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"Hass, damit das endlich klar ist, bedeutet Wahrheit - und etwas mehr Ehrlichkeit."
Niemand in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur hasst virtuoser, fundierter und zugleich liebevoller als der Schriftsteller Maxim Biller. Mit der Kolumne "100 Zeilen Hass" begann er seine Karriere als Journalist beim Magazin TEMPO, bevor er sich dann auch als Erzähler und Dramatiker einen Namen machte. Über 100 Mal begab er sich zwischen 1987 und 1996 Monat für Monat auf die Suche nach Wahrheit und Ehrlichkeit. Bis 1999 wurde die Kolumne im ZEIT-Magazin fortgesetzt, bis heute ist ihr Ruf legendär.…mehr

Produktbeschreibung
"Hass, damit das endlich klar ist, bedeutet Wahrheit - und etwas mehr Ehrlichkeit."

Niemand in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur hasst virtuoser, fundierter und zugleich liebevoller als der Schriftsteller
Maxim Biller. Mit der Kolumne "100 Zeilen Hass" begann er seine Karriere als Journalist beim Magazin TEMPO, bevor er sich dann auch als Erzähler und Dramatiker einen Namen machte. Über 100 Mal begab er sich zwischen 1987 und 1996 Monat für Monat auf die Suche nach Wahrheit und Ehrlichkeit. Bis 1999 wurde die Kolumne im ZEIT-Magazin fortgesetzt, bis heute ist ihr Ruf
legendär. Erstmals erscheinen hier sämtliche Texte unverändert als Buch. Jede Kolumne ist ein pointierter Indizienprozess im Dienst nur einer Sache: dem Kampf für das Gute und gegen alles Schlechte.Mit einem Nachwort von Hans Ulrich Gumbrecht
Autorenporträt
Biller, Maxim
Maxim Biller, geboren 1960 in Prag, lebt seit 1970 in Deutschland. Zuletzt erschienen die Novelle Im Kopf von Bruno Schulz (2013) und der Roman Biografie (2016). Er ist Kolumnist der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und der ZEIT und war von Oktober 2015 bis Dezember 2016 Mitglied der Neuauflage des Literarischen Quartetts.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.07.2017

Gegen Harmoniediktatur
Maxim Billers Kolumnen „Hundert Zeilen Hass“
Es führt kein Weg daran vorbei, es gleich zu sagen: Dies ist ein fieses Buch. Und zwar nicht nur mittelfies, so ein bisschen gewohnheitsgemein wie die Alltagsniedertracht, mit der man sich als gelernter Hilfskapitalist gerne mal über einen schlechten Tag im Büro zu retten versucht. Nein, die Texte in diesem Buch sind geradeaus fies, ungnädig und böse, bitterböse auch. Anders gesagt: Jeder sollte es lesen. Wenigstens jeder Deutsche. Dann aber bitte mehrmals.
„Hundert Zeilen Hass“ heißt dieses Buch. Es versammelt in chronologischer Reihenfolge vor allem die Kolumnen, die Maxim Biller von 1987 bis 1996 in der Zeitschrift Tempo veröffentlicht hat (bis 1993 hieß die Kolumne dort auch so „Hundert Zeilen Hass“) sowie die Texte der Kolume „Junges Deutschland“, die er von 1996 bis 1999 für das Magazin der Zeit schrieb.
Die Kolumnen haben den Schriftsteller Maxim Biller berühmt und berüchtigt gemacht. Also so berühmt und berüchtigt, wie man in diesem Land als Kolumnist und Journalist eben werden kann – bevor man es schafft, dass einem das Bundesverfassungsgericht einen Roman wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten verbietet, was Biller 2003 mit „Esra“ gelang. Warum ihn aber schon die Kolumnen bekannt machten, versteht man auch beim Wiederlesen sofort wieder sehr gut. Und vermutlich versteht es auch jeder gut, der die Texte jetzt zum ersten Mal liest, obwohl es – abgesehen von den drei Texten, die aus den späteren Nullerjahren stammen – ja eigentlich um eine wirklich ferne Zeit geht: das Deutschland der Achtziger und Neunziger nämlich, in all seinen Widersprüchen, seiner Selbstgerechtigkeit, Hässlichkeit, Grauenhaftigkeit und größenwahnsinnigen Kleingeistigkeit.
Am Ende ist es eine große, strenge Studie über Deutschland und die Deutschen in 119 Kapiteln, die einem heute lesenswerter denn je erscheint. Im Angesicht von Trump, Kapitalismuskrise, Populismus, Terrorismus, Krieg in Syrien, Flüchtlingskatastrophe und Ehe für alle geht’s gerade ja so unmittelbar wie lange nicht um die Frage, was dieses Land eigentlich sein möchte. Oder ist. In all seinen Widersprüchen, seiner Selbstgerechtigkeit, Hässlichkeit, Grauenhaftigkeit und größenwahnsinnigen Kleingeistigkeit.
Eine alte Dödelweisheit besagt, dass man sich als Journalist mit keiner Sache gemein machen solle, auch nicht mit einer guten. Bei Biller ist das Prinzip eher, dass man sich auf der Suche nach der Gemeinheit lieber mal besonders bei den guten (und den für gut erklärten) Sachen umschauen sollte. Motto: Die Feinde meiner Feinde sind auch meine Feinde. Und da gibt es dann vor dem Schwabinger Stil oder der Lust an der Bilderflut im Allgemeinen genauso wenig Grund zur Gnade wie im Besonderen vor Willy Brandt, Bernd Eichinger oder sogar den eigenen Freunden.
Seine Antwort auf die Frage, warum die Deutschen den Filmproduzenten Bernd Eichinger lieben, lautete etwa: „Weil er ähnlich wie Steffi Graf, Ulf Merbold, BMW, Helmut John und Hans Dietrich Genscher mit seinen international erfolgreichen Megaproduktionen wie der ,Unendlichen Geschichte’ oder eben dem ,Namen der Rose’ demonstriert, dass ein Deutscher im Ausland auch ohne Panzer, Landsergesänge und einen Welteroberungsauftrag bestehen kann.“
Und gegen die Apotheose Willy Brandts beharrte Biller darauf, dass man sich bitte vergegenwärtige, wie sich „der stolze Antifaschist 1989 urplötzlich in den begeisterten Chauvinisten verwandelte“. Man müsse daran erinnern, wie Brandt „im Mauerfalljahr davon sprach, dass Schluss sein müsse mit der Bevormundung der Deutschen durch die Siegermächte“. Und mit einem feinen Ohr für die Rhetorik der Demagogie wollte er es Brandt auch nicht durchgehen lassen, dass er „in seinem von linken Minderwertigkeitskomplexen befeuerten Einheitsrausch“ damals erklärte, dass die Deutschen ein Volk seien, „,das härter geschlagen worden ist als andere‘, um diese stumpfe Kleinbürger-Ungeheuerlichkeit nur zum Schein durch den Zusatz ,zum Teil durch eigene Schuld‘ zu entschärfen“.
Die Lust an der Bilderflut wiederum erledigte er so: „Es gibt Leute, die hängen sich einen Spiegel übers Bett und schauen sich dann dabei zu, wie sie es miteinander treiben. Nicht mehr ihr Tun berauscht und erregt diese abgekämpften Sexualsportler, sondern nur noch das Abbild ihres Tuns. Zum Teufel mit ihrer verklemmten Lust! Und zum Teufel mit unserer modernen Existenz, denn sie funktioniert nach exakt demselben Prinzip!“
Kein Wunder, dass im Zorn auf die allgegenwärtige „Harmoniediktatur“ dann auch die eigenen Leute nicht davonkommen: „Sind Sie ein Poptrottel? Ich meine, glauben Sie, so wie einige meiner besten Freunde und klügsten Kollegen, dass Pop nur ein anderes Wort für Subversion und Aufstand ist? (. . .) Guten Morgen , Poptrottel: (. . . ) die Geschichte des Pop, also die Geschichte der modernen westlichen Jungendkultur von den Beats bis zu den 92er-Skins, ist (. . .) nur eine große dumme unverschämte Lüge gewesen, die böswillige, kokette Pose weißer Bürgerkinder, die sich (. . .) ihr Rebellentum seit jeher von jenen ausgeliehen haben, denen es im Vergleich zu ihnen wirklich dreckig ging.“
Autsch. Die dunkle Seite der Gnadenlosigkeit ist natürlich, dass es nicht leicht ist, sie immer ganz genau von Selbstgerechtigkeit und Angeberei zu unterscheiden. Biller jedoch bloß als selbstgerechten Angeber zu lesen, hieße, ihn zu unterschätzen. Denn es gibt einen unübersehbaren genuin kritischen Ernst in diesen Texten: „Hass gibt einem die Kraft, immer das zu sagen, was man denkt, ohne sich um all die feigen, kleinbürgerlich-bequemen Übereinkünfte zu kümmern, die jede Gruppe und jede soziale Schicht, egal, wie elitär oder primitiv, zu ihrem eigenen Schutz aufstellt, denn wo alle gleich denken, kommen auch die Dümmsten mit, und die Klügeren haben es dann umso einfacher, sich ihrer zu bedienen.“
Deshalb sind diese Texte auch nie schadenfreudig. Obwohl sie bestimmt von nicht wenigen immer wieder gerne so gelesen worden sind, weil in Deutschland nun einmal aufmerksamkeitsökonomisch wenig so beliebt ist wie Schadenfreude (es gibt deswegen auch keine gute deutsche Comedy, aber das ist eine andere Geschichte). Das klingt jedoch komplizierter und kopflastiger, als es ist.
Eigentlich ist es nämlich nicht so schwierig, wenngleich es Biller einem nicht immer ganz leicht macht, das zu bemerken: Der größte Feind Maxim Billers ist immer zuerst Maxim Biller. Auf dem Altar der Öffentlichkeit zielt er zu allererst auf sich selbst. Mitunter manisch. Aber das ist ja gerade der Witz. Wem der nicht passt, der muss anderes lesen. Er verpasst dann aber das Beste an der Literatur dieses Autor. Um sie lesen und verstehen zu können, hilft es weder stark zu sein, noch hilft es, schwach zu sein. Und am wenigsten hilft es, zu seiner Schwäche zu stehen, sie sich demonstrativ ins Emo-Schaufenster zu legen. Dann wird man von ihm bei lebendigem Leibe gefressen. Das einzige, was hilft, ist, sich einfach bitte bloß nicht zu einig mit sich selbst zu sein.
JENS-CHRISTIAN RABE
Maxim Biller: Hundert Zeilen Hass. Nachwort von Hans Ulrich Gumbrecht, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2017. 399 Seiten, 25 Euro.
Dieser Autor hat ein
feines Ohr für die Rhetorik
der Demagogie
Der größte Feind
Maxim Billers
ist immer zuerst Maxim Biller
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