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Der Buchwissenschaftler Stephan Füssel eröffnet einen auf den ersten Blick ungewöhnlichen Zugang zu Schiller, indem er ihn als Manager seiner selbst und als literarischen Agenten in eigener Sache vorstellt. Dabei gelingt es Füssel, die Lebens- und Schaffensbedingungen eines "freien" Schriftstellers um 1800 anschaulich ins Bild zu setzen.
Schiller ist einer der ersten, die den Lebensentwurf des "freien Autors" gewählt und durchlitten haben. Hinter seinen Dramenplänen und Zeitschriftenprojekten, seinen Arbeitsskizzen und Fortsetzungsarbeiten steht immer auch die Sorge um die materiellen
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Produktbeschreibung
Der Buchwissenschaftler Stephan Füssel eröffnet einen auf den ersten Blick ungewöhnlichen Zugang zu Schiller, indem er ihn als Manager seiner selbst und als literarischen Agenten in eigener Sache vorstellt. Dabei gelingt es Füssel, die Lebens- und Schaffensbedingungen eines "freien" Schriftstellers um 1800 anschaulich ins Bild zu setzen.

Schiller ist einer der ersten, die den Lebensentwurf des "freien Autors" gewählt und durchlitten haben. Hinter seinen Dramenplänen und Zeitschriftenprojekten, seinen Arbeitsskizzen und Fortsetzungsarbeiten steht immer auch die Sorge um die materiellen Grundlagen für sich und seine Familie. Die Studie stellt Schillers Lebensplanung in den Kontext der ökonomischen, politischen und kulturellen Bedingungen der Zeit - zu nennen sind etwa "allgemeine Übel" des unautorisierten Nachdrucks und die wichtige Rolle der Buchhändler bei der Herausbildung einer deutschen Nationalkultur.

Stephan Füssel bezieht in seine Darstellung nicht nur Schillers umfangreiche Korrespondenz und seine Planungsnotizen ein, sondern bringt auch Bilanzen und Druckauftragsbücher aus den Verlagsarchiven zum Sprechen. Deutlich werden so Schillers Absichten als Selbstverleger und als Partner der Verleger Crusius, Michaelis, Unger, Göschen und Cotta, seine wirtschaftlichen Notlagen und Erfolge sowie der exorbitante Gewinn, den seine Erben von 1805 bis 1867 einstrichen.
Autorenporträt
Stephan Füssel ist Direktor des Instituts für Buchwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und Inhaber des dortigen Gutenberg-Lehrstuhls. Er hat zahlreiche Schriften über das frühe Druckwesen, die Rolle und Bedeutung des Buches vom 18. bis zum 20. Jahrhundert sowie zur Zukunft der Medien publiziert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2006

Reicht uns die Hand, sein Leben
Die Geschichte seines Geistes: Nachträge zum Schiller-Jahr

Ein Brief: "Schon längst wollte ich Sie bitten liebster Vater, mir die kleinen Sachen, die während meines Auffenthalts in Stuttgardt von mir gedruckt worden sind, zusammen suchen zu lassen, und hieher zu schiken, auch was Sie noch etwa in Mscrpt von mir hätten oder aufzubringen wüssten. Diese Dinge intereßiren mich jetzt, und ich brauche sie als Belege zur Geschichte meines Geistes." Schiller war dreißig, als er diesen Brief am 4. Februar 1790 schrieb, und wähnte sich endlich auf der sicheren Seite des Lebens angekommen. Nach Jahren des mehr oder weniger gelungenen Experiments als freier Schriftsteller war er seit 1789 als Lehrer an der Universität in Jena fest etabliert. In wenigen Wochen würde er heiraten und in einigen Jahren, so hoffte er, dank der einträglichen Arbeit als Verfasser historischer Abhandlungen zu seiner wahren Bestimmung, der Poesie, zurückkehren können.

Sich selbst hat Schiller die Stationen dieses Werdegangs nie im Detail vergegenwärtigt. Die Bausteine seines Lebens und Schreibens zu sichten und zu sammeln, ist Sache der Nachwelt. Mit diesem Ziel hat Karin Wais unter Mitwirkung von Rose Unterberger nun "Die Schiller Chronik" zusammengestellt, die in einer übersichtlichen Ahnenreihe steht: 1900 hatte Ernst Müller "Regesten zu Friedrich Schillers Leben und Werken" veröffentlicht, zu denen sich 1958 Gero von Wilperts "Schillerchronik" gesellte. Wais bietet das Dichterleben als Chronographie privater und beruflicher Ereignisse, geordnet nach Leben und Werk. Räumlich und zeitlich zusammenhängende Phasen sind durch Überschriften kenntlich gemacht, und zu Beginn eines neuen Jahres verweisen ausgewählte politische und literarische Ereignisse auf den Kontext. Zitate aus Schillers Briefen und den im Familien- und Freundeskreis entstandenen Erinnerungen verleihen den Fakten Farbe und legen Spuren für eine weiterführende Lektüre.

Von der Geburt am 10. November 1759 - ein Datum, das durch keine Quelle eindeutig verbürgt ist - bis zum Tod am 9. Mai 1805 wird dem Leser eine Fülle von Informationen geboten. Der Lesbarkeit kommt zugute, daß die Chronik bündelt und strafft, das Leben also nicht minutiös von Tag zu Tag erzählt. Freilich geht dabei mitunter manches verloren. So erfährt der Leser zwar von "mehreren Besuchen bei Hof" im März und April, nicht aber im Januar und Februar 1805. Ebenfalls unerwähnt bleibt der Aufenthalt Schillers in Rudolstadt vom 4. bis zum 13. September 1799. Ohne große Mühe hätte manches Wichtige noch mitgeteilt werden können, etwa die Bestrafungen des Eleven der Militärakademie, die das System aus Drill und Überwachung erahnen lassen, in das sich Schiller zuletzt anstandslos fügte. Kleinere Versehen wie die unvergängliche Behauptung, Schiller sei 1792 zum französischen Ehrenbürger ernannt worden, während die Nationalversammlung ihn per Gesetz zu einem veritablen französischen Bürger machte, sind ärgerlich, mindern den Wert der Chronik aber nicht.

Wer sich mit der geistigen Entwicklung Schillers beschäftigt, kommt nicht umhin, auch die ökonomische Seite zu betrachten. Man muß den "Weg der existentiellen Lebensplanung" berücksichtigen, bei der die Arbeiten des Schriftstellers eben auch eine Ware darstellen, deren Verkauf von anderen Arbeiten unabhängig macht. Diese These leitet die Untersuchung, die Stephan Füssel Schiller und dessen Verlegern widmet. Sie geht der Entwicklung Schillers zum freien Schriftsteller vor dem Hintergrund der Besonderheiten des deutschen Verlagswesens seiner Zeit nach und berichtet über die Höhen und Tiefen dieser Geschäftsbeziehungen. Am Anfang steht die faszinierende Geschichte, wie sich der unbekannte Dramatiker 1781/82 mit einem Paukenschlag ins Zentrum des literarischen Lebens katapultierte. Der Schriftsteller, zugleich Selbstverleger, Selbstrezensent und -vermarkter, verhalf seinen "Räubern" mit Kalkül zum Durchbruch. Binnen eines Jahres war er ein gesuchter Autor, der von Metzler in Stuttgart und Christian Friedrich Schwan und Tobias Löffler in Mannheim verlegt wurde. Es war der Beginn einer Karriere, die Schiller zum Autor vieler erstklassiger Verleger machte, darunter Georg Joachim Göschen und Johann Friedrich Cotta. Zwischen künstlerischem Anspruch und ökonomischer Notwendigkeit balancierte er seine Projekte mit strategischem Geschick und starken Verbündeten, sprich: guten Verlegern.

Zu Recht bemängelt Füssel, daß die Forschung diesem Verhältnis bisher nicht die volle Aufmerksamkeit geschenkt habe. Doch auch ihm gelingt es nicht, seinen Anspruch einzulösen. Es bleibt bei der Nacherzählung des Bekannten. Wie aufschlußreich wäre es gewesen, die ökonomische Seite zu zeigen und zugleich vorzuführen, wie sich im Verhältnis des Autors zu seinen Verlegern und umgekehrt der Wandel des literarischen Lebens spiegelt: wie sich beide in Abhängigkeit voneinander zu modernen Öffentlichkeitsarbeitern entwickeln, die wechselseitig zum Garanten der Marke des anderen werden. Über dieses symbolische Kapital, das auf beiden Seiten zusammengetragen wurde, und über dessen Bedeutung für "Größe, Hervorragung, Einfluß auf die Welt und Unsterblichkeit des Namens" (Schiller) wäre manches zu sagen gewesen. Die Karriere des untrennbaren Autor-Verleger-Paares Schiller und Cotta hätte reichlich Anschauungsmaterial geboten. Zahlreiche Wiederholungen, unsaubere Zitate und Nachlässigkeiten stören den Lesegenuß empfindlich. So lüftet sich "der magische Nebel, in den das Gerücht gewönlich Schriftsteller einhüllt" (Schiller), nur bedingt.

Den triumphierenden Blick, den Schiller 1790 in die Vergangenheit und Zukunft warf, erschütterte die schwere Erkrankung 1791. Sowenig sich sein Körper davon wieder erholte, sowenig kehrte die gelassene Zuversicht auf eine ruhige Zukunft dauerhaft zurück. Der Kopf des Schriftstellers trat fortan in einen verzehrenden Wettlauf mit dem zerfallenden Körper. An Goethe schrieb er im August 1794: "Eine große und allgemeine Geistesrevolution werde ich schwerlich Zeit haben, in mir zu vollenden aber ich werde thun was ich kann, und wenn endlich das Gebäude zusammenfällt, so habe ich doch vielleicht das Erhaltungswerthe aus dem Brande geflüchtet."

Was bis zum 9. Mai 1805 zur Welt gekommen war, versammelt das "Schiller-Handbuch", das Matthias Luserke-Jaqui unter Mitwirkung ausgewiesener Schiller-Spezialisten herausgegeben hat. Nach Gattungen und Erscheinungsjahren geordnet, wird das Werk vorgestellt: die vollendeten und unvollendeten Dramen, Gedichte, Erzählungen, essayistischen Arbeiten und Übersetzungen. Hinzu kommen Artikel über die Briefwechsel mit Goethe und Körner, zur Rezeptions- und Aufführungsgeschichte und über Schiller-Parodien. Der raschen Orientierung dient eine knappe "Lebens- und Werkchronik". Der Leser findet zu jedem Werk die Geschichte seiner Entstehung, des Drucks und der Überlieferung, meistens auch eine Inhaltsangabe und eine eigenständige Deutung des Verfassers. Dabei wäre manchmal weniger mehr gewesen, wie im Falle der "Jungfrau von Orleans" (Ariane Martin), wo kaum alle vierzehn Erstaufführungsorte zwischen 1801 und 1803 in dieser Ausführlichkeit hätten erwähnt werden müssen. Auch der mit fünfundvierzig Seiten längste Beitrag über die "Räuber" (Gert Sautermeister) hätte durch Kürzung gewonnen. Die den Artikeln beigefügten Literaturangaben machen das Handbuch zu einem Vademecum für jeden, der tiefer in die Forschung einsteigen möchte.

Angesichts der hohen Qualität der meisten Artikel ist ihre isolierte Präsentation bedauerlich. Eine Übersicht und kurze Einführungen zu den Abschnitten wären wünschenswert gewesen. Bedauerlich ist auch der Verzicht auf einen Artikel über den zwischen 1796 und 1800 von Schiller herausgegebenen "Musen-Almanach". Ohne ihn steht das avancierte Kunstprogramm des klassischen Dichters nur auf einem Bein, denn das Journal "Die Horen" und der Almanach gehören als publizistisches Tandem zusammen. Auch die medizinischen Schriften (Matthias Luserke-Jaqui), die ein wichtiges Fundament für Schillers anthropologisch-philosophisches Denken bilden, das sich bis in die großen Abhandlungen zur Ästhetik in den 1790er Jahren nachweisen läßt, sind kaum ausreichend vorgestellt. Im Titel angekündigt, aber nicht in einem eigenen Artikel behandelt ist das "Leben" Schillers, das die "Lebens- und Werkchronik" nicht adäquat ersetzt.

MARTIN SCHALHORN

"Die Schiller Chronik". Von Karin Wais unter Mitwirkung von Rose Unterberger. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2005. 383 S., geb., 28,- [Euro].

Stephan Füssel: "Schiller und seine Verleger". Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2005. 354 S., geb., 26,90 [Euro].

Matthias Luserke-Jaqui (Hrsg.): "Schiller-Handbuch. Leben Werk Wirkung". Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2005. 651 S., geb., 49,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Stephan Füssels "biografische Detailstudie" bietet eine aufschlussreiche Darstellung der materiellen Aspekte des freien dichterischen Schaffens Friedrich Schillers, findet der Rezensent Dieter Borchmeyer in seiner Mehrfachbesprechung neuerer Schiller-Publikationen. Wir erfahren aus dem Buch so manches über den Unternehmer Schiller, der, von ökonomischen Sorgen alles andere als unbehelligt, seine damals noch kaum verbrieften Autorenrechte gegen die Verleger selbst durchsetzen musste. Was dem Rezensenten besonders gefällt, ist der von Füssel präsentierte Überblick über die Schillersche Haushaltsführung: seinen Güterverbrauch sowie seinen Lebensmittel- und Alkoholkonsum. Letzterer, obzwar beträchtlich, bleibe hinter dem Goethes übrigens weit zurück, verrät Borchmeyer.

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