Marktplatzangebote
3 Angebote ab € 10,00 €
  • Broschiertes Buch

Mario Luzi, der letzte Klassiker der Lyrik des 20. Jahrhunderts aus Italien, schrieb Gedichte von großer Spiritualität. Sein Werk kreist stets um die Frage nach der Bestimmung des Menschen im Wandel der Zeit. Doch erhebt sich Luzi nie über die Dinge - der Windung einer Straße, dem Sinkflug der Schwalben im Abendhimmel sind auch das poetische Wort und die menschliche Existenz unterworfen. Die große Strahlkraft von Luzis Dichtung rührt von diesem fragenden, nie verzweifelnden Gestus im Angesicht der Schöpfung.

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Mario Luzi, der letzte Klassiker der Lyrik des 20. Jahrhunderts aus Italien, schrieb Gedichte von großer Spiritualität. Sein Werk kreist stets um die Frage nach der Bestimmung des Menschen im Wandel der Zeit. Doch erhebt sich Luzi nie über die Dinge - der Windung einer Straße, dem Sinkflug der Schwalben im Abendhimmel sind auch das poetische Wort und die menschliche Existenz unterworfen. Die große Strahlkraft von Luzis Dichtung rührt von diesem fragenden, nie verzweifelnden Gestus im Angesicht der Schöpfung.
Autorenporträt
Mario Luzi, 1914 in Florenz geboren, war Lyriker und Essayist. Er war sechsmal für den Literaturnobelpreis nominiert und wurde anlässlich seines neunzigsten Geburtstags zum Senator auf Lebenszeit ernannt. Mario Luzi starb 2005 in Florenz. Bei Hanser erschien 2010 der zweisprachige Band Auf unsichtbarem Grunde. Gedichte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.06.2011

Dieses weiße Feuer in der Luft
Er glaubte an den göttlichen Geist der Poesie, aber zum Glück zerfiel der Geist in Splitter: Eine zweisprachige Auswahl aus dem Werk des 2005 verstorbenen italienischen Dichters Mario Luzi
Ein Ton hebt an, leise erst, dann deutlicher. Er wächst heran im Inneren einer Figur, die „Nacht und Sprachlosigkeit“ durchbrechen will. Doch wer ruft hier eigentlich? Ist von einem Vogel die Rede, von einem Menschen – oder gar von einem mythischen Wesen? Jedenfalls dehnt sich der Ton, „steigt hoch, gurrt, / gluckt eifrig“, wird zu Feuer, bis die Gestalt sich plötzlich in den Abgrund stürzt: „Und sie wirft sich hinaus / im Flug von ihrem Nest, / . . . in diese Wüste / von Finsternis / des anfänglichen Lichtes / mit seiner rauchigen Flamme, / mit seinem Span von platzenden Funken, / von Berauschung und Gesang, / entzündet damit, / oder glaubt es, den ganzen weiten / Schlund. Die ganze Welt . . .“.
Die Idee der Schöpfung ist bei Mario Luzi stets anwesend. Der italienische Dichter liebte den Anfang genauso wie die fortwährende Verwandlung, ja es fällt nicht schwer, sich Luzi selbst als jenes Feuerwesen vorzustellen, das er in einem seiner besten Gedichte besungen hat. „Gesang“ lautet denn auch der Titel des Stücks, „Canto“ im Italienischen, womit gleich eine Traditionslinie beschrieben wird, die von Dante bis zu Ezra Pound reicht. Mario Luzi sah die Dichtung als eine Kunstform, mehr noch, als eine Lebensform an, in der es immer ums Ganze geht, um elementare Bewegungen ebenso wie um die gleichsam göttliche Kraft des Wortes. Und er glaubte – wenn auch dieser Glaube von einem mal leiseren, mal stärkeren Zweifel unterspurt war – an diese Kraft, eine Kraft, die den Dichter in die Lage versetzen soll, ganze Welten zu erleuchten.
Als Mario Luzi 1914 in einem Dorf bei Florenz geboren wurde, war der Erste Weltkrieg gerade wenige Wochen alt. Die Atmosphäre des Krieges brannte sich tief in das Bewusstsein des Kindes ein, hat Luzi einmal in einer Notiz festgehalten. Nicht weniger bedeutsam dürfte später das Erleben des aufkeimenden Faschismus in Italien für den jungen Studenten gewesen sein, der sich in Florenz in die französische Literatur vertiefte.
Aber er sichtete nicht nur die Tradition, sondern verbrachte seine Zeit auch mit den Gedichten von Kollegen wie Giuseppe Ungaretti oder Salvatore Quasimodo, die manche Ideen des französischen Symbolismus fortzuschreiben suchten. Es mag an dem Hang zu vielschichtigen Bedeutungsräumen und zu eigenwilligen lautlichen Formen liegen, dass ihrer Richtung schnell das Etikett „ermetismo“ angeheftet wurde.
Mario Luzi fand früh Zugang zu den literarischen Kreisen von Florenz, wo viele dieser Vorstellungen diskutiert wurden. Trotzdem fühlte er sich nicht wohl damit, dass sein lyrisches Debüt „La barca“ aus dem Jahr 1935 von der Kritik vorschnell dem ermetismo zugerechnet wurde. Nie wollte er sich einen literarischen Stempel aufdrücken lassen. So ging er mit dem Gedicht stets seine eigenen Wege und winkte auch als Essayist, Übersetzer und Literaturprofessor Vorbildern wie Giacomo Leopardi oder Samuel Taylor Coleridge allenfalls aus der Ferne zu.
Sind es lange Zeit Wüstenlandschaften und toskanische Dörfer, in die er seine metaphysischen Exerzitien einschreibt, so öffnet sich Ende der sechziger Jahre der Blick. Luzi beginnt, nach Indien oder Russland zu reisen – und nutzt seine Erfahrungen für die Bildwelten der Gedichte. Später Höhepunkt dieser Art des Schreibens ist der kleine Band „Reportage“ aus dem Jahr 1980, das Tagebuch einer Reise nach China (deutsch unter dem Titel „Und ein Lächeln, das alles verwirrt“). Dort entfaltet Luzi die Idee einer Sprache, die ihren Glanz nicht verbirgt und trotzdem die Unebenheiten der Dinge zu zeigen vermag: „Kaum hat am Himmel sich das Blau von jenem Licht getrennt /. . . bedecken sich die Dächer und Vordächer der Verbotenen Stadt . . . / mit einem Krähenvolk / aus hohem Flug herabgesunken.“
Wie von Luft durchflutet und der Anschauung zugewandt sind diese Bilder. Im Vergleich dazu wirken die mittleren und späten Gedichte, die der nun erschienene Band in einer Auswahl versammelt, bisweilen fast wie eine Schule der Abstraktion. Der hohe Ton ist nun Luzis bevorzugte Stimmart. In Form einer großen Umschau sichtet er den Erdkreis und untersucht die „menschlichen Anliegen“ – mit zeitkritischem Tenor, ohne die Kunst je ans Engagement zu verraten. Mit Vorliebe bedient er sich einer christlichen Motivik, die im Auftauchen von Hirten, Propheten oder der Feier der Taufe deutlich wird.
Auch wenn Luzi den Glauben an das Strömen des göttlichen Geistes nie verloren hat, scheint sich ihm dieser Geist immer wieder zu entziehen, bevor er sich erneut zeigt: „Er ist es, und er ist es nicht. Er bricht sich / in kleinste Splitter.“ In schöner Entsprechung hierzu löst Luzi auch die Einheit der Zeit und der Bilder in Splitter auf, ja sogar die Zeilenstruktur versucht er zu brechen. An anderen Stellen feiert er die Epiphanie, das momenthafte Aufscheinen des Göttlichen in der Welt: „Der Frühling ist noch nicht da, / nur, erzitternd, dieser geheimnisvolle Schleier / dieses weiße Feuer in der Luft, / diese Glasuren, Seide und Silber, / alles was die Sinne ersehnen / . . . Es ist alles, alles. / Alles unfasslicherweise.“
Doch nicht selten verliert sich Luzi auch in allgemeinen Begriffen, spricht von „Not“ und „Übel“, vom „Guten“, „Schwachen“, von der „Existenz“ oder vom Wesen des Glücks. Was bleibt, ist nicht mehr als dies: „Gedanken, gespannt auf die Saite / einer unendlichen Forschung.“ Hier zeigen sich auch die Grenzen der im Ganzen verdienstvollen Übersetzung des im vergangenen Jahr verstorbenen Guido Schmidlin. Schmidlin hat den Ton durch altertümelnde Formulierungen („Gezweig“, „Geheiß“, „Gestirn“) und umständlichen Satzbau noch sperriger gemacht, auch hat er der lautlichen Seite der Gedichte (zuweilen spielt Luzi geradezu lustvoll mit Wiederholungen und Klängen) zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. So klingt Luzi im Deutschen manchmal noch getragener als im italienischen Original.
Erst in den späteren Gedichten kehrt dieser große Dichter zurück zu jener Sprachkraft, die seine Kunst ausmacht. Es mag die Angst vor dem „Eindringen / der Bedeutungslosigkeit, der Indifferenz“ sein, die ihn antreibt, noch einmal Abstraktes und Konkretes, Reflexion und Sinnlichkeit ins Gleichgewicht zu bringen. Wie in dem Gedicht vom Fluss, der abgeschnitten von seinen Quellen zu stocken beginnt, fast austrocknet - bis eine Möwe ihm folgt und ihn zu neuem Leben erweckt: „Und schon spürt der Fluss / den Regen, der kommen wird, / empfängt zwischen Sanddünen / und Kiesbänken / den Saft, der sich ergießen wird, / und die Welle, die sein Rücken sein wird / und wird laufen auf seinem Rücken.“
NICO BLEUTGE
MARIO LUZI: Auf unsichtbarem Grunde. Gedichte. Zweisprachige Ausgabe. Deutsch und mit einem Nachwort von Guido Schmidlin. Carl Hanser Verlag, München 2010. 328 Seiten, 19,80 Euro.
Mario Luzi Foto: contrasto/laif
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.2011

Das Leben kommt aus den Flüssen

Er hasste Konventionen und hielt den Markt für etwas, das alles zu nichts entwertet. Nun kann man den Lyriker Mario Luzi in seinem Gedichtband "Auf unsichtbarem Grunde" wiederentdecken.

Als 1935 Mario Luzis erster Gedichtband "La barca" erschien, wurde der damals Einundzwanzigjährige als jüngster Vertreter der "poesia ermetica" begrüßt, die damals in Blüte stand. Man sah in ihm einen Nachfolger Ungarettis, Montales und Quasimodos; also einen Poeten, der die orphische Tradition der italienischen Lyrik fortsetzte. Luzi, 1914 im toskanischen Castello geboren, studierte Romanistik, er verkehrte in den literarischen Zirkeln des Florentiner Cafés "Le giubbe rosse" und arbeitete an den damaligen nichtfaschistischen Zeitschriften wie "Campo di marte" mit.

Aus "La barca" (Das Boot) hat Mario Luzi noch 2000 in Berlin gelesen und sich an diese frühe Florentiner Zeit erinnert: "Das war in den Jahren", sagte er in einem Interview, "in denen die Dichter vor dem Faschismus die Flucht antraten, sich vom öffentlichen Leben abwandten und sich dem Geheimnis, der Innenschau und der Suche nach der Tiefe zuwandten." Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Luzi aus dieser hermetischen Isolation heraus. Er suchte und fand den Anschluss an die Moderne, etwa an T. S. Eliots "Waste Land". Wichtige Gedichte dieser Zeit bündelte 1960 der Band "Il giusto della vita". In ihm sucht die Poesie die Gnade, hier zu sein, "im Rechten des Lebens, im Werk der Welt". Doch die veristische Idylle verdunkelte sich. Die Überschwemmung von Florenz (1966) wurde für Luzi zum Symbol der drohenden Apokalypse. Er projizierte Dantes Inferno auf Rimbauds "Saison à l'Enfer" (Eine Zeit in der Hölle) - auf die Moderne und ihr Prinzip der Zerstörung. Als Gegenmacht beschwor er jenes verborgene Reich, das "auf unsichtbarem Grund" errichtet ist.

Mit dem Band "Su fondamenti invisibili" von 1971 setzt die Auswahl ein, die Guido Schmidlin für die Edition Akzente übersetzt hat. "Auf unsichtbarem Grunde" reicht mit etwa hundert Gedichten in Luzis Spätwerk. Schmidlin war lange mit Luzi befreundet, und so ist dieser Band ein Vermächtnis beider. Mario Luzi war kein Heiliger, sondern ein weltzugewandter Dichter. Doch seine Absage an Gewalt, an Konvention und Mode war absolut. Er hasste die Gewalttätigkeit des modernen Staates und der modernen Zivilisation und hielt den Markt für etwas, das alles zu nichts entwertet. Er spottete in den Sechzigern über die kaugummikauenden Genossen, die ihn vor die Alternative "rette Dich" oder "gehe unter" stellen wollten. Er setzte auf den fundamentalen Schriftsteller, "der vielleicht das ganze Leben darauf verwendet, ein Buch zu schreiben". Luzi war selbst solch ein Autor, ein Poet im Sinne Mallarmés.

Die Buchtitel, die Schmidlins Auswahl zugrunde liegen, zeigen etwas von der fast heiligen Strenge seiner Intentionen: "In der Schärfe der Entzweiung", "Themen und Motive eines heiligen Gesangs" und - versöhnlich-milde - "Ein Rosenstrauß". Der wohl bezeichnendste Titel ist "Für die Taufe unseres Stückwerks": "Taufen heißt Benennen. Darin ist Bewegung", schreibt Schmidlin und hebt einige der Naturbilder Luzis heraus, darunter die Forelle, "die mit ihrem Schwung und Sprung die Stromschnelle überwindet". Er hätte auch an Montales berühmtes Gedicht "L'anguilla", der Aal, erinnern können, das die Lebenskraft und die Gemeinschaft allen Lebens feiert.

Ähnlich Mario Luzi. Montale liebte das Meer, Luzi die Flüsse. In seinem Zyklus "Il corso dei fiumi" (Der Lauf der Flüsse) gibt es die prägnanteste Formel für seine Dichtung: "Das Leben wird geboren zum Leben, / das ist das Ereignis, das / ist seine einzige Wahrheit." Diese Wahrheit hält uns der immer noch zu wenig bekannte Mario Luzi in seinen großangelegten nüchtern-hymnischen Gedichten vor Augen.

HARALD HARTUNG

Mario Luzi: "Auf unsichtbarem Grunde". Gedichte.

Italienisch/Deutsch. Auswahl, Übersetzung und Nachwort von Guido Schmidlin. Hanser Verlag, München 2010. 328 S., geb., 19,10 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Als echte Gelegenheit, einen großen Dichter der italienischen Moderne kennenzulernen, preist der Lyriker Jan Wagner diese von Guido Schmidlin herausgegebene Sammlung mit Texten aus der mittleren bis späten Schaffensphase des einst dem "Ermetismo" nahestehenden Dichters Mario Luzi. Den mitunter allzu feierlich erscheinenden Ton der Texte, hängt Wagner nach Überprüfung des mitabgedruckten Originals der Übersetzung an. Dass der eigentlich offenere Ton, die direkte Sprache des hier gezeigten Werkabschnitts so eher antiquiert wirkt, gefällt ihm nicht so gut.

© Perlentaucher Medien GmbH