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Erkennen wir uns selbst, wenn wir ein Tier betrachten? Die Kreuzspinne Arabella wurde berühmt, als ganz Amerika ihr 1973 zusah, wie sie lernte, in der Schwerelosigkeit des Alls ein Netz zu spinnen. Die Gorilladame Koko schaffte es in die Medien, weil sie per Gebärdensprache mit Menschen kommunizieren und sie bewusst zum Lachen bringen konnte. Und Mozart inszenierte eine aufwendige Beerdigung für seinen Vogel "Stahrl", dem er womöglich einige seiner genialsten musikalischen Ideen verdankte. Wenn Tiere Geschichte schreiben, dann, weil sie uns Menschen besonders nahe kommen. Elena Passarellos…mehr

Produktbeschreibung
Erkennen wir uns selbst, wenn wir ein Tier betrachten? Die Kreuzspinne Arabella wurde berühmt, als ganz Amerika ihr 1973 zusah, wie sie lernte, in der Schwerelosigkeit des Alls ein Netz zu spinnen. Die Gorilladame Koko schaffte es in die Medien, weil sie per Gebärdensprache mit Menschen kommunizieren und sie bewusst zum Lachen bringen konnte. Und Mozart inszenierte eine aufwendige Beerdigung für seinen Vogel "Stahrl", dem er womöglich einige seiner genialsten musikalischen Ideen verdankte. Wenn Tiere Geschichte schreiben, dann, weil sie uns Menschen besonders nahe kommen. Elena Passarellos hinreißende "Hall of Fame" der Tierwelt erinnert uns daran, woher wir kommen und mit wem wir diesen Planeten teilen.
Autorenporträt
Passarello, Elena
Elena Passarello hat als Schauspielerin gearbeitet und unterrichtet inzwischen an der Oregon State University. Ihre Essaysammlung "Let Me Clear My Throat" wurde 2015 mit dem Whiting Award for Nonfiction ausgezeichnet. Sie schreibt u. a. für "Slate", "Oxford American "und "Paris Review". Sie lebt in Corvallis, Oregon.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2018

Kluger Hans, blinde Bären
Elena Passarello porträtiert berühmte Tiere der Geschichte
Romulus und Remus wurden von einer Wölfin gesäugt, Telephos, Sohn des Herakles, von einer Hirschkuh, Zeus von einer Ziege oder auch einer Bärin. Und umgekehrt heißt es in den „Bakchen“ des Euripides, unter Führung des Dionysos seien die Frauen in die Wälder gezogen und würden dort Rehkitze an ihren Brüsten nähren. Der Mythos weiß: das Tier ist uns fremd und nahe.
Anfang des 20. Jahrhunderts ereignete sich eine Geschichte, die das neu bestätigte. Ein pensionierter Lehrer in Berlin hatte versucht, seinem Pferd Hans das Rechnen (und einiges mehr) beizubringen, augenscheinlich mit Erfolg. Man konnte dem Pferd eine mathematische Aufgabe stellen: „Ich denke an eine Zahl. Ziehe ich vier davon ab, erhalte ich achtzehn. An welche Zahl denke ich?“, und Hans klopfte 22 mal mit dem Huf. Eine Kommission unter Leitung des Philosophen und Psychologen Carl Stumpf (später Doktorvater Robert Musils!) wurde gebildet, das Rätsel zu lösen. Dass der Besitzer seinem Tier geheime Zeichen gab, war auszuschließen. Oskar Pfungst, Student Stumpfs, gelang die Erklärung. Das Pferd beobachtete den Fragesteller und reagierte auf kleinste Zeichen in Gesichtsausdruck und Körperhaltung. Die straffte sich, wenn der klopfende Hans der richtigen Zahl näher kam und löste sich, wenn diese erreicht war.
Elena Passarello erzählt davon in ihrem Buch „Berühmte Tiere der Menschheitsgeschichte“. Der Fall ist nicht unbekannt, in die Geschichte der Wissenschaft ist er mit dem „Kluger-Hans-Effekt“ eingegangen, der unbewussten Beeinflussung eines Experiments durch die Erwartungen des Experimentators. Aber auch wer die Geschichte kennt, ist immer wieder bewegt davon, mit welchem Gespür das Pferd die Zeichen innerer Anspannung des Menschen lesen konnte. „Irgendwann“, so scheibt Passarello, „waren wir mal eins: kleine rattenartige Wirbeltiere mit scharfen Mäulern und empfindlichen Augen.“
Ebenso erklärt Passarello auch eine andere, grässliche Geschichte: die der Bärenhetze, die im England der frühen Neuzeit populär war und erst 1835 verboten wurde. Im Bärengarten an der Themse wurden scharfe Hunde auf Bären gehetzt, die angepflockt waren. Die Hunde waren dressiert, nach den Augen der Opfer zu schnappen. Waren die Bären erblindet und nicht mehr zum Kampf geeignet, durfte, wer wollte, sie blutig auspeitschen. „In den Bordellen flussabwärts wurde weniger Unzucht getrieben“, meint Passarello. Aber sie versteht diese „Unzucht“ als ein Selbstbild der Londoner in ihrer Angst vor dem allgegenwärtigen Tod: „Ich bin dieser Bär, gefangen in der elenden Arena. (…) Ich verstecke mich nicht in abgezählten Rudeln, sondern erwarte den Tod ganz allein.“ Und so auch Shakespeares Macbeth zuletzt auf Dunsinan, während der Wald von Birnam schon vorrückt: „Sie banden mich an den Pfahl, fliehn kann ich nicht,/ Muss, wie der Bär, der Hatz’ entgegenkämpfen.“
In 16 Kapiteln erzählt Elena Passarello von berühmten Tieren, von Dürers Nashorn und Mozarts Star, Brieftauben im Krieg und dem menschenfressenden Krokodil Osama. Den Anspruch, eine zusammenhängende Kulturgeschichte zu geben, erhebt sie nicht. Manches ist zu offensichtlich auf Wirkung berechnet und kommt der Schmonzette ziemlich nah. Aber anderes glückt ihr höchst interessant. Im längsten Kapitel stellt sie Nachrichten über Elefanten in den USA zusammen mit solchen über die Entwicklung des elektrischen Stuhls. Immer wieder gab es Probleme in der Haltung von Elefanten, die aggressiv wurden und Menschen töteten. Merkwürdigerweise aber erschoss man sie nicht, wenn man ihrer nicht mehr Herr wurde. Sie wurden in demonstrativen Akten getötet, mit Kabeln stranguliert, an Kränen aufgehängt und einmal sogar mit Stromstößen zu Tode gebracht. Manche dieser Tötungen waren öffentlich, Eintritt ein halber Dollar. Zwischen diese Notizen schaltet Passarello Nachrichten von Hinrichtungen menschlicher Straftäter durch die neue Technik. Auch eine Form der Mensch-Tier-Nähe.
In einem eigenen Kapitel berichtet die Autorin von ihrem persönlichen Verhältnis zu Tieren. Als Kind lebte sie in einer Welt voll von Tierbildern, Tierbüchern, Stofftieren; ihr Bikini-Oberteil hatte die Form von „zwei glubschäugigen Fröschen“. Zu lebenden Tieren hatte sie keinen Kontakt. Wie unwahr all diese Bilder, Geschichten und Filme auch waren, der empfindliche Punkt ihres Lebens, ein Einzelkind zu sein, wurde durch die Verheißungen aus dieser Tierwelt „gelindert“. Noch einmal ein Zeichen der tiefen Beziehung von Mensch und Tier, schon depraviert, aber noch nicht kraftlos. Und was werden diese Fiktionen für die kommenden Generationen bedeuten?
Das vorletzte Kapitel – es geht um das Aussterben der Arten – bietet Material für eine Antwort. Längst gibt es ein Wort für das je letzte Individuum seiner Art: Endling. „Das kleine Wort klingt wie eine Babyrassel, was das Ganze nur umso trauriger macht.“ Neben den Endling tritt inzwischen die de-extinction, Ent-Ausrottung, die gentechnische Nachbildung ausgestorbener Arten. Noch gibt es Probleme, aber sie könnten bald überwunden sein.
In dem Spiel von Ausrottung und künstlicher Wiederherstellung zeigte sich dann etwas Neues. Die Stadt Ninive, so erzählt es das Buch Jona, wollte sich vor dem Zorn Gottes retten durch Reue und Buße. „Menschen und Tiere, Rinder und Schafe, sollen nicht das Geringste genießen“, befahl der König. Gott verschonte die Stadt. Diese Gemeinsamkeit des Lebendigen ist dahin, wenn eine Seite über Tod und Wiedererstehung der anderen entscheidet. Und dahin dann auch der Trost, der in den Tieren liegt. Davon erzählen die sehr verschiedenen kleinen Kapitel Elena Passarellos. Dass sie es unsystematisch tun und der Leser erst Verbindungen zusammenklaubt, wird ihm vielleicht vorkommen wie ein Bild seiner eigenen, unvermeidlichen Verwirrung.
STEPHAN SPEICHER
Elena Passarello: Berühmte Tiere der Menschheitsgeschichte. Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender. Hanser Berlin, München 2018. 253 Seiten, 24 Euro.
Längst gibt es ein Wort für
das je letzte Individuum
seiner Art: Endling
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"Möglicherweise das beste Buch über Tiere, das ich je gelesen habe." Helen Macdonald, Autorin von "H wie Habicht"

"Es ist nur richtig, dass endlich jemand eine 'Hall of Fame' für Tiere eröffnet, die aus sehr unterschiedlichen Umständen heraus in der Menschheitsgeschichte berühmt geworden sind. Zärtlich der Blick, messerscharf das Urteil - Essays über Tiere und ihre Schicksale." Susanne Rakowitz, Kleine Zeitung, 15.04.2018

"Elena Passarello stellt in dem vom Hanser Verlag wunderschön gestalteten Band so unterschiedliche Tiere vor wie Stare, Elefanten, einen Hahn, ein Mammut, ein Nashorn und viele mehr. Mitreißend sind diese Gedanken und oft lösen sie Staunen und Lachen aus. Mit beeindruckenden Eleganz, Wortgewandtheit und Einfühlsamkeit übertrug Beatrice Faßbender den Text ins Deutsche. Ein wunderbares, kluges und amüsantes Buch." Bärbel Gerdes, AVIVA-Berlin, 27.03.2018