verlagspolitik verantwortlich.

© Perlentaucher Medien GmbH
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