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»John Banville ist ein Meister, dessen Prosa fortwährend sinnlichen Genuss vermittelt.« Martin Amis
Axel Vander, die Hauptfigur von John Banvilles großem Roman, ist ein Mann, der sich in einer Krise seines Lebens eine neue Identität geschaffen hat. Lüge und Wahrheit, Echtheit und Fälschung, Themen, mit denen sich Banville immer befasst hat, werden in Caliban in einer suggestiv poetischen Sprache eindringlich dargestellt.
Wie der düstere, grobe Caliban in Shakespeares Sturm ist Axel Vander ein eher rüder Zeitgenosse. Als bedeutender Literaturwissenschaftler und Verfasser großer Werke über
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Produktbeschreibung
»John Banville ist ein Meister, dessen Prosa fortwährend sinnlichen Genuss vermittelt.« Martin Amis

Axel Vander, die Hauptfigur von John Banvilles großem Roman, ist ein Mann, der sich in einer Krise seines Lebens eine neue Identität geschaffen hat. Lüge und Wahrheit, Echtheit und Fälschung, Themen, mit denen sich Banville immer befasst hat, werden in Caliban in einer suggestiv poetischen Sprache eindringlich dargestellt.

Wie der düstere, grobe Caliban in Shakespeares Sturm ist Axel Vander ein eher rüder Zeitgenosse. Als bedeutender Literaturwissenschaftler und Verfasser großer Werke über Nietzsche verbringt er seinen Lebensabend in Kalifornien. Überraschend trifft ein Brief aus Europa ein, in dem die Schreiberin andeutet, Geheimnisse zu kennen, die Vander seit Jahrzehnten, seit seiner Jugend als Jude im von den Nazis besetzten Belgien verborgen hat. Um herauszufinden, was die Unbekannte über ihn weiß, reist Vander nach Turin, wo er sie am Rande eines Nietzsche-Kongresses trifft.

Es ist Cass Cleave, eine junge Irin, verführerisch, intelligent und zugleich von einer schweren Nervenkrankheit gezeichnet. Zwischen dem alten Mann und der jungen Frau entspinnt sich eine Liebesbeziehung, die Cass immer tiefer stürzen lässt, während Vander sich zum ersten Mal der Wahrheit stellt, seine Rolle als Opfer und Täter begreift.

Inspiriert durch die Lebensgeschichte von Paul de Man und Louis Althusser hat Banville in diesem Roman das bewegend erschreckende Bild eines Mannes in seiner Zeit entworfen.
Autorenporträt
John Banville, geboren 1945 in Wexford, Irland, gehört zu den bedeutendsten zeitgenössischen literarischen Autoren. Sein umfangreiches Werk wurde mehrfach, auch international, ausgezeichnet, zuletzt mit dem Franz-Kafka-Literaturpreis, dem Man Booker Prize (für »Die See«) und 2013 mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. John Banville lebt und arbeitet in Dublin.

Christa Schuenke, geboren 1948, übersetzt Lyrik und Prosa aus dem Englischen, u. a. Werke von Banville, Melville, Singer, Shakespeare. Sie erhielt u.a. den Wielandpreis und den Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.08.2004

Turin sehen und sterben
Jeder Text hat ein schändliches Geheimnis: John Banvilles Roman „Caliban”
Der Schriftsteller und Literaturkritiker John Banville, 1945 im Südosten Irlands in Wexford geboren, ist ein moderner Poeta doctus. Sein im Original 2002 veröffentlichter Roman „Shroud”, der jetzt unter dem Titel „Caliban” auf deutsch erschienen ist, knüpft in seinen hohen Ansprüchen wie in seinem Inhalt an Banvilles „Sonnenfinsternis” (2001, deutsch 2002) an. Dort stand der ehemals bedeutende irische Schauspieler Alexander Cleave im Mittelpunkt, hier tritt ihm ein ebenso geachteter wie gefürchteter Geisteswissenschaftler an die Seite.
Cleaves psychisch labile Tochter Cass bildet das Bindeglied zwischen beiden Figuren. Durch Zufall hat sie herausgefunden, dass der berühmte und selbstherrliche belgische Literaturwissenschaftler Axel Vander nicht der ist, der er zu sein vorgibt. Doch statt zum Skandal kommt es zu einer Liebesgeschichte zwischen dem alten Grobian und der jungen Frau, an der Cass zerbrechen wird.
Das Feuer dieser späten und letzten Liebe erhellt auch Vanders Vergangenheit, das Leben eines Mannes, der behauptet, „nichts als Fassade” zu sein: „Wenn Sie hinter die Fassade schauen, werden Sie nur Sägespäne finden und ein paar kümmerliche Triebe und einen Haufen Drahtgewirr.” Dann folgt ein Satz, der Banvilles Spiel mit Fiktionen und Fassaden ebenso zutreffend wie ironisch durchbricht: „In meinem ganzen Textkörper ist nicht ein einziger Knochen.” Man meint den Autor zu hören, wenn sein Geschöpf fortfährt: „Ich habe mir eine Stimme erschaffen, genauso wie ich mit vorher ein Ansehen erschaffen habe - aus lauter geklautem Material.”
Bei den Beklauten handelt es sich unter anderem um die Wissenschaftler Louis Althusser und Paul de Man, deren Lebensgeschichten beziehungsweise Werke in Vanders „Textkörper” ebenso eingegangen sind wie einige unfreiwillige Dauerleihgaben Nietzsches und Shakespeares. Die schicksalsträchtige Begegnung zwischen Vander und Cass findet in Turin statt, wo der Umwerter aller Werte seinen geistigen Zusammenbruch erlebte. Vanders Selbstdarstellung als Caliban zitiert Shakespeares „Sturm”, doch hat diese Maske mindestens zwei Seiten. Denn zu der Zeit, für die er rückblickend diesen Vergleich zieht, trug er noch einen anderen Namen, sah sich als den Mann fürs Grobe und seinen Jugendfreund, den echten Vander, als feinsinnigen Ariel.
Wie der falsche zum scheinbar echten Axel Vander, Ariel also zum Caliban wurde, im Zweiten Weltkrieg und während der Deportationen der belgischen Juden, wie er die Identität seines toten Freundes raubte, zuerst nach England dann in die USA entkam, das gehört nicht eben zu den überzeugendsten Passagen des Romans. Doch wer weiß, ob dessen Protagonist es nicht einfach leid war, sich mit dem Lügen und der Wahrheit allzu sehr abzumühen? Der deutsche Titel führt auf eine falsche Fährte, indem er den „Caliban” Vander zum Titelhelden macht.
Die untergründigen Flecken
Das Original heißt „Shroud”, was unter anderem „Grabtuch”, aber auch „Schleier” im eher bildlichen Sinn eines Nebelschleiers oder eines Schleiers, der ein Geheimnis umgibt, bedeuten kann. Dieser Schleier namens Biographie ist Gegenstand dieses Buchs. Kaum verhüllt spielt sein Titel zudem auf das Turiner Grabtuch (englisch: „Turin Shroud”) an, auf dem ein Abdruck des Gekreuzigten erhalten sein soll. Die Irin Cass Cleave will es unbedingt sehen, Vander, der Fälscher seines Lebens, macht sich darüber als eine Fälschung lustig und setzt so der Ironie des Romans die Dornenkrone auf.
„Professor Vander”, sagt ein italienischer Kollege, „ist der Auffassung, dass jeder Text ein schändliches Geheimnis in sich birgt, die untergründigen Flecke, die der Autor in notwendigerweise betrügerischer Absicht hinterlässt und die der Kritiker aufspüren muss.” In Literaturseminaren gilt als radikalste Form des Misstrauens gegen die Oberflächenbedeutung von texten der Dekonstruktivismus Paul de Mans, von dem nach seinem Tod bekannt wurde, dass er in seiner Jugend im von den Deutschen besetzten Belgien Artikel für die hatte kollaborierende Presse geschrieben hatte.
Als Autor seiner eigenen Lebensgeschichte hat Vander zwar manch schändliches Geheimnis zu verbergen, doch hat er das ausgesprochen erfolgreich getan. Cass Cleave ist auch in dieser Beziehung seine Antagonistin, deren fortschreitende Geisteskrankheit nicht nur mit epileptischen Anfällen einhergeht, sondern auch mit einem zunehmenden Pan-Determinismus.
In ihrem Beziehungswahn sieht Cass ihr ganzes Leben unausweichlich mit allem anderen verknüpft: „Alles, was sie je getan hatte, jede noch so kleine Handlung, selbst schon in frühester Kindheit, alles hatte sie hierher geführt, zu diesem Augenblick, zu diesen unausweichlichen Augenblicken, den letzten.” Ihr vollends aufgeklärtes Leben erstrahlt in so unbarmherzigem Licht, dass sie eines Nachts den Tod im Wasser sucht, im Golf von La Spezia, unweit der Stelle, wo der Dichter Shelley ertrunken ist, als Passagier eines Schoners mit dem Namen „Ariel”. Ihre Leiche taucht nicht wieder auf, doch am Ende glaubt Vander ihre Stimme zu hören. Gerade eben hat noch ihm ein gewisser „Dr. Zoroaster” eine Geschichte erzählt, die seine geraubte Identität in ein neues, verwirrendes Licht taucht, und da geht er nun hin, ein alter, lahmer, halbblinder Harlekin im winterlichen Turin. Vielleicht ist der Fälscher selbst einer Täuschung erlegen, doch das ist fast schon egal.
John Banville hat seinen Helden als literarisches Kunstgeschöpf entlarvt, um diesem groben Klotz dann immer menschlichere Züge zu verleihen. Am Ende aller Wandlungen steht ein alter Mann und lauscht den Stimmen aus dem Reiche Ariels: „In der Stadt ist es still um diese Jahreszeit. Aber die Toten haben ihre Stimme. Die Luft, in der ich mich bewege, summt von Nicht-Mehr-Sein. Bald werde ich auch nicht mehr sein. Gut. Warum soll ich das Leben haben und sie nicht? Sie. Sie.” Die Rose von einst steht nur noch als Name, heißt es bei Umberto Eco. In Banvilles meisterhaftem „Caliban” steht am Ende nur noch ein Personalpronomen.
ULRICH BARON
JOHN BANVILLE: Caliban. Aus dem Englischen von Christa Schuenke. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004. 378 Seiten, 22,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Michael Rutschkys Besprechung liest sich wie eine Perlenkette von Referenzen, sei es aus der Weltgeschichte, sei es aus der Literatur, so dass man als Leser nicht weiß, ob dies John Banvilles Vorgehensweise ist, oder ob man um die Eigentümlichkeit des besprochenen Romans gebracht wird. Banvilles Protagonist, die gealterte akademische Koryphäe Axel Vander, der eine windige, dekonstruktivistische "Methodologie des Denkens" begründet hat und nach Turin zu einem Nietzsche-Kongress fährt (in Turin glitt Nietzsche bekanntlich in die geistige Umnachtung), trifft sich dort auch mit einer jungen Frau, die Artikel aus seiner belgischen Jugendzeit ausfindig gemacht hat, in denen er das Hitler-Regime willkommen heißt. Darin sieht der Rezensent offensichtliche Parallelen zu Paul de Man. Doch Banville lasse es nicht dabei bewenden, er treibe das Ganze ins "Unwahrscheinlichste", indem er aus dem alten Axel Vander nicht den mache, für den man ihn hält, sondern einen jüdischen Freund des jungen Vanders (des tatsächlichen Verfassers der antisemitischen Artikel), der nach dessen Tod seine Identität angenommen habt um sich vor den Nazis in Sicherheit zu bringen. In dieser verdrehten Identität des Professors vernimmt der Rezensent wiederum ein Echo aus Highsmiths "Der talentierte Mr. Ripley" und Tim Roths "Der menschliche Makel". Aber weiter: Vander überwältige die junge, "verwirrte" Frau mit seiner "explodierenden Alterslibido" und stürze sie, als sie schwanger wird, ins Meer. Eher überraschend wirkt dann das Fazit des Rezensenten, wonach Banvilles "Netz von literarischen Anspielungen und Assoziationen" durchaus "starke ästhetische Reize" besitzt, die ihm eine "ungetrübte Lesefreude" bereitet haben.

© Perlentaucher Medien GmbH
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"In einer schönen und klaren Prosa beschreibt John Banville eine Tragödie, die so tief in der Geschichte und im Charakter verwurzelt ist, dass sie, wie alle wahren Tragödien, nicht anders hätte geschehen können." The Times
»Ein berührend schönes Buch.« WDR 3