Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 5,00 €
Produktdetails
  • Verlag: Hoffmann und Campe
  • 2000.
  • Seitenzahl: 235
  • Deutsch
  • Abmessung: 25mm x 132mm x 210mm
  • Gewicht: 370g
  • ISBN-13: 9783455064940
  • ISBN-10: 3455064949
  • Artikelnr.: 08874241
Autorenporträt
Dieter Schenk, geb. 1937, war als Kriminaldirektor im Bundeskriminalamt jahrelanger Berater des Auswärtigen Amtes in Fragen der Sicherheit des diplomatischen Dienstes im Ausland; 1989 schied er auf eigenen Antrag aus dem Polizeidiest aus. Seit 1998 ist Dieter Schenk Honorarprofessor der Universität Lodz mit einem Lehrauftrag für Geschichte des Nationalsozialismus. Im Jahr 2012 wurde er mit dem polnischen Ehrenpreis "Kustos des Nationalen Gedenkens" (Kustosz Pamiêci Narodowej) ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.12.2000

Aus Realität
wird Fiktion
Suizid der gemobbten Polizistin
Silvia Braun dient als Romanstoff
Von Stefan Simon
Wann der Film kommt, ist vermutlich nur noch eine Frage der Zeit. Keine zwei Jahre nach dem Selbstmord der 22-jährigen Polizistin Silvia Braun erzählt jetzt ein Buch den „Tod einer Polizistin” nach – Untertitel: „Die Geschichte eines Skandals”. Was reißerisch klingt, ist einfühlsam geschrieben und sehr lesenswert. Es ist ein Roman, der sich an wahren Begebenheiten orientiert, betont Autor Dieter Schenk, ein ehemaliger Direktor des Bundeskriminalamts in Wiesbaden. Zu Grunde liegen dem Buch die Suizide von insgesamt vier Polizistinnen aus Deutschland. Allen Fällen ist eines gemein: Die Kollegen stehen im Verdacht, die jungen Frauen durch massives Mobbing in den Freitod getrieben zu haben.
Der Gutachterstreit, der im Fall Silvia Braun bis heute andauert, ficht Schenk nicht an. War die Polizistin übersensibel, womöglich depressiv oder gar geistig labil, wie es die Polizeipsychologen darstellen? Der pensionierte Polizist bezweifelt das öffentlich – nicht nur mit dem Buch, auch bei dessen Präsentation am Montagabend in der Seidlvilla legt er nach: Mobbing sei ein „sehr akutes und wichtiges Problem der Polizei”, so Schenk. An der anschließenden Debatte über Buch und Thema nehmen die Mutter Margit Braun und deren Anwalt Thomas Etzel teil – sie überraschend gefasst (entgegen früheren Auftritten in der Öffentlichkeit), er offenbar bereits ganz auf den Zivilprozess am Donnerstag gegen Silvia Brauns ehemaligen Schichtführer eingestellt.
Der Polizeipräsident Roland Koller habe abgesagt, sagt Moderatorin Jennifer Clayton-Chen von der Humanistischen Union. Sie verliest eine Erklärung des Inhalts, dass die Polizei sich oft und ausführlich genug dazu geäußert habe. Ein Münchner Polizist sitzt dennoch auf dem Podium: Wolfgang Jandke, ein suspendierter Kommissariatsleiter, dem nach einer Petition an den Landtag Verrat von Dienstgeheimnissen vorgeworfen wird – und der sich ebenfalls als Mobbing-Opfer sieht. Die Erwartung, dass sich am Ende alle einig sein würden, bestätigt sich – nicht überraschend, zumal sich im Publikum einige Frauen und Männer als Mobbing-Opfer zu erkennen geben. Ein Radioreporter, der die Polizei in Teilen verteidigt und Äußerungen der Podiumsteilnehmer hinterfragt, ist der einzige Widerpart – und wird gebührend angefeindet.
DIETER SCHENK: Tod einer Polizistin. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2000. 236 Seiten, 36 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2000

Hella, hol schon mal den Wagen!
Dieter Schenk skandalisiert die Polizei in moralischer Absicht

Wer die aktuelle Entwicklung in der Politik verfolgt, kann sich des Eindrucks nicht mehr erwehren, daß der alte Scherz vom Männerbeauftragten bald bittere Realität werden wird. Ist doch gerade eine weitere "Männerdomäne" gefallen, da Frauen sich das Recht erkämpft haben, auch Dienst an der Waffe in der Bundeswehr leisten zu dürfen. Lange dauert es wohl nicht mehr, bis auch Männer endgültig Zugang zur Lochstickerei-Lobby bekommen, ohne Albträume zu haben. Wenn das Geschlecht keinerlei Beschränkung mehr für den Zugang zu einem Beruf bildet, ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau in einem wichtigen Aspekt erreicht. Die Gesellschaft bewegt sich im Moment aber noch auf dieses Ziel zu, so daß Frauen in Männerberufen, aber auch Männer in typischen Frauenberufen wie etwa Hebamme noch als Fremdkörper wirken.

Gerade in Berufsfeldern, die als verschworene Männergemeinschaften angesehen werden, ist die Umsetzung des Rechts von Frauen auf Beschäftigung noch nicht reibungslos möglich. Ein Effekt, der hier zu beobachten ist, wird mit "Mobbing" bezeichnet. Dieses Themas nimmt sich Dieter Schenk in seinem Buch "Tod einer Polizistin" an. Schenk, selbst ehemaliger Kriminalbeamter, beleuchtet die Zusammenarbeit von Frauen und Männern bei der Polizei. Insbesondere im Bereich der sogenannten Schutzpolizei, die ihren Dienst in den Revieren leistet, lastet in den Großstädten großer Druck auf den Beamten. Besteht der Dienst doch oft aus Einsätzen, bei denen sie sich um Personen kümmern müssen, die sich gegen die Polizisten wehren, ihnen das Fahrzeug oder die Zelle mit Erbrochenem verschmutzen und sie beschimpfen.

Um sich gegen diese negativen Seiten der Gesellschaft zu wehren, muß ein Polizist oder eine Polizistin sich selbst nach außen hin verhärten. Zum eigenen Schutz bildet man Umgangsformen aus, mit denen man schreckliche Situationen mit Ironie oder Sarkasmus überspielt. Es ist nichts Neues, daß Männer und Frauen dabei auch eine andere Sprache entfalten. Was passiert aber, wenn beide Geschlechter in einem Revier zusammenarbeiten müssen und die verschiedenen Herangehensweisen aufeinanderprallen? "Tod einer Polizistin" zeigt dazu das schlimmste Szenario auf: den Selbstmord einer Polizistin wegen Mobbing durch die Kollegen.

Es wird nicht ein bestimmter Fall beschrieben, sondern der Autor hat aus mehreren realen Ereignissen eine fiktive Person, Hanna Büttner, gebildet. Aufhänger ist ein Kongreß, der zum Thema Mobbing stattfindet. Die verschiedenen Teilnehmer werden vorgestellt und ihre Beziehung zu der Verstorbenen. Leider geht Hanna Büttner, die doch das eigentliche Thema des Buchs ist, dabei unter. Breiten Raum nimmt dagegen vor allem der Kollege ein, der durch sein Nichtstun zum Mittäter wurde. Aber auch eine Kriminalbeamtin, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hatte, wird ausführlich vorgestellt. Und weil das noch nicht genügt, kommen weitere Probleme dazu: wie Polizisten mit Ausländern umgehen oder wie Pizzabäcker, um sich die Polizisten wegen der Gewerbeerlaubnis gewogen zu machen, ihr Produkt zum halben Preis abliefern. Da bleibt für das Thema des Buchs, das im Kern 164 Seiten umfaßt, kein Platz mehr. Der Autor hat eine Chance vertan.

Das Problem der Zusammenarbeit von Männern und Frauen in Berufen, die ursprünglich fast exklusiv Männern vorbehalten waren, liegt nicht darin, daß derart plakative Reaktionen männlicher Kollegen erfolgen wie die in diesem Buch geschilderten. Die Schwierigkeiten fangen viel früher an, mit Kleinigkeiten. Wie spricht man miteinander? In diesem harten Jargon, der sich von der Sprache der von der Straße Aufgesammelten kaum unterscheidet, oder so, wie man es eigentlich gewöhnt ist? Eine Frau tut sich sicher leichter, wenn sie sich der harten Sprache anpaßt und sexistische Scherzchen mitmacht. Mancher wird das leichtfallen, anderen aber nicht. Spielt sie dann nicht mit, stempelt sie sich damit in der aufeinander angewiesenen Gruppe eines Reviers schon zum Außenseiter? Es wäre interessant gewesen, genau das herauszufinden und zu schildern, wie der normale Polizist damit umgeht, wenn eine Kollegin sich wehrt. Statt dessen repräsentieren die Täter im vorliegenden Fall nicht den Durchschnitt deutscher Polizisten, da sie auch sonst eher untypisch geschildert werden.

Skandalös ist sicher auch die im Buch dokumentierte Reaktion der Führungsspitze, wobei es dem Thema nicht dienlich ist, den Fall einer Geschlechtsumwandlung so groß herauszustellen. Ein solches Ereignis wäre an jedem Arbeitsplatz problematisch. Über die Fiktion hinaus enthält das Buch einen umfangreichen Anhang mit den der Geschichte zugrundeliegenden Unterlagen und einer Adressenliste. Wobei es verärgert, daß viele Dokumente auszugsweise wiedergegeben werden, so daß man sich ein eigenes Bild nur schwer machen kann.

So ärgerlich das Buch ist, weil es bei der Beschreibung der Personen sämtliche Klischees bedient, so hat es doch auch eine wesentliche Stärke. Es ist ein dringender Appell des ehemaligen Kriminalbeamten Schenk an seine Kollegen, nicht zu schweigen, sondern hinzusehen und einzugreifen. Nur so kann das Problem gelöst werden.

MARTINA GERHARDT

Dieter Schenk: "Tod einer Polizistin". Die Geschichte eines Skandals. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2000, 235 S., geb., 36,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Leider hat Schenk hier eine Chance vertan, schreibt Martina Gerhardt in ihrer Kritik des Buchs. Sie schildert zunächst die Schwierigkeiten einer Zusammenarbeit von Männern und Frauen in Berufen, die bisher als reine Männerdomäne galten und kommt dann auf die Polizei zu sprechen, wo diese Schwierigkeiten durch die Härte der täglichen Arbeit noch erhöht werden: Frauen und Männer hätte unterschiedliche Strategien sich gegen das Schreckliche zur Wehr zu setzen, mit dem sie täglich zu tun haben - die Männer durch Sarkasmus und harte Jargons, die auch sexistische Scherze einschließen. Aber wie arbeitet man dann mit Frauen zusammen, die solche Scherze nicht ertragen? Gerhardt betont, dass Schenk sein Buch selbst als Polizist geschrieben hat und verschiedene Fälle von "gemobbten" Polizistinnen in dem idealtypischen, aber fiktiven Fall der Hanna Büttner zusammenfassen will. Dies misslingt ihm nach Auskunft der Rezensentin. Das Thema gehe ihm unter Aufbietung allzu vieler Details und untypischer Figuren leider verloren. So sehr sich Gerhardt aber darüber ärgert, so sehr betont sie doch auch, dass dieses Buch ein Appell zum Hinsehen und zum Engagement sei.

© Perlentaucher Medien GmbH