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Die Spiritualität der Wüstenväter für heute meisterhaft erschlossen. Anselm Grün schöpft aus den geistlich weit zurückliegenden, verborgenen Quellen eines Wissens, die wie neu in unser Leben sprudeln.

Produktbeschreibung
Die Spiritualität der Wüstenväter für heute meisterhaft erschlossen. Anselm Grün schöpft aus den geistlich weit zurückliegenden, verborgenen Quellen eines Wissens, die wie neu in unser Leben sprudeln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.2000

Der Witz mit den Wüstenvätern
Auf diese Worte können wir bauen: Anselm Grün gibt der neuen Zeit altbewährte Ratschläge

Noch vor wenigen Jahren wurden Managern die Weisheiten der Führungskunst mittels buddhistischer Koans vermittelt, und Verleger betitelten ihre Ratgeber mit Überschriften wie "Das Tao des Coaching". Heutzutage ist "Benedikt für Manager" in. Anselm Grün, Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu zeitgemäßer Spiritualität, ist auf diesen Trend aufmerksam geworden und hat Wissenswertes über die frühen Mönche zusammengetragen.

Etwa vom Jahr 300 an zogen sich Mönche in die Wüste zurück, um in asketischen Praktiken das Geheimnis Gottes und das Geheimnis der Menschen zu ergründen. In der Einsamkeit sannen sie ihren Gedanken und Gefühlen nach und besprachen sie sonntags, wenn sie zusammenkamen, mit ihren geistlichen Vätern. Diese Abbas wurden somit zu den Psychologen ihrer Zeit. Bald entstanden klar strukturierte Gemeinschaften von Mönchen, die in der Klostergründung des Benedikt von Nursia auf dem Montecassino ihren geschichtlichen Höhepunkt erlebten.

Die Aussprüche (Apophthegmen) der großen Altväter wurden unter den Mönchen weitererzählt und aufgezeichnet. Die Sammlung des Evagrios Pontikos war über Jahrhunderte die geistige Grundlage der Mönche, bis sie in Folge der antiorigenistischen Streitigkeiten verboten wurde. Die Mönche schoben daraufhin die Schriften dem hl. Nilus unter und sorgten so dafür, dass uns die Weisheit des Evagrios bis heute erhalten geblieben ist.

"Willst du Gott erkennen, lerne vorher dich selber kennen!" So formuliert Evagrios den Weg der Wüstenväter zur Spiritualität. Nur wer den beschwerlichen Weg der Selbsterkenntnis, der Begegnung mit den eigenen Schattenseiten, gegangen ist, wer mit seinen Leidenschaften gerungen hat, ist bereit für die Erkenntnisse der Mystik. Die Selbsterkenntnis erfordert, dass der Mönch sich der Zerstreuung enthält und es mit sich allein in der Zelle aushält. Gerade das sei aber heutzutage kaum noch möglich, weil es zu viele Ablenkungen gebe, man brauche ja nur alle Fernsehprogramme durchzuspielen. Grün stellt immer wieder solche Bezüge zur Gegenwart her, die dem Leser deutlich machen, dass es zwar eine Lust ist, aber keine Erleuchtung bringt, im zwanzigsten Jahrhundert zu leben.

Die Mönche arbeiten an sich, sie sehen sich nicht als Opfer ihrer Veranlagungen oder einer verkorksten Erziehung, sondern übernehmen die Verantwortung für ihr Leben und formen daran. Ihre Askese ist in diesem Kontext weniger Verzicht oder das Niederhalten von Trieben als vielmehr die Übung in tugendhaftem Verhalten. Als Athlet Christi ringt der Mönch seine Leidenschaften nieder und erlangt eine Haltung innerer Klarheit und Lauterkeit, wodurch Offenheit für Gott möglich wird.

Natürlich hat es der postmoderne Weltbürger am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts mit den gleichen Leidenschaften zu tun wie die Wüstenväter. "Logismoi" nannte Evagrius gefühlsbetonte Gedanken, von denen er neun kannte. Dem begehrlichen Teil des Menschen sind die "logismoi" Völlerei, Unzucht und Habsucht zugeordnet, Traurigkeit, Zorn und Akedia dem emotionalen Bereich und Ruhmsucht, Neid und Stolz dem geistigen. Anselm Grün zeigt auf, wie sich die "logismoi" in unserem Alltag äußern können. So stellt er beispielsweise einen Zusammenhang zwischen Sexualität und Frustration her: "Viele, die Enttäuschung nicht aushalten können, flüchten in die Sexualität."

Akedia wiederum ist die Unfähigkeit, im Augenblick zu sein. Auch sie ist eine Flucht vor der Realität: Um das Leben zu spüren, bedarf es immer neuer Eindrücke und Erlebnisse. In besonders krassen Fällen wird Gewalt zum einzigen Mittel, um sich selbst lebendig zu fühlen. Ruhmsucht hingegen führt dazu, dass das eigene Handeln nur noch der wohlwollenden Beurteilung durch andere Menschen dient. Alles, was man tut, ist mehr auf die Erlangung von Lob und Anerkennung ausgerichtet, als dass es dem freien Willen entspringt. Wichtiger als die Beschreibung der logismoi war für Evagrius der Umgang mit den Gedanken und Gefühlen. Denn letztlich sind wir nicht verantwortlich für die Gedanken, die in uns auftauchen, wohl aber dafür, wie wir mit ihnen umgehen.

Wiederkehrende Gedanken wie "ich komme mit dem Leben nicht zurecht, weil ich unter einem Unstern geboren bin" können einen Menschen dazu bringen, sich von der Welt zurückzuziehen. Auch Evagrius kannte diese "Gedanken der Dämonen", Grün vergleicht sie mit dem "Lebensskript" aus der Transaktionsanalyse. Als Abhilfe gegen die Mutlosigkeit empfehle sich die Besinnung auf Vertrauen weckende Worte, beispielsweise aus dem 118. Psalm: "Der Herr ist mit mir, ich fürchte mich nicht."

Der Weg der Wüstenväter führt zur Gelassenheit. Wer seine naive Vorstellung vom Leben loslässt, öffnet sich einen Raum von Möglichkeiten, wer seinen Nächsten loslässt, statt sich an ihn zu klammern, ermöglicht dauerhafte Partnerschaft. Wer sich von seinen Gedanken, Gefühlen und Vorstellungen löst, vermag nach Evagrius das Höchste zu leisten, das der Mensch zu Wege bringt, das Gebet. Im Gebet schaut der Mensch sein eigenes Licht, ja, er wird seiner eigenen Natur gewahr, die ganz Licht ist, die teilhat am Lichte Gottes. Grün verweist hier auf die transpersonale Psychologie, die in dieser Dis-Identifikation die wahre Therapie sieht. Der mystische Weg führt weder zum Asketen noch zum konsequenten Macher, sondern zum sanftmütigen Menschen. Nicht Strenge, Moralisieren oder Angst machen, sondern Ermutigung zur Sanftmut zeichnet die Spiritualität der frühen Mönche aus.

Der Witz mit den Wüstenvätern besteht darin, dass sie nicht nur viele Ideen der modernen Psychologie vorwegnahmen, sondern auch gelebt haben, was sie sagten. Sie entwickelten keine theoretischen Modelle, sondern reflektierten ihre eigene Erfahrung.

HARTMUT HÄNSEL

Anselm Grün: "Der Himmel beginnt in dir". Das Wissen der Wüstenväter für heute. Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 1999. 140 S., br., 19,80 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als ein Autor einer Reihe von Veröffentlichungen zu "zeitgemäßer Spiritualität" wird Anselm Grün von Rezensent Hartmut Hänel beschrieben. Noch vor kurzem hat man sich Hänel zufolge in dieser Branche mit dem buddhistischen "Tao des Coaching" befasst. Nun können Manager beim Training ihrer Führungskunst dank Grün auch auf das Wissen der christlichen Wüstenväter zurückgreifen. Dies Wissen hat dann auch den Rezensenten so beeindruckt, dass die anfängliche Häme der Kritik echtem Interesse weicht. Also werden einzelne Mönche und ihre Methoden vorgestellt: Vom "beschwerlichen Weg der Selbsterkenntnis", den sie beschritten und sich dafür etwa ab 300 n.Chr. in die Wüste zurückzogen, gerät Hänel dann wieder in den Sog der Gegenwart und landet zappend vor dem Fernsehapparat. Dort kommt man kaum zur Besinnung, findet der Rezensent, weshalb auch er wohl den Gang in die Wüste letztlich nicht unattraktiv findet.

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