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Der Subkontinent Indien - ein Land voller Gegensätze und noch geprägt von jahrhundertealtlen Traditionen - befindet sich gesellschaftlich längst im Umbruch zur Moderne. In zehn Miniaturen verleiht die Autorin den Menschen im heutigen Indien, ihren Ambiitionen und Frustrationen eine poetische Stimme.

Produktbeschreibung
Der Subkontinent Indien - ein Land voller Gegensätze und noch geprägt von jahrhundertealtlen Traditionen - befindet sich gesellschaftlich längst im Umbruch zur Moderne. In zehn Miniaturen verleiht die Autorin den Menschen im heutigen Indien, ihren Ambiitionen und Frustrationen eine poetische Stimme.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nein, es handelt sich nicht um die gleichnamige Filmregisseurin, beteuert Martin Kämpchen, sondern um eine in Amerika lebende indische Autorin. Bücher von indischen Autoren englischer Sprache haben derzeit Konjunktur, und das liegt daran, erklärt der Rezensent die momentane Bücherschwemme, dass zum einen der Zusammenprall der konservativen indischen Kultur mit der westlichen Welt offenbar besonders schöpferische Impulse freisetze, zum anderen viele Mittelstandsinder keine der indischen Sprachen mehr beherrschten und sich mit Vorliebe schreibend ihrer heimatlichen Wurzeln versicherten. Kein indischer Redakteur, der nicht gerade ein Romanmanuskript in Arbeit hätte, spottet Kämpchen. Auch die Erzählungen von Nair spielen mit einer Ausnahme in Indien, zumeist im Mittelstandsmilieu, aber es finden sich auch ausgezeichnete Charakterisierungen anderer Milieus darunter, befindet Kämpchen. Er ist von Nairs nostalgiefreier, mit den Figuren stets sympathisierender Erzählweise sehr angetan. Viele Geschichten umkreisen das Thema "Familie", manche auch mit historischem Hintergrund, so Kämpchen, häufig werde aus Kinderperspektive berichtet; es seien Geschichten des Übergangs, des Generationenwechsels, so "anmutig" erzählt, dass der Rezensent das Lesen extra in die Länge gezogen hat.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.01.2003

Verliebt in eine Sandskulptur
Eine neue Generation: Meera Nair erzählt der Welt von Indien

"Indische Literatur in englischer Sprache" überschwemmt den internationalen Buchmarkt. Jedes Jahr wirft sie drei oder vier neue Namen hoch, die weltweit ihr Publikum finden. Wie man hört, brütet derweil in Indien fast jeder dritte Zeitungsredakteur, Verlagslektor und jüngerer Literaturprofessor über einem Romanmanuskript. Wer weiterkommen will, braucht ausgezeichnete Englischkenntnisse.

Die Geltung dieses Merksatzes hat sich nun von Business und Academia auch auf das Kulturleben ausgeweitet. Die neue Literatur drückt sich nicht nur in einer neuen Sprache aus, sondern sie vertritt das Bewußtsein einer sich konsolidierenden Gruppe: die des "globalen Inders". Die emotionalen und kulturellen Spannungen, die der Zusammenstoß einer alten, zutiefst konservativen Kultur mit der amerikanisch geprägten neuen westlichen Kultur hervorruft, setzen schöpferische Impulse frei und verbinden die Menschen so stark, daß sich weltweit ein Gemeinschaftsgeist von Menschen indischer Abstammung bildet. Die Literatur ist die Flagge, die die Gruppe nach außen hin sichtbar macht. Sie erzählt allen ihr Schicksal. Die Mitglieder sind keineswegs nur indische Immigranten, sondern auch Millionen von großstädtischen Mittelstandsindern, die keine indische Sprache mehr beherrschen und um ihre Wurzeln kämpfen.

Der Lebensweg von Meera Nair - nicht zu verwechseln mit der Filmregisseurin gleichen Namens - ist symptomatisch: Aus Kerala stammend, ging sie als Studentin in die Vereinigten Staaten, heiratete und blieb. Ihre zehn Erzählungen, die jetzt unter dem Titel "Video" auf deutsch erschienen sind, spielen mit einer Ausnahme in Indien. Schreiben ist für die Autorin ein Akt, der Neuen Welt ihre Heimat zu erklären, ein Brückenschlag. Dabei ist ihr Stil frei von jener Nostalgie und Romantisierung, mit denen Emigrantenautoren so gern ihr Heimweh artikulieren.

Die Erzählungen skizzieren unterschiedliche Milieus. Da ist der einfache, konservative Muslim, der sich durch ein pornographisches Video verwirren läßt, oder die Bevölkerung eines katholischen Dorfes in Goa, die sich von erotischen Sandskulpturen seltsam angezogen fühlt. Einige Erzählungen haben einen historischen Hintergrund, wie etwa Tod und Beerdigung eines muslimischen Vaters in "Sechzehn Tage im Dezember", die sich vor dem chaotischen Hintergrund der Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya 1992 ereignen, oder wenn der geplante Besuch Präsident Clintons in einem Dorf in Bangladesh zum Anlaß von höchst komischen Vorbereitungen wird.

Einzig die höchst originelle Erzählung "Der Curryblattbaum" stammt aus dem amerikanischen Immigrantenmilieu. Dilip holt sich in Amerika seine Heimat durch ihre vielfältigen Speisen und subtilen Gewürze zurück. Seine feine Nase, die sämtliche Zutaten unterscheiden kann, ist auch ein Fluch, denn seine Ehefrau aus Kerala zieht amerikanisches Fast food vor. Erst als Dilip durch seine Virtuosität zum Helden der indischen Auswanderergemeinde wird, kommt auch seine Ehe ins Lot.

Flüssig und subtil erzählt, verliert die junge Autorin niemals die Sympathie für ihre Figuren, der ironische Unterton bleibt freundlich. Sie mag das Skurrile, Witzige, Aparte, wird aber niemals derb. Alle Erzählungen umspielen das große indische Thema: die Familie. Dazu paßt es, daß viele Texte aus der Perspektive von Kindern erzählt sind, so wie die schmerzlich zarte Geschichte "Sommer". Es sind Geschichten des Aufwachsens, des Generationswechsels, des Hineinwachsens in die Erwachsenenwelt. Die meisten entstammen dem städtischen Mittelstand, doch sind auch überzeugende Gestalten aus dem Milieu der Armen darunter, etwa die des jungen Dieners Chik-Chik in "Der Mieter von Zimmer 726". Dabei vermeidet sie Heroisierung und demonstratives Mitleid. Viele der Erzählungen von Meera Nair sind so anmutig, daß man unwillkürlich langsamer liest, um sie länger genießen zu können.

MARTIN KÄMPCHEN

Meera Nair: "Video". Erzählungen. Aus dem Englischen übersetzt von Eike Schönfeld. Kindler Verlag, Berlin 2002. 253 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Es ist eine einzigartige Welt, die diese Geschichten vergegenwärtigen, eine Welt, die uns auf rätselhafte Weise nah ist." (Ha Jin)