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Das Salz, sagt Peter Handke, gehört wie die Liebe, der Zorn oder der Wahnsinn zu den Wörtern, "mit denen die großen alten Geschichten erzählt wurden und ohne die es keine Geschichten gibt". Um solche großen Geschichten geht es in diesem Buch: In fünf thematischen Kapiteln - Natursalze, Glaubenssalze, Sprachsalze, Körpersalze und Beziehungssalze - verfolgt Thomas Strässle die Spur, die das weiße Gold durch die Literaturgeschichte zieht - von den Anfängen bis in die Gegenwart: vom Alten Testament bis Paul Celan, von Homer bis Dürrenmatt, von Cicero bis Peter Weiss. Dabei zeigt sich ein…mehr

Produktbeschreibung
Das Salz, sagt Peter Handke, gehört wie die Liebe, der Zorn oder der Wahnsinn zu den Wörtern, "mit denen die großen alten Geschichten erzählt wurden und ohne die es keine Geschichten gibt". Um solche großen Geschichten geht es in diesem Buch: In fünf thematischen Kapiteln - Natursalze, Glaubenssalze, Sprachsalze, Körpersalze und Beziehungssalze - verfolgt Thomas Strässle die Spur, die das weiße Gold durch die Literaturgeschichte zieht - von den Anfängen bis in die Gegenwart: vom Alten Testament bis Paul Celan, von Homer bis Dürrenmatt, von Cicero bis Peter Weiss. Dabei zeigt sich ein unerhörter Reichtum an Bedeutungen, die die literarischen Texte dem elementaren Stoff zuschreiben.
Autorenporträt
Thomas Strässle, geboren 1972 in Baden (CH), ist Professor für Literaturwissenschaft an der Universität Zürich und leitet an der Hochschule der Künste Bern das transdisziplinäre Y Institut. Außerdem ist er ausgebildeter Konzertflötist. Er lebt in Zürich. Bei Hanser erschien zuletzt: Gelassenheit. über eine andere Haltung zur Welt (2013).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.02.2010

Prinzessin Mäusehaut und ihr Liebstes
Das „Salz” von Thomas Strässle: Ein ebenso gelehrtes wie fesselndes Buch über einen unscheinbaren Stoff
Am Anfang war das Wort – oder war es nicht doch das Salz? Wer das dicke Buch mit dem Titel „Salz” von Thomas Strässle gelesen hat, wird eine solche Frage nicht absurd finden. Er hat das Salz als Chiffre lesen gelernt, zahlreiche Semantiken des Salzes entdeckt und fühlt sich berufen, nach weiteren Lesbarkeiten des Salzes zu suchen ... Wie wär’s mit Gorleben? Ewig lange schon liegt dort das Salz und rührt sich nicht, da besteht doch Hoffnung, dass es auch ewig lange so liegen bleiben wird? Ein „Endlager” rührt an die Lehre von den letzten Dingen, Gorleben ist Eschatologie – und wäre ein weiteres Beispiel für das, worum es in diesem Buch gehen soll: „Um Lektüren des Salzes in der Offenheit seiner Zuschreibungsmöglichkeiten.”
Das Buch ist also keine Kulturgeschichte des Salzes, wenn es auch ausgiebig und dankbar auf neuere und ältere Forschungen dieses Typs zurückgreift. Es nennt sich selber im Untertitel etwas kühn „Eine Literaturgeschichte”. Das hindert den Autor aber nicht daran, seine Leser zuerst einmal resolut mit hineinzunehmen in seine Lektüre von zwei Grimmschen Märchen, von denen das erste das bekanntere ist: Prinzessin Mäusehaut antwortet ihrem königlichen Vater, dass sie ihn lieber habe als das Salz, und er straft sie für diese vermeintliche Beleidigung. Dasselbe geschieht in „Die Gänsehirtin am Brunnen” jener Prinzessin, die geantwortet hat, „den Vater so lieb wie Salz” zu haben. In beiden Märchen kann der König die Antwort der Prinzessin nicht „lesen”. Die Erzählung macht klar, dass es in dem einen Märchen um einen ambivalenten Wert, in dem anderen um übertragene Bedeutungen geht, wofür das Salz jeweils als Motiv den fruchtbaren Anlass bietet. „Solchen poetischen und poetologischen Verfahren einer Modellierung des Salzes zu einer Chiffre, die in ihrer Lesbarkeit verhandelbar ist, gilt das besondere Interesse der vorliegenden Studie.”
Was da im einzelnen chiffriert und modelliert wird, scheint sehr offen zu sein, denn „die symbolische Ordnung des Salzes besitzt weder Zentrum noch Grenze, weder historische noch strukturale Konstanten”. Darum ist das Buch nicht chronologisch aufgebaut, sondern orientiert sich an einigen Begriffen: Natursalze, Glaubenssalze, Sprachsalze, Körpersalze, Beziehungssalze.
Wozu Lots Weib erstarrt
Natur- und Körpersalze könnten allenfalls noch als Stoff verstanden werden - sie sind aber nicht so gemeint, denn auch bei den Natursalzen geht es um „Aufschreibesysteme”, geographische bei Plinius d. Ä. , alchemistische bei Paracelsus, geschlechtliche bei Johann Thölde, geometrische bei René Descartes, physiognomische bei Abraham Gottlob Werner, Georg Christoph Lichtenberg und Johann Caspar Lavater . Auch „Körpersalze” besitzen ihr Pendant in der Welt der Stoffe, aber Blutsalz, Schweiß, Tränen und Urin interessieren uns hier mehr, weil sie gesättigt sind mit Bedeutungen, die sich von Homer bis Grünbein, von Plutarch bis Celan, von Glauser bis Benoîte Groult aufsuchen lassen.
Die Aufzählung der Namen möge daran erinnern, dass dies eine Habilitationsschrift der Universität Zürich war. Das Buch hat auch hundert Seiten Anmerkungen, davon viele sehr lesenswerte und weiterführende, eine ausführliche Bibliographie und ein Namenregister. Es gehört zu den Gattungsmerkmalen eines solchen Werks, die Gelehrsamkeit des Autors zu dokumentieren. Dass diese Gelehrsamkeit nie zum Selbstzweck wird, dass der Autor nie damit protzt, verdient eine besondere Erwähnung. Das umfangreichste und wohl auch das am tiefsten schürfende ist das Kapitel „Glaubenssalze”, denn es berührt jenen Punkt, dem das Motiv jedenfalls in der abendländischen Kultur seine unerschöpfliche Produktivität verdankt: die Verbindung zur Bibel und zur christlichen Religion, also zu Lots Weib, die zur Salzsäule erstarrt, und vor allem zu Jesus, der gepredigt hat: „Ihr seid das Salz der Erde”. Ein langer Abschnitt behandelt dazu Grimmelshausens Simplicissimus mit einer „Eschatologie des Salzes”, ein anderer ist dem Philosophen Johann Georg Hamann mit einer „Metakritik des Salzes”gewidmet.
Thomas Strässle schreibt offensichtlich nicht für Gutachter akademischer Gremien, die allein von Amts wegen nicht gern erklärt bekommen möchten, was sie schon wissen (oder wissen müssten). Er scheint an Leser zu denken, die dankbar sind, wenn nicht zu viel vorausgesetzt wird. So zitiert er fast nie fremdsprachige Zitate, ohne sie zu übersetzen. Das ist nicht nur eine menschenfreundliche Geste, sondern ein Stück Interpretation, denn auch dem Kenner fremder Sprachen zeigt die Übersetzung, mit welchen Nuancen und in welchem Sinne der Autor hier seine Gewährsleute gelesen hat. Ganz ähnlich verfährt er bei der Textanalyse: wenn sie nicht zu lang sind, werden die Texte ausführlich zitiert, sonst gezielt nacherzählt. Die Erklärung selber ist oft eine interpretierende Paraphrase. Im akademischen Betrieb wird das nicht geschätzt – meistens zu Recht, wenn sich dahinter Begriffslosigkeit und Unverstand verstecken. Thomas Strässles Paraphrasieren destilliert dagegen die begriffliche Erkenntnis aus dem Text heraus und macht sie dadurch so überzeugend, dass man den Eindruck gewinnt, man hätte sie auch selber finden können: so gehen akademische Kompetenz und pädagogisches Talent Hand in Hand!
Was Missionare bewegt
Ein einziger kritischer Einwand drängt sich auf. Kurioserweise hat der Autor ihn schon in der ersten Fassung des Buches, also in der Habilitationsschrift von 2008, berücksichtigt, indem er als Untertitel wählte: „Poetiken eines Stoffs” und nicht „Eine Literaturgeschichte”. Dass die „symbolische Ordnung des Salzes” keine historischen Konstanten besitzt, bemerkt der Autor schon auf den ersten Seiten, und zum Schluss möchte er, nicht ohne Selbstironie, „das Panoptikum noch einmal vor Augen führen, das hier zu entwerfen und in (literarischen) Texten sichtbar zu machen versucht wurde.” Den Leser aber hat dieses Panoptische, dieses Auseinander der Motive und Beispiele nie gestört – zu viel Interessantes wird hier ausgebreitet, zu gut hier erzählt. Die versprochene Literaturgeschichte wird niemand vermissen. HANS-HERBERT RÄKEL
THOMAS STRÄSSLE: Salz – Eine Literaturgeschichte. Carl Hanser Verlag München 2009. 480 Seiten, 29,90 Euro.
So prosaisch seine Gewinnung auch ist – hier um 1908 in Kalifornien –, es schlummern Poetiken im Salz. Foto: ullstein bild /George Grantham
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Großes Lob für diese als Habilschrift getarnte, aber ganz und gar leserfreundliche Semantik des Salzes, so versichert uns jedenfalls ein begeisterter Hans-Herbert Räkel. Was genau Thomas Strässles Buch darstellt, wenn schon nicht die versprochene Literaturgeschichte des Salzes, dies aufgrund mangelnder historischer Konstanten in Sachen Salz, so der Rezensent -  was es darstellt, erschließt sich Räkel langsam, doch gewaltig (nein, auch keine Kulturgeschichte der Speisewürze!). Am Ende vermag Räkel nicht nur das Salz als Chiffre zu lesen, poetische und poetologische Verfahren seiner Modellierung zu dechiffrieren, mit Hilfe des angebotenen Forschungskatalogs, 100 Seiten Anmerkungen, Bibliografie und Namensregister erster Güte gelingt es dem Rezensenten auch, begriffsorientiert (Natursalze, Glaubenssalze, Sprachsalze, Körpersalze etc.) bei Plinius, Durs Grünbein oder bei Lots Weib nachzuschlagen, wie die es mit dem Salz halten. Und das Tollste für Räkel ist: Strässles erstaunliche Gelehrsamkeit geht ihm nie auf den Senkel, sondern bleibt menschenfreundlich und auf nachvollziehbare begriffliche Erkenntnis ausgelegt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Faszinierende Literaturgeschichte." Hendrik Werner, Rheinischer Merkur, 19.11.09

"Eine originelle wie anspruchsvolle Lektüre über die poetischen Potentiale von Natriumchlorid." books, 12/09

"Ein ebenso gelehrtes wie fesselndes Buch über einen unscheinbaren Stoff." Hans-Herbert Räkel, Süddeutsche Zeitung, 05.02.10