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1971 bis 1982, das waren die "Disco"-Jahre im deutschen Fernsehen: Samstag abends trat der stets adrett gekleidete Ilja Richter vor sein Publikum, präsentierte selbstgeschriebene Sketche und nahm der verstörten Elterngeneration die Angst vor ausländischen Hervorbringungen wie Suzie Quatro oder Smokie. Ilja Richters Erinnerungen erzählen von dieser Zeit; sie fangen die goldenen Siebziger ein, lassen die Stars und Sternchen Revue passieren und erzählen von Wegbegleitern wie Curt Bois, Wolfgang Neuss, Hans Rosenthal oder Eva Mattes.

Produktbeschreibung
1971 bis 1982, das waren die "Disco"-Jahre im deutschen Fernsehen: Samstag abends trat der stets adrett gekleidete Ilja Richter vor sein Publikum, präsentierte selbstgeschriebene Sketche und nahm der verstörten Elterngeneration die Angst vor ausländischen Hervorbringungen wie Suzie Quatro oder Smokie. Ilja Richters Erinnerungen erzählen von dieser Zeit; sie fangen die goldenen Siebziger ein, lassen die Stars und Sternchen Revue passieren und erzählen von Wegbegleitern wie Curt Bois, Wolfgang Neuss, Hans Rosenthal oder Eva Mattes.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.1999

Vom Mütterchen die Frohnatur
Wer lässt sich ein E für ein U vormachen? Ilja Richter erzählt seine Story / Von Marc Degens

Jede Zeit hat die ihr würdigen Repräsentanten, jede Ära ihren eigenen Humor. Oliver Kalkofe, das gegenwärtig respektloseste Schandmaul der bundesdeutschen Fernsehlandschaft, charakterisiert die siebziger Jahre als eine "Zeit, als man sich noch darüber kringelig lachte, wenn Ilja Richter schlecht gereimte Pointen-Killer in die Kamera näselte". In zwanzig Jahren werden wir wohl verwundert den Kopf schütteln im Gedenken an die bierernsten Plattheiten unserer selbst ernannten Fernsehtugendwächter; heute können wir das Haupt kaum gerade halten, erinnern wir uns der Epoche, in der die Camouflage der Stadtindianer und der blanke Busen von Ingrid Steeger Deutschland gleichermaßen den Atem verschlugen. Die damaligen Widersprüche ballten sich in der von 1971 bis 1982 ausgestrahlten Musiksendung "Disco": Einem Gesangsauftritt von Bob Dylan folgte die Stimmungskanonade Tony Marshalls, das Bildschirmdebüt einer Punkband wurde eingerahmt von Sketchen, die aus dem Schultheater geklaut schienen. Vereint und im Nachhinein innerlich ausgetragen wurden diese Gegensätze in der Gestalt des schlaksigen und stets altmodisch im Anzug auftretenden Moderators Ilja Richter.

Dieser erzählt in dem von Harald Martenstein frisch und fassbar geschriebenen Buch "Spot aus! Licht an!" seine "Story". Laut Klappentext handelt es sich um "eine kluge Autobiographie für unsentimentale Fans, ein Buch mit Witz und Wiedererkennungswert". Das lässt Schlimmes befürchten, ein Erinnerungswerk für mitgealterte "Disco"-Nostalgiker, in dem eine schillernde Anekdote die andere jagt und die Person des Erzählers im Blitzlichtgewitter unsichtbar wird. Doch weit gefehlt. "Spot aus! Licht an!" ist ein sehr intimes und persönliches Buch, das nicht mit spektakulären Enthüllungen aufwartet, sondern mit einem außergewöhnlichen und dennoch alltäglichen Schicksal aus der Unterhaltungsbranche.

Ilja Richter, 1952 als Sohn jüdischer Eltern in Berlin geboren, hatte von Anfang an eine schwere Bürde zu tragen: Der Nationalsozialismus hatte die Bühnenkarriere seiner Mutter vereitelt. Früh förderte sie das komödiantisch-schauspielerische Talent ihres Kindes. Schon mit sechzehn Jahren konnte der Knabe auf zahlreiche Engagements und eine verhinderte Kindheit zurückblicken: Richter war ein geübter und gefragter Radiosprecher, spielte in Boulevardstücken ebenso wie in Zadek-Inszenierungen und hatte mehrere Fernseh- und Leinwandauftritte hinter sich. Zwar blieb ihm der große Durchbruch als Jungstar verwehrt, gerade dies ermöglichte ihm das ungezwungene Changieren zwischen leichter Muse und ambitionierter Kunst.

1968 jedoch klopfte das ZDF an die Tür der Richters und verlangte eine Entscheidung: "Wird aus Ilja ein E-Mensch oder ein U-Mensch? Das große E steht für die ernste, besser gesagt, die von den Feuilletons ernst genommene Kultur. Zadek. Das U heißt: Unterhaltung. E bedeutet, wenn es gut läuft, Ruhm und Ehre und den Eintrag ins Lexikon. U bedeutet: vom Publikum geliebt zu werden. Und ein Haus am Wörthersee." Wie er sich entschieden hat, das ist Fernsehgeschichte.

"Ilja will beides. In dieser Hinsicht ist er wie alle. Aber er kann auch beides, was seltener vorkommt. Allerdings wird die Öffentlichkeit das nicht wahrnehmen. Seit seiner ,Disco'-Zeit gilt er bei den meisten Leuten, bei denen, die keine Spezialisten sind, als ein ziemlich eindeutiger U-Mensch." Das Buch fordert Ruhm und Ehre für seinen Helden, der endlich ernst genommen werden will, aber es wird doch vor allem von solchen Leuten gekauft werden, die Ilja Richter lieben, weshalb schon der Titel die sprichwörtlich gewordene Formel "Licht aus, Spot an" aufgreift. Die "Disco" schwebt wie die übermächtige Mutter über beinahe jedem Kapitel.

Es wurde Richters Verderben, dass er die ihm zugedachte Rolle zu perfekt ausfüllte. Er war das ideale Bindeglied zwischen Pop, Rock, Schlagern und Klamauk, vereinte vor dem Fernseher Alt und Jung und verhalf der Sendung zu Zuschauerzahlen, die heute unvorstellbar erscheinen. In den mit seiner Mutter ausgedachten "Disco"-Sketchen verkörperte er den frechen, überdrehten notorischen Schulschwänzer, mit Kinoklamotten wie "Unsere tollen Tanten in der Südsee" an der Seite von Rudi Carrell zementierte er seinen Ruf als "die männliche Lulu der siebziger Jahre" (Johanna Hasse). Zwei Tage vor seinem dreißigsten Geburtstag beendete Ilja Richter sein "Disco"-Engagement, es drängte ihn zu neuen Ufern. Sein Nachfolger wurde ein anderer Dauerjugendlicher, der, obwohl er älter als sein Vorgänger war, noch einmal wesentlich jünger wirkte: Thomas Gottschalk.

Das Publikum ist wie Mama. Es will nicht, dass man erwachsen wird." Diese Einsicht stieg spät in Ilja Richter empor - zu spät! Das Kapitel der achtziger Jahre ist das dunkelste seines Lebens und bleibt in "Spot aus! Licht an!" ausgespart, sieht man ab von ein paar Porträtaufnahmen aus der Zeit. Indes sind es gerade die vielsagenden Leerstellen, die den Reiz des wohlproportionierten Buches ausmachen. Richter und sein Ghostwriter Martenstein lassen der Vorstellungskraft der Leser Freiraum, so dass sich in manchen Momenten tatsächlich der Mensch Ilja Richter aus den Lettern erhebt. Die Autobiographie ist weder Beichte noch Anklageschrift, sie ist auch kein Zeitdokument, sondern ein unterhaltsamer und zugleich aufrichtiger Erfahrungsbericht über die Tücken des Showgeschäfts, über starke Mütter, schwache Söhne und den erotischen Kosmos der Vergeblichkeit.

In den neunziger Jahren gelang es Richter teilweise, sich von seinem Etikett zu befreien: als Theaterschauspieler, taz-Schreiber oder Buch- und Bühnenautor. Der Erfolg fiel im Vergleich zum Aufwand allerdings spärlich aus. Auch "Spot aus! Licht an!" wird daran wenig ändern, zu stark ist einfach unsere Erinnerung. Denn wie antwortete Eva Mattes auf Ilja Richters Frage "Eva, sag mal, was ist schlimmer. Ewiger Jude oder Ewiger Schüler?" - "Ewiger Ilja!"

Ilja Richter, Harald Martenstein: "Spot aus! Licht an!" Meine Story. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1999. 252 S., Abb., geb., 39,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Marc Degens bespricht die Erinnerungen des Moderators der legendären ZDF-Sendung „Disco“ mit großem Wohlwollen. Richter und seinem Mitautor Harald Martenstein sei ein „sehr intimes und persönliches Buch“ gelungen. Zwar lasse das Buch die achtziger Jahre aus - der Rezensent deutet an, dass es sich dabei um eine dunkle Zeit für Richter gehandelt zu haben scheint - aber dafür liefere es einen Einblick in die Welt der westdeutschen Unterhaltungsindustrie nach dem Krieg.

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