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Walter Helmut Fritz' Lyrik nahm, wie es Karl Krolow beschrieb, eine "Entwicklung von ruhiger Konsequenz". Und so greifen auch seine neuen Gedichte auf vertraute Motive zurück, ohne dass der Spannungsbogen des lyrischen Fragens je verloren ginge.
Im Mittelpunkt des neuen Bandes steht der 36-teilige Zyklus "Maskenzug", der sich aufmacht, in fernab gelegene Länder hinabzutauchen und den Geschichten hinter den "Masken" nachzuspüren. Walter Helmut Fritz' lyrische Erkundungen zeigen Menschen und Dinge ohne ihre Alltagsmaskeraden; sie schärfen unseren Blick für das Verborgene.

Produktbeschreibung
Walter Helmut Fritz' Lyrik nahm, wie es Karl Krolow beschrieb, eine "Entwicklung von ruhiger Konsequenz". Und so greifen auch seine neuen Gedichte auf vertraute Motive zurück, ohne dass der Spannungsbogen des lyrischen Fragens je verloren ginge.

Im Mittelpunkt des neuen Bandes steht der 36-teilige Zyklus "Maskenzug", der sich aufmacht, in fernab gelegene Länder hinabzutauchen und den Geschichten hinter den "Masken" nachzuspüren.
Walter Helmut Fritz' lyrische Erkundungen zeigen Menschen und Dinge ohne ihre Alltagsmaskeraden; sie schärfen unseren Blick für das Verborgene.
Autorenporträt
Walter Helmut Fritz, geboren 1929, ist einer der bedeutendsten Lyriker im deutschsprachigen Raum. Sein Werk, das auch Romane, Prosa, Essays und Übersetzungen umfasst, wurde mit zahlreichen Auszeichnungen wie dem "Georg-Trakl-Preis" oder dem "Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste" bedacht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.06.2003

Ein Hund liest Zeitung
Schwellenkunde eines Achtsamen: Walter Helmut Fritz’ Gedichtband „Maskenzug”
Wie wenig es braucht: ein paar Worte, einen angedeuteten Rhythmus, einfach nur Zeilen, manchmal Verse oder Strophen. Und schon entsteht eine Welt, ebenso eigen wie verständlich, leicht zugänglich für beinahe jeden. Die Kunst vielsagender Verknappung beherrscht kaum einer so unspektakulär wie Walter Helmut Fritz. Die Autorität dieses Lyrikers beruht auf einer seltenen Form der Glaubwürdigkeit, die auf große Gesten verzichtet. Sie ist nicht moralischer Natur, sondern steckt in der Genauigkeit von Details. Niemals spürt man lyrische Prätention.
Noch immer ist in der Lyrik des 1929 geborenen Autors, der auch Romane und Prosa geschrieben hat sowie eine Vielzahl poetologischer Essays, der Blick wach und aufnahmebereit. „Achtsam sein”, hieß der erste Gedichtband des damals Siebenundzwanzigjährigen. Bis heute ist Achtsamkeit das hervorstechendste Merkmal dieses Lyrikers geblieben. Achtsamkeit, das ist mehr als die Beobachtung von Natur- und Kulturphänomenen, das bedeutet auch Empathie. Zahlreich sind die Gedichte unaufdringlicher Einfühlung. Ganze Biographien werden kenntlich in der zarten Darstellung ihrer Bruchlinien, immer so, dass sich der Porträtierte niemals verraten, wohl aber verstanden wissen kann.
Sie sind vor allem im ersten und dritten Teil des sorgfältig komponierten Gedichtbands enthalten, die das titelgebende Mittelstück, „Maskenzug”, flankieren. Häufig sind es Frauenporträts. Da ist die leise Melancholie des Gedichts „Als es noch Zeit war”, das mit ein paar Pinselstrichen die Einsamkeit einer Frau ins Bild setzt, die es verpasst hat, zur richtigen Zeit ein Kind zu bekommen: „Sie denkt, es hätte sie behütet”. Nun aber lebt sie allein mit einem Hund, über dessen Schnuppern sie sagt: „Er liest Zeitung.” Dieser eine Satz genügt, um als Umdrehung eines Negativklischees die Abwesenheit auch eines Mannes zu akzentuieren.
Vergleichsweise lang, nämlich zwei Druckseiten bzw. vier markant unterteilte Strophen, ist die beeindruckende Elegie „Alexandra”. Auch hier geht es um ein Kind, um den frühen Tod eines Mädchens, und vor allem darum, wie die porträtierte Mutter nach dessen Tod weiterlebt. Geradezu klassisch der Aufbau: ein sanftes Wiegen in der ersten, auf dem Land und in der Kindheit der Mutter spielenden Strophe, kalkulierte Härte in der zweiten.
Immer auf Abruf
Der Ort ist nun Athen, Thema der Tod des Mädchens: Eines Tages, kaum waren die Milchzähne da, / brachte sie ihre Tochter unter die Erde, / war danach nie mehr frei von der Qual, / Abschied zu nehmen, wollte Zuhörer haben, / wußte sich nirgends aufgehoben, lauschte / - wie früher den Konzerten der Frösche - / jetzt dem Heulen der Hunde. Die dritte Strophe schildert fast prosaisch den Zustand der Zerrissenheit: Seht es mir nach, wenn ich nicht zurechtkomme / mit meiner Verzweiflung, in der vierten wird die Trauernde als Musikerin kenntlich, deren Kompositionen von ihrem Schmerz geprägt sind: In ihrer Arbeit, in ihren Noten, immer / auf Abruf, Hand in Hand mit der Erinnerung, / bei fortwährenden Übergängen / und von nie ruhenden Zweifeln erreicht, / versuchte sie, nicht zu ertrinken / in den Tumulten / fliehender oder ankommender Klänge. Perfekt formt sich das Gedicht zum Rondo. Die Anfangszeilen lauteten: Wie einfach die frühen Jahre am Wasser, / die silberne Weite, die sich nicht zersetzte, / das Boot in der Ferne, das der Wind / stupste und langsam heranbrachte. / Es sprach alles für sich.
Während der erste und zweite Teil des Bandes große Zusammenhänge auf engem Raum konzentriert, ist die Bewegung im Mittelteil genau umgekehrt. Der „Maskenzug” nimmt die afrikanische Maskensammlung eines Freundes zum Anlass, das Umfeld ihrer Herkunft zu erfinden. Um die einzelne Maske wie um ein objet trouvé entsteht in konzentrischen Kreisen die Biographie eines Kunst- bzw. Kultobjekts. Das lyrische Ich imaginiert den Herstellungsprozess, sucht nach Spuren des Gebrauchs, versetzt die Maske in mögliche Szenarien. Aber es benützt sie auch als Durchgangsstation für die eigene Phantasie.
Der archaische Kontext kommt den Phantasmen des Autors entgegen. Er ist immer auf der Suche nach Schwellenphänomenen und Metamorphosen, nach Möglichkeiten, Raum und Zeit imaginär zu manipulieren. Die Vorstellung zyklischer Wiederkehr ist ihm nah. Sie lässt sich auch als Einspruch gegen die „Tyrannei des Altwerdens” verstehen. Gedichtband für Gedichtband belegt Walter Helmut Fritz die Wandlungsfähigkeit des Gleichen.
MEIKE FESSMANN
WALTER HELMUT FRITZ: Maskenzug. Gedichte. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2003. 91 Seiten, 15,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einmal mehr zeigt dieser Gedichtband für Meike Fessmann die "Kunst vielsagender Verknappung", die dieser Lyriker ihrer Meinung nach perfekt beherrscht. Die Rezensentin betont, dass die große "Glaubwürdigkeit" und die "Autorität" von Walter Helmut Fritz in seiner Genauigkeit und Aufmerksamkeit liegen, und sie bemerkt dankbar, dass in den Gedichten nirgends "lyrische Prätention" steckt. Gerade von den Charakterisierungen einzelner Personen in den Gedichten, die die Protagonisten trotz sehr treffender Porträtierung "niemals verraten", zeigt sie sich angetan, nicht zuletzt wegen der "unaufdringlichen Einfühlung", die sie darin entdeckt. Als besonders beeindruckend hat die Rezensentin das zwei Seiten lange Gedicht "Alexandra" empfunden, in dem der Tod eines Kindes und die Trauer der Mutter beschrieben werden. Im in der Mitte des Bandes stehenden "Maskenzug", der von der afrikanischen Maskensammlung eines Freundes ausgehend als "Durchgangsstation" für die "Phantasie" des Autors fungiert, zeigt sich für die begeisterte Rezensentin die "Wandlungsfähigkeit des Gleichen", die sie in allen Gedichtbänden des Autors demonstriert findet und die sie als "Einspruch gegen die "Tyrannei des Altwerdens" liest.

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