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Seit dem Zusammenbruch des Realsozialismus in Osteuropa beschäftigt sich eine Vielzahl von Geistes- und Sozialwissenschaftlern insbesondere mit dem Auf- und Niedergang des Staats- und Machtapparats der DDR. Justiz und Recht nehmen in den Forschungsarbeiten einen besonders hohen Stellenwert ein.In dem vorliegenden Band sollen auf der Grundlage einer umfangreichen Quellenanalyse Entstehung und Entwicklung justizpolitischer Grundlagen nachgezeichnet werden. Im Zentrum steht dabei eine Betrachtung der Personalpolitik als wichtiger Bestandteil der justizpolitischen Lenkung und Steuerung in der…mehr

Produktbeschreibung
Seit dem Zusammenbruch des Realsozialismus in Osteuropa beschäftigt sich eine Vielzahl von Geistes- und Sozialwissenschaftlern insbesondere mit dem Auf- und Niedergang des Staats- und Machtapparats der DDR. Justiz und Recht nehmen in den Forschungsarbeiten einen besonders hohen Stellenwert ein.In dem vorliegenden Band sollen auf der Grundlage einer umfangreichen Quellenanalyse Entstehung und Entwicklung justizpolitischer Grundlagen nachgezeichnet werden. Im Zentrum steht dabei eine Betrachtung der Personalpolitik als wichtiger Bestandteil der justizpolitischen Lenkung und Steuerung in der Sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR. Im ersten Teil werden Grundzüge des Programms der "Demokratisierung der Justiz" vorgestellt. Rechtsnormative als Grundlage der Personalentwicklung aus der Zeit von 1945 bis 1948, personelle Entwicklungen in der Justiz und Justizverwaltung, politische Steuerungsinstrumentarien sowie die Entstehung und Entwicklung einer entsprechenden Rechtsprechungspraxis sind Schwerpunkte dieses Abschnitts. Im zweiten Teil wird unter den genannten Gesichtspunkten der Aufbau einer sozialistischen Justiz und Justizverwaltung in den fünfziger Jahren beschrieben, personalpolitische wie justizpolitische Wendungen nachvollziehbar gemacht. Quellenmaterial zum Thema ist im abschließenden dritten Teil zusammengestellt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.2001

Gezähmter Terror
Die Justiz in der SBZ/DDR bis zum Mauerbau im Jahr 1961

Ruth-Kristin Rössler: Justizpolitik in der SBZ/DDR 1945-1956. Ius Commune. Sonderhefte Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte, Band 136. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2000. 315 Seiten, 98,- Mark.

Petra Weber: Justiz und Diktatur. Justizverwaltung und politische Strafjustiz in Thüringen 1945-1961. Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, hrsg. vom Institut für Zeitgeschichte, Band 46. R. Oldenbourg Verlag, München 2000. 574 Seiten, 128,- Mark.

Nach dem Zusammenbruch der DDR hat sich die historische Forschung vor allem der Justiz zugewendet. Im Auftrag des Bundesjustizministeriums erforschte Hubert Rottleuthner mit einer Forschergruppe die "Steuerung der Justiz" in der DDR. Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft legte Heike Amos 1996 eine Schrift über die "Justizverwaltung in der SBZ/DDR" vor. Nun sind zwei weitere größere Arbeiten erschienen. Dabei gibt es naturgemäß viele Überschneidungen. Alle Arbeiten kreisen um die Themenkomplexe Entnazifizierung, Aufbau der Deutschen Justizverwaltung, Einführung der Volksrichter, Abschaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Ruth-Kristin Rössler hat übrigens bereits 1994 ein Buch über die Entnazifizierungspolitik der KPD/SED publiziert. Rössler und Petra Weber strecken ihren Gegenstand, indem sie auch die Strafrechtsprechung hineinnehmen - an sich durchaus sachgerecht, wenn es nicht schon umfangreiche Monographien gäbe. Wichtiger wäre die Einbeziehung der sonstigen Rechtsprechung gewesen, doch hätte dies nach Weber den Rahmen ihrer Regionalstudie gesprengt.

Im übrigen versuchen die Autorinnen, mit mehr Details Neues zu bringen. So kann man bei Rössler lange Zahlenkolonnen lesen über die Entlassungen von Richtern, Staatsanwälten und sonstigen Mitarbeitern der Justiz in allen Ländern der SBZ (vor dem Befehl Nr. 204 und danach) und für 1949 die Zahl und Parteizugehörigkeit der neuzugelassenen Rechtsanwälte und die Zahlen der Rechtsreferendare und Rechtskandidaten in den einzelnen Ländern - aufgegliedert nach "belastet" und "unbelastet".

Interessant ist der Hinweis darauf, daß das Reichsgericht in Leipzig nach der Besetzung zunächst nicht aufgelöst, sondern eine "Kommission zur Bewahrung der Sachwerte des Reichsgerichtes" gebildet wurde. Die Bewerbung einiger Mitglieder des Reichsgerichts, darunter des späteren Präsidenten des Bundesgerichtshofs, Weinkauff, belegt allerdings nicht - wie Rössler meint - die Hoffnung auf einen Erhalt des Reichsgerichts, sondern war auf Verwendung bei der Deutschen Justizverwaltung gerichtet. Am 8. Oktober 1945 wurde das Reichsgericht im Namen der sowjetischen GPU geschlossen und die Kommission aufgelöst. "Der ganze Vorfall trug sich in weniger als fünf Minuten zu. Zu einer Gegenäußerung wurde keine Gelegenheit gegeben", berichtet später ein Teilnehmer.

Die Arbeit von Rössler ist stark am Inhalt der jeweiligen Akten orientiert. Daher finden sich häufig Sachprobleme an unerwarteter Stelle, so der Einfluß der Sowjetischen Militäradministration für Deutschland (SMAD) und der SED auf die Rechtsprechung im Kapitel "Personalpolitische Entwicklungslinien". Mehrfach heißt es auch, die Akten gäben zu einer bestimmten Frage nichts her. Rössler kommt zu einer dezidierten Wertung. Sie schließt sich Rottleuthners "engagiertem Plädoyer gegen den politisch aufgeladenen Begriff vom Unrechtsstaat" an und meint, die Anfänge in der SBZ/DDR ließen sich nur erklären, wenn man bereit sei, die Geschichte als offen zu betrachten.

Die Jahre 1945 bis 1948 seien Jahre der Demokratisierung, Entnazifizierung und Entmilitarisierung gewesen. Erst 1948 sei dieser Prozeß auf Grund des "Kalten Krieges" zugunsten einer Sowjetisierung und Stalinisierung abgebrochen. Die von Wolfgang Leonhardt überlieferte Aussage Walter Ulbrichts: "Es soll demokratisch aussehen, jedoch müssen wir alles im Griff haben" lasse sich nicht als allgemeine Orientierung der damaligen KPD- oder Sowjetpolitik bestätigen. Die tatsächlichen Motive würden damit nicht nur nicht einbezogen, sondern sogar negiert. Wie hier Ulbricht zum realitätsfremden Möchtegerntyrannen zurechtgestutzt wird, darf zumindest als mutig gelten.

Besser gegliedert und theoretisch anspruchsvoller ist das umfangreiche Werk von Petra Weber. Auch sie stellt sich einleitend der "Gretchenfrage Rottleuthner" und meint, daß diese Forschergruppe mit ihrer Konzentrierung auf die institutionellen und organisatorischen Mechanismen der Justizsteuerung der Gefahr einer Verharmlosung der Rechtswirklichkeit nicht entgangen sei. Weber hat den Vorteil, die Entwicklung für den besser überschaubaren Bereich Thüringens darstellen zu können.

Thüringen erscheint für eine Regionalstudie hervorragend geeignet, da durch die anfängliche Besetzung durch die Amerikaner die sowjetischen Eingriffe verzögert wurden und außerdem der Strafrechtsprofessor Richard Lange deutschlandweit beachtete Vorschläge zum neuen Straf- und Gerichtsverfassungsrecht erarbeitete. Weber breitet ein ungeheuer detailreiches Material aus, das jedoch jederzeit überzeugend in den Zusammenhang eingeordnet wird. Für die erste Phase 1945 bis 1948 arbeitet sie als wesentliches Element den Machtkampf zwischen Polizei und Justiz und eine Machtsteigerung der Polizei vor allem durch den SMAD-Befehl Nr. 201 heraus. Die fatale Devise "Jeder Richterspruch ist eine politische Tat", die Rössler einem Aufsatz von Hilde Benjamin aus dem Jahr 1951 zuschreibt, zitiert Weber bereits als Forderung auf der Juristenkonferenz in Weimar am 30. Juni 1948. Alle dort gehaltenen Referate mußten übrigens zuvor der SMAD zur Genehmigung vorgelegt werden.

Den Mißbrauch von Strafverfahren zur Enteignung stellt Weber unter das Stalinsche Konzept der "Revolution von oben". Den entscheidenden Schritt zur Stalinisierung der ostdeutschen Gesellschaft sieht sie in der Bildung der Kontrollkommissionen im Sommer 1948. Hier werden die Strafverfahren gegen Grazer Textilindustrielle, die beiden großen Ilmenauer Schauprozesse, die Aktion "Oberhof", der Mahalesi-Prozeß, die Prozesse gegen Leonhard Moog, Heinrich Gillessen, gegen Angestellte der Konsumgenossenschaften, gegen die "Raiffeisen-Verbrecher" und gegen die Führungsspitze der Gothaer Sozialversicherungsanstalt eingehend und mit neuen, interessanten Details dargestellt.

Die Jahre 1950 bis 1953 werden durch die Nötigung des Justizministers Liebler zum Rücktritt, Spionageprozesse gegen Mitarbeiter des Justizministeriums und Jugendliche und andere Strafprozesse charakterisiert. Das Gesetz zum Schutz des Volkseigentums vom Oktober 1952 stellte die in Schnellkursen ausgebildeten "Volksstaatsanwälte" und "Volksrichter" vor das Problem, Arbeiter oder Rentner wegen Kleindiebstählen ins Zuchthaus schicken zu müssen.

Nach einem Gespräch zwischen Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Otto Grotewohl und Stalin wurde auch die Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR mit Hilfe fingierter Strafanklagen durchgezogen. Weber zeigt die hohen Strafen nach dem 17. Juni 1953 auf und meint, daß der 17. Juni mehr noch für die Bevölkerung als für die Machthaber einen "Lernschock" bedeutet habe.

Mit Recht betrachtet Weber die Zeit von 1953 bis 1961 als einheitliche Periode, die sie als "gezähmten Terror" charakterisiert. Die Verurteilung Stalins durch Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 löste in der DDR nur oberflächliche Besserungsgelöbnisse und alsbald den "Kampf gegen den Liberalismus" aus. Victor Klemperer bezeichnete zwar in seinem Tagebuch das Strafrechtsergänzungsgesetz von 1957 als "maßlos grausam, verbohrt und dämlich grausam", konnte sich aber nicht zu einem öffentlichen Protest aufraffen.

Noch 1958 wurden Richter und Staatsanwälte nach dem Vorbild der Sowjetunion bei der Agitation zur Kollektivierung der Landwirtschaft eingesetzt. Auch bei der Liquidierung des privaten Handwerks und Bauunternehmertums betätigte sich die Justiz als "planwirtschaftliche Erfüllungsgehilfin". Diese Funktion verlor sie erst mit dem Ausbau der Hauptabteilung XVIII des Ministeriums für Staatssicherheit in der ersten Hälfte der sechziger Jahre. Webers Buch schließt mit dem Mauerbau, dem "heimlichen Gründungstag der DDR". Ihr Buch versteht es, akribische Aktenanalyse und Detailreichtum in eine fesselnde Darstellung umzusetzen.

FRIEDRICH-CHRISTIAN SCHROEDER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Doppelkritik bespricht Friedrich-Christian Schroeder zwei neue Bücher über die Geschichte der Justiz in der DDR, macht zunächst aber den einschränkenden Hinweis, dass dieses Thema bereits in mehreren Büchern nach der Wende eingehend behandelt wurde.
1) Ruth-Kristin Rössler: "Justizpolitik in der SBZ/DDR 1945-1956"
Diesem Buch steht Schroeder recht ablehnend gegenüber. Er bemängelt, dass die Thematik nicht systematisch, sondern entlang von Akten aufgearbeitet werde, so dass man etwa Passagen über den sowjetischen Einfluss in sachfremden Kapiteln wie "Personalpolitische Entwicklungslinien" wiederfinde. Auch mag Schroeder der Argumentation der Autorin nicht folgen, dass man die DDR nicht einfach als Unrechtsstaat betrachten möge und zumindest die Jahre bis 1948 als eine Zeit der Demokratisierung einzustufen habe. Immerhin verweist Schroeder aber auf umfangreiches statistisches Material in dem Band.
2) Petra Weber: "Justiz und Diktatur"
Wesentlich eingehender und positiver bespricht Schroeder den Band von Petra Weber. Hier lobt er, dass die Autorin trotz einer enormen Detailfülle den Faden nicht verliert und ihr Material stringent aufbereitet. Auch die regionale Beschränkung auf Thüringen findet er gelungen, da die Region durch die anfänglich amerikanische Besetzung den späteren sowjetischen Eingriff ins Rechtswesen der SBZ noch deutlicher hervortreten lasse. Schroeder zeigt, wie sich in Webers Buch die Justiz der DDR immer mehr als ein Instrument zur Durchsetzung politischer Interessen erweist. So wurden zum Zweck der Enteignung von Betrieben etwa Strafprozesse vorgeschützt. Erst durch den Aufbau der Stasi, so Schroeder, habe diese Instrumentalisierung nachgelassen. Abschließend preist Schroeder die "akribische Aktenanalyse" und die "fesselnde Darstellung" des Themas durch Weber.

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