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Produktdetails
  • Verlag: Herder, Freiburg
  • Seitenzahl: 374
  • Deutsch
  • Abmessung: 30mm x 118mm x 198mm
  • Gewicht: 406g
  • ISBN-13: 9783451229961
  • ISBN-10: 345122996X
  • Artikelnr.: 14440111
Autorenporträt
Günter Buchstab, Jg. 1944, Dr. phil., ist Leiter des Bereichs Wissenschaftliche Dienste/Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin bei Bonn.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.09.2005

O wie so trügerisch
Sechzig Jahre CDU als Erfolgsgeschichte präsentiert

Günter Buchstab (Herausgeber): Brücke in eine neue Zeit. 60 Jahre CDU. Herder Verlag, Freiburg 2005. 374 Seiten, 15,- [Euro].

Mit Sympathie für die sechzig gewordene Jubilarin erzählen die hier versammelten zehn Essays die "Erfolgsgeschichte der CDU" zugleich als "Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik" - so Herausgeber Günter Buchstab.

Eines der zentralen Elemente der Partei war die Verbindung von ökonomischem Erfolg und sozialem Frieden unter dem Leitbild der "Sozialen Marktwirtschaft". Schon unter ihren geistigen Vätern waren die Akzente zwischen freiem Markt und staatlicher Umverteilung durchaus unterschiedlich gesetzt worden. Konsens aber hatte über den grundsätzlichen Vorrang von Wachstum vor sozial motivierter Umverteilung bestanden. Soziale Sicherung erfüllte demzufolge eine subsidiäre Funktion: als ergänzende Grundabsicherung zur eigenverantwortlichen Vorsorge. Ebendiese Rangfolge wurde indessen bereits 1957 außer Kraft gesetzt. Dieter Grosser kennzeichnet Adenauers Rentenreform in aller Deutlichkeit als eine "Wendemarke" im Grundsätzlichen: Von nun an gewann der Daseinsvorsorgestaat nicht nur Gleichrangigkeit, sondern schließlich gar zunehmend Vorrang vor der Eigenverantwortung. Diesen Trend, den insbesondere die SPD/FDP-Reformpolitik der siebziger Jahre massiv weitertrieb, versuchte die Regierung Kohl nach 1982 umzukehren. Die Bilanz fiel gemischt aus: Einer zügigen Haushaltskonsolidierung und durchaus spürbaren Wachstumsimpulsen stand entgegen, daß der Prioritätenwechsel zugunsten des Marktes vor staatlicher Regulierung nur partiell umgesetzt wurde.

Der Glanz der wirtschaftlichen Prosperität der Bundesrepublik am Ende der achtziger Jahre, der auch die Gestaltung der Wiedervereinigung und ihre strahlenden Zukunftserwartungen beschien, war daher trügerisch. Er verdeckte "die seit Jahren erkennbaren Schwächen im Wirtschafts- und Sozialsystem und begünstigte in Politik und Medien die Meinung, der Daseinsvorsorgestaat, in Westdeutschland entstanden und 1990 auf Ostdeutschland übertragen, könne trotz der Globalisierung und trotz der vorhersehbaren Kosten der Einheit ohne große Abstriche erhalten bleiben".

Auch diese erst langfristig spürbaren Versäumnisse gehören zu einer Bilanz sowohl der Bundesrepublik als auch der Union, die nicht mehr in einer geradlinigen Erfolgsgeschichte allein aufgeht. In ihrer Bedeutung für Gegenwart und Zukunft von Politik und Gesellschaft ebenso wie für die Geschichtsschreibung der Bundesrepublik rückt dabei inzwischen die Regierungszeit Kohls zunehmend deutlicher ins Blickfeld als die weitgehend auf- und abgearbeitete Ära Adenauer.

Dasselbe gilt für ein weiteres christdemokratisches Kernelement: die Einigung Europas, der Hans-Otto Kleinmann eine Chronik fortschreitenden Erfolgs im Zeichen von Wohlstand, Frieden und Sicherheit widmet. Dies ist - gerade vor dem Hintergrund der kriegerisch-destruktiven Seiten der europäischen Geschichte - aufs Ganze gesehen natürlich vollkommen richtig. Und in der Tat waren die Regierung Kohl und nicht zuletzt der Kanzler selbst eine mächtig treibende Kraft für den Vergemeinschaftungsschub insbesondere nach der Wiedervereinigung. Zugleich trieb diese Regierung eine Politik zunehmend selbstläufiger Maximalintegration voran, die wenige Jahre später aufgrund ihres überhöhten Tempos ins Stolpern geriet, als ihr die übergangenen Bevölkerungen das "Halt" hinterherriefen.

Abwägend differenzierende Bilanzierung ist für die Geschichte der Bundesrepublik geboten. Das geradezu ritualisierte Narrativ der (mit ihren verschiedenen Facetten in allen politisch-gesellschaftlichen Lagern zustimmungsfähigen und daher so komfortablen) "Erfolgsgeschichte" ist selbst zu einem Teil des deutschen Problems geworden, indem es die problemresistente Selbstzufriedenheit befördert. Das gilt nicht zuletzt für den Parteienstaat. Die bedenkenlos expansive Dominanz der Parteien und ihrer Interessen über sämtliche Lebensbereiche ist schon an sich fragwürdig. Darüber hinaus aber ist das politische System samt den Parteien angesichts der sich auftürmenden strukturellen Herausforderungen offenkundig an den Grenzen seiner politischen Leistungskraft angekommen. Problembewußtsein statt Selbstgefälligkeit wäre schon ein Schritt voran.

Dafür hielte die Geschichte der Bundesrepublik durchaus Richtungweisendes bereit. Denn anstelle erfahrungsleerer wirtschaftswissenschaftlicher Theorien und Modelle bietet das rechtverstandene Konzept der Sozialen Marktwirtschaft noch immer - wie Dieter Grosser seine Bestandsaufnahme beschließt - die "Wertbasis und Zielorientierung" für eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, "die ein Höchstmaß an individueller Freiheit mit sozialer Verantwortung zu verbinden versucht". Und darum geht es.

ANDREAS RÖDDER

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "Erfolgsgeschichte" sieht Rezensent Andreas Rödder die nunmehr sechzig Jahre währende Geschichte der CDU in diesem Band präsentiert. Eine Erfolgsgeschichte, die zugleich eine "Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik" sei. Dass die zehn Essays "Sympathie für die sechzig gewordene Jubilarin" hegen, verhehlt er keineswegs. Alles in allem kann er den Beiträgen das Bandes nur zustimmen. Allerdings schreitet er angesichts der bisweilen offensichtlich allzu positiven Darstellung ein und mahnt in deisen Fällen eine "abwägend differenzierende Bilanzierung" an. Versäumnisse hat es seines Erachtens nämlich schon gegeben, sowohl bei der Bundesrepublik als auch der Union. Kritisch äußert sich in diesem Kontext insbesondere über den "Daseinsvorsorgestaat" Deutschland. Nichtsdestoweniger kann er Dieter Grosser nur beipflichten, wenn dieser in der Sozialen Marktwirtschaft noch immer eine "Wertbasis und Zielorientierung" für eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sieht, die ein "Höchstmaß" an Freiheit für den Einzelnen mit sozialer Verantwortung für die Gemeinschaft verknüpft. "Und darum geht es", bemerkt der Rezensent.

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