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Die Ökonomie ist eine Erfolgsgeschichte. Ökonomisches Denken wird nicht nur auf den engeren Bereich der Wirtschaft angewandt, sondern inzwischen auch darüber hinaus: Ist Bildung ein gutes Investment? Welcher Partner ist für mich am nützlichsten? Philip Roscoe kennt als Management-Professor die Sichtweise der Wirtschaft, weiß als Theologe und Philosoph aber auch um ihre Begrenztheit. Er argumentiert, dass die "Ökonomisierung" fast aller Bereiche uns nicht dabei hilft, ein sinnvolles Leben zu führen. Im Gegenteil: Indem wir nur auf den wirtschaftlichen Nutzen schauen, vergiften wir unsere…mehr

Produktbeschreibung
Die Ökonomie ist eine Erfolgsgeschichte. Ökonomisches Denken wird nicht nur auf den engeren Bereich der Wirtschaft angewandt, sondern inzwischen auch darüber hinaus: Ist Bildung ein gutes Investment? Welcher Partner ist für mich am nützlichsten? Philip Roscoe kennt als Management-Professor die Sichtweise der Wirtschaft, weiß als Theologe und Philosoph aber auch um ihre Begrenztheit. Er argumentiert, dass die "Ökonomisierung" fast aller Bereiche uns nicht dabei hilft, ein sinnvolles Leben zu führen. Im Gegenteil: Indem wir nur auf den wirtschaftlichen Nutzen schauen, vergiften wir unsere Beziehungen, richten unsere Gesellschaft und unsere Umwelt zugrunde und werden zu innerlich verarmten Menschen.

"Rechnet sich das?" steht auf der Shortlist des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises.
Autorenporträt
Roscoe, Philip
Philip Roscoe lehrt Management an der School of Management in St. Andrews, Schottland. Vor seiner Doktorarbeit arbeitete er als Finanz-Journalist und Unternehmer, davor studierte er Theologie in Leeds und Arabisches Denken des Mittelalters in Oxford. Roscoe hat zahlreiche wissenschaftliche Artikel verfasst und ist ein gefragter Vortragsredner.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Philip Roscoe versucht sich in seinem Buch "Rechnet sich das?" an einer Kritik des ökonomischen Denkens, dass dem Autor zufolge etwa dazu führe, dass wir uns von unserer Verantwortung für die Umwelt gleich einem "Zerrbild der Beichte" freikaufen und unser Liebesleben online einer "Wissenschaft des Matchings" anvertrauen und darüber die Fähigkeit verlieren, echte Bindungen einzugehen, berichtet Alexander Armbruster. Allerdings seien zahlreiche von Roscoes Behauptungen schlicht falsch, so der Rezensent, etwa die Darstellung von Prostituierten als neoliberale Nutzenmaximierer mit ökonomischen Prioritäten, obwohl tatsächlich die wenigsten von ihnen freiwillig und kalkulierend ihren Körper feilbieten, erklärt Armbruster. Auch führt der Autor das diverse Feld ökonomischer Theorien eng auf einige wenige, zugegeben radikale Marktjünger, was Kritik zwar einfach macht, aber eben auch verkürzt, kritisiert der Rezensent. Gute Kritik sieht anders aus, befindet Armbruster.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2014

Autos explodieren nicht
Ein Schotte schimpft über die Ökonomie

Der Roman "Upgrading" schildert die Arbeit des jungen Londoner Gigolos Andrew Collins: "Ich brauche ein größeres Einkommen, was bedeutet, dass ich reiche Frauen brauche, die mich bezahlen. Schließlich haben sie das Geld ja einfach herumliegen, und wenn ich sie glücklich mache, was soll's? Ich meine, es ist ja ihre Entscheidung, es für mich auszugeben. Ich erpresse sie ja nicht oder bestehle sie. Es handelt sich um eine zweckmäßige und vernünftige geschäftliche Abmachung, zu beiderseitigem Nutzen."

Dass solches Denken unsere Gesellschaft ärmer macht, vermutet Philip Roscoe, und darüber mag man streiten. Dass dieses Denken erst heutzutage "durch die Ökonomie" entsteht, ist jedoch eine absurde These des in Schottland lehrenden Hochschullehrers für Management. Roscoe bezieht sich auf die Forschungen über die "Performativität" von Äußerungen. Der Begriff meint, dass Äußerungen niemals nur deklaratorisch, sondern immer auch konstitutiv seien. So wird mit der Aussage "Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau", gesprochen von einem Standesbeamten, zugleich der Akt der Eheschließung vollzogen.

Der Brite John Austin veröffentlichte diese Theorie im Jahre 1962. Seitdem wurde sie immer wieder benutzt, um Benachteiligungen oder Ungleichheit zu erklären. Judith Butler hat dies in beeindruckender Weise in der Geschlechtertheorie getan, aber Roscoe scheitert hier: "Durch ihre Sprache und ihr Werkzeug erschafft die Ökonomie genau den Agenten, über den sie theoretisiert: den egoistischen, berechnenden und sogar unehrlichen Menschen." Roscoe ist von Hause aus Theologe, mithin Experte für das Jenseits, und er war niemals Ökonomie-Student. Er gibt offen zu, Bauchschmerzen zu haben, den Managementnachwuchs zu unterrichten: "Wir können sagen, dass ein Effekt der Ausbildung in Wirtschaftswissenschaften darin besteht, den Glauben an die Allgegenwart, Angemessenheit und Erwünschtheit eines von Selbstinteresse geleiteten Verfahrens zu stärken, was dann wiederum zu mehr vom Selbstinteresse geleitetem Verfahren führt."

Diese Aussage fasst Roscoe aus Studien Dritter zusammen, um schließlich selbstherrlich zu folgern: "Dass Studenten der Wirtschaftswissenschaften eine besonders große Selbstsucht angeboren ist, können wir ausschließen." Weshalb? Stephan Meier und Bruno S. Frey kamen im Jahre 2004 anhand einer großen Untersuchung an der Universität Zürich zum gegenteiligen Ergebnis. Nach ihrer Studie werden Menschen, die sich weniger "sozial" im herkömmlichen Wortsinn zeigen, stärker von einem wirtschaftswissenschaftlichen Studiengang angezogen. Diese Forschungsergebnisse hat Roscoe komplett ausgeblendet. Stattdessen glaubt er, dass uns die Beschäftigung mit der Ökonome zu schlechten Menschen macht.

Absurd ist auch, was Roscoe über das Online-Dating meint. Dabei stört ihn die Fleischbeschau am Computer und dass man potentielle Partner anhand einiger weniger Merkmale ablehnt oder aussucht. Das raube diesen Menschen ihre Würde. Aber, fragt sich der Leser, ist das nicht immer schon so gewesen, und ist das nicht menschlich?

Ein Blick in den größten Grundgesetz-Kommentar zeigt zudem: Unter Hunderten von Beispielen über mögliche Verletzungen von Würde findet sich kein einziger Satz über Dating-Portale. Man wünscht dem Autor die Gelassenheit eines Walter Mitty, der in dem gleichnamigen Kinofilm lediglich den Mut aufbringt, einer Arbeitskollegin online "zuzuzwinkern", um sie erst danach im realen Leben kennenzulernen. Die beiden werden glücklich. Das ist Kino, aber wie ist die Realität? Dass die durch einen anfänglichen Internetkontakt entstandenen Ehen unglücklicher sind oder kürzer halten, vermag Roscoe natürlich auch nicht nachzuweisen. Immerhin schreibt er im hinteren Teil des nicht lesenswerten Buches: "In einem Zeitalter mit noch nie dagewesenem Wohlstand", und der Leser stimmt begeistert zu, und möchte "die Ökonomie, die Ökonomie" rufen, bis er den zweiten Teil des Satzes liest: "... sind wir unglücklicher als je zuvor. Das sind die wahren Kosten der Ökonomie!"

Wer, bitte, ist unglücklich? Der Gigolo Andrew Collins? Der schüchterne Walter Mitty? Am ehesten noch der Rezensent dieses Buches! Roscoe übersieht, dass es in früheren Jahrhunderten immer Vorbehalte gegen Liebesehen gab, besonders bei Besitzbürgern, die etwas zu vererben hatten und deshalb an der "guten Partie" für die Kinder festhalten wollten. Heute können Partnerschaften zumindest theoretisch auch partnerschaftlich ausgehandelt werden - was für ein Fortschritt! Aber nicht für Roscoe. An keiner Stelle erwähnt er die Soziologin Arlie Hochschild, die für Partnerschaften eine vielgelobte "Ökonomie der Dankbarkeit" entwickelt hat. Darin geht es um die Stiftung eines gemeinsamen Bandes und nicht darum, in einer Partnerschaft unbedingt immer eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten.

Auch banale Fehleinschätzungen gesellen sich dazu: "Da explodierende Autos spektakuläre aufrüttelnde Ereignisse sind, halten wir sie für viel wahrscheinlicher, als sie sind." Nun, sie sind gar nicht wahrscheinlich, denn brennende Autos explodieren nie. Ebenso wenig hat Roscoes Buch eine Explosion in England ausgelöst, als es Anfang des Jahres dort erschienen war. Den Sprengstoff eines Thomas Piketty trägt es nicht in sich, aber nur wenn Sprengstoff im Spiel ist, kann etwas explodieren.

Von den fünf größten Londoner Buchhandlungen hatte jüngst nur ein einziges Geschäft das Buch des Schotten vorrätig. Ein Vergleich der deutschen mit der englischen Ausgaben zeigt zudem, dass der Hanser Verlag noch etliche Fehler bei Zitaten im Rahmen der Übersetzung bereinigen musste. Mit Roscoes Text hätte jeder Student an einer deutschen Fakultät ein Fiasko erlebt. Auf die Frage "Rechnet sich das?" - gemünzt auf die Lektüre dieses Buches, bleibt leider nur eine Antwort: nein.

JOCHEN ZENTHÖFER

Philip Roscoe: Rechnet sich das? Hanser Verlag, München 2014, 316 Seiten, 21,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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