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"Geliebt zu werden. Das ist kein schlichtes Wünschen - das ist viel komplizierter und viel mehr." Eine Frau schreibt einem Schriftsteller. Sein Buch hat sie tief berührt, sie kann es nicht lassen, sie muss ihm schreiben. Vierzehn Briefe wird sie dem unbekannten Freund schicken. Sie ist nicht mehr jung, verheiratet, die drei Kinder brauchen sie nicht mehr, sie hat viel Zeit. Sehnsüchtig sind ihre Briefe, von zarter Melancholie durchzogen, von dem Wunsch erfüllt, in dem Unbekannten den einen Seelenfreund zu finden.

Produktbeschreibung
"Geliebt zu werden. Das ist kein schlichtes Wünschen - das ist viel komplizierter und viel mehr."
Eine Frau schreibt einem Schriftsteller. Sein Buch hat sie tief berührt, sie kann es nicht lassen, sie muss ihm schreiben. Vierzehn Briefe wird sie dem unbekannten Freund schicken. Sie ist nicht mehr jung, verheiratet, die drei Kinder brauchen sie nicht mehr, sie hat viel Zeit. Sehnsüchtig sind ihre Briefe, von zarter Melancholie durchzogen, von dem Wunsch erfüllt, in dem Unbekannten den einen Seelenfreund zu finden.
Autorenporträt
Iwan Bunin, geboren 1870 in Woronesch, emigrierte 1920 nach Paris. Am 10.12.1933 erhielt er als erster russischer Schriftsteller den Nobelpreis für Literatur. Er starb am 8. November 1953 im französischen Exil.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.09.2004

DAS HÖRBUCH
Vergebliches Hoffen auf Antwort
Vertrauen durch Lektüre: Susanne Lothar liest Bunin
Iwan Bunins Erzählung „Ein fremder Freund” besteht aus vierzehn Briefen, die eine Verehrerin einem Schriftsteller schreibt. Die Frau beginnt mit einer spontanen Ansichtskarte aus Begeisterung für ein Buch. Sie schickt am nächsten Tag einen ausführlicheren Text hinterher, zwei Tage darauf folgt ein Brief, in welchem sie dem Schriftsteller vorhält, dass er sich mit seinem Buch zuerst an sie gewandt hätte und sie ja bloß antworte. Aus dieser nur vermeintlichen Schlussfolgerung leitet sie die Bitte um eine Erklärung seiner Kunst ab, nebenher teilt sie ihm mit, dass sie als Mädchen nicht hässlich gewesen sei und sich in den vielen Jahren nicht allzu sehr geändert habe. Der Autor antwortet nicht. Es folgen elf Briefe binnen eines Monats, in denen sie ihr Seelenleben vor dem Unbekannten ausbreitet, Antwort fordert, um Antwort bittet, auf Antwort verzichtet, um Antwort fleht - und auf die sie niemals Antwort bekommt.
Beim flüchtigen Hören könnte man die Frau für eine Nervensäge halten und Bunins Erzählung als abstrus abtun. Hört man genauer hin, zeigt sich das erstaunliche kleine Meisterwerk eines Schriftstellers, der sich einer vielleicht typischen Nervensäge fürsorglich angenommen hat, um ihre Aufdringlichkeit zu verstehen.
1923 war Iwan Bunin schon ein bekannter Schriftsteller. Damals lebte er seit drei Jahren in Frankreich, wohin er vor der Oktoberrevolution geflohen war. Schon 1912 nannte ihn Maxim Gorki, mit dem er sich später aus politischen Gründen überwarf, den „besten Stilisten der Gegenwart”. Bunin dürfte also viele Zuschriften von Lesern erhalten und wird überlegt haben, welch ein Vertrauen Lektüre erzeugen kann.
Die Briefschreiberin wundert sich bald selbst darüber, warum sie ihm von ihren drei Kindern, ihrem langweiligen Leben ohne Liebe, ohne Hoffnung, erzählt, bis sie sich, so erkennt sie es bald selbst, in die Psychose einer vermeintlichen Beziehung zum angebeteten Dichter hineinsteigert und jeden Morgen mit dem Gedanken aufwacht, ob heute Mittag eine Antwort in der Post sein wird.
Susanne Lothar verleiht dem Text mit ihrer Lesung einen frappierend authentisch klingenden Ton: das Hoffen auf Antwort, das in ein Zittern übergeht, der trotzigen Forderung nach Gegenliebe, die kluge Selbsterkenntnis, die hysterische Lustigkeit, die absurden Theorien und am Ende die traurige Einsicht, dass er nicht antworten wird und die Erkenntnis, dass sie aus ihren unbeantworteten Briefen mehr über sich selbst gelernt hat, als wenn er ihre Briefe erwidert hätte.
Bunin erhielt als erster Exilant den Nobelpreis im Jahr 1933. Er war ein Lyriker, der Romane und Erzählungen schrieb, seine Detailgenauigkeit war berühmt. Ob davon wohl viel in einer Übersetzung erhalten geblieben ist, in der so stümperhafte Formulierungen stehen wie das aus dem Englischen modisch-falsch übersetzte und so in schlechte Umgangssprache geratene „ich denke” anstatt „ich meine” oder „ich glaube”? Diese Plumpheit kommt sogar zweimal vor.
Die trotzdem schöne und so wunderbar rezitierte Erzählung wird auf dem Hörbuch von drei Gedichten begleitet, die Ulrich Mühe in angemessener Langsamkeit vorträgt. Denn hinter den scharfen Abbildungen von „Nacht und Tag” beispielsweise fließen Vergänglichkeit und Ewigkeit unversehens ineinander, wenn die Vögel am Morgen im Chor den ewigen Gott preisen.
MARTIN Z. SCHRÖDER
IWAN BUNIN: Ein unbekannter Freund. Eine Erzählung und drei Gedichte. Aus dem Russischen von Swetlana Geier und Christine Fischer. Gesprochen von Susanne Lothar und Ulrich Mühe, mit Musik von Franz Schubert. 36 min., Patmos Verlag, Düsseldorf 2004. 1 CD, 14,45 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2003

Funksprüche der Seele
Galaktische Einsamkeit: Iwan Bunins "Unbekannter Freund"

Rußlands erster Literaturnobelpreisträger war ein später Meister der realistischen Erzählung, dem durch seine Lebensgeschichte die historische Realität abhanden kam. Iwan Bunin, der Provinzadlige aus der zentralrussischen Gegend von Woronesch, hatte sich vor einem Jahrhundert durch physiologische Skizzen einen Namen gemacht, welche die Dekadenz von seinesgleichen, aber auch die Tücke und demoralisierte Dumpfheit der Bauern mit einem Naturalismus verewigte, der schon vor dem Oktoberumsturz alle Hoffnungen verabschiedet hatte.

Der Schriftsteller, dem man ein mangelndes Organ für Ideen bescheinigt hat, verurteilte die russische Revolution und verließ seine Heimat 1920, um fortan im französischen Exil vom Erinnerungsgepäck seines imaginären Rußland zu zehren. Sprachliche Bilder, sinnliche Einzelheiten wurden in Bunins Prosawerken zugleich sparsamer und expressiver, die Grundthemen menschlicher Existenz von Liebe und Tod traten hervor wie im Labor präpariert. Manche Zeitgenossen tadelten es als leichtfertig, daß der Sprachkünstler an den himmelsstürmenden ideologischen Debatten seiner Epoche keinen Anteil nahm. Bunin konterte, seine lakonischen Skizzen über die Unerfüllbarkeit der Liebe spürten dem Rätselhaftesten nach, das es auf der Welt gibt, dem Ursprung des Seins. Die galaktische Einsamkeit war für ihn zur eigentlichen Realität geworden.

Dieses Lebensgefühl hat der 1870 geborene Bunin schon 1923 in das literarische Spiegelbild einer Leserin gegossen, die ein ironisch gnädiges Schicksal mit einer guten Heiratspartie beschenkt und zugleich an den unwirtlichen Rand Europas verbannt hat. Die als Briefmonolog geschriebene Erzählung "Ein unbekannter Freund", die der Züricher Dörlemann Verlag zu seinem Einstand und zu Bunins fünfzigstem Todestag am heutigen Samstag als schön gebundenes Einzelbändchen herausbringt, beschwört das unstillbare Ausdrucks- und Mitteilungsbedürfnis der ebenso unüberwindlich isolierten Seele.

Bunins Heldin entstammt jenem Arkadien, wo die Zitronen blühen, und lebt seit der Verheiratung in wohlversorgter Einsamkeit an der irischen Atlantikküste, wo sie mit heranwachsenden Kindern und gesellschaftlichen Verpflichtungen nur bei der stillen Betrachtung und beim Bücherlesen zu sich selbst kommt. Ein zufällig gekauftes Werk des Autors hat sie dabei tief getroffen.

Der Leser erfährt nicht, wovon das Buch handelt, der Name der Frau bleibt ungenannt. Die Abfolge von fünfzehn kurzen Briefen, verteilt über fünf fiktive Herbstwochen, schildert die kurze Flugbahn einer gegenstandslosen Liebe. Der irische Dauerregen, die Finsternis, das gespenstische Licht am Meeresgestade vergegenwärtigen dabei die ausdrucksvolle Unbegreiflichkeit der menschlichen Situation, gegen welche sich die mit japanischer Sparsamkeit angedeutete Gestalt der Heldin und ihre innere Erregung abzeichnen wie beunruhigende Hieroglyphen. Auch das Nicht-Ereignis, das aber unser Leben erst zum Leben macht, wie die Briefeschreiberin überzeugt ist, bleibt Kalligraphie im leeren Raum. Das Funksignal der Literatur löst im Empfänger eine Woge von Dankbarkeit aus, die sich in Gegenmitteilung ergießt. Da ein Echo ausbleibt, türmt sich die Empfindungswelle zur Verzweiflung, um, durch Frustration geläutert, milde wieder in die Einsamkeit zurückzufluten.

Das entsagungsvolle kleine Meisterwerk mit seiner Kaskade von Fragen ohne Antworten schildert die Schriftstellerei als Suche nach dem anderen, die aber am Ende immer nur sich selbst findet. Bunins nordische Exilantin begreift sehr wohl, daß der Adressat ihrer Korrespondenz von der eigenen Vorstellung hervorgebracht und Teil ihres Ich ist. Doch der Lebensmotor läßt dieses Ich zum anderen streben, dem Freund, auch dem erotischen, was die russische Sprache, die das Wort für den "Freund" und Geliebten (drug) vom "anderen" (drugoj) ableitet, zwingend zum Ausdruck bringt.

Selbst eine unverhoffte Leserantwort wie die Verleihung des Nobelpreises für Literatur vermag das Alleinsein des Schreibenden nicht zu durchbrechen. Die Nachricht aus Stockholm erreichte den Autor in einer Filmvorführung in der südfranzösischen Kleinstadt seines Exils, erfährt man in der zweiten Hälfte des Bändchens, welche Bunins Erinnerungen an die Preisverleihung Ende 1933 enthält. Bei der eigenen Zugfahrt gen Norden scheint den Autor das Vakuum seines literarischen Existentialismus zu begleiten. Deutschland läßt ihn in diesem Schicksalsjahr nur an Rußland denken, wegen des im Vergleich zu Frankreich kälteren Klimas. Und noch im Augenblick dessen, was er selbst als größte Genugtuung seines Schriftstellerlebens bezeichnet, der Ehrung in Stockholm, sucht und findet er Halt in der eigenen Heimatlosigkeit und im Gefühl des Schmerzes, der alle Freuden bedeutungslos macht.

Iwan Bunin: "Ein unbekannter Freund". Zwei Erzählungen. Aus dem Russischen übersetzt von Swetlana Geier. Dörlemann Verlag, Zürich 2003. 70 S., geb., 14,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine einsame junge Frau schreibt an einen Schriftsteller, dessen Werk sie beeindruckt hat. Sie schreibt Brief auf Brief, ohne eine Antwort zu erhalten, verliert sich in dieser imaginären, leicht psychotischen Leidenschaft. Susanne Lothar fühlt sich in das leise Innendrama hinein und erweckt es mit den Mitteln ihrer schauspielerischen Kunst zu akustischem Leben. Für diese "wunderbare" Rezitation lobt Rezensent Martin Z. Schröder die Schauspielerin ausführlich, er schilt jedoch die Übersetzung von Iwan Bunins Erzählung "Ein unbekannter Freund": ein zweimal auftauchendes "ich denke" anstelle des im Deutschen eigentlich üblichen "ich meine" oder "ich glaube" ist ihm einen strengen Verweis wert. Ob hier dem seinerzeit von Maxim Gorki gerühmten Stilisten nicht einiges an Glanz abgenommen werde? Bedenklich runzelt der Rezensent die Stirn, und erst die "angemessene Langsamkeit" von Ulrich Mühes Lesung von drei Gedichten des russischen Schriftstellers vermag sie wieder zu glätten.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine Erzählung, die sich wie ein glühendes Siegel aufs Herz legt." (Spiegel spezial)