Marktplatzangebote
36 Angebote ab € 1,25 €
  • Gebundenes Buch

Gleichen sich die Corona-Pandemie und das Schicksalsjahr 1918? Laura Spinney in ihrem Bestseller über die Spanische Grippe als weltumspannendes gesellschaftliches Phänomen
Der Erste Weltkrieg geht zu Ende, und eine weitere Katastrophe fordert viele Millionen Tote: die Spanische Grippe. Binnen weniger Wochen erkrankt ein Drittel der Weltbevölkerung. Trotzdem sind die Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Kultur weitgehend unbekannt. Ob in Europa, Asien oder Afrika, an vielen Orten brachte die Grippe die Machtverhältnisse ins Wanken, womöglich beeinflusste sie die Verhandlung des…mehr

Produktbeschreibung
Gleichen sich die Corona-Pandemie und das Schicksalsjahr 1918? Laura Spinney in ihrem Bestseller über die Spanische Grippe als weltumspannendes gesellschaftliches Phänomen

Der Erste Weltkrieg geht zu Ende, und eine weitere Katastrophe fordert viele Millionen Tote: die Spanische Grippe. Binnen weniger Wochen erkrankt ein Drittel der Weltbevölkerung. Trotzdem sind die Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und Kultur weitgehend unbekannt. Ob in Europa, Asien oder Afrika, an vielen Orten brachte die Grippe die Machtverhältnisse ins Wanken, womöglich beeinflusste sie die Verhandlung des Versailler Vertrags und verursachte Modernisierungsbewegungen. Anhand von Schicksalen auf der ganzen Welt öffnet Laura Spinney das Panorama dieser Epoche. Sie füllt eine klaffende Lücke in der Geschichtsschreibung und erlaubt einen völlig neuen Blick auf das Schicksalsjahr 1918.
Autorenporträt
Laura Spinney, geboren 1971, ist eine preisgekrönte britische Wissenschaftsjournalistin und Romanautorin. Sie schreibt für den National Geographic, Nature und den Economist. 1996 wurde sie mit dem Margaret Rhondda Award für Journalismus ausgezeichnet. Ihr Buch Rue Centrale (2013) wurde ins Französische übersetzt. Sie lebt in London.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.02.2018

Das unerkannte Gift
Die Journalistin Laura Spinney will erklären, wie die Spanische Grippe 1918 die Welt veränderte – dabei richtet sie viel Unfug an
Die große Grippeepidemie, die 1918 bis 1920 um die Erde ging, die „Spanische Grippe“, war die schlimmste Seuche seit der Pest von 1346. Die Zahl der Opfer ist schwer zu bestimmen, die Krankheit wurde oft nicht richtig diagnostiziert, die Sterberegister nicht immer zuverlässig geführt. In den Zwanzigerjahren rechnete man mit etwa 20 Millionen Grippetoten, später mit 30, heute mit 50 bis 100 Millionen. Ganz unbekannt ist das nicht. In den vergangenen Jahren haben Fragen von Gesundheit und Krankheit in der Geschichte einige Aufmerksamkeit genossen und so auch die Grippe.
Die britische Autorin Laura Spinney hat ein neues Buch zur Sache verfasst, „1918. Die Welt im Fieber“. Der Untertitel „Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte“ deutet schon an, dass sie ihren Gegenstand mit höchster Bedeutung zu betanken gedenkt, politisch und kulturell. Das geht nicht durchweg gut.
Der Weltkrieg hatte die Grippe nicht ausgelöst, aber ihr beste Bedingungen geschaffen. Da waren die miserablen hygienischen Bedingungen, unter denen die Soldaten an der Front lebten, die Verschiebung großer Truppenteile, die Unterernährung der Bevölkerung und vermutlich auch der Einsatz chemischer Kampfstoffe, die mutagen gewirkt haben können, das heißt imstande waren, genetische Veränderungen der Viren hervorzurufen. Insofern war die Grippe ein politisch beeinflusstes Ereignis. Aber hat sie auch auf die politische Geschichte gewirkt?
Mag sein, dass deutsches Reich und Donaumonarchie stärker als ihre Gegner von der Krankheit gepackt wurden, es ließe sich durch die Mangelernährung erklären, der sie durch die Blockade der Entente ausgesetzt waren. Kriegsentscheidend aber war anderes. Und dass der amerikanische Präsident Woodrow Wilson während der Verhandlungen in Versailles durch Grippe geschwächt gewesen sei (eine unsichere Vermutung), deshalb seinen mäßigenden Einfluss auf den Friedensvertrag nicht habe geltend machen können und also die Spanische Grippe „indirekt doch zum Zweiten Weltkrieg beigetragen“ habe, das ist Gerede. Plausibler ist die Vermutung, sie habe eine Rolle in der Dekolonialisierung gespielt. Denn die Kolonialherren wussten bei allem Überlegenheitsgewese gegen die Grippe auch kein Mittel, das fiel auf. Und wenn etwa die Ärzte in Senegal den Europäern zur Prophylaxe Champagner verschrieben, den „Eingeborenen“ aber nur Wein, so blieb auch das nicht unbemerkt.
Es war das Problem, dass die Medizin, die so viele Erfolge in den vorangegangenen Jahren errungen hatte, die Grippe nicht als Viruserkrankung erkennen konnte. Zwar wurde bald bemerkt, dass es nicht Bakterien waren, die sie verursachten. Charles Nicolle und Charles Lebailly hatten das Sputum Erkrankter durch einen Chamberland-Bakterienfilter gegeben und festgestellt, dass das Filtrat die gleiche Krankheit erregte. Aber wenn es nicht Bakterien waren, was war es dann? Das Wort Virus wurde schon verwendet, aber unspezifisch wie seine Bedeutung im Lateinischen (Gift, Geifer). Ein klarer Begriff war damit noch nicht verbunden, was auch damit zu tun hatte, dass Viren zu klein sind, um unter dem Lichtmikroskop beobachtet zu werden. Erst das Elektronenmikroskop schuf in den Dreißiger Jahren Abhilfe.
Das Kapitel über die medizinische Seite des Themas ist noch das beste an Spinneys Buch. Sie diskutiert darüber, wie das Virus die Artengrenze übersprang und wo sich das erstmals ereignet haben könnte. Eine sichere Aussage ist dazu immer noch nicht möglich. Was wir jedenfalls wissen: In Spanien war es nicht. Dass die Krankheit nach diesem Land heißt, liegt daran, dass dort frei darüber berichtet werden konnte, während in den kriegführenden Ländern die Zensur das unterdrückte.
Doch Spinneys Versprechen, Einsicht in die weltverändernde Kraft der Grippe zu verschaffen, wird nur flau eingelöst. Der Umgang mit der Krankheit, sozial, kulturell, seuchenpolizeilich wird an pittoresken Einzelfällen beschrieben, so an der spanischen Stadt Zamora, wo ein reaktionärer Bischof auf Gottesdiensten und anderen religiösen Zusammenkünften bestand und damit die Ansteckungsgefahr steigerte.
Aber wie die medizinisch fortgeschrittenen Länder Mitteleuropas damit umgingen, das erfahren wir nicht. Dahinter stecken zwei Gründe. Zum einen kennt sich Laura Spinney in historischen Fragen nicht gerade gut aus. Manche arge Fehler – das sei zur ihrer Ehrenrettung gesagt – gehen auf die deutsche Ausgabe zurück, so die Behauptung, die Teilung Polens und seine Löschung von der Landkarte hätten 1918 stattgefunden, oder, auch sehr gut: Deutschland habe nicht über die Technik der Ammoniaksynthese verfügt – obwohl es ohne diese Fähigkeit innerhalb von Monaten aus Mangel an Sprengstoff hätte kapitulieren müssen.
Aber viel Unfug richtet auch Spinney selbst an mit ihrer gedanklichen Unschärfe. Sie glaubt, dass vor dem Krieg das Thema Krankheit wegen der noch mäßigen Möglichkeiten der Medizin „selbst in Paris und Berlin“ nur „insgeheim im Alltag gegenwärtig gewesen“ sei. Sehr fraglich, wenn man weiß, dass etwa das auch in heiklen Fragen offene Buch „Die Frau als Hausärztin“ 1913 in Millionenauflage verbreitet war. Und dann geht es mit dem Glauben an die Heimlichkeiten um das Thema bei Spinney solchermaßen weiter: „Es ähnelte der dunklen Materie des Universums, so intim und persönlich, dass man nicht davon sprechen durfte.“ Auch die Meinung, die Spanische Grippe habe den Zweifel an der wissenschaftlichen Medizin zur Folge gehabt, beruht auf Unkenntnis. Alternative Heilmethoden hatten schon vor dem Krieg viel Zulauf; und die Schulmedizin erlebte ja auch keine echte Krise.
Fast noch schlimmer als solche Fehler ist die Wurstigkeit der Autorin, der fehlende Wille, es wissen zu wollen. So berichtet sie von einer „schwarzen Hochzeit“, die die jüdische Gemeinde in Odessa zur Bannung der Epidemie ausrichtete: Zwei der elendesten Gestalten der Gemeinde heirateten auf dem jüdischen Friedhof. Aber wie kann man von so einem Brauch erzählen, ohne eine religionswissenschaftliche oder ethnologische Deutung zu versuchen? An anderer Stelle heißt es, dass „sämtliche nicht ärztlichen Behandler“ bessere Heilungserfolge hatten als die studierten Ärzte. Wenn es so war – woran lag es? Jeder will doch nun wissen, was die nicht akademische Medizin zu bieten hatte – nur die Autorin offenbar nicht. Dieser intellektuelle Kehr-mich-nicht-dran, der treibt den Leser in den Wahnsinn.
STEPHAN SPEICHER
Zur Prophylaxe wurde den
Europäern in Senegal
Champagner verschrieben
Schlimmer als alle Fehler ist
der fehlende Wille,
etwas wissen zu wollen
Laura Spinney: 1918. Die Welt im Fieber. Wie die Spanische Grippe die Gesellschaft veränderte. Aus dem Englischen von Sabine Hübner. Hanser Verlag, München 2018. 378 Seiten, 26,00 Euro, als E-Book 19,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr
"Spinney ist es gelungen, ein facettenreiches Bild von den Veränderungen in der Gesellschaft zu zeichnen, die auf die Pandemie zurückzuführen sind." Sascha Karberg, Der Tagesspiegel, 01.03.18

"Packend erzählt die Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney, wie die spanische Grippe die Welt veränderte ... Spinney ist nicht nur eine begnadete Erzählerin, sondern auch eine hervorragende Analytikerin." Patrick Imhasly, NZZ am Sonntag, 25.02.18

"Spinneys Buch, das genau 100 Jahre nach dem Aufflammen der Krankheit erscheint, ist spannend zu lesen und wird Anklang finden bei allen, die sich für eine mentalitätsgeschichtliche Weltsicht begeistern." Maya McKechneay, ORF, 21.02.18

"Laura Spinney analysiert, warum wir den Ersten Weltkrieg nicht ohne die Spanische Grippe verstehen können. Ein Perspektivenwechsel, so brillant wie überfällig." Anne Haeming, SPIEGEL online, 18.02.18

"Es ist ein vielfarbiges Mosaik entstanden, ein Zeitgemälde, das den starken atmosphärischen Eindruck von einer Umbruchzeit hinterlässt, ohne sich auf die klassische Historiografie von Ursachen und Wirkungen zu kaprizieren. Laura Spinneys Zusammenschau von 1918 spricht wichtige Warnungen aus und liest sich wie eine unterhaltsame Impfung gegen Leichtsinn und Fatalismus." Martin Ahrends, Deutschlandfunk Kultur, 27.01.18

"Es ist eine Stärke des minutiös recherchierten Buches, dass die Autorin wie in einem Kaleidoskop die unterschiedlichsten Aspekte beleuchtet und beredt die Auswirkungen dieser verheerenden Pandemie im Persönlichen wie im Gesellschaftlichen aufzeigt." Dagmar Röhrlich, Deutschlandfunk, 29.01.18…mehr