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Am Vorabend des Jahres 1666 liegen Furcht und Schrecken über Europa. Das "Jahr der Apokalypse" steht bevor, das "Jahr des Tieres", wie es die Offenbarung des Johannes angekündigt hat. Unruhe breitet sich überall aus, geheimnisvolle Zeichen werden sichtbar, Vernunft und Aberglaube geraten in Streit, neue Messiasse verkünden neue Weisheiten. Der genuesische Kunsthändler und Antiquar Baldassare Embriaco, ein Skeptiker, der den Heils- und Unheilsverkündungen mißtraut, macht in Gibelet im Libanon gute Geschäfte. Das jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, da ihm ein seltsames Buch in die Hände gerät,…mehr

Produktbeschreibung
Am Vorabend des Jahres 1666 liegen Furcht und Schrecken über Europa. Das "Jahr der Apokalypse" steht bevor, das "Jahr des Tieres", wie es die Offenbarung des Johannes angekündigt hat. Unruhe breitet sich überall aus, geheimnisvolle Zeichen werden sichtbar, Vernunft und Aberglaube geraten in Streit, neue Messiasse verkünden neue Weisheiten.
Der genuesische Kunsthändler und Antiquar Baldassare Embriaco, ein Skeptiker, der den Heils- und Unheilsverkündungen mißtraut, macht in Gibelet im Libanon gute Geschäfte. Das jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, da ihm ein seltsames Buch in die Hände gerät, jenes berühmt-berüchtigte Buch "Der Hundertste Name", von dem nur ein echtes Exemplar erhalten sein soll und in dem angeblich der gesuchte hundertste Name Gottes genannt wird.
99 Namen sind bekannt, aber erst mit dem hundertsten läßt sich das bevorstehende Ende der Welt abwenden. Doch noch bevor Baldassare das Buch lesen kann, verkauft er es an einen französischen Gesandten.
Baldassare, dem du rch geheimnisvolle Andeutungen und Vorkommnisse die Bedeutung des Buches klar wird, begibt sich auf die Suche. Seine abenteuerliche Reise führt ihn durch ganz Europa: über Tripolis nach Smyrna und Konstantinopel, nach Genua und London, wo ein verheerender Brand ausbricht, der vielleicht tatsächlich das Ende der Welt ankündigt. Baldassare läßt sich nach und nach anstecken vom Geist der Zeit; er führt ein Tagebuch, um die Zeichen dieses geheimnisumwitterten, furchteinflößenden Jahres und seine eigenen Erlebnisse festzuhalten: ein Schiffbruch, eine verhexte Karawane, räuberische Überfälle, Meeresstürme, eine unerfüllt bleibende Liebe, aber auch die politischen und gesellschaftlichen Kämpfe der Zeit ebenso wie die Konflikte zwischen Religionen und Kulturen. Er hört von Sabbatai Zwi, seinem Aufstieg und Fall. Die Menschenmassen sind aufgeputscht, Europa wird von Scharlatanen und frommen Schwindlern überzogen.
Amin Maalouf hat die geschichtlichen Ereignisse des Jahres 1666 genau recherchiert und in einen historischen Roman integriert, dessen aktuelle Bezüge, mit der Warnung vor neuen Heilsverkündern und vor "mörderischen Identitäten", seinen Helden Baldassare auch als einen Menschen des 21. Jahrhunderts erscheinen lassen.
Autorenporträt
Amin Maalouf wurde 1949 im Libanon geboren und lebt seit 1976 als Journalist und Schriftsteller in Frankreich. Er bereiste über sechzig Länder und gilt als anerkannter Spezialist für Fragen der arabischen Welt und der Beziehungen zwischen Okzident und dem Nahen Osten. Amin Maalouf war Chefredakteur der Wochenzeitschrift An Nahar International sowie des Magazins Jeune Afrique, während des Vietnamkriegs und der Islamischen Revolution arbeitete er als Kriegsberichterstatter.
Als Buchautor hat er bereits mehrere Romane veröffentlicht.
Im August 2000 wurde bei den Salzburger Festspielen (in Zusammenarbeit mit der finnischen Komponistin Kija Saariaho) die erste Oper nach einem Libretto des Autors uraufgeführt: L'amour de loin.
1993 erhielt er den Prix Goncourt, 2010 den renommierten Prinz-von-Asturien-Preis in der Sparte Literatur, im Jahr 2011 den Sultan Bin Ali Al Owais Cultural Award.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2001

Last Exit Chios
Umtriebig: Amin Maalouf sucht den hundertsten Namen Gottes

Bitte mehr solcher Bücher! Sicher, was Maalouf nicht leistet und nie leisten wird, ist das erzählerische Experiment, die sprachliche Artistik, der ganz andere Blick auf die Dinge. Auch nicht das Bilderstürmen, die neuen Ideen oder das Neumischen der literarischen Spielkarten sucht man in seinem Werk vergebens. Bekannt und beliebt gemacht hat den Autor, der 1993 den Prix Goncourt für "Der Felsen des Tanios" erhielt, nicht die Art seines Schreibens, sondern seine Stoffe: der in die Historie versenkte Clash of Civilisations. "Der Mann aus Mesopotamien" zum Beispiel, über das Leben Manis, des Begründers des Manichäismus, der bei Maalouf als friedliebende, religiöse Toleranz predigende Identifikationsfigur erscheint. Oder die Geschichte von "Leo Africanus", die mit solch markigen Worten anhebt, daß man das Buch entweder sofort weiterlesen oder für immer weglegen muß: "Ich, Hassan, Sohn von Mohammed, dem Waagemeister, ich, Johann Leo von Medici, beschnitten von der Hand eines Papstes, werde heute Africanus genannt, doch komme ich nicht aus Afrika noch aus Europa oder Arabien. Ich bin ein Sohn der Straße, meine Heimat ist die Karawane, und mein Leben ist eine Reise voller Überraschungen."

Als Libanese ist Maalouf für solche Geschichten prädestiniert, er hat die blutigen Auseinandersetzungen der Religionen am eigenen Leib erfahren. Nach einem Jahr Bürgerkrieg verließ er 1976 den Libanon und lebt seither in Paris, Französisch ist seine Federsprache. Das Ausmalen glückender interreligiöser Begegnungen in seinen Historienromanen dient dazu, so Maalouf in einem Interview, "Mythen der Versöhnung" zu schaffen. Sein im letzten Jahr erschienener Essay "Mörderische Identitäten" unternimmt es, den Versöhnungsgedanken auf die Gegenwart zu transponieren und die Globalisierung als Chance für die Völkerverständigung zu begreifen: "Wenn man an etwas glaubt, wenn man die nötige Energie besitzt, die nötige Leidenschaft, die nötige Lebenslust, kann man in den Möglichkeiten, die die heutige Welt bietet, die Mittel finden, einige seiner Träume zu verwirklichen."

Die Versuchung ist groß, auch sein neuestes Buch vor dem Hintergrund des Globalisierungsessays zu lesen, obwohl es im siebzehnten Jahrhundert spielt. Baldassare Embriaco, ein Abkömmling genuesischer Einwanderer, lebt als Kuriositätenhändler und Antiquar in der Fremde, dem Städtchen Gibelet im Libanon. Am Ende sagt er einmal, die Händler trügen mehr zum Weltfrieden bei als jeder andere Stand. Die Parallelen zum Essay beschränken sich nicht auf solche Bonmots. Toleranz und die Ablehnung religiöser Eiferei zählen zu den hervorstechenden Charakterzügen des Helden. Gleichwohl schiebt sich zwischen seine Skepsis immer wieder ein Hauch von Glauben, sogar Aberglauben. Baldassares Identität ist aber schon deshalb nicht mörderisch, weil sie sich im Fluß befindet und er selbst nicht zu sagen weiß, worin sie besteht und wohin er gehört. Er ist ein Mann ohne Eigenschaften im kleinen, auf nichts derart fixiert, daß er sich nicht auch auf anderes einlassen könnte - und eben das tut er. Fast möchte man ihn willensschwach nennen, wenn diese Schwäche nicht zugleich eine große Offenheit wäre, ein "Möglichkeitssinn" durchaus im Sinne Musils. Vor dem Anschein allzugroßer Modernität hat Maalouf seinen Helden allerdings bewahrt, indem er ihn, der Name verpflichtet, mit exakt jener Lebensklugheit versehen hat, die Baldassare Castiglione in seinem Brevier über den "Hofmann" empfiehlt.

Eigentlich aber ist "Die Reisen des Herrn Baldassare" ein Werk, das eigens für das Jahr 2000 verfaßt worden ist. Denn es spielt im Jahr 1666, dem Jahr des apokalyptischen Tieres, für welches ehedem das Ende der Zeit vorhergesagt war. Baldassare glaubt so recht nicht daran, aber ausschließen, daß es so kommt, will und kann er nicht. Zu viele unheimliche, unheilverkündende Ereignisse scheinen sich zu vollziehen. Ein wertvolles, verschollen geglaubtes arabisches Werk, dem die Apokalypsegläubigen nachjagen, fällt in seine Hände. Es heißt "Der hundertste Name" und soll den wirkmächtigsten Gottesnamen enthüllen.

Baldassares Händlergeist siegt über seinen Aberglauben, und noch ehe er Gelegenheit findet, das Werk zu begutachten, hat er es für gutes Geld an einen französischen Diplomaten verkauft, der auf dem Weg nach Konstantinopel ist. Schnell bereut er seine Voreiligkeit und reist dem Käufer hinterher, angestiftet von seinem Neffen, einem überzeugten Endzeitjünger. In seiner libanesischen Heimat ist er ohnedies nicht sonderlich verwurzelt, außer seinem Laden hält ihn nicht viel. Marta, eine Jugendfreundin, die in Konstantinopel Auskunft über ihren verschollenen Mann sucht, schließt sich der Reisegruppe an, außerdem ein jüdischer Händler, der im Auftrag seines Vaters Informationen über Sabbatai Zwi, den vorgeblichen jüdischen Messias, einholen soll.

Zwi ist die einzige historische Persönlichkeit, mit der Baldassare tatsächlich näher in Berührung kommt, und in dieser Zurückhaltung gegenüber der Realhistorie läßt sich der Unterschied zu den früheren Büchern Maaloufs am ehesten festmachen. Während in deren Zentrum immer die Großen der Geschichte standen und Weltbewegendes geschah, kündigt sich hier das Bedeutende nur an, lauert am Horizont und treibt das Geschehen voran, ohne daß es selbst geschähe. Baldassare segelt an den Rändern des Weltgeschehens vorbei wie an den Küsten Europas von Kleinasien nach London, ohne mehr zu sein als ein Zeuge mit Fernglas. Wenn er in Smyrna, auf der Suche nach Martas Mann, die Wege des Sabbatai Zwi kreuzt, so wundert er sich wohl zu Recht, daß dessen clowneskes, allen religiösen und weltlichen Gesetzen hohnsprechendes Auftreten eine solche revolutionäre Wirkung entfaltet. Als er später erfährt, daß Zwi zum Islam übergetreten ist, schwankt er jedoch, ob er ihn dafür verachten soll oder ob sein Verhalten gerade auf die Authentizität seiner Sendung hindeutet.

Dem Leser ist das Geschehen um so rätselhafter, als er davon nur auf Augenhöhe Baldassares erfährt, dessen Tagebücher den Inhalt des Romans bilden. Wie Baldassare erwartet man Kriege, Apokalypsen, Erleuchtungen, Schiffskatastrophen, doch das Eigentliche vollzieht sich dort, wo man es nicht erwartet, im Nächsten und Persönlichsten. Die Erwartungen des Lesers werden unterlaufen, aber da es an überraschenden Wendungen nicht mangelt, werden sie nicht wirklich enttäuscht. Scheint das Ziel der Reisen Baldassares das geheimnisvolle Buch zu sein, ist es tatsächlich die Heimkehr nach Genua. Die Versuchung durch das Buch ist nur der Köder, mit dem ihn das Schicksal angelt, so wie die Verheißung eines Historienschmökers und der scheinbar exotische Hintergrund - glücklicherweise malt ihn Maalouf auf keiner Seite "in den Farben von Tausendundeiner Nacht" aus, wie es der Werbespruch auf dem Buchrücken behauptet - den Leser ködert.

Am Ende weiß man nicht einmal, ob der Autor dieses Buch überhaupt so schreiben wollte oder ob es nur ein glücklich verunglückter Unterhaltungsroman ist. Einmal, wo die Wendung zu unglaubhaft scheint, muß man um die Schlüssigkeit des Plots fürchten. Marta und Baldassare lernen sich lieben. Aber als er erfährt, daß Martas Mann noch lebt und sie vermuten muß, daß sie schwanger ist, eilt sie zu ihrem Mann, der als kleiner Gauner auf Chios lebt. Dieser Sinneswandel ist schwer nachvollziehbar und kaum motiviert, eine offene Wunde in der Konstruktion der Geschichte ebensosehr wie im Gemüt des Helden. Als er von seinen Irrfahrten auf der Suche nach dem Buch zurückgekehrt ist, bricht er nach Chios auf, um sie und das Kind aus den Fängen ihres Mannes zu befreien. Was dann geschieht, schließt Baldassares Wunde ebenso wie die des Buches. Nur ein Kondensstreifen Melancholie hat sich heimlich über den Text gelegt, und während die Motive rätselhaft bleiben, ist der erzählerische Balanceakt überraschend geglückt

Spätestens dieses Buch katapultiert Maalouf in die Ränge ernstzunehmender Literatur. Die humane Botschaft wird nicht mehr auf dem Huckepack von Exotik und überdimensionierter Stoffwahl präsentiert, sondern als Strukturprinzip der Erzählung selbst. Dabei liest es sich spannend und leicht, und wenn man es schließlich beiseite legt, wird man unter all den Neuerscheinungen verzweifelt nach einem ähnlichen Roman suchen.

STEFAN WEIDNER

Amin Maalouf: "Die Reisen des Herrn Baldassare". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Ina Kronenberger. Insel Verlag, Frankfurt 2001. 487 S., geb., 49,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.12.2014

NEUE TASCHENBÜCHER
Die Suche nach dem
hundertsten Namen
Bücherlesen ist riskant: Der postmoderne historische Roman spielt mit der Macht, die vom gedruckten Wort ausgeht. In Ecos „Der Name der Rose“ bringt Aristotelesʼ „Zweites Buch der Poetik“ den Tod. In Amin Maaloufs „Die Reisen des Herrn Baldassare“ wird Jagd gemacht auf das Werk „Der Hundertste Name“. Der Koran kennt 99 Namen für Allah, der hundertste und damit höchste Name soll in dem verschollen geglaubten Buch stehen. Wer ihn kennt, kann Wunder wirken.
  Der Händler Baldassare kommt zu dem Buch wie die Jungfrau zum Kind. So unverhofft, wie er es in Händen hält, so schnell entgleitet es ihm wieder. Ein abenteuerlicher Trip beginnt, der den Helden von Libanon bis nach Genua und London führt. Der Roman spielt 1666, der Antichrist naht, und Religiöse eifern. Die Welt, so Baldassare, ist voll von unermüdlich auf Zeichen lauernden Menschen. Amin Maaloufs Tagebuchroman mit Schmökerqualitäten erschien 2000, auch damals wurde der Weltuntergang prophezeit. Der Libanese setzt Vernunft und Toleranz gegen den Fanatismus. „Über ein Argument lässt sich streiten, über Aberglauben nicht.“  FLORIAN WELLE
  
Amin Maalouf: Die Reisen des Herrn Baldassare. Aus dem Französischen von Ina Kronenberger. Insel Verlag, Berlin 2014. 483 Seiten, 9,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Die Kunst des historischen Romans scheint dieser Autor zu beherrschen. Karl-Markus Gauß jedenfalls zeigt sich berauscht von der Detailpracht der hier ausgebreiteten historischen Kulisse. Aber noch etwas anderes hat ihn von diesem Buch und seinem Autor überzeugt. Die von den großen Reisen des orientalischen Händlers Baldassare und von der Angst der Welt im prekären 17. Jahrhundert, dem Zeitalter der Vernunft, bestimmte Handlung, erklärt er, erzählt immer auch von unserer Zeit: "Wie Amin Maalouf in der fernen Vergangenheit auch die Krisen und Chancen der Gegenwart zur Anschauung bringt, das ist meisterlich."

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» »Wie Amin Maalouf in der fernen Vergangenheit auch die Krisen und Chancen der Gegenwart zur Anschauung bringt, das ist meisterlich.«« DIE ZEIT