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Ein Autor auf Lesereise, unterwegs mit dem eigenen Werk: Mal vor rastlosen Müttern in der alternativen Stadtteilbibliothek, mal vor einer popkonzertartigen Zusammenkunft junger Menschen in einem Club. "Livealbum" erzählt von Höhenflügen und Abstürzen, von skurrilen Erlebnissen mit dem Kulturbetrieb und dessen Personal, von überwältigendem Feedback und irritierenden Rückkopplungseffekten.

Produktbeschreibung
Ein Autor auf Lesereise, unterwegs mit dem eigenen Werk: Mal vor rastlosen Müttern in der alternativen Stadtteilbibliothek, mal vor einer popkonzertartigen Zusammenkunft junger Menschen in einem Club. "Livealbum" erzählt von Höhenflügen und Abstürzen, von skurrilen Erlebnissen mit dem Kulturbetrieb und dessen Personal, von überwältigendem Feedback und irritierenden Rückkopplungseffekten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2002

Benjamin von Stuckrad-Barre: Livealbum
1999 - Der Kulturbetrieb hat seinen Ethnographen

Gibt es irgendwo im Lande wirklich ein jugendherbergsartiges Gästehaus für Künstler auf Tournee, mit "Gemeinschaftsraum", Teppichklopfstangen auf dem Rasen und einem Hausmeisterehepaar, das sich als "typisch-deutsche Vorlage für Grobian Karikaturisten englischer Boulevardzeitungen ein paar Mark dazuverdient"? Und ist das auch der Ort, an dem sich die Scorpions auf ihre Tourneen vorbereiten? Scheint so: Die "resolute Ganzkörpertonne" von Herbergsmutter "holte ein schweinsledernes Gästebuch hervor, das tatsächlich vier Eintragungen von Klaus Meine und seiner geistreichen Hardrockband aufwies. Im Flur hing sogar ein Airbrush-Gemälde mitsamt einer goldenen Schallplatte und 6 Edding-Signaturen."

Das Buch von Stuckrad-Barre beschreibt eine Lesereise durch Deutschland, durch alle möglichen soziokulturellen Milieus vom bildungsbürgerlich ambitionierten Buchhändlerhaushalt zur gemeinsamen Talkshow mit Sepp Maier und endet schließlich in Bangkok.

"Livealbum" ist selbstreflexiv, ohne der Innerlichkeit zu verfallen, es ist ein Reisebuch ohne das Pathos des Fern- und Heimwehs, das mit einer Exotik des Vertrauten auskommt, und es ist ein höchst präziser und zugleich dynamischer Gesellschaftsroman, in dem sich praktisch nur fortbewegt wird. Natürlich kann man einwenden, all das habe es in der deutschen Literatur schon gegeben, in den Tagebüchern von Max Frisch, bei Hubert Fichte und Eckhard Henscheid, bei Max Goldt und Christian Kracht. Das stimmt: Auf all diesen Traditionen beruht das "Livealbum" und ist doch etwas völlig Neues. In keinem anderen Buch wird man eine so präzise Ethnographie des Literatur- und Medienbetriebs finden, die Umgangssprache in Funkhäusern, Buchhandlungen und Fernsehsendern, kurz den Sound der Öffentlichkeit Ende der Neunziger erkennen. Damit beschreibt Stuckrad-Barre als erster eine neue, damals gerade erst entstehende mediale Gesamt-Society, in der die bis dahin gültigen Grenzen zwischen E und U, zwischen Links und Rechts und zwischen Privat und Öffentlich weitgehend überwunden waren, in der Katja Riemann mit Björn Engholm smalltalkt. Wenige Jahre später wird es allgemein akzeptiert sein, daß die "Bunte" zum politischen Leitmedium der Republik avanciert ist. Der Aufbruch in diese Richtung ist in "Livealbum" mit unbestechlicher Präzision eingefangen. Aber er wird dort nicht bloß affirmativ beschrieben, vielmehr wird deutlich unterschieden, welche Äußerungen im allgemein umherwabernden Diskurs ganz gut und cool oder einfach nur "krank" sind. "Krank" ist die traute Einigkeit zwischen den Scorpions und dem Hausmeisterehepaar. "Kranke" Sätze sind zum Beispiel jene, die man immer in jeder Runde sagen könnte: "In Japan gründet man eine Firma, in Deutschland dagegen reicht man Formulare ein, und dann noch eins und noch eins." Sätze, mit denen sich der Sprecher selbst in eine diffus wissende und immer schon anerkannte symbolische Position zurückzieht. Solche Üblichkeiten der Kommunikation beschreibt Stuckrad-Barre mit großer Genauigkeit und Umsicht und überwindet sie damit zugleich. Die Unterscheidung zwischen dem, was gut und cool ist, und dem, was affektiert und krank ist, gleicht frappierend den Kategorien, mit denen Saint-Simon einst das höfische Leben im absolutistischen Frankreich beschrieb, wenn er Intrigantes von wirklich ehrbarem Verhalten unterschied.

Die Präzision der Schilderung, wenn etwa einer mit der "Drüberschreibseite eines Tintenkillers in ein Beavis- und Butthead-Notizbuch" schreibt, dient einem moralischen und ästhetischen Projekt: die Literatur aus dem gefälligen, aber diffusen Dämmerschein der Kleinkunstbühnen unter die raffinierten und überlegten Lichtanlagen der Clubs und Theaterbühnen zu überführen. Und weil dieses, mit "Livealbum" begonnene Projekt so erfolgreich war, gehört der Autor heute zu jenen Deutschen, zu denen sich fast jede und jeder eine Meinung leistet.

mink

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"Ein gutes, lustiges, unterhaltsames Buch" Süddeutsche Zeitung "Stuckrad-Barre mit dem gewohnten Formulierungsfuror" taz "Der Dandy unter den jungen Autoren" Gala