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Kurze und grausame Geschichten, aus dem Leben derer, die neu sind in Berlin. Geschichten von Menschen, die nach Berlin gekommen sind, weil es sich so ergeben hat. Sie sind nicht nach Berlin gezogen, weil da die Hauptstadt war oder der Hype oder die Hoffnung auf eine Abwechslung. Sie sind nach Berlin geworfen worden. Und genauso fühlt sich die Stadt jetzt an: böse und barbarisch.
Sie erzählen von Erfahrungen, die man nur in Berlin machen kann, dem einzigen Ort in Deutschland, wo man sich manchmal nach Sibirien sehnt. Sie erzählen von Menschen, denen man nur in Berlin begegnen kann: jede
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Produktbeschreibung
Kurze und grausame Geschichten, aus dem Leben derer, die neu sind in Berlin.
Geschichten von Menschen, die nach Berlin gekommen sind, weil es sich so ergeben hat. Sie sind nicht nach Berlin gezogen, weil da die Hauptstadt war oder der Hype oder die Hoffnung auf eine Abwechslung. Sie sind nach Berlin geworfen worden. Und genauso fühlt sich die Stadt jetzt an: böse und barbarisch.

Sie erzählen von Erfahrungen, die man nur in Berlin machen kann, dem einzigen Ort in Deutschland, wo man sich manchmal nach Sibirien sehnt. Sie erzählen von Menschen, denen man nur in Berlin begegnen kann: jede Menge Schnauze, nirgendwo Manieren, und wenn da ein Herz ist, ist es gut versteckt. Und sie sind trotzdem immer wieder bereit, der Stadt und ihren Bewohnern eine Chance zu geben: auf Partys, im Taxi, beim Einkaufen. Jeder Satz ist ein Versöhnungsangebot. Und jedes dieser Angebote wird von Berlin umgehend zurückgewiesen.

Warum, das ist die große Frage dieses Buchs, warum geht es hier nicht so zivilisiert zu wie in Hamburg oder München. Und warum nicht so großstädtisch wie in London oder New York. Berlins Antwort: Keine Ahnung.
Warum das alles nun aufschreiben? Es muss einfach sein. Man muss aufschreiben, was einem in Berlin alles geschieht, weil man sich am Ende sonst noch daran gewöhnt.
Autorenporträt
Georg Diez, Jahrgang 1969, ist Journalist und lebt mit seiner Familie in Berlin. Er hat für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, den Spiegel und Die Zeit geschrieben und ist heute Autor der Süddeutschen Zeitung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.11.2003

Sind so kalte Menschen
Nörgeln nach Plan: Fünf Feuilletonisten verachten Berlin
Zwischen Pankow und Mitte schleicht die Straßenbahn atemberaubend langsam, der neue Lebensmittelhändler bietet nur eingepackten Käse und hält „Bonbel” für was besonders Feines, grundlose Unfreundlichkeit herrscht im sozialen Verkehr und nicht einmal Geld, gerade Geld nicht, vermag den Bewohnern Anzeichen von Diensteifer oder Leistungswilligkeit abzulocken. Nimmt man das anerkannt miserable Wetter, die staunenden Provinztouristen, die zugereisten Schwaben, die hauptstädtische Baukunst und das durch nichts gerechtfertigte „Weltstadt”-Gerede hinzu, besteht allemal ein Grund, Berlin zu verachten. Einen Grundriss des zu keiner Zeit versöhnungsbereiten Hasses auf die Hauptstadt und ihre Bewohner, die „Autochthonen”, haben nun fünf Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vorgelegt: Kurze, gut erzählte „Geschichten aus einer barbarischen Stadt”.
Feuilletonisten neigen dazu, Käseersatz, Kellnerungeschick, peinliche Herrenmode, Straßenbahnverspätungen, ja nahezu jedes Phänomen als eine an sie persönlich gerichtete Botschaft misszuverstehen. Etwas von dieser Feuilleton-Paranoia findet man auch in diesem Buch, das von wenig mehr handelt als den Belanglosigkeiten eines Redakteursalltags: Arbeitsweg, Nahrungsaufnahme, Taxifahrten, Shoppen, Bar- und Party-Besuchen. Die größte Kränkung, die dem selbstbewussten Berlin hier angetan wird, besteht in Auslassungen. Nicht einmal die Volksbühne, von der wir doch glaubten, sie diene der kulturellen Betreuung der Neu-Berliner, spielt eine Rolle. Es geht um Elementares, zivilisatorische Standards, die, so die Botschaft des Buches, in Berlin kaum gelten. Hier wohnen ungehobelte Wesen mit schlechtem Geschmack und Kreativlinge, die immer etwas vorhaben, aus dem nichts wird, neben allerlei Wichtigtuern.
Dass das Bürgertum der Stadt im verborgenen blüht, dass die Unfähigkeit, das Leben zu genießen, weit verbreitet ist, dass Ineffizienz und Großmäuligkeit manchen Tag verbittern können – all das hat seine Richtigkeit. Das musste mal wieder gesagt werden. Unangenehm aber berührt die Selbstzufriedenheit, in der das geschieht, das ausgestellte Gefühl, ein besseres Deutschland zu repräsentieren – als ließen Herrenreiter die Stadt zur Musterung antreten. Neugierig sind sie ohnehin kaum auf ihre neue Lebenswelt, meiden das biedere Marzahn wie die Idyllen von Zehlendorf. Nicht einmal über die Oberbaumbrücke haben sie es geschafft. Ein Berliner Stadtplan, auf dem Kreuzberg nicht verzeichnet ist, hat in der Tat etwas Trostloses. So entsteht in den kurzen Geschichten aus Prenzlauer Berg, Mitte und Charlottenburg ein Bild der freudlosen Enge. Das einzige, was wirklich für Berlin spricht, heißt Freiheit. Man kann hier so anonym und nach eigenem Wunsch leben wie sonst nirgends in der Republik, leicht erhält man Zutritt zu dutzenden verschiedener Szenen und Teilgesellschaften. Dieser unbezahlbare Luxus verführt dazu, über die alltäglichen Widrigkeiten hinwegzusehen. Die fünf Autoren waren dazu nicht bereit und wehren sich mit den Waffen verschmähter Liebhaber. Daher treffen wenigstens die Pointen. Mehrfach war der in der Straßenbahn lesende Rezensent versucht, laut aufzulachen, aber er hat sich beherrscht. Es könnte ja ein Münchner im Wagen sitzen, der das für die Schwachsinns-Kundgebung eines Autochthonen hält.
JENS BISKY
GEORG DIEZ, NILS MINKMAR, PETER RICHTER, CLAUDIUS SEIDL, ANNE ZIELKE: Hier spricht Berlin – Geschichten aus einer barbarischen Stadt. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 224 Seiten, 8,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2003

Bücher unserer Autoren: Leben in Venedig, Leiden in Berlin, die besten Geschichten und der perfekte Roman

Gerade erst hat er im Reiseteil dieser Zeitung Venedig kämpferisch gegen rüpelhafte Touristen und picknickende Kurzbesucher verteidigt, flüchtete dann aber doch für einen kurzen Ausflug nach Triest, um den Schriftsteller Veit Heinichen für dieses Feuilleton zu porträtieren, und hätte für die aktuelle Ausgabe fast gemeinsam mit Berlusconi Carmen in Verona gelauscht. Aber Berlusconi kam nicht, und so blieb auch Dirk Schümer am Ort seiner Lebens- und Arbeitsstätte. In Venedig. Über das er ein Buch geschrieben hat, fern von Untergangsromantik und Gondolieri-Klischees. Zusammengestellt aus seinen Kolumnen aus der F.A.Z. (Dirk Schümer: "Leben in Venedig". Ullstein. 238 Seiten, 18 Euro).

Und sie alle wären ja ganz gerne in Venedig. Oder auf Capri. Oder in einem Berlin, das München wenigstens etwas ähnlicher sähe. Georg Diez, Nils Minkmar, Peter Richter, Claudius Seidl und Anne Zielke haben "Geschichten aus einer barbarischen Stadt" geschrieben. Geschichten aus Berlin. Aus jener Stadt, in der sich die schlechtesten Seiten des Kapitalismus mit den schlechtesten Seiten des Sozialismus aufs häßlichste vereinigt haben. Die Stadt ungehemmter Nacktkocher, Flaschenbierausschenker, Cabriofahrerbeleidiger, Lärmfanatiker, Hauptstadtdarsteller, Nörgler und Berlinbeschimpfer. Ein Buch aus der Wüste. Ein Buch aus der Hölle. Ein Buch aus Berlin. (Claudius Seidl (Hrsg.): "Hier spricht Berlin - Geschichten aus einer barbarischen Stadt". Kiepenheuer und Witsch. 223 Seiten, 8,90 Euro).

Und in diesem Buch wird endlich mal eine wirklich uferlose Frage erschöpfend beantwortet. "Was sind Ihre liebsten Geschichten, Herr Reich-Ranicki?" könnte die Leser-Frage gelautet haben. Und Marcel Reich-Ranicki antwortet nicht nur mit einer ausführlichen Aufzählung, sondern er hat all jene Geschichten in einem sechshundertfünfzigseitigen Buch vereinigt. Es ist nicht als repräsentativer Kanon gedacht, sondern als rein subjektive Auswahl von Lieblingsgeschichten. Vierzig Erzählungen von achtundzwanzig Autoren aus drei Jahrhunderten. (Marcel Reich-Ranicki: "Meine Geschichten". Insel. 650 Seiten, 24,90 Euro).

Und auch in diesem Buch sind die besten Erzählungen zusammengestellt worden. Der Unterschied: Sie sind alle von einem Autor. Sie sind alle von Maxim Biller. Geschichten aus einer Welt, die "ein so verrotteter Misthaufen ist und zugleich das Schönste, Herrlichste, was wir uns vorstellen können". Fast perfekte Geschichten auf der Suche nach dem Glück, nach der Liebe und dem Leben, wie es sein müßte und niemals wirklich sein wird. Das Maxim-Biller-Standardwerk. (Maxim Biller: "Der perfekte Roman". dtv. 271 Seiten, 9,50 Euro)

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jens Bisky gibt zu, dass er sich bei der Lektüre dieser Geschichten aus Berlin, die die fünf Redakteure der FAZ hier versammelt haben, durchaus amüsiert hat. Er betont, dass die Vorhaltungen, die in diesem Buch an die Stadt Berlin und ihre Bewohner gerichtet sind, "ihre Richtigkeit" haben, ja sie müssen nach Biskys Dafürhalten auch "mal wieder gesagt werden". Die "Nörgeleien" über das schlechte Wetter, die notorische Unfreundlichkeit und "Großmäuligkeit" der Berliner, den schlechten Geschmack und die Provinzialität habe ihre Berechtigung, bestätigt der Rezensent, doch stört ihn die "Selbstzufriedenheit" mit der diese Vorwürfe vorgetragen werden. Auch die Lücken im Stadtplan der Autoren und der Autorin fallen ihm auf und für ihn entsteht so ein "Bild der freudlosen Enge" zwischen Prenzlauer Berg, Mitte und Charlottenburg, das dem ganzen Berlin nicht ganz gerecht wird. Trotzdem, die "Pointen" treffen ins Schwarze, räumt Bisky ein, und er gibt zu, dass er sich arg beherrschen musste, um bei seiner Lektüre nicht "laut aufzulachen".

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