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Wieso wird die deutsche Einheit vor allem unter dem Vorzeichen "Pleiten, Pech und Pannen" abgehandelt? Sie ist weder in den Köpfen noch in den Herzen angekommen. Die einen fühlen sich nicht angenommen und tendieren schon wieder zur Nostalgie. Die andern jammern über Belastungen und fühlen sich ausgenommen. Vorurteile wachsen mit undurchsichtigen Statistiken. Richard Schröder rückt die Dinge zurecht - gegen Geschichtsklitterer und Miesmacher. Eine brillante Darstellung deutscher Befindlichkeiten.

Produktbeschreibung
Wieso wird die deutsche Einheit vor allem unter dem Vorzeichen "Pleiten, Pech und Pannen" abgehandelt? Sie ist weder in den Köpfen noch in den Herzen angekommen. Die einen fühlen sich nicht angenommen und tendieren schon wieder zur Nostalgie. Die andern jammern über Belastungen und fühlen sich ausgenommen. Vorurteile wachsen mit undurchsichtigen Statistiken. Richard Schröder rückt die Dinge zurecht - gegen Geschichtsklitterer und Miesmacher. Eine brillante Darstellung deutscher Befindlichkeiten.
Autorenporträt
Richard Schröder, einer der scharfsinnigsten Denker aus der ehemaligen DDR, wurde 1943 im sächsischen Frohburg geboren. Nach dem Studium in Naumburg und Berlin war er Pfarrer in Wiederstedt am Harz. 1990 wurde er Mitglied und SPD-Fraktionsvorsitzender der DDR-Volkskammer. Von Oktober bis Dezember 1990 gehörte er dem Bundestag an. 1991 wurde er an die Humboldt-Universität berufen, wo er 1993 den Lehrstuhl für Philosophie an der Theologischen Fakultät übernahm und bis Mitte 2000 Vizepräsident war.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2007

In aufklärerischer Absicht
Richard Schröder freut sich an der deutschen Einheit

Der Ost-Berliner Theologe und Philosophie-Professor Richard Schröder ist ein eloquenter homo politicus. Als Bürgerrechtler und engagierter Christ hat er an der friedlichen Revolution und am Vereinigungsprozess aktiv teilgenommen; in der im März 1990 frei gewählten Volkskammer war er Vorsitzender der SPD-Fraktion. Im vereinten Deutschland erhebt er immer wieder seine mahnende und werbende Stimme, und er hat dadurch eine überparteiliche Autorität gewonnen. So lag es nahe, dass er als Bundespräsident-Kandidat ins Gespräch gebracht wurde. Wäre er in dieses hohe Amt gewählt worden, hätte die vorliegende Aufklärungsschrift den Stoff für eine wahrhaft nationalpolitische Präsidentenrede abgeben können - mit der gut begründeten Aufforderung, endlich mit dem "Nörgeln" aufzuhören und sich zu freuen über die deutsche Einheit.

Wie viele andere bedauert Schröder, dass die Vereinigung 1990 nicht zum "nationalen Projekt" einer großen kollektiven Anstrengung gemacht wurde. Und er beklagt, dass seither die deutsche Einheit mit Vorliebe unter Pleiten, Pech und Pannen abgehandelt wird. Den Grund für diesen "schlechten Ruf" sieht er "in einer Reihe von Irrtümern" über die DDR, über die Vereinigung und über das vereinigte Deutschland. Dementsprechend ist das Buch gegliedert. Der Autor diagnostiziert insgesamt 32 irreführende Auffassungen, und er rückt ihnen essayartig zu Leibe - mit Fakten und Sachargumenten sowie immer wieder aus seinem reichen Erfahrungswissen schöpfend. Umfrageergebnisse und Statistiken, die bei der Einschätzung des Einigungsprozesses eine große Rolle spielen, werden kritisch betrachtet und neu interpretiert.

So argumentiert Schröder beim Vergleich der heutigen Einkommen in Ost und West: "Nimmt man aus der westlichen Einkommensstatistik die oberen l0 bis 20 Prozent raus, die im Osten fehlen, und vergleicht die Haushaltseinkommen der unteren westlichen 80 Prozent mit allen östlichen Haushalten, dann waren sie im Jahre 2000 in Ost und West im Durchschnitt etwa gleich." Den Nettotransfer von West nach Ost berechnet er auf etwa 75,4 Milliarden Euro jährlich (statt der üblichen 120 Milliarden). Das ist "immer noch eine gewaltige Summe". Ihre Verwendung beurteilt der Autor differenziert: Einerseits verweist er auf die objektiv notwendigen Maßnahmen, andererseits kritisiert er die partiellen Fehlentscheidungen.

Es versteht sich, dass der Kirchenmann besonders kompetent ist, die Irrtümer, die sich auf die Kirche in der DDR (Stichwort: opportunistisches Verhalten) und auf die "atheistische" Gesellschaft in Ostdeutschland beziehen, zu korrigieren. Schröder gibt zu: "Dass die Gesellschaft im Osten atheistisch ist, ist ja nicht völlig verkehrt. 75 Prozent sind konfessionslos, und unter diesen sind viele überzeugte Atheisten. Falsch aber wäre die Deutung: Westdeutschland sei eine christliche, Ostdeutschland eine atheistische Gesellschaft." Charakteristisch für viele ostdeutsche Konfessionslose seien nicht schlechte Erfahrungen mit der Kirche, sondern gar keine Erfahrungen mit Kirche und Religion. Bekennende Christen sind zwar - wie in der DDR - in Ostdeutschland eine Minderheit, aber keine verachtete und auch keine diskriminierte mehr.

Abschließend sei hervorgehoben, dass Schröder - obwohl er sich auf die interne Entwicklung konzentriert - die internationalen Rahmenbedingungen nicht außer Acht lässt. So betont er, dass 1989/90 eine echte Revolution der Bürger (nicht nur eine "Wende") stattfand, aber er verweist zugleich darauf, dass sich die Deutschen nicht aus eigener Machtvollkommenheit vereinigen konnten. Weil sich die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges die Zuständigkeit für Deutschland als Ganzes vorbehalten hatten, war die internationale Politik entscheidend. Präsident Bushs Zustimmung zur Vereinigung war an die Bedingung geknüpft, dass das vereinte Deutschland der Nato angehören müsse. Schröder nennt irrtümlich auch die Mitgliedschaft in der EG/EU als amerikanische Bedingung. Tatsächlich war dies jedoch die Bedingung Frankreichs. Schröders Schlussfolgerung lautet: "Wer 1990 von einen neutralen und pazifistischen Deutschland auf einem ,dritten Weg' zwischen Sozialismus und Kapitalismus geträumt hat, hat schlicht vergessen, dass es dafür keine internationale Zustimmung gegeben hätte." Diese Klarstellung und andere aufklärerische Hinweise des Autors sollten auch diejenigen zur Kenntnis nehmen, die heute die Geschichte der deutschen Einheit gerne umschreiben möchten.

WERNER LINK

Richard Schröder: Die wichtigsten Irrtümer über die deutsche Einheit. Herder Verlag, Freiburg 2007. 54 S., 16,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Man spürt die gute Absicht, hat Verständnis und ist dann doch verstimmt", urteilt Warnfried Dettlings über Richard Schröders Buch zu den Irrtümern der deutschen Einheit. Dem Theologen geht es in seiner Streitschrift darum, dem ewige Gejammer und Gemaule über die Wiedervereinigung ein Ende zu setzen. Und recht hat er ja, gibt Dettling zu, sieht darin aber keinen Grund, eine derart geschönte Landschaft ins Bild zu setzen, wie Schröder es seiner Meinung nach tue. "Gute Absichten und halbe Wahrheiten" sieht er hier gar am Werk, etwa wenn der ostdeutsche Rechtsradikalismus mit windelweichen Erklärungen schon geredet wird, oder mit Erleichterung konstatiert werde, dass die PDS noch keine Lega Nord sei. Nein, nein, bei allem Verständis für Schröders Zorn, bei allem Respekt für den Autor und seine kluge Beobachtungen, so, meint Dettling, sei niemandem geholfen.

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