Produktdetails
  • Verlag: Hoffmann und Campe
  • Seitenzahl: 238
  • Abmessung: 25mm x 127mm x 192mm
  • Gewicht: 316g
  • ISBN-13: 9783455027709
  • ISBN-10: 3455027709
  • Artikelnr.: 09406024
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2001

Lachen, Weinen und schnell noch ein Buch geschrieben
Was der prominente Mensch so alles zuwege bringen kann, zeigen Eva Herman und Nathalie Weidenfeld · Von Burkhard Scherer

Ach, wie oft geschieht es, daß ein Prominenter erst verscheiden muß, bis das Publikum, allmählich gewahr wird, daß dessen Leben nicht nur aus Scheinwerferlicht, Luxusvilla, Ehrungen und einem Kometenschweif elfengleicher Menschen jeden Geschlechts bestand, sondern auch aus Niederlagen, existentiellen Krisen und nagenden Sorgen um das Idealgewicht? Oft. Allzu oft! Ob das nun an der Borniertheit des Publikums liegt oder eher daran, daß besagte Prominente nur dieses glamouröse Bild von sich publiziert sehen möchten und trickreich daran arbeiten, kann dahingestellt bleiben.

Im Fall der berühmten Schauspielerin Candida und der bekannten Fernsehmoderatorin Corinna Feldmann kann diese Sichtfeldverengung nicht mehr vorkommen, denn egal, wann und wie sie von uns gehen werden, dank Nathalie Weidenfeld und Eva Herman können wir schon heute von ihren Tränen, Träumen, Traumata und Pölsterchen wissen. Und da sich ihre Schicksale gleichen wie eine Geschirrspülmaschine der anderen, kann man ihre Darlegungen wohl als exemplarisch nehmen und sich danach wieder anderen Schicksalen zuwenden. Dies aber bitte immer im Wissen darum, daß auch die Prominenten leiden - gar bitterlich bisweilen!

Solches Leid hat einen Namen, Paul beziehungsweise Siegfried, Männer, die nicht mehr da sind. Die Leidende hat einen besten - platonischen - Freund, Magnus oder Bébé, und findet einen Retter, der heißt Chris oder Gregor Gernand, der "nimmt mich in seine Arme, die keine Fragen stellen", aber Wirkung zeitigen: "ein großes, warmes Gefühl, das Gefühl, endlich Weib zu sein, durchströmte mich". Dann ist es wieder gut und auch das Geschirr sauber und trocken. Und noch etwas eint die Leidenden, ob sie wie Candida in München oder wie Corinna in Hamburg leben: Sie kennen niemanden, der lesen kann, der ihnen sagen könnte: "Du, die Passage hier, meinst du nicht . . .?" Auch das ist tragisch. In diesem Fall und zum Glück mal nicht für die Prominente, denn die merkt ja nichts, aber doch für den Leser.

Nun aber die gemischte Vorspeisenplatte. Candida betritt erstmals die Wohnung von Chris mit den später fraglosen Armen. "Es ist so ruhig hier. Holzböden, die alle Geräusche verschlucken." Was dieser unerwartete Wandel der akustischen Eigenschaften von Holz für eine weitere Praxis bedeutet, das müssen die Instrumentenbauer unter sich ausmachen, für Advokaten gibt es hingegen einen klaren Hinweis, was es braucht, der Bossi für das dritte Jahrtausend zu werden. Candidas Ruhm beruht auf ihrer Rolle als Strafverteidigerin Vera in der gleichnamigen Fernsehserie. Sie sinniert, subtil mit der Rolle identifiziert: "Vielleicht ist Veras Vater ein berühmter Strafverteidiger, berühmt wegen seiner legendären Strafprozesse." Aber ja doch, so könnte es gewesen sein, und wenn der Satz auch als Dödeltautologie in die Pumpe rollt, ist er doch ob seiner Steinschen Rosenklarheit weit dem vorzuziehen, was als schlichte Geistesschwäche daherkommt, wenn der verflossene Paul in einem vorher zutreffend als Atlantik identifizierten Gewässer "pazifische Wellen" erblickt, wenn Candida, von Magnus per Telefon mit der Geräuschkulisse des nächtlichen New York versorgt, auf Seite 138 den Traum jedes Mädchens mit Stubenarrest träumt - "Die wunderbaren Geräusche wirken wie ein Versprechen nach einem freien, wilden Leben, Freiheit, weil man eine Unbekannte in einem fremden Land wäre."

Ja, wäre, wäre Candida nicht schon sechs Jahre und 101 Seiten früher als Schauspielschülerin in New York gewesen. Aber sechs Jahre sind eine lange Zeit, da kann einem das Gedächtnis schon einen Streich spielen. Doch auch im Kurzzeitbereich sieht es recht trübe aus. "Stopp, ich kriege jetzt schon Höhenangst!" bremst sie Chris auf Seite 172, als der anfängt, von Ausflügen in obere Etagen zu erzählen, nur um ihm im Leben fünf Minuten später und im Buch eine Seite weiter auf seine Frage, ob sie etwa Höhenangst habe, mit einem klaren "Nicht, daß ich wüßte" zu bescheiden. Da ist es schön, zu erfahren, daß wenigstens die kleinen schwarzen Kugeln, die Hamlet, der Igel des Kindes Candida, hinter sich ließ, so waren, wie sie sein sollen, nämlich "kleine schwarze runde Kugeln". Darin gleichen sie wiederum in gewisser Weise Bébé, dem besten Freund der Moderatorin Corinna Feldmann, denn "er war großzügig, weise, hatte Bildung, Lebensart und Stil" und gefiel obendrein als "äußerst erfolgreicher Schriftsteller" und paßt gut zu ihren Freundinnen Alexandra, "klug, schön, raffiniert", und Stella, "schön, intelligent, warmherzig und von Grund auf heiteren Gemüts", wie auch zu dem von ihr interviewten Gewerkschafter Dr. Peter Fehrtenbach, "wissend, klug, gebildet, humorvoll, lebendig, geistreich".

Da das zweite Fehrtenbach-Interview technisch von Aufnahmeleiterin Cindy betreut wurde und da bei Rudi's Reste-Rampe gerade eine Anstaltspackung Eigenschaften aus Dachschaden günstig zu erstehen war, bekommt die auch noch einige ab: "Sie arbeitete wie verrückt, hatte stets gute Laune, war intelligent und sah sehr hübsch aus." Damit aber scheint der Fundus erschöpft, bei Aushilfsmaskenbildnerin Benedicte hat der Wind schon gedreht, denn die war "nicht sehr hübsch". Wenn man die Details kennt, sie war nämlich "äußerst ungepflegt und unförmig und hatte ein aufgedunsenes Gesicht", dann wird man dieser Feststellung nur ebenso beipflichten können wie der aus dem Themenkreis Getrenntsammeln: "Umsichtige Hausfrauen von heute und morgen schwören auf das Bio-Loch." Umsichtige Hausfrauen von übermorgen, so ist anzunehmen, werden obendrein die Eidesformel "so wahr mir der Kompost helfe" bei Gericht der weltlichen wie der religiösen vorziehen. "Corinna Feldmann vom Norddeutschen Rundfunk" selbst ist nun mehr an ihren Taten als an den ihr zugeschriebenen Eigenschaften zu erkennen und brilliert da als "dusselige Kuh" im Sinne Alfred Tetzlaffs, zu dumm für die Sonnenbank, zu dumm für die Parkplatzsuche, insgesamt ständig in sturztrübe Slapsticknummern verwickelt, die selbst ein Karl Dall sich wohl zu spielen weigern würde.

"Zwischen Lachen und Weinen formulierte ich das dümmste Zeug zusammen, was der Mensch so zu Wege bringen kann", läßt Eva Herman ihre Ich-Erzählerin Feldmann sagen, und mit der Bitte und Empfehlung, dies als Motto beider Debüts zu nehmen, könnte man die Sache auf sich beruhen lassen, bliebe nicht eine große Irritation. Was bringt Frauen weit vor der Präsenilität dazu, ohne Zwang solche intellektuellen Offenbarungseide vorzulegen? In jeder Heftchenredaktion wären die Texte kommentarlos in die Tonne gehauen worden. Dabei hätte das Salär für die Moderation der Eröffnung eines Möbelcenters durch Frau Herman leicht ausgereicht, einen Ghostwriter für beide Debüts zu verpflichten. Der hätte obendrein die Chance erkannt, die Lebenswege der beiden Protagonistinnen sich elegant überschneiden zu lassen, Candida zum Interview nicht bei einer Fiona Wallberg, sondern eben bei Corinna Feldmann, die obendrein mit Dr. Fehrtenbach und Dr. Gernand einen Mann zuviel an der Angel hat, den sie ja als umsichtige Hausfrau durchreichen könnte, statt ihn im Bio-Loch zu versenken. Es hat nicht sollen sein, die Damen mußten ihre Notorität selbst umschreiben. Die eine liest in Gestalt ihres Alter ego Corinna Feldmann die "Bunte" im Flugzeug, die andere gibt der Zeitschrift selbst ein Interview und behauptet darin, der amtierende Staatsminister für Kultur habe ihren Text lektoriert. Dieser bislang nicht mit einem Dementi des Betroffenen konterkarierte Rufmord der perfidesten Art ist genauso unerklärlich wie die Tatsache, daß die Autorinnen derweil hier und da als Schriftstellerinnen gehandelt werden. Wer diese Schulmädchenprosa nach Art der Klassendummchen für Literatur hält, dem kann man auch ein Fahrrad mit quadratischen Reifen, ohne Kette und mit einer Klobürste als Sattel verkaufen.

Nathalie Weidenfeld: "Die Orangenprinzessin". Roman. Marion von Schröder Verlag, München 2001. 229 S., geb., 36,- DM.

Eva Herman: "Dann kamst du". Roman. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2001. 239 S., geb., 29,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Da sich die Schicksale ihrer Protagonistinnen gleichen "wie eine Spülmaschine der anderen", bespricht Burkhard Scherer die Romane von Nathalie Weidenfels ("Die Orangenprinzessin" und Eva Herman ("Dann kamst du") zusammen. Gemeinsam haben die Bücher auch, dass sie, bei aller Häme, die er darüber gießt, unseren Rezensenten am Ende doch einigermaßen bestürzt zurück lassen: "Was bringt Frauen weit vor der Präsenilität dazu, ohne Zwang solche intellektuellen Offenbarungseide vorzulegen?" Und: "In jeder Heftchenredaktion wären die Texte kommentarlos in die Tonne gehauen worden."
1) Nathalie Weidenfeld: "Die Orangenprinzessin"
Im Fall der "Orangenprinzessin" bemüht sich Burkhard Scherer, wenigstens so zu tun, als hätte er ernsthaft vor, sich mit dem Roman zu befassen. Protagonisten und Handlungsstränge werden - inklusive Seitenzahlen bei besonders schweren Vergehen gegen Scherers Geschmacksrichtlinien - grob nachgezeichnet. Aber schon der Ton macht jede explizite Wertung überflüssig. Zwischen den Zeilen fällt das Urteil katastrophal aus.
2) Eva Herman: "Dann kamst du"
Bei Eva Herman hat Burkhard Scherer dann jegliche Hemmung verloren. Deren Salär für die Moderation bei der Eröffnung eines Möbelcenters, lesen wir da, hätte ausgereicht, um mühelos einen Ghostwriter für "beide Debüts" zu verpflichten. Wovon speziell der Roman dann handelt, ist im geballten Ressentiment des Kritikers kaum noch auszumachen. Doch dass ihm diese Bücher derart den Schaum vor den Mund treiben, macht sie uns auch fast sympathisch. Denn irgendwie liest sich das Ganze wie die Fortsetzung des Streitgesprächs zwischen Alice Schwarzer und Verona Feldbusch.

© Perlentaucher Medien GmbH
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