Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 7,90 €
  • Gebundenes Buch

Wie unter dem Vergrößerungsglas erschließt sich in Dieckmanns Dokumentarerzählung ein Schriftstellerleben in den Bedrängnissen und den Anforderungen seiner Zeit. Schiller, der Briefschreiber, tritt neben den öffentlichen Autor, Begebenheiten naher und ferner Politik fallen ebenso in die Erzählung wie häusliche Umstände, Freund- und Feindschaften; in der Sprache der Zeit malt sich das Klima der Epoche.Schillers Abschied vom Drama, von der Dichtung fällt in das Jahr 1790; eine Jenaer Professur zehrt die Kräfte des etablierten Rebellen auf. Bis zur Wiederkehr des Dramas braucht es acht Jahre, in…mehr

Produktbeschreibung
Wie unter dem Vergrößerungsglas erschließt sich in Dieckmanns Dokumentarerzählung ein Schriftstellerleben in den Bedrängnissen und den Anforderungen seiner Zeit. Schiller, der Briefschreiber, tritt neben den öffentlichen Autor, Begebenheiten naher und ferner Politik fallen ebenso in die Erzählung wie häusliche Umstände, Freund- und Feindschaften; in der Sprache der Zeit malt sich das Klima der Epoche.Schillers Abschied vom Drama, von der Dichtung fällt in das Jahr 1790; eine Jenaer Professur zehrt die Kräfte des etablierten Rebellen auf. Bis zur Wiederkehr des Dramas braucht es acht Jahre, in denen das Drama der Epoche sich auf der französischen Revolutionsbühne vollzieht. Im Jahre 1798 ist es dann soweit: Wallensteins Lager kommt am Weimarer Hoftheater zur Uraufführung; im folgenden Jahr rundet sich die dreiteilige Tragödie, mit der Schiller an Goethes Hand wieder auf die Bühne findet. Ein Realdrama, das sich an den ungebärdigen Professor Fichte heftet, überlagert die theatralische Szene; am Ende des Jahres stehen Das Lied von der Glocke und Die Worte des Wahns. In Weimar, wohin er mit seiner Frau und inzwischen drei Kindern im Dezember 1799 übergesiedelt ist, verbringt Schiller den letzten Abend des alten Jahrhunderts bei Goethe; am andern Morgen begrüßt man sich brieflich »zum neuen Jahr und neuen Säkulum«.
Autorenporträt
Friedrich Dieckmann, Dr.phil.h.c., wurde 1937 in Landsberg/Warte geboren. Nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Physik arbeitete er von 1972 bis 1976 als Dramaturg am Berliner Ensemble. Er hat Bücher über Friedrich Schiller, Franz Schubert, Richard Wagner, Bertolt Brecht und Karl von Appen veröffentlicht sowie den Roman eines Theaterhelden (Die Geschichte Don Giovannis. 1991), einen Band mit Essays zur deutschen Oper von Mozart bis Wagner und vier Essaybände aus dem und über den Prozess der deutschen Vereinigung (drei davon in der edition suhrkamp: Vom Einbringen. Vaterländische Beiträge. 1992; Temperatursprung. Deutsche Verhältnisse. 1995; Was ist deutsch? Eine Nationalerkundung. 2003). Friedrich Dieckmann ist Träger des Heinrich-Mann- und des Johann-Heinrich-Merck-Preises und Mitglied der Akademien der Künste in Berlin, Dresden und Leipzig sowie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. 1989/90 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. 1994 bis 2000war Friedrich Dieckmann Sprecher der Deutschen Literaturkonferenz e.V. und von 2002 bis 2012 Mitglied des Sächsischen Kultursenats.
Heute lebt Friedrich Dieckmann als Schriftsteller und Publizist in Berlin-Treptow.

Mitgliedschaften:

Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste
Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
Mitglied der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg
Mitglied der Freien Akademie der Künste zu Leipzig
Mitglied des Internationalen P.E.N.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.11.2009

Das Jahrhundert öffnet sich mit Mord
Walter Müller-Seidel und Friedrich Dieckmann zeigen Friedrich Schiller in seinen politischen Zeitverhältnissen
Als im Winter 1792 vor dem Pariser Konvent gegen König Ludwig XVI. verhandelt wurde, da erwog der deutsche Schriftsteller Friedrich Schiller, sich mit einem Memoire für den mit dem Tod bedrohten Monarchen in das laufende Verfahren einzuschalten. Der Gedanke war nicht abwegig, war Schiller doch am 26. August 1792 von der Nationalversammlung zum französischen Bürger ernannt worden, die Urkunde trug Dantons Unterschrift. Die Enthauptung des unglücklichen Königs im Januar 1793 erregte dann bei der deutschen Intelligenz eine neue Debatte zu Widerstandsrecht und Tyrannenmord, Themen, die dem Verfasser der „Räuber”, des „Fiesko” und des „Don Carlos”, dem Historiker des Abfalls der Niederlande keineswegs fremd waren.
Die Literaturwissenschaft kennt Schiller seit jeher als Gestalter des handelnden Menschen, wie Max Kommerell ihn nannte, doch eine umfassende Untersuchung von Schillers Verhältnis zur zeitgenössischen Politik fehlte seit langem. Jeder weiß, dass der vorerst im Terror endende Versuch der Französischen Revolution, den „Naturstaat” in einen „Vernunftstaat” zu verwandeln, bei dem entsetzten Beobachter Schiller jene Forderung nach einem dritten Weg hervorrief, den er „ästhetische Erziehung”, ja „ästhetischer Staat” nannte. Bildung gegen Revolution: Damit schien lange Zeit die Frage beruhigt, was die klassische deutsche Literatur mit dem gewaltsamen Epochenumbruch zu tun habe, der sich vor ihren Augen im französischen Nachbarland abspielte.
Erst Napoleons Einbruch in die deutsche ästhetische Provinz habe dann bei einer jüngeren Generation eine neue Politisierung bewirkt und jenen Schritt vom Weltbürgertum zum Nationalstaat nahegelegt, der dann noch viel später von der Humanität über die Nationalität in die Bestialität führte. Diese böse Tendenz glaubte eine fromm gewordene Germanistik nach der deutschen Katastrophe rückgängig machen zu müssen, indem sie Weimar zum zeitenthobenen Idyll eines edlen Humanismus stilisierte. Was die Werke des großartigen langen Jahrzehnts von 1793 bis 1805 mit der politischen Tageschronik einer beispiellos bewegten Epoche zu tun hatten, geriet in den Schatten der Erkenntnis.
Die Ruhezone im Norden
Das ändert sich nun, vor allem für Schiller. Schon 2005 legte der Berliner Essayist Friedrich Dieckmann in der Zeitschrift Sinn und Form mit einer Abhandlung über „Schiller und den Untergang des alten Reiches” einen glanzvollen Grundriss zu den zeitgeschichtlichen Implikationen von Schillers späten Dramen vor. Nicht mehr die Französische Revolution allein, sondern Krise und Untergang des heiligen römischen Reichs, die Themen von Krieg und Fremdherrschaft, erschienen hier als Hintergrundfragen für die „Wallenstein-Trilogie”, die „Jungfrau von Orleans” und „Wilhelm Tell”.
Offenbar ist dieser Aufsatz Walter Müller-Seidel, dem Doyen der Germanistik, entgangen, der nun ein großes Buch über Friedrich Schiller und die Politik vorlegt, das viel ältere „Forschung” diskutiert und dabei auch abräumt. Die Befunde, die Müller Seidel in langen Einzelinterpretationen der Schillerschen Dramen gewinnt, sind bei Dieckmann in vielen Zügen vorskizziert. Müller-Seidels These lautet in grober Vereinfachung: Bei Schiller wurden im Verlauf der neunziger Jahres des 18. Jahrhunderts die universalistischen Themen von Menschheit, Fortschritt, Weltbürgertum, Ewigem Frieden, wie sie noch die Jenaer Antrittsvorlesung von 1789 beherrschten, abgelöst von den konkreteren zeitgeschichtlichen Fragen nach vaterländischer Freiheit und Selbstbestimmung.
Dieser Akzentwechsel verändert auch den Blick auf den alteuropäischen Typus des Tyrannen, das Widerstandsrecht gegen ihn sowie das Hintergrundsthema des Tötens zu staatlichen Zwecken. Der fremde Nationalkrieg, der Deutschland seit der missglückten „Campagne in Frankreich” von 1792 erreichte, zerstörte nicht nur die alten Strukturen deutscher Staatlichkeit, er gab der Thematik von Freiheit und Freiheitskampf eine vaterländische Färbung.
Den Begriff des „Vaterlands”, den auch Hölderlin kennt, macht Müller-Seidel zurecht stark, weil er noch frei ist von gewaltsamen und abstrakten Zügen der „Nation” mit ihren kulturellen Homogenisierungsforderungen. „Vaterland” – das sind auch die mittelalterlichen kleinen Alpenkantone, die sich im „Wilhelm Tell” gegen einen habsburgischen König verschwören, der gar keine andere Sprache spricht: Nation vor Fichte.
„Vaterländisch” ist vor allem der Kampf, den die „Jungfrau von Orleans” schildert, das kleistischste der Schillerschen Dramen: Doch hier geht es nicht um absoluten Nationalhass, sondern um Freiheit von Fremdherrschaft, beziehungsvoll auf den spätmittelalterlichen Krieg zwischen England und Frankreich gespiegelt, aber jedem Zeitgenossen als Modell für deutsch-französische Wirren um 1800 erkennbar. Einen der schönsten Funde dazu macht Friedrich Dieckmann in dem Buch zu „Schillers Jahrhundertwende”, das den Vortrag von 2005 zu einem detaillierten Panorama ausarbeitet: Wenn König Karl VII. in Schillers Drama erwägt, sich in die milde Zone „hinter der Loire” zu Frieden und Minnesang zurückzuziehen, dann erkennt Dieckmann darin jene Ruhezone in Norddeutschland wieder, in der nach dem Basler Frieden zwischen Preußen und Frankreich von 1795 die Weimarer Klassik blühte.
Solche Wahrnehmungen zeigen, wie konkret man zeithistorische Chronik und Werkentstehung bei Schiller aufeinander beziehen muss, wenn man die politische Bedeutung der Dramen begreifen will. Damit ist eine Schwäche Müller-Seidels benannt, der vor allem werkimmanent interpretierend und ideengeschichtlich verfährt, die Zeitgeschichte aber nur mit wenigen Daten aufscheinen lässt. Darum kann er auch auf die Idee kommen, Schiller habe eine „verschwiegene” Gegnerschaft zu Napoleon in seinen späten Dramen verschlüsselt, ja diese seien ohne die „Hintergrundfigur” des französischen Diktators nicht zu begreifen.
Dies trifft aber nur zu, wenn man die Person des genialen Usurpators von dem durch ihn bewirkten Weltzustand unterscheidet. Die Person Napoleons hat Schiller, soweit wir sehen, kaum interessiert, mutmaßlich sogar abgestoßen, jedenfalls viel weniger beschäftigt als den genialen Beobachter Wieland, selbst weniger als Goethe, der 1804 beginnt, Bücher über Bonaparte zu lesen. Und als Napoleon 1806 nach Weimar einrückte, war Schiller schon mehr als ein Jahr tot.
Der Nerv der Epoche
Die napoleonische Epoche erreicht Schiller vorerst durch ihre Auswirkungen aufs Alte Reich. Dieses Reich ist die Weltbühne, auf der die „Wallenstein”–Trilogie spielt. Der Feldherr des Dreißigjährigen Kriegs, dem die Sterne das Schicksal deuten und der sich im Irrgarten halber Entschlüsse und langen Zauderns verstrickt, ist eine Figur, wie sie unnapoleonischer kaum gedacht werden kann. Aber wenn er sagt: „Es soll im Reiche keine fremde Macht / Mir Wurzel fassen”, dann trifft er, wie Müller-Seidel zurecht hervorhebt, den Nerv der Epoche zwischen Marengo und Lunéville. Schiller und Napoleon, das ist fast ein komplementäres Verhältnis zu dem von Goethe und Napoleon: Während Goethe sich bald ganz auf die Person des Kaisers konzentriert und ihre Wirkungen als übermächtige Faktizität hinnimmt, geht es Schiller nur um den Untergang Deutschlands in der Fremdherrschaft, die ihm unerträglich erscheint.
Friedrich Dieckmanns großartiges Buch ist eine kühne Mischung aus privater Biographie, inneren Monologen, Einzelinterpretationen und zeitgeschichtlichen Ausblicken, eine pure Lesefreude, die sich nicht in einzelne Thesen ausmünzen lässt. Sein erzählerischer Kern ist der Weg zurück zum Drama, den Schiller mit dem „Wallenstein” nach den langen Abschweifungen in die Historie und die Philosophie findet. Dabei geht es nicht nur um Politik und Ideen, sondern auch um Verlagsvorschüsse und Bühnenpraxis, Literaturpolitik, Verstechnik und Psychologie, sogar um die Wirren der Jenaer Universität im Streit um Fichtes „Atheismus”.
Dieckmann scheut sich nicht, nach Thomas Manns Vorbild seinen Helden in erlebter Rede von innen vorzuführen, und da er für jeden Satz einen historischen Beleg anführen könnte, gelingt dies ohne Peinlichkeit. Bestechend sind einzelne Interpretationen, von überwältigender Brillanz beispielsweise ein ausführlicher Vergleich von Goethes „Herrmann und Dorothea” mit dem „Lied von der Glocke”, das diese vom deutschen Bildungsbürger zu Tode geliebten Texte so wiederbelebt, dass man sie sich in Dieckmanns Lesart in jede Deutschstunde zurückwünscht.
„Das Jahrhundert ist im Sturm geschieden, / Und das neue öffnet sich mit Mord”: Schillers Dichtungen haben die politischen Zeitverhältnisse, auf die sie reagieren, nicht versteckt. Seine Humanität spielt nicht nur im Reich der Träume, seine Schönheit blüht nicht nur im Gesang. Es mündet, wie Müller-Seidel am Ende zeigen kann, in eine Kritik des Tötens und der menschlichen Größe, die ein ganzes Jahrhundert der Schiller-Interpretation übersehen hat. Immerhin: Adolf Hitler persönlich verbannte den „Wilhelm Tell” von den Bühnen seines Reiches, und in der untergehenden DDR wurden „Tell”-Aufführungen von unentwegten Szenenapplausen begleitet. Schiller in seinen Zeitverhältnissen bleibt ein Zeitgenosse auch für spätere Epochen. GUSTAV SEIBT
WALTER MÜLLER-SEIDEL: Friedrich Schiller und die Politik. Nicht das Große, nur das Menschliche geschehe. Verlag C.H. Beck, München 2009. 400 Seiten, 29,90 Euro.
FRIEDRICH DIECKMANN: Freiheit ist nur in dem Reich der Träume. Schillers Jahrhundertwende. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2009. 464 Seiten, 34 Euro.
Das deutsche Revolutionsstück schlechthin, in der DDR 1989 vielfach von Szenenapplaus begleitet: „Wilhelm Tell”. Unsere Abbildung zeigt die Rütli-Schwurszene in einer Aufführung des Berliner Schauspielhauses 1919. Foto: Scherl
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2010

Dramatische Auszeit
Auf Holz gegründet: Friedrich Dieckmanns biographische Schiller-Studie

Innerhalb weniger Monate gibt es in den Jahren 1798 und 1799 gleich drei vielbeachtete Schiller-Premieren am Weimarer Theater: Auf "Wallensteins Lager" folgen "Die Piccolomini" und schließlich, als Abschluss der Trilogie, "Wallensteins Tod". Schiller meldet sich damit eindrucksvoll als Dramatiker zurück und wird bis zu seinem Lebensende auch vornehmlich als solcher wahrgenommen, nachdem er zuvor mehr als zehn Jahre lang kein neues Stück mehr vollendet hat. Der Abstand zu seinen frühen Sturm-und-Drang-Dramen ist gleichwohl immens.

Die vielbeschworene dramatische Auszeit Schillers und ihre Überwindung durch das monumentale Wallenstein-Projekt bilden den Dreh- und Angelpunkt der Studie von Friedrich Dieckmann, der bereits im letzten Schiller-Jahr 2005 mit einer Darstellung zum jungen Schiller hervorgetreten ist. Er selbst bezeichnet sein Werk als "erzählendes Buch". Sein zweimaliges Experimentieren mit inneren Monologen aus der Sicht Schillers und der essayistische Duktus mögen dem entsprechen, trotzdem hätte dem Buch angesichts der Vielzahl an Zitaten und breiter analytischer Partien ein Nachweisverzeichnis gut angestanden.

Der Aufbau ergibt sich aus der Sache. Auf den "Abschied vom Drama", eine Skizzierung von Schillers äußerer Lage und geistiger Verfasstheit in den Jahren nach 1789, folgt die "Wiederkehr des Dramas", eine dichte Nachzeichnung der Biographie von Herbst 1798 bis Ende 1799. Ein Kernanliegen ist das Aufzeigen von zeitgeschichtlichen Zusammenhängen. "Wallenstein" bedeutet keine Flucht in die Geschichte, sondern ist für Dieckmann ein Zeitstück von geradezu bestürzender Aktualität. Wallensteins Sichergeben in die Verhältnisse setzt er mit Schillers Resignation angesichts der Entwicklung der Französischen Revolution und der Lage Deutschlands gleich, wie damals droht ein "ruinöser Epochenkrieg" oder ist bereits am Laufen. Der Fortschrittsoptimismus der Universalgeschichtsvorlesung, der am Beginn von Schillers Karriere als Historiker stand, ist gründlich verflogen, selbige endete bezeichnenderweise vorzeitig mit der um die breite Würdigung des Westfälischen Friedens beschnittenen Darstellung der Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs.

Manchen Detailwertungen wird man sich nicht ohne weiteres anschließen wollen. Ob sich im zaudernden Wallenstein die Situation des jungen Regimentsmedikus Schiller vor seinem "Abfall" vom württembergischen Herzog widerspiegelt, ist so fraglich wie die These, Schillers Schweigen auf dem Theater habe damit zu tun, "dass er, selbst eine Familie gründend, das Feld der Sohnestragödien hinter sich gelassen hatte, ohne zu einer Vatertragödie schon befähigt gewesen zu sein". Der Hang zu pointierten Zuspitzungen läuft oftmals seltsam ins Leere, so wenn auf die Auswertung eines Briefes, in dem von Schillers Brennholzbedarf die Rede ist, die Aussage folgt: "Jene exzeptionelle Periode der deutschen Literatur, die später mit dem Ehrennamen einer klassischen bedacht wird, ist energetisch auf Holz gegründet."

Neben einer gewissen Überambitioniertheit stört der Hang zur Weitschweifigkeit immer wieder den Gedankengang. Oftmals wirkt es so, als wollte Dieckmann dem Leser keine seiner literatur- oder kulturgeschichtlichen Lesefrüchte vorenthalten, und so gibt es breite Exkurse zu historischen Phänomenen oder einzelnen Personen, die dem Text stellenweise etwas seltsam Mäanderndes verleihen. Das Stilmittel des inneren Monologs schließlich wirkt fast zu ängstlich eingesetzt, denn am Schluss taucht es nicht mehr auf, wo man es der Anlage des Buches nach mit einiger Wahrscheinlichkeit wieder erwarten dürfte. Schade, dass Dieckmann seiner Darstellung nicht eine konzentriertere Form verliehen hat, die die ebenso beeindruckende wie anregende Materialfülle besser zu bündeln vermocht hätte.

THOMAS MEISSNER.

Friedrich Dieckmann: "Freiheit ist nur in dem Reich der Träume". Schillers Jahrhundertwende. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2009. 464 S., geb., 34,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Friedrich Dieckmanns Studie über Schillers Schaffen von 1789 bis 1799 zwischen Abwendung vom und Rückbesinnung auf das Drama, stellt sich für Thomas Meissner nicht zuletzt als Problem der Form dar. Dieckmann nennt seine Studie ein "erzählendes Buch" und experimentiert, in den Augen des Rezensenten allerdings zu halbherzig, mit dem inneren Monolog. Daneben aber biete der Autor so viele Zitate und Textanalysen, dass hier ein Register unbedingt nötig gewesen wäre, beschwert sich Meissner. Nicht mit allen Interpretationen Dieckmanns ist er einverstanden, so meldet er Zweifel an der Deutung an, Wallensteins Zaudern spiegele Schillers eigene Lage als "Regimentsmedikus" beim württembergischen Herzog wider, oder seine zehn Jahre währende Abstinenz vom Drama sei damit zu erklären, dass er als frischgebackener Familienvater noch nicht zu einer "Vatertragödie" bereit gewesen sei. Meissner stört sich aber auch an überambitionierten Formulierungen, weitschweifiger Darstellung und "ins Leere laufenden" Pointen, so dass er am Ende bedauert, dass Dieckmann seine an sich inspirierende und faszinierende Fülle an Material nicht konzentrierter verarbeitet hat.

© Perlentaucher Medien GmbH