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Dem US-Schriftsteller Dave Eggers ist mit seinem neuen Roman „Ein Hologramm für den König“ eine komische und berührende Parabel auf die Wirkungsmächte der Global Economy gelungen. Eggers’ sechstes Buch erzählt die Geschichte einer letzten Hoffnung so eindrücklich, dass uns Lesern wieder klar wird, warum man der Literatur die Gabe zusagt, dass sie besonders gut die Welt erklären könne.
Die Hoffnung des Alan Clay – sie liegt im Nichts, in der Wüste, unweit der saudi-arabischen Stadt Jeddah. Dort lässt der saudische König Abdullah mit seinen Ölmilliarden eine neue Stadt errichten – die King
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Produktbeschreibung
Dem US-Schriftsteller Dave Eggers ist mit seinem neuen Roman „Ein Hologramm für den König“ eine komische und berührende Parabel auf die Wirkungsmächte der Global Economy gelungen. Eggers’ sechstes Buch erzählt die Geschichte einer letzten Hoffnung so eindrücklich, dass uns Lesern wieder klar wird, warum man der Literatur die Gabe zusagt, dass sie besonders gut die Welt erklären könne.

Die Hoffnung des Alan Clay – sie liegt im Nichts, in der Wüste, unweit der saudi-arabischen Stadt Jeddah. Dort lässt der saudische König Abdullah mit seinen Ölmilliarden eine neue Stadt errichten – die King Abdullah Economic City (KACE). Der US-Autor Dave Eggers hat diesen Ort zum Zentrum seines neuen Romans „Ein Hologramm für den König“ (KIWI) gemacht. Das Bauprojekt mag als Sinnbild dafür stehen, was man alles vermag, wenn man unerschöpflich viel Geld hat – und so selbst einen so unwirtlichen Ort wie die Wüste beleben kann. So ein Ort ist auch eine künstlich erschaffene Welt, eine Illusion. Und das macht Eggers gleich zu Anfang deutlich, als Clay mit seinem Taxi das Tor zu dieser Stadt erreicht. „Es sah aus, als hätte jemand eine Straße durch unnachgiebige Wüste gebaut und dann irgendwo in der Mitte ein Tor errichtet, um das Ende von etwas und den Beginn von etwas anderem anzudeuten. Es war hoffnungsvoll, aber nicht überzeugend.“

Clay soll für die US-Firma „Reliant Systems“ einen Megadeal an Land ziehen. Sein Auftraggeber will für die IT-Infrastruktur in der neuen Wüstenstadt sorgen. Mit seinem Team will Clay dem König ein High-End-Hologramm vorspielen, über das ein Londoner Kollege als 3-D-Geist im Königszelt erscheint und die IT-Pläne des Konzerns vorstellt. Für Clay ist der Deal wohl die letzte Chance, seinem Leben noch eine positive Wendung zu geben. Er ist ein gebrochener Mann, über 50, er trinkt zu viel, schaut sich wehmütig alte Baseballspiele an, ist geschieden, hat mehr als 100.000 Dollar Schulden. Mit dem Honorar könnte er die begleichen und seiner Tochter eine gute Highschool-Ausbildung ermöglichen. Eggers’ Held hat vor seiner Zeit als selbstständiger Berater bei den Fahrradmachern von Schwinn in Chicago gearbeitet. Dort montierte er anfangs Räder und zum Schluss war er im Zuge der Globalisierung für die Verlegung der Produktion in Länder wie China verantwortlich – und damit rationalisierte er sich quasi gleich mit weg. Nun träumt Clay davon, wieder eine kleine Fahrradfabrik aufzubauen. Es ist die vage Hoffnung eines Mannes, dessen Zeit abgelaufen scheint und in der sich auch die Situation der globalisierten US-Wirtschaft widerspiegelt. Ein Mann, den Clay im Flugzeug trifft, sagt: „Wir sind eine Nation von Stubenhockern geworden ... Eine Nation von Zweiflern, Bedenkenträgern, Grüblern. Gott sei Dank waren die Amerikaner, die dieses Land besiedelt haben, nicht so. Die hatten ein ganz anderes Format!“

Das Buch ist Eggers’ zweiter Roman, der nicht auf echten Lebensgeschichten wie etwa in seinem Debüt, in „Weit gegangen“ (2006) oder in „Zeitoun“ (2009) aufbaut, sondern aus der Welt des Fiktiven kommt, die uns aber die Wirklichkeit messerscharf und luzide erklärt – wie es nur gute Literatur kann. Denn das Buch erzählt davon, wie Clay Tag für Tag in die Wüste hinausfährt – in der Hoffnung, den König zu treffen. Aber der lässt sich nicht blicken. Stattdessen lässt Eggers Clay absurde Episoden erleben, die seltsame Schwerelosigkeit im saudi-arabischen Wohlstand durchfliegen, sich in Erinnerungen und vor allem in Hoffnung wälzen. „Er konnte es! Er musste glauben, dass er es konnte. Natürlich konnte er es.“ In diesem enervierenden Warten auf den Tag der vermeintlichen Erlösung erkennt der Leser natürlich Samuel Becketts „Warten auf Godot“. Eggers versteht es, Clays emotionales Absurdistan sprachlich überzeugend auszubauen. Denn er hat die aufgekratzte Sprache seiner ersten Bücher hinter sich gelassen. Diesmal schreibt er mit einer klaren Hemingwayschen Sprache, in deren kurzen Sätzen man die Leere der Wüste einerseits und die Seelenmüdigkeit und Hoffnungslosigkeit von Menschen wie Clay andererseits besonders gut nachspüren kann.

Eggers wäre natürlich nicht Eggers, wenn er den Leser geradewegs in ein schwarzes Loch schicken würde. Schließlich ist er auch ein Optimist, was sich zum Beispiel im Titel seiner Zeitschrift „The Believer“ ausdrückt. Allerdings ist Eggers auch ein sehr verschlagener Optimist, der um die Fallen der Realität weiß. Die Geschichte endet also mit einer Episode, die zumindest ein ganz klein wenig Hoffnung erwachsen lässt.

Autorenporträt
Wie ein glühender Komet taucht Dave Eggers im Jahr 2000 am literarischen Firmament auf. Mit seinem vor Witz, Sprachverliebtheit und Stilexperimenten sprühenden Debüt "Ein herzzerreißendes Werk von umwerfender Genialität" landet der 1970 in Chicago geborene Autor aus dem Stegreif einen Weltbestseller. Aufgrund eines ähnlich hysterischen Realismus wird das Buch sogleich mit dem post-modernistischen Aufschrei "Unendlicher Spaß" von David Foster Wallace verglichen. Es erzählt entsprechend fiktionalisiert davon, wie Eggers im Alter von 21 Jahren seine Eltern an Krebs verliert und daraufhin die Vaterrolle für seinen jüngeren Bruder Tophe übernehmen muss. Der Roman wird mit Preisen überhäuft und etabliert den damals 30-jährigen Eggers als einen der wichtigsten Autoren der USA. Die bereits in seinem ersten Buch auffallend starke Präsenz von Wirklichkeit und Tatsachen wird fortan zum Markenzeichen von Eggers, der seinen Erfolg auch dazu nutzt, sich ziviligesellschaftlich zu engagieren. 2002 gründet er "826 Valencia", eine Schreibwerkstatt für Kinder und Jugendliche. 2010 nimmt ScholarMatch seine Arbeit auf. Das Projekt bietet Studenten aus armen Familien finanzielle Hilfen. Eggers betreibt zudem mit McSweeney's einen eigenen Verlag und ist Herausgeber der erfolgreichen Zeitschrift "The Believer". 2006 gelingt ihm mit "Weit gegangen" ein weiterer Welterfolg, der die abenteuerliche Flucht eines jungen Sudanesen erzählt. Drei Jahre später folgt die Reportage "Zeitoun", in der Eggers dramatisch-packend die Geschichte eines syrischen Muslims aufbereitet, der 2005 in New Orleans den verheerenden Hurrikan Katrina erlebt. Das Buch wird mit dem American Book Award ausgezeichnet. Neben seinen Romanen schreibt der zweifache Familienvater Kurzgeschichten und Drehbücher wie z. B. zur Verfilmung des Maurice-Sendak-Klassikers "Wo die wilden Kerle wohnen". 2012 erscheint in den USA schließlich Eggers' neuer Roman "Ein Hologramm für den König", der wiederum stürmisch von der Kritik gefeiert wird.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Arthur Millers Handlungsreisender wurde wiedergeboren und von Dave Eggers in Zeiten der Globalisierung in die Wüste geschickt, um IT zu verkaufen. Produkte und Umgebung haben sich sehr verändert, die Spiralen der Selbstzweifel sind geblieben. Eggers versteht es, erzählende und reale Momente zu einer Geschichte zusammenzufügen. Ein interessanter Einblick in das Königreich Saudi-Arabien, in Mentalität, gesellschaftliche Gepflogenheiten und Geschäftsgebaren.

Vertreter Alan Clay will dem König die IT für eine geplante 2-Mio.-Retortenstadt am Roten Meer verkaufen. So wie Ulrich Pleitgen spricht, stellt man sich Clay vor: Typ Studienrat, bärtig, Bauchansatz. Pleitgen nuanciert, setzt Pausen, variiert den Ton, aber die feuchte Aussprache ist auf die Dauer fast genauso unsympathisch wie die Person des IT-Verkäufers. Clay ist lahm und frustriert, säuft und lamentiert in endlosen, ekligen Ausschweifungen über eine harmlose Zyste. Trotzdem gibt es attraktive Frauen, die Sex mit ihm wollen. Das soll einer verstehen, es muss am Wüstenklima liegen. Nachdenkliches Mitleid, wie es Millers Drama hervorruft, kommt nicht auf, eher Verdruss.

© BÜCHERmagazin, Sabine Stamer (sta)

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Verena Lueken hat Dave Eggers' neuer Roman "Ein Hologramm für den König" nicht unberührt gelassen. Denn, auch wenn die Kritikerin mit dem hier Briefe an seine Tochter schreibenden Protagonisten zunächst nicht viel anfangen kann, bleibt sie nach der Lektüre melancholisch zurück: Solche eher soziologischen als literarischen Typen, die nicht wissen, wo ihr Platz in der Welt ist, zu viel trinken und über ihre Misserfolge ihre "Potenz einbüßen", wird es in der kommenden Literatur wohl noch häufiger geben, glaubt Lueken. Wenn sie allerdings so lesenswert geschildert werden wie Eggers' Held Alan Clay, kann die Rezensentin gut damit leben. Jenen Alan begleitet sie auf eine skurrile Reise nach Saudi-Arabien in die King Abdullah Economic City, wo der in den USA an der Globalisierung gescheiterte Fahrradproduzent versucht, mit dem König ein Geschäft zu machen. Mit großem Interesse liest die Kritikerin von dem Reichtum am Golf, aber auch von der fehlenden Kultur und der Armut in den Wüstenstädten. Auch wenn der Autor, laut Lueken, bisweilen zu viele Klischees bemüht, kann sie diesen Roman empfehlen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.12.2014

Bericht aus der Wüste
Oben in den Bestsellerlisten steht gerade der neue Roman von Dave Eggers, 44. „Der Circle“ beschreibt eine Internetgesellschaft mit absoluter Transparenz, in der das Individuum jede Privatsphäre verloren hat. Ein Konzern mit dem Namen Circle, der so etwas wie ein Fusion aus Google, Facebook, Twitter und Apple ist, beherrscht alle Daten und damit die Welt. Der Autor, der mit seiner Familie in der Nähe von San Francisco lebt, hat mit diesem beklemmenden und nicht unrealistischen Bild der Zukunft international für viel Aufsehen gesorgt. Über Eggers literarische Kraft streiten die Kritiker. Zweifellos widmet er sich aber immer wieder sehr aktuellen Themen.
  Unterhaltsamer und komischer ist „Ein Hologramm für den König“, der im vergangenen Jahr auf Deutsch erschien. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sich in einer globalisierten und immer verrückter werdenden Wirtschaftswelt schlicht verloren hat. Alan Clay steht vor den Trümmern seines Lebens, nichts ist ihm in den vergangenen Jahren gelungen. Er ist 54 Jahre alt, er hat hohe Schulden, er kann seiner Tochter Kit das College nicht mehr bezahlen, er hatte schon viele Jobs, konnte aber nirgends Fuß fassen, inzwischen arbeitet er als Berater. Der große amerikanische Traum ist für Alan Clay schon lange vorbei.
  Doch er hat eine allerletzte Chance. Jetzt hat ihn sein Auftraggeber, ein amerikanischer Telekommunikations-Ausrüster, mit ein paar deutlich jüngeren und engagierteren Kollegen nach Saudi-Arabien in die Wüste geschickt. König Abdullah stampft dort gerade am Roten Meer eine Retortenstadt aus dem Boden. Alan Clay soll dem König ein IT-System verkaufen.
  Nun ist er also in Saudi-Arabien angekommen und wartet tagelang auf den Termin, bei dem er dem König mit einer holografischen Präsentation das Produkt aus den USA schmackhaft machen will. In der Retortenstadt sitzen Clay und seine Kollegen in einem Zelt und müssen sich gedulden. Einmal will Clay eine aufwendige und luxuriöse Musterwohnung besichtigen, landet aber im falschen Stockwerk, wo Wanderarbeiter wie Sklaven hausen – so nah liegen die Welten hier beieinander. Ein anderes Mal sucht er einen schattigen Platz zum Ausruhen und verunglückt beinahe in einer Baugrube, gräbt sich also fast sein eigenes Grab. Die Episoden sind witzig und hintergründig zugleich. Die Frage ist, ob Clay am Ende Erfolg hat oder die Konkurrenz aus China den Zuschlag erhält.
  „Ein Hologramm für den König“ wurde gerade in Berlin von Regisseur Tom Tykwer verfilmt, Tom Hanks spielt die Hauptrolle. Vor dem Kinobesuch sollte man in jedem Fall das Buch lesen.
CASPAR BUSSE
Ein Hologramm für den König , Dave Eggers, Kiepenheuer&Witsch, 352 Seiten, 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2013

Ich bin das Auge am Himmel
Was wir von Dave Eggers und seinem neuen Roman lernen können / Von Rainer Merkel

Jetzt ist es also so weit. Wir sind im Zeitalter der Demütigungen angekommen. Zumindest wenn wir unser Geld in der freien Wirtschaft verdienen und Amerikaner sind. So wie Alan Clay, der 54-jährige Consultant der IT-Firma Reliant, trauriger Held von Dave Eggers' neuem Roman "Ein Hologramm für den König", der in der Wüste Saudi-Arabiens in einem Zelt festsitzt und hofft, dass das W-Lan-Signal zurückkommt. Es ist heiß, die Klimaanlage funktioniert nicht, und all das, was uns so groß und wunderbar, was uns so unwiderstehlich und sexy gemacht hat, ist plötzlich von uns abgefallen oder hat sich, um in Eggers' Metaphorik zu bleiben, in eine faustgroße Geschwulst irgendwo am Rücken zusammengeballt. Und Alan fragt sich jetzt die ganze Zeit, während er in seinem Hotel vor dem Spiegel steht, ob das vielleicht das Ende ist und er Krebs hat. Er verpasst den Shuttle, der ihn morgens von seinem Hotel in Dschidda zu seinem Arbeitsplatz bringen soll, er verträumt Tage und Nächte und bekommt den Brief an seine Tochter, der er die Studiengebühren nicht mehr bezahlen kann, nicht fertig.

Der Roman changiert zwischen zwei Welten. Dem klimatisierten Hotelzimmer, dem Spiegel im Badezimmer, den enervierenden körperlichen Selbstbefragungen und dem kärglich möblierten Zelt in der Wüste, in King Abdullah Economic City, KAEC genannt, wo Alan und sein Team auf den König warten. Die saudi-arabische Wirklichkeit scheint dabei fast unwirklicher als die Phantasie, die wir von ihr haben. Eggers zelebriert das ziemlich genüsslich.

Eggers, der große Magier des Hyperrealismus, der kleine sympathische Bruder von David Foster Wallace, ist jetzt zum Therapeuten unserer globalen Seinsvergessenheit geworden. Alan schafft es noch nicht mal mehr, sich sexuell erregen zu lassen. Nur unter Wasser, sozusagen in einem Modus der vorgeburtlichen Regression, gelingt das noch, als er einer schönen Ärztin hinterhertaucht, die er schließlich im Zuge seiner körperlichen Selbstbefragung konsultiert.

Alan, Eggers, die Amerikaner und natürlich überhaupt wir alle sind in unserem großen kapitalistischen Tagtraum gefangen. Vielleicht sollte man einfach zum Vergleich noch mal nachlesen, wie Dave Eggers in "A.H.W.O.S.G." ("Einem herzzerreißenden Werk umwerfender Genialität"), seinem ersten Buch, das 2000 herauskam, den von Krebs aufgeblähten und gleichzeitig schon halb ausgeweideten Bauchraum seiner sterbenden Mutter inszeniert. Mit was für einer Selbstgewissheit er da vorgeht. Mit einem über 30-seitigen Vorwort nimmt er Anlauf, und springt mitten in dieses ganze Elend hinein. Unglaublich. Kraftvoll und cool zugleich. Aber diese ganze Energie, der ganze hyperaktive Sprachrausch, damit ist es längst vorbei. Eggers verschwindet, nach seinem ersten Roman, in sein selbstgewähltes Exil nach Island und Costa Rica und kommt komplett erneuert wieder zurück. Ein Teil seiner Honorare gibt er von nun an an seine Leser und seine Hilfsprojekte wieder zurück, von Rick Moody wird er zum "Bono der Literatur" ernannt, während Pico Iyer ihn fortwährend mit Norman Mailer vergleicht. Keine Fiktion mehr bitte. Oder jedenfalls nicht zu viel.

Eggers hat alles versucht, um sich den literarischen Narzissmus wieder auszutreiben. Seine Freunde mussten "Weit gegangen", in dem er von der Odyssee eines sudanesischen Bürgerkriegsopfers erzählt, so oft lesen, bis auch die letzten Spuren der Selbstbezüglichkeit, die letzten Bestandteile seiner eigenen Stimme verschwunden waren. Eggers fing noch mal ganz von vorne an. Von dem Charme, aber auch dem Egozentrismus von "A.H.W.O.S.G." ist nichts mehr übrig geblieben.

Jetzt sitzt er im Zelt in der Wüste. In seinem ersten richtigen Roman seit zehn Jahren. Zwar ist Alan ein gesichtsloser Business-Typ mittleren Alters, aber gleichzeitig so empfindsam, dass er an seiner eigenen Sensibilität fast erstickt. Das wirkt zwar etwas kalkuliert, als Abgesang auf die Old-Economy-Ära, aber irgendwie funktioniert es ganz gut. Es funktioniert auf eine ähnliche Weise, wie auch schon Bret Easton Ellis' zeitdiagnostische Charaktere funktioniert haben, es funktioniert über die Leerstellen, die Dumpfheit und die Ignoranz, so wie auch schon die Amerikaner bei Henry James zu Projektionsflächen der Leere geworden sind, in denen das alte Europa sich nach jemandem sehnen konnte, der uns alle mit seiner unerschütterlichen "confidence" vor dem Untergang bewahrt.

Aber Eggers macht da nicht mit. Er entlarvt diesen Mythos, obwohl er ihm natürlich mit Haut und Haaren, mit seinem ganzen Eggerschen Non-Profit-Imperium, von der im Sudan engagierten Valentino Achak Deng Foundation bis zu den Schreib- und Leseschulen von 826 Valencia, verfallen ist, aber das ist eine andere Geschichte. Er entlarvt diesen Mythos als etwas aus zweiter Hand. Etwas, das nur geborgt ist. Und es gelingt ihm, weil er diese besondere Fähigkeit zur Empathie hat. Weil er keine seiner Figuren vorführt oder verrät. Großartig, wie zum Beispiel Alan sich in einem kleinen Dorf in den saudi-arabischen Bergen von seinem Fahrer, mit dem er sich angefreundet hat, einfach absetzen lässt, um mit wildfremden Männern in der glühenden Hitze eine Mauer zu bauen. Ein Wunsch, den er sich jetzt endlich erfüllt, nachdem seine eigene Mauer daheim von den kleinlichen Bürokraten des Bauordnungsamts gestoppt worden ist. Aber es ist nur ein kurzer Glücksmoment, genauso wie der Nachmittag, den Alan mit Zahra verbringt, der Ärztin, die ihn mit einem internationalen Team operiert hat. In seiner Anmaßung hat Alan auf eine ausreichende Betäubung verzichtet, und die Operation wird zu einer fast religiösen Erfahrung. Wie hält man solche Schmerzen aus? Gleichzeitig erinnert sich Alan, wie er vor Jahren mit seiner Tochter nach Cape Canaveral gefahren ist, um einen der letzten Starts des Space Shuttles zu erleben. Er will ihr noch einmal zeigen, wozu Amerika in der Lage ist. Die Schmerzen werden immer größer, und dann verschwindet in seiner Erinnerung das Shuttle in einem gelblichen Blitz im Weltraum und Alan bricht erleichtert in Tränen aus. Das internationale Ärzteteam bohrt sich derweil in sein Innerstes hinein. Aber was ist dort? Wie sind hier die Koordinaten? Was ist eigentlich von uns noch übrig geblieben? Alan und sein Team warten in dem demütigenden Zeltprovisorium auf den arabischen König, damit er sich das neue holographische Konferenzsystem vorführen lassen kann, während in der Black Box nebenan die Chinesen lauern, in einer Parallelwelt, die Alan schon gar nicht mehr zugänglich ist. "Ich bin das Auge am Himmel", sagt er in einem Moment väterlichen Größenwahns zu seiner Tochter. "Ich kann sehen, wo du aufgebrochen bist und wohin du gehst, und von hier oben sieht das alles richtig gut aus." Das ist Amerika, das ist unser aller große Hoffnung und unsere immerwährende Inspiration.

Es ist ein fast gemütlicher, auf eine fast angenehme Weise beängstigender Roman, in dem wir uns aber ganz gut zurechtfinden. Er seziert unseren imaginären Raum, in dem wir von der Globalisierung träumen und gleichzeitig vor ihr Reißaus zu nehmen versuchen. Entwurzelte Existenzen geistern durch dreidimensionale Hochglanzmagazine und haben Sex, als würden sie in den Duty Free Shops nach Geschenken für ihre Angehörigen suchen. Sex, bei dem "jemand anders nicht gerne zusehen würde", wie Ruby, die hysterische Ex-Frau von Alan, konstatiert.

Eggers ist, bis auf das allerdings etwas misslungene Schlussbild, ein großartiger Roman gelungen. Ein Buch, in dem die Leere beruhigend und die Kommunikation beklemmend geworden ist, in dem die größte Lust dann entsteht, wenn wir an uns selbst herumschneiden, uns in unseren Körper hineinzubohren versuchen, wo wir die letzten Reserven von Emotionalität und Spiritualität zu finden erhoffen. "Wir sollten traurig sein, total traurig . . .. Wir verdienen es, für hundert Jahre traurig zu sein", sagt Eggers über den Krieg im Irak. In seinem Roman nimmt diese Traurigkeit jetzt schon Gestalt an. Vielleicht ist es eine Trauer, die Eggers nach dem schnellen Tod seiner Eltern, die innerhalb weniger Monate nacheinander an Krebs verstarben, selbst schon bewältigt hat. Vielleicht zieht er daraus die Kraft für seine beängstigend vielen, so ehrenvollen Projekte, von denen die Literatur und der nach seiner Mutter benannte Verlag nur ein Teil zu sein scheinen. Man schreckt ein bisschen davor zurück, aber kann sich dem auch nicht entziehen.

Es ist heiß dort draußen, draußen in der Wüste. Die Welt rückt immer enger zusammen, und es wird immer bedrohlicher. Der König rauscht mit seiner Fahrzeugkolonne wieder davon. Wirbelt ein bisschen Staub auf. Sonst ist nichts weiter passiert. Lasst uns alle noch mal schnell untertauchen und unter Wasser nach den Schönheiten des Lebens suchen, bevor alles zu Ende ist und wir ins Hotelzimmer zurückkehren müssen, um zu überprüfen, ob uns auch schon so eine verfluchte Geschwulst gewachsen ist. David Foster Wallace hat sich das Leben genommen, Eggers macht weiter. Eggers ist ein Pragmatiker, vielleicht kann er uns allen weiterhelfen, auf der Suche nach dem großen literarischen Leitstern. Sein neuer Roman ist zumindest schon mal ein Anfang.

Dave Eggers: "Ein Hologramm für den König". Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Kiwi, 19,99 Euro

Von Rainer Merkel ist gerade der Roman "Bo" bei S. Fischer erschienen.

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»Eggers' Maß an Präzision, sein Blick für Mickrigkeiten macht aus Wirklichkeit Literatur.« Der Spiegel 20130209