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Unser Verhältnis zu Tieren ist paradox. Wir halten Hunde als Gefährten, züchten Rinder, weil sie uns schmecken, und führen an Affen Laborversuche durch. Doch warum schleppen Mopsbesitzer ihre Lieblinge zum Hunde-Yoga - und machen sich anschließend bedenkenlos über ein Kalbsschnitzel her? Der Anthrozoologe Hal Herzog zeigt, wieso wir welche Tiere mögen, warum wir unbedingt an den Nutzen von Delfintherapie glauben wollen - und sich Hund und Herrchen häufig so ähnlich sehen. Ein Parforceritt durch das ethische Minenfeld der Mensch-Tier-Beziehungen. Nach der Lektüre dieses Buchs denken Sie nicht…mehr

Produktbeschreibung
Unser Verhältnis zu Tieren ist paradox. Wir halten Hunde als Gefährten, züchten Rinder, weil sie uns schmecken, und führen an Affen Laborversuche durch. Doch warum schleppen Mopsbesitzer ihre Lieblinge zum Hunde-Yoga - und machen sich anschließend bedenkenlos über ein Kalbsschnitzel her? Der Anthrozoologe Hal Herzog zeigt, wieso wir welche Tiere mögen, warum wir unbedingt an den Nutzen von Delfintherapie glauben wollen - und sich Hund und Herrchen häufig so ähnlich sehen. Ein Parforceritt durch das ethische Minenfeld der Mensch-Tier-Beziehungen. Nach der Lektüre dieses Buchs denken Sie nicht nur anders über Tiere, sondern auch über sich selbst. "Ein hinreißendes Buch." Julia Koch, Der Spiegel "Eine faszinierende und ausgesprochen unterhaltsame Entdeckungsreise in eine elementare Dimension unseres Lebens." Steven Pinker
Autorenporträt
Herzog, Hal
Hal Herzog ist Mitbegründer der Anthrozoologie und führender Experte für Mensch-Tier-Beziehungen. Er ist Professor für Psychologie an der Western Carolina University und lebt zusammen mit seiner Frau Mary Jean und ihrer Katze Tilly in den Great Smoky Mountains.

Dierlamm, Helmut
Helmut Dierlamm, Jahrgang 1955, übersetzte u.a. Timothy Garton Ash, Henry Kissinger, Naomi Klein, Walter Laqueur, Barack Obama und Tom Segev.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.05.2012

Die Lust am Fleisch
„Wir streicheln und wir essen sie“: Hal Herzog über das Mensch-Tier-Paradox
Menschen sind widersprüchliche Wesen; und gerade in den Widersprüchen steckt meistens ihre größte Lebendigkeit. Was aber ihr Verhältnis zu den Tieren betrifft, erreichen sie den Grad des Schizophrenen. Es mag einer der größte Tierfreund sein und all sein Geld und seine Energie in einen „Gnadenhof“ für abgehalfterte Pferde, Hunde, Affen gesteckt, haben – und doch der Ansicht sein, ein Insekt, das ihn belästigt, habe den Tod verdient.
„,Ich habe folgende Regel‘, sagt er. ‚Wenn ich draußen bin und von einer Bremse gestochen werde, darf ich sie totschlagen, wie man es auch mit Moskitos macht. Aber wenn die Bremse zu mir ins Haus fliegt, muss ich sie retten und nach draußen bringen.‘ Und dann ergänzt er lächelnd: ‚Wo sie mich natürlich sticht, wenn ich das nächste Mal rauskomme.‘ ‚Nanu? Das ist doch völlig verkehrt‘, sage ich. Eigentlich wäre es in Ordnung, eine Bremse zu töten, die ins Haus geflogen ist, weil sie ins eigene Revier eingedrungen ist. Draußen allerdings sollte man die Bremse nicht töten, denn das ist ihr Revier. Gibt es eine rationale Begründung für die Regel?‘ Er lacht. ‚Natürlich. Es gibt immer eine Begründung. Aber eine Begründung muss nicht zwangsläufig rational sein. (. . . ) Man kann nicht alle Tiere dieser Welt retten, aber für diejenigen, die in unsere Obhut kommen, sind wir verantwortlich. Wenn die Bremse also in mein Haus fliegt, bin ich für sie verantwortlich und muss sie gut behandeln.‘“
Die menschliche Logik stellt ein staunenswertes Phänomen dar. Es ist nur eine von vielen Anekdoten, die Hal Herzog, seines Zeichens „Anthrozoologe“, in seinem Buch „Wir streicheln und wir essen sie“ erzählt. Sie laufen alle auf dasselbe hinaus: dass sich kein Mensch, wo er es mit Tieren zu tun hat, auf seinen Verstand verlassen sollte, auf sein Herz aber erst recht nicht. Da gibt es den Liebhaber von Hüttensängern, der, als stattdessen ein Spatzenpärchen den Nistkasten im Garten belegt, bekümmert dessen Gelege zerstört. Da gibt es ein Labor, wo für den Umgang mit Experimental-Mäusen strenge ethische und hygienische Regeln gelten; sobald aber eine wilde oder, wie es hier heißt, eine „böse“ Maus auftaucht, darf man sie mit den gemeinsten Klebfallen bekämpfen; eine entwischte gute Maus vollzieht, wenn ihre Pfötchen den Fußboden berühren, augenblicklich die Transsubstantiation zur bösen. Ein Vater hält seinen kleinen Sohn über die Absperrung des Krokodilgeheges, der Sohn fällt herunter, und das Krokodil schnappt sich die Beute. Alle sind sich einig, dass der Vater sich komplett verantwortungslos benommen hat und das Krokodil bloß völlig krokodilgemäß; und doch wird am Ende das Krokodil erschossen und der Vater nicht.
Wer meint, das Vegetariertum in den USA und sonstwo befinde sich derzeit im unaufhaltsamen Aufwind, der sollte, schlägt Herzog vor, alle diese Vegetarier mal fragen, was sie in den letzten 24 Stunden so zu sich genommen haben. Da erweist sich denn, dass bei annähernd zwei Dritteln doch diverse Leichenteile auf dem Speiseplan standen. Bohrt man nach, erhält man Antworten wie: Ich esse nichts, was ein Gesicht hat! – Und was war mit dem Fisch gestern? – Was, das nennen Sie ein Gesicht!?
Verbindliche Maßstäbe lassen sich kaum gewinnen. Hält man sich an den Utilitarismus (hier in seiner Umkehrform des kleinstmöglichen Unglücks der kleinstmöglichen Zahl), müsste man sich für eine Diät aus Walfleisch entscheiden: Denn ein Blauwal liefert so viel Fleisch wie 70 000 Hühner, hat bis zum Abschuss ein artgemäßes Leben geführt und erfordert nur einen einzigen Tötungsakt. Freilich sprechen gegen die Jagd auf den Blauwal wieder ökologische Gründe, und schlecht schmecken soll er auch. Warum sind in den USA Hahnenkämpfe verboten, Hühnerfarmen aber nicht?
Ein Kampfhahn wird gepflegt und gepäppelt bis zu dem Moment, wo es in die Arena geht, der Kampf dauert im Schnitt zehn Minuten, und seine Überlebenschance liegt bei 50 Prozent, verglichen mit null beim Brathähnchen. Herzog gesteht, dass er lieber als ein solches doch ein Kampfhahn wäre. Aber Hähnchen wollen alle essen, namentlich die Mittelklasse. Der Hahnenkampf jedoch stellt eine Belustigung der Unterschichten dar: Da verbietet es sich deutlich leichter.
Herzog selbst hat als Biologiestudent verschiedene Tiere durch kochendes Wasser töten müssen, nacheinander eine Grille, einen Skorpion, eine Schlange und eine Maus. Bei der Maus weigert er sich; das muss schließlich ein anderer Doktorand an seiner Stelle erledigen. Nachträglich wünscht er sich, er hätte bereits beim Skorpion aufgehört. Und die Grille ging demnach in Ordnung?
Ein klarer Fall von „Speciesism“, der danach urteilt, wie fern oder nah, ähnlich oder unähnlich ein Tier uns selber ist. Der Autor zitiert aus dem Werk der Philosophin Nel Noddings, „A Feminine Approach to Ethics and Moral Education“: „Ich habe noch nie eine Beziehung zu einer Ratte aufgebaut und werde das auch wohl nie tun. (. . .) Ich bin nicht bereit, für eine Ratte zu sorgen. Ich verspüre keine Bindung zu Ratten (. . . ), wenn nötig, würde ich eine Ratte erschießen.“ Da kann man nur hoffen, dass sie schon mal eine Beziehung zu einem Mann aufgebaut hat. Aber wer solche Willkür verdammt und darauf beharrt, dass jedes animalische Leben gleich viel zählt, sieht sich bald mit den praktischen Folgen der Tatsache konfrontiert, dass eine gesunde Mücke deutlich lebendiger ist als ein Mensch im Koma.
Den Kern unseres Verhältnisses zu den Tieren bildet immer noch der Appetit. Herzog erklärt den Versuch, den Verzehr von Fleisch zu „moralisieren“, wie das beispielsweise beim Rauchen gelungen ist, für gescheitert. Dem möchte man so nicht zustimmen; das schlechte Gewissen ist inzwischen doch deutlich angewachsen. Aber die Aussichten, dass ihm ein schlüssiges Handeln auf dem Fuße folgt, stehen nicht besser als bei der anderen Fleischeslust, der sexuellen.
Viele Religionen haben die Keuschheit als Ideal gesetzt; doch die ihm gefolgt sind, taten es entweder nicht freiwillig, insofern es ihnen an Gelegenheit mangelte, oder sie gehörten einer mönchischen Minderheit an, die um diese Enthaltung herum ihr ganzes Leben strukturiert. Einvernehmlicher Sex schadet immerhin niemandem. In diesem Sinn wird es niemals einvernehmlichen Fleischverzehr geben. Wahrscheinlich hat Herzog recht, wenn er vermutet, der Sündenfall im Paradies und die Erbsünde, die seither die Menschen von Geburt an befleckt, das sei nicht die fleischliche Liebe gewesen, sondern jene noch weit intimere Art des Umgangs, die wir mit toten Tieren pflegen.
Herzog beruft sich auf Claude Lévi-Strauss: Tiere seien gut zum Denken. Sie sind auch, wie jeder Lokalreporter weiß, gut für Geschichten. An beidem, an Geschichten wie Gedanken, fehlt es Herzogs Buch nicht. Wenn man ihm dennoch eines einwenden sollte, dann den Umstand, dass er sich in seinem Zwiespalt allzu wohnlich einrichtet. Ein Bekannter züchtet Schweine, hält sie fast wie Schoßtiere, schlachtet sie aber schließlich doch und schickt dem Autor eine Mail: „Ich glaube, das erfordert ganz schön Mut, was meinst du?“ Aber statt zu antworten, dass dies keinen Mut, sondern bloß Inkonsequenz erfordert, schreibt Herzog launig zurück: „Gott schütze dich, Mary Jean (die Ehefrau) und eure Schweine!“ Bei den Schweinen meint er das gewiss ganz anders als bei Mary Jean.
Nicht Schmerz bestimmt den Ton dieses Buchs und noch nicht einmal Melancholie, sondern eine schwer nachvollziehbare Heiterkeit; in seinem Untertitel begnügt es sich damit, das Dilemma ein „Paradox“ zu nennen. Als Resümee schlägt Herzog vor: „Mittlerweile bin ich zu der Ansicht gelangt, dass diese Widersprüche nicht anomal sind und auch nichts mit Scheinheiligkeit oder Heuchelei zu tun haben. Sie sind unvermeidlich. Und sie zeigen, dass wir Menschen sind.“
Das hat der Wiener Komödiendichter Johann Nestroy im vorletzten Jahrhundert schon mal griffiger ausgedrückt. Wenn einer wie ein Vieh behandelt worden ist (so Nestroy), dann ruft er: Man ist doch auch ein Mensch! Wenn einer sich jedoch wie ein Vieh benommen hat, zuckt er mit den Achseln und sagt: Man ist doch auch nur ein Mensch. So ist es.
BURKHARD MÜLLER
HAL HERZOG: Wir streicheln und wir essen sie. Unser paradoxes Verhältnis zu Tieren. Aus dem Englischen von Heike Schlatterer und Helmut Dierlamm. Carl Hanser Verlag, München 2012. 315 Seiten, gebunden 19,90 Euro, E-Book 15,99.
Ich esse nichts,
was ein Gesicht hat! – Und was
war mit dem Fisch gestern?
Nicht Schmerz bestimmt den Ton
dieses Buchs, sondern eine schwer
nachvollziehbare Heiterkeit
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

In einer Sammelbesprechung führt Rezensentin Hilal Sezgin eine ganze Reihe von neuen Büchern auf, die sich unserem Verhältnis zu Tieren widmen, ausführlicher geht sie dabei nur auf Hal Herzogs "Wir streicheln und wir essen sie" ein. Dabei ist dies in ihren Augen das uninteressanteste. Der Psychologe und Anthozoologe Herzog präsentiert darin Sezgins Informationen zufolge verschiedene Anekdoten, die zeigen, wie willkürlich und paradox unsere Vorstellungen darüber ausfallen, wie wir Tiere ethisch behandelt sollen. Aufschlussreich fand Sezgin allerdings den Hinweis, dass die amerikanischen Tierschutzkommissionen bei gleichen Fällen zu achtzig Prozent unterschiedlich urteilten. "Sie hätten auch würfeln können."

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2012

Mausgrau

Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist voller Widersprüche. Wie könnte es sonst sein, dass die Tochter bei der Beerdigung der Familienmaus weint, bei ihrer grauen Verwandten, die über den Küchenboden flitzt, aber eine Mausefalle fordert? Mit solchen Paradoxien befasst sich der Anthrozoologe und Psychologieprofessor Hal Herzog in seinem Buch. Ob es um seine Hauskatze Tilly geht, die ihm ein schlechtes Gewissen bereitet, wenn sie eine Maus gefangen hat, oder seine Treffen mit Kampfhahnzüchtern, die vorgeben, ihre Tiere zu lieben, sie aber achtlos in eine Tonne werfen, wenn sie tot sind - das alles präsentiert Herzog mit leichter Hand. Schwachstellen sind die vielen Statistiken, die Herzog manchmal seitenlang ausbreitet und die manchmal schwer nachzuvollziehen sind. Zugutehalten muss man Herzog, dass es dezidiert nicht sein Ziel ist, die Ansichten seiner Leser zu ändern, er möchte lediglich zum Nachdenken anregen, wie er in seiner Einleitung schreibt. Dazu kann man sich auch Anstöße in dem umfangreichen Anmerkungsapparat holen. An Denkanstößen ist das Buch reich; wer bündige und letztgültige Antworten sucht, wird dagegen enttäuscht sein. Für Herzog ist nichts schwarzweiß, sondern alles grau wie eine Hausmaus. (Hal Herzog: "Wir streicheln und wir essen sie". Unser paradoxes Verhältnis zu Tieren. Aus dem Englischen von Heike Schlatterer und Helmut Dierlamm. Hanser Verlag, München 2012. 315 S., geb., 19,90 [Euro].)

okü.

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