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Wenn die Getreidelieferungen aus den Provinzen ausblieben, wurde es für 95 Prozent der Bevölkerung des antiken Rom eng; nur eine dünne Oberschicht konnte den sprichwörtlichen Tafelluxus der Römer zelebrieren. Die Ernährungsgewohnheiten, die Hungerkrisen mit ihren Ursachen und Konsequenzen und die Reaktionen der Politik sind Thema dieses Buches.

Produktbeschreibung
Wenn die Getreidelieferungen aus den Provinzen ausblieben, wurde es für 95 Prozent der Bevölkerung des antiken Rom eng; nur eine dünne Oberschicht konnte den sprichwörtlichen Tafelluxus der Römer zelebrieren. Die Ernährungsgewohnheiten, die Hungerkrisen mit ihren Ursachen und Konsequenzen und die Reaktionen der Politik sind Thema dieses Buches.
Autorenporträt
Der Herausgeber: Ulrich Fellmeth, geb. 1954; Wissenschaftler an der Universität Hohenheim, Leiter des Archivs der Universität und des dortigen hochschulgeschichtlichen Museums; Lehrbeauftragter an der Universität Stuttgart. Nach dem Studium der Geschichte und der Germanistik 1986 Promotion über einsozialgeschichtliches Thema der Antike.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2001

Das große Fasten
Ulrich Fellmeth studiert antike Nahrungsnöte / Von Karl Christ

Die Aktualität des Themas ist bestürzend: Nach dem jüngsten Bericht der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) der Vereinten Nationen gelten derzeit mehr als achthundert Millionen Menschen, somit rund ein Achtel der Weltbevölkerung, als unterernährt. Gleichzeitig ist die Maximierung des Tafelraffinements der reichen sozialen Schichten evident.

Der Kontrast zwischen Hunger und Luxus erscheint als eine Konstante der menschlichen Entwicklung, die auch das Leben der Antike prägte, nicht zuletzt jenes der römischen Welt. Im Rahmen der Vermittlung der "sozialen Frage" des Altertums wurde diese Polarisierung seit über einem Jahrhundert von Alt- und Wirtschaftshistorikern untersucht. Die grundsätzlichen Probleme hat dabei schon - um nur einen Namen zu nennen - der in Ulrich Fellmeths Studie natürlich nicht mehr erwähnte Robert von Pöhlmann in der Tradition des Nationalökonomen Wilhelm Roscher vergegenwärtigt.

Die Konzentration auf jene Dialektik und der Tenor kritischer wissenschaftlicher Analyse bei ihrer Untersuchung sind somit keineswegs neu. Neu sind in der vorliegenden Arbeit dagegen die umfassenden Informationen über die Grundlagen der Ernährung und die Nahrungsmittelversorgung in der römischen Welt sowie die systematische Problematisierung der politischen Auswirkungen der Hungerkrisen, nicht zuletzt die Erörterung der vielfältigen Interdependenzen auf jenem Felde. Diese Partien sollte jeder Studierende der Altertumswissenschaften und jeder an der römischen Geschichte Interessierte zur Kenntnis nehmen.

Es ist ein Glücksfall, daß sich der Autor des Werks bereits durch eine ganze Reihe von Spezialuntersuchungen über Getreide, Landwirtschaft, die Versorgung einer antiken Stadt sowie über die Häfen von Ostia als Spezialist ausgewiesen hat. Er wertet für sein Vorhaben nicht nur wichtigste moderne Forschungen zur Alten Geschichte (Finley, Garnsey), sondern auch die Erkenntnisse der jüngsten ernährungswissenschaftlichen Arbeiten aus. So ist hier von Kalorien, Kohlehydrat-, Fett- und Proteinbedarf, Vitaminen und Spurenelementen die Rede - ein in den meist geistesgeschichtlich orientierten althistorischen Werken nicht gerade alltäglicher Bereich. Doch dabei bleibt es nicht; Fellmeth verbindet auf eindrucksvolle Weise Information mit Problematisierung.

Basis des Werks bildet ein umfassender Überblick über die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Hintergründe der römischen Hungerproblematik, über Nahrungsmittel, die Eigenart der Agrarstruktur, Handel und Transportwesen, die demographischen Entwicklungen. Der Verfasser verliert sich dabei nicht in den zahllosen Einzelheiten der Materie, sondern geht immer wieder auf die elementaren Tatsachen ein, so zum Beispiel auf die Feststellung, daß "der durchschnittliche Nahrungsmittelbedarf eines antiken Menschen der Menge von 283 Kilogramm Weizen pro Jahr entsprach", dieser jedoch "von einem Hektar Ackerfläche nur zu 75 Prozent ernährt werden" konnte.

Der effektvollste Abschnitt des Buches gibt eine "Sozialgeschichte des Essens in Rom". Er kontrastiert mit vielen Einzelheiten die normalen Abendmahlzeiten der Bürger mit der "exquisiten" Küche der Reichen. Es mußte naheliegend sein, dabei Abschnitte aus der berühmten "Cena Trimalchionis" Petrons einzufügen; ob es indessen notwendig war, fünf engbedruckte Seiten aufzunehmen, sei dahingestellt. Der ironisch-parodistische Charakter des Textes wäre wohl noch stärker zu betonen. Als Gegenpol zu solchen Exzessen sind die "Luxusgesetze" behandelt. Diese setzten allerdings schon vor dem zweiten Jahrhundert vor Christus ein: Ein Vorfahre Sullas, P. Cornelius Rufinus, wurde 275 vor Christus aus dem Senat gestoßen, weil er mehr als zehn Pfund schweres Silbergeschirr zur Tafel benutzt hatte. Doch zu Recht wird im Anschluß an den Bericht des Tacitus über Tiberius' Stellungnahme zu neuen Luxusgesetzen deren faktische Wirkungslosigkeit betont. "Zeugnisse des Hungers" werden in einer Interpretation der nur wenig bekannten Chronik des Josua Stylites über die Hungersnot im nordsyrischen Edessa (499 bis 500 nach Christus) exemplarisch besprochen, danach das Verhalten in Hungerkrisen anschaulich vermittelt. Dabei war darauf hinzuweisen, daß Aufbegehren und Proteste der Betroffenen in der Regel nur vor oder zu Beginn einer solchen Not möglich sind, später hingegen Schwäche, Resignation und Apathie dominieren.

Die Besprechung der politischen Auswirkungen des Hungers bildet den wichtigsten Teil des Buches. Fellmeth zeigt hier an fünf Fallstudien die politischen Implikationen der Ernährungsfrage, die Manipulationen mit dem Hunger sowie die Reaktionen auf Hungerkrisen in Republik und Prinzipat. Am Beispiel der Initiative des Marcius Coriolanus während der Ständekämpfe zwischen Plebejern und Aristokraten (494 und 493 vor Christus) analysiert er "den ersten faßbaren Fall, in dem in Rom mit Hunger versucht wurde, Politik zu machen". An den Exempla von Gaius Gracchus und Catilina werden dann die Ansätze "populärer Führer" erörtert, das Hungerthema zur Gewinnung einer Massenbasis zu instrumentalisieren.

Auch die Vorgänge um Pompeius in den Jahren 67 und 57 vor Christus, als sich die Republik gezwungen sah, im Zusammenhang mit neuen Versorgungskrisen ihre traditionellen Verfassungsstrukturen durch die Übertragung außerordentlicher Vollmachten an einen einzelnen zu durchstoßen, belegen das ganze Ausmaß der innenpolitischen Folgen der Ängste vor drohenden Hungerkrisen. Doch auch während der Genese des augusteischen Prinzipats und selbst noch unter Claudius ließ sich die politische Gefährdung des neuen Systems durch Massenproteste der hungernden römischen Plebs belegen. Dem wird die Vielzahl der präventiven Maßnahmen der Kaiserzeit gegen weitere Versorgungsengpässe entgegengestellt: Kolonisation, Intensivierung der Bodennutzung, Ausbau der Verkehrsinfrastruktur wie der Vorratshaltung, Sicherung des Handels und speziell der Nahrungsmittelversorgung sowie andere Initiativen mehr.

Bei der systematischen Erörterung der Alimentierung der Armen in Rom, von der immerhin rund ein Viertel der Bevölkerung profitierte, reagiert der Verfasser allergisch auf die Vorstellung eines korrumpierten und faulen hauptstädtischen Mobs. Doch ob intendiert oder nicht, die Untersuchung dokumentiert doch wohl die außerordentliche Leistung des Prinzipats, dem es lange Zeit gelang, die Nahrungsmittelversorgung nicht nur für Rom, sondern auch für weite Gebiete des Imperiums zu garantieren sowie durch den Ausbau einer speziellen Verwaltung, Logistik und Infrastruktur den Ausbruch von Hungerkrisen zu verhindern.

Der Schlußteil des Werkes, der Vergleiche zwischen den einschlägigen Phänomenen und Erfahrungen des römischen Modells und der Gegenwart wagt, lag dem Autor gewiß besonders am Herzen. Doch konkrete Deduktionen und Handlungsanweisungen sind nur selten möglich. Ob die zum Teil aufrüttelnden Feststellungen des pessimistischen Moralisten Fellmeth für die Praxis in Gegenwart und naher Zukunft viel bewirken werden, wird man - leider - bezweifeln müssen.

Fellmeths hochgespannte Untersuchung hält sich erfreulicherweise von larmoyanten Schlagworten und Abstraktionen frei. Der präzise Text wird durch lange Quellenzitate aufgelockert, am Ende auch genau belegt. Die Zitierweise der Bibliographie ist dagegen ungenau; auf ein Register wurde verzichtet. Ein Glossar erleichtert jedoch das Verständnis der Ausführungen ebenso wie die zahlreichen instruktiven Abbildungen. Wenn der Autor in seinem Vorwort schreibt: "Sollte es durch dieses Buch gelingen, das seit Menschengedenken bestehende Problem von Armut und Hunger bewußter wahrzunehmen, so wäre schon viel erreicht" - so kann man ihm versichern, daß dies zweifellos gelungen ist.

Ulrich Fellmeth: "Brot und Politik". Ernährung, Tafelluxus und Hunger im antiken Rom. Verlag J.B.Metzler, Stuttgart, Weimar 2001. 248 S., 31 Abb., geb., 59,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.12.2001

Semmeln für die Plebs
Und Brot für viele: Versorgungsprobleme im antiken Rom
In unserer Gesellschaft ist der Benzin-, nicht mehr der Brotpreis ein Politikum. In früheren Epochen wurde von den Regierenden die Sicherung der Ernährung erwartet. Anfang Oktober 1789 sind tausende Frauen (und Angehörige der Nationalgarde) von Paris nach Versailles gezogen, um den König zu Maßnahmen gegen die Teuerung zu zwingen. Als die königliche Familie nach Paris „heimgeholt” worden war, hieß es: „Wir haben den Bäcker, die Bäckerin und den Bäckerjungen.” Die Daseinsvorsorge durch den Herrscher wurde eingefordert.
In seiner Darstellung der Versorgungsprobleme im antiken Rom hebt Ulrich Fellmeth vor allem den Kontrast zwischen den Lebensbedingungen der großen Masse, die ihren Nahrungsbedarf überwiegend mit Getreideprodukten zu decken hatte, und dem Tafelluxus der Aristokratie in der späteren Republik hervor. Ob die Wahrnehmung dieser Diskrepanz so desintegrierend auf das politische System wirkte, wie Fellmeth meint, wird man bezweifeln können. Die Versorgung der Hauptstadt wurde jedoch zunehmend schwieriger. Die Bevölkerung Roms war im ersten Jahrhundert v. Chr. auf fast eine Million Menschen angewachsen, ihre Ernährung nur durch Getreideimporte aus Sizilien und Nordafrika zu sichern. Die Risiken des Seetransports und Spekulationen von Händlern bedingten ein starkes Schwanken der Preise auf dem städtischen Markt.
„Populare” Politiker, die mit dem Rückhalt in der Plebs ihre Ziele gegen den Senat verfolgten, griffen das Problem auf. Der Volkstribun Gaius Gracchus hat 123 v. Chr. die regelmäßige Abgabe einer Mindestration Getreide zu einem festgesetzten, gegebenenfalls subventionierten Preis durch den Staat eingeführt. In den folgenden Jahrzehnten hat es darüber immer wieder Auseinandersetzungen gegeben, wobei Senatskreise behaupteten, die Staatskasse werde ruiniert und die Bevölkerung zum Müßiggang animiert. Ein entscheidendes Motiv war, dass die effektive Versorgung die langfristige Übertragung weitreichender Kompetenzen an einen Magistraten erforderte, was mit der Gleichheit innerhalb der Aristokratie nicht vereinbar schien.
58 v. Chr. setzte der Volkstribun Clodius eine kostenlose Getreideausgabe durch, die aber für eine Familie weiterhin Zukauf auf dem freien Markt nötig machte. Diese Maßnahme war nicht mehr rückgängig zu machen. Um die Popularität von Clodius zu brechen, musste der Senat im Jahre 57 Pompeius umfassende Vollmachten für die Getreideversorgung und –verteilung einräumen. Dies nahm eine Lösung vorweg, die später von den Kaisern praktiziert wurde. Zur Sicherstellung der Getreidezufuhr haben die Herrscher einen Apparat aufgebaut und sich mit vielfältigen Maßnahmen um Verbesserungen bemüht. Krisen blieben dennoch nicht aus; wiederholt wurden Kaiser Adressaten von Protesten, die eine Einforderung ihrer Patronage bedeuteten, die Legitimität ihrer Herrschaft damit aber bestätigten. Unruhen brachen meist wegen gestiegener Getreidepreise oder auch nur in Erwartung einer Teuerung aus; nicht nachzuvollziehen ist, warum Fellmeth durchgängig sagt, das Volk habe „gehungert”. Es handelte sich bei den Verteilungen auch nicht um Armenfürsorge, sondern um eine Prämie auf den Bürgerstatus.
Empfehlenswert ist dieses Buch, weil es ausführlich und anschaulich über die Ernährungsbedingungen, die Strukturen der Landwirtschaft, die Schwierigkeiten des Transports und der Lagerhaltung von Getreide informiert und damit Probleme erörtert, die mutatis mutandis auch für andere Agrargesellschaften charakteristisch sind.
WILFRIED NIPPEL
ULRICH FELLMETH: Brot und Politik. Ernährung, Tafelluxus und Hunger im antiken Rom. J. B. Metzler, Stuttgart 2001. 248 Seiten, 59,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Frühere Gesellschaftseliten, weiß Wilfried Nippel, hatten für die Ernährung des Volkes zu sorgen. Zumindest wurde das erwartet, wenngleich kaum durchgesetzt, berichtet der Rezensent. Auch im alten Rom wussten die Herrschenden um den Hunger und damit die Gefahr einer Revolte. Ulrich Fellmeth hat die Versorgungsprobleme der Römer untersucht und den Zusammenhang zwischen Hunger und Politik analysiert. Mit seinen Ergebnissen ist der Rezensent aber weniger einverstanden. So bezweifelt Nippel, dass sich der Hunger der Massen angesichts der reich gedeckten Tafeln der Reichen desintegrierend auf das politische System auswirkte. Dennoch empfiehlt er das Buch, denn der Leser könne sich hier ausführlich und anschaulich über Ernährungsbedingungen, Landwirtschaft und die Lagerung von Getreide informieren.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Man kann dieses Buch jedem, der sich für die Geschichte der hellenistischen Philosophie interessiert, nur empfehlen." (Literaturkritik)